Freitag, 6. Jänner 1928.

Ein Unschuldiger hingerichtet! Wiederkehr der Schwarzen Listen.

Geständnis der Mörderin auf dem

Totenbette.

Berlin , 5. Jänner. Im Auftrage der deutschen Liga für Menschenrechte hat Rechts­anwalt Dr. Arthur Brandt an den Oberstaatss anvalt beim Landgericht Neustrelit den Antrag auf Wiederaufnahme der Straffache gegen den Arbeiter Jakubowski geftellt, der durch rechtsfräftiges Urteil des Schwurgerichtes Neu­Streliß im Jahre 1925 zum Tode verurteilt und hingerichtet worden war. Der Rechtsanwalt er flärt, daß die Großmutter des verstorbenen Ewald Nogens, dessen Tötung dem Verurteilten zur Last gelegt worden war, auf dem Totenbett aestanden habe, selbst das Kind umgebracht zu haben. Tann wäre Jakubowski unschuldig zum Tode verurteilt und hingerichtet worden.

zu spät!

Ein Todeskandidat erhängt sich vor der Begnadigung.

Stuttgart , 5. Jänner. Staatspräsident Ba ille hat gestern den wegen Mordes an dem Dienstmädchen Berta Lochmann in Stuttgart zum Tode verurteilten Monteur Johann Schüller von Rehlheim in Bayern zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Wie jetzt von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, hat sich Schüller heute nachts in seiner Zelle im Gerichtsgefängnis er­hängt.

Der Kongreß der sozialdemokratischen Parteien in der Zschechoslowakei.

Der Duch Casu", das Mährisch- Ostrauer Organ der tschechischen Sozialdemokratie, widmet dem kommenden Kongreