Sonntag, 25. Desember 1927.
Bette
' s Weihnachtsmannerl erzählt Geschichten
von luftigen Höhen, verschneiten Hütten und fleißigen Menschen.
Borweihnachts abend gierig auf das Manuskript, das seine drolligen
in der Großstadt. Kleine Antworten festhalten und dann schivarz auf meik so traurig?" Schneefloden haschen und jagen gedrudt unter die Leute bringen soll. Hören wir
und fallen dann müde zur Erde. Tausendmal wiederholt sich in
,, Aus'n Arzgebarch"
,, San Sic Icicht a aus'n Arzgebarch?"
hellerleuchteten Geschäftsstraßen flutet, zicht und fragt gleich: achtlos daran vorbei. Alle Augen sind von dem wechselnden Bild der Schaufenster gebannt, die einander an Glanz und schillernder Bracht überbieten. Rote, grüne, blaue Licht- Auf reflamen leuchten auf, fünstliche Blitze zucken die Häuserwände hernieder und dieses stumme und doch so laute Jahrmarktsgeschrei der Handels
Sie! Raufen Sie Weihnachtsgeschenke! Wählen Sie aus! Bielleicht ein Armband oder eine Berlentette gefällig? Oder das neueste Seidenmuster aus Lyon ? Oder Teppiche aus Smyrna? Oder ein Belzmantel aus echtem Alaskafuchs? Oder ein Radioapparat für den Jungen? Bitte sehr, für alle europäischen Stationen! Hier ist feinste Wäsche zu haben, dort bekommen Sie Bücher, Bilder, Bronzefiguren, ein Haus weiter die zar teften Deden und Spitzen! Ach so, Stinderspielfachen wünschen die Herrschaften? Bemühen Sie jich nur um die Ede, zu dem großen Spielwarenhaus, dort führt man das größte und fleinste in jeder Qualität, in jeder Preislage bitte!"
die verneinende Auskunft ist er enttäuscht. ,, Sic tenn leicht gornich s' Arzgebarch?"
Aus Furcht, daß das Männlein bei einem zeughandlung zurückkehren werde, mußte sich der Besiger nun als Erzgebirgspilger ausgeben und berichten, er wäre schon in Sunnabarch, Boßbarch, Kupferbarch, Katrinabarch gewesen. Bei der letzten Benennung machte das Männchen einen Luftsprung, wie jeder andere Erzgebirgler, der in der Welt draußen den Namen feines Heimatsort hört und rief:
2. Frage: Waren denn Ihre Erfahrungen| ginge. Manche sind aber mitschul dig an den schlechten Zeiten, weil ein letztesmal durch die kalte Luft also, was das Weihnachtsmännlein zu erzählen ist ja für die Menschen blog ,, e in Artikel", aus Heute möchten sich freilich viele Antwort: A- du- lieber- Gott- ja! Unsereiner sie es selber so gewollt haben. hat. grellen Lichtschein diefos fleine wortet er recht freundlich und mit singendem statt als Brobestid ausgestellt war, da kriegte id reißen. Das mußt nichts, nächstesmal müssen sie's Auf die erste Frage, woher er fomme, ant wie ich mal richtig troden und zuerst in der Wert risch oder christlichsozial geipählt dem sie Geld herausschinden wollen! Wissen Sie, von denen, die letztesmal agrahoben, vor erger die Haare ausSchauspiel von Lust und Tod der flimmernden Tonfall: Sternchen. Der Wenschenstrom, der durch die richtigen Einblick. Jeden Augenblick hat mich ebent beffer treffen. Wissen Sie, den Leuten fehlt der Herr Meister den Fremden gezeigt und gehalt die richtige Aufflärung. Deswegen daß sagt:„ Das ist mein Muster". Gut, denk ich mir, ich jetzt zunt Schluß die Wahrheit sag- bin ich cin Muster ist was besseres. Auf einmal wären mir bald die Augen übergegangen vor Schred, ja von dort oben davongelaufen, weil ich nich: wie ich sehe, daß noch Hunderte meinesgleichen mehr anschauen konnte, wie geduldig die Erzgebirgler stillhalten, wenn ihnen die Großen die gemacht werden. Die reinste Massenfabrikation! Rönnen Sie sich vorstellen, wie so ein Weihnachts- aut übern Rüden ziehn. Wenn sich das einmal rasch ertlären. Da jiten ein paar Mädel den wegen der gesunden Luft, die auf den Höhen mann erschaffen wird? Nun, das will ich Ihnen bessern sollt, geh ich gan; gern wieder hinauf, straße brüllt jeden Vorübergehenden an: Kaufen nochmaligen Nein" entlaufen und in die Spiel Tisch entlang und pasen mit einem Teig herum streicht und weil es bekanntlich noch fein richtiger Atturat so, wie der Herrgott den Adam erschuf, Erzgebirgler lang in der Fremde ausgehalten nur daß sie statt Lehm Papiermaschee nehmen und Formen benüßen, damit die fertigen Ge schöpfe ihrem Vorbilde mehr ähnlich sehen, als dic Menschen. So werden die vordere und die hintere Sälfte extra gemacht und dann fest zusammengeklebt. Die fertigen Figuren werden braun angestrichen und auf Troden- Bretter gestellt, die über dem Ofen hängen. Der Sohn des Hauses streicht inzwischen die Köpfe an und macht mit dem Pinsel die Augen schwarz, Naje und Wangen rot. Fröh ich lachend liegen vor ihm die Köpfe auf einem Haufen beisammen, denn fic wiffen noch nicht, wie hart fic das Leben aufeinanderschlagen wird. Inzwischen schneidet der Serr Meister die Mäntel meisterin näht fie auf und Kapuzen zu, Frau der Nähmaschine zusam men und che man sich bersicht, ist wieder einer bon meinen Kollegen ausstaffiert ut. reifefertig. Sehr schön, sagen Sie? Ja, aber wie fomme ich dazu, bas Muster zu sein für Hunderte solcher Gefellen, die sich in der Welt herumtreiben? Rönnen Sie sich überhaupt borstellen, was das für cin Hundeleben ist,
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Weihnachtsfreuden en gros und en detail werden in der Großstadt feilgeboten für alle, die da Geld haben und guten Willens sind zu
laufen.
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,, Vu dort bin ich jo har!" Und jetzt sprudelte der Strom seiner Bered. famkeit. Wie der Herr denn da hinauf gefommen sei? Bu Fuß oder mit dem neuen Omnibus, der von Brüg nach Brandau fährt? Ob ihn bei Nickelsdorf nicht der Wind davongetragen hätte? b ihm auch die Ohren abgefroren wären, wie den Stiläufern, die am letzten Sonntag im Erz gebirge waren?( Letztere Nachricht hatte er auf der Reise nach Brag gehört, als er burdy die Solzwolle seiner Stifte die Mitfahrer belauschte.) Er fei froh, daß er bei dieser Sautälte nicht mehr Sinter den riesigen Glasfenstern des Spiel- auf dem Gebirgstamm oben sei, denn durch das wvarenhauses loden Berge von Dingen, alle er- Säusl, wo er gulegt wohnte, hätte der eisige Wind dacht und gemacht, Seinderherzen zu erfreuen. durch und durch gepfiffen, so daß die Maße bald Buppen und Bären, Pferde, Lämmchen, Pudel, in der Ofenröhre erfroren wäre... Solcherart Stlaviere, Trompeten, Wagen, Autos, Eisenbah- plauderte der Gast auf dem Schreibtische munter nen, ganze Zimmereinrichtungen, ganze Häuser, weiter, ohne zu bedenken, daß nur Sachen in die ganze Ortschaften warten auf die Glüdlichen, für Zeitung fommen dürfen, die die Deffentlichkeit die sie bestimmt sind. Doch, sich da! Unter den interessieren. Es blieb also nichts anderes übrig, viclen fremden und neuartigen Sachen ein Beals an ihn eine Reihe konkreter Fragen zu richfannter. Ein Weihnachtsmännchen mit weißem ten, wie sie die Reporter zuweilen an die großen Bart, rotem Mantel und roter Stapute, einem Staatsmänner stellen, wobei sie zumeist auch geflochtenen Gabenkorb auf dem Rüden, steht nichts gescheites erfahren.
Tpéth
bornübergebeugt und guckt mit durchdringenden
BING
1. Frage: Wie sind sie denn eigentlich auf
1.Pette
bloß ein Artikel" zu sein und den Menschen hat." Zufällig fiel der Blick des Weihnachtsmänn ewig zuzuschauen, wie sie mit uns nur Geschäft chens auf die Wanduhr, flugs hüpfte er davon machen? Mit einem Wort, ich hatte das Muster- und rief bei der Tür noch zurück: Jest hätte leben endlich dick und schmuggelte mich unter die ich beinahe vergessen, daß ich bei der Weihnachts Versandtvare, damit ich in die Welt hinaus- bescherung für arme Schulkinder Dienst machen tomme. Jest will ich mal richtige Weihnachten muß. Auf Wiedersehen!" mitmachen!"
Schon wollte der Ausreißer verschwinden und mußte rasch bei seinem purpurnen Aermel festgehalten werden, damit er noch über einiges Aufschluß gebe.
Man sollte es nicht glauben, was so ein klei nes Mannerl alles zu erzählen weiß. Und wenn erst die Puppen zu reden anfingen, die Spitzen und Stoffe und Bücher auf den Weihnachtstischen! Jedes Geschenkstück hat seinen eigenen 3. Frage: Wie schaut es denn heuer mit der Lebenslauf durchgemacht, jedes sah die Welt mit Spielwarenindustrie im Erzgebirge aus?"
geschrieben werden jollte: Alle Freude kommt von der Arbeit."
anderen Augen und begegnete den Menschen t ihren Freuden und Nöten. Sogar der geschmückte ,, Na, es könnte bißchen besser sein"- meinte der schon etwas ungeduldige Gast. Die Tannenbaum müßte bekennen, daß er nicht als armen Leut haben noch immer zu wenig Geld Naturgeschenk in die Stube kam, sondern sein Dasein auch den rauhen Händen verdankt, die den für Spielsachen und die Reichen kaufen uns zwald hegen und pflegen. Aus all diesen Geschich wenig ab. In Graslih drüben soll herich mehr ten wäre die große Wahrheit zu vernehmen, die zu tun sein, dort hatten sie große Bestellungen in goldenen Lettern über alle Weihnachtstische aus England und Amerika . Bei uns verdienen halt die Händler zuviel an jedem Stück und die Arbeiter zu wenig. Die Madeln, die bei den Leider werden an der Tafel des Lebens imMeistern arbeiten, bekommen meistens nur achtzig Heller für die Stund, höchstens aber eine Strone er noch die stillen Spender vergessen, die arm zwanzig. Wer fann, läuft darum ins Sächsische bleiben müssen, weil sie die Menschheit täglich mit ihren Werken beschenken. Im Erzgebirge hinüber und nimmt dort Arbeit au. In manchen broben haben viele Männer, Frauen, Mädel und Häusern müssen noch die Schultiuder mitarbeiten, aber nicht mehr so schlimm. wie in früheren Jungens wochenlang bis in die Nacht hinein Jahren. Sist auch eine richtige Pein für das gearbeitet, um die vielen, vielen Weihnachtsjunge Bolt, wenn es in der Stub' drinn hoden bestellungen pünktlich auszuführen, Alljährlich sollt beim schönsten Schneewetter. Bei uns find sein für die Weihnachtslinder aller Länder und mühen ſie ſich ab und wollen Freudenbringer ja oft die Hütten so tief verschneit, daß man gleich vom Schindeldach herunterrodeln kann. Durch die Fachschule, die wir im Ort haben, kann der junge Nachwuchs jest wenigstens lernen, wie man das Gewerbe ordentlich betreibt und sich später einmal das Brot leichter verdient. Die Schul' sollt viel besser besucht sein, denn der Berr Professor sagt, daß im Erzgebirge viel junge Talente sind fürs Schniten, Malen und Modellieren. Von dem Jungen, der in unserer Werkstatt die Köpfe malt, meint er, der könnte noch ein großer Stünstler werden, wenn er sich als Bildhauer ausbilden kann. Wär' auch schon Beit, daß die Erzgebirgler sich eine bessere Arbeit suchen, denn schlecht gegangen ist es ihnen schon genug."
Zonen wo bleibt ihrer Mühe Lohn. Das Weihnachtsmannerl hatte allen Grund, mit dieser ungerechten 2aftordnung unzufrieden zu sein, die die fleißigsten Menschenfinder am stiefmütterlichsten bedenkt. Viel leicht gelingt es ihm durch sein Geplander, die Jugend zum Nachdenfen über dieses Unrecht zu bringen.
fleinen Aeuglein durch die Scheiben auf das tolle diese Welt gekommen? Straßengewirr. Die Schneeflocken auf dem ManDas wüßte er ebensowenig, wie der wiß tel bezeugen, daß er sich noch nicht lange des warmen Quartiers erfreut. Das Gesichtchen ist voll begierige Frager, gab der Stnirps frech zur Autgespannter Neugierde, wie das eines Jungen, der wort. Üebrigens falle ihm garnicht ein, sich das zum erstenmal mit dem Eisenbahnzuge in die Dasein so schyver zu machen, wie viele andere weite Welt hinausfährt. Es hat den Anschein, als Erzgebirgler, die ununterbrochen über den Urob sich der gute kleine Gefelle hier einsam fühle sprung und das Ende aller Dinge nachgrübeln. und große Sehnsucht hätte, vor einem wohlge- enn es den Herrn gerade interessiere, fönne er innten Zuhörer fein Herz auszuschütten. Wer aber auch ein wenig von der Entwicklungsgefelber einmal fremd und allein Weihnachten in schichte der Weihnachtsmänner erzählen. Sie wij der Großstadt verlebte, kennt dieses Gefühl und fen doch( hier fuhr er hochdeutsch fort, denn der Jedem Kinde, das ant mag es nicht einmal einent fleinen weißbärtigen Erzgebirgsdialekt eignet sich nicht ganz für wisWeihnachtsabend freudig Buppenmann gönnen. Also holte der Betrachter, senschaftliche Vorträge), unser Lebenszwed ist Letzte Frage: Wie gehts denn den Erzge beglückt sein Geschenk in der zufällig ein Beitungsmann war, den Weih- erstens, den armen Leuten, die nichts besseres zu Empfang nimmt, sollte nachtsmann aus dem großen Geschäft heraus und tun haben, Arbeit zu verschaffen und zweitens bei nahm ihn mit nach Hause, in der Hoffnung von den Kindern die Illusion wachzuhalten, daß es birglern so im allgemeinen?" Dant der Nachfrage, nicht besonders gut. Die Ehrfurcht von den emsigen Händen einihm etwas Interessantes zu erfahren, was man noch immer gutmütige Geschöpfe gibt, die andern in der Weihnachtszeit den Zeitungslefern weiter was schenken und nichts dafür verlangen. Nach Alles beklagt sich über die Teuerung, über gepflanzt werden, die unermüdlich den Gabentisch dem Lachanfall, der ihn nach den letzten Worten die hohen Zölle auf Mehl und Erdäpfel, anderer decken, und der Wille, dereinst mitzuhelfen, den Streis der glücklichen Menschen durch schlechten schüttelte, fuhr der redselige Gast fort: Mir macht über schwere Steuern, über die 9 em So steht er nun frohgelaunt und mit lachen- man lein vor ein Umehr vor, ich hab die Verdienste kurz und gut, es wär' noch aus- redliche Mitarbeit zu erweitern. zuhalten, wenns den Leuten ein bißl besser dem Gesicht auf dem Schreibtisch und schaut neu- Wienschen kennen gelernt!
erzählen könnte.
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Wenzel Jatsch. Zeichnungen von Bili Rethi.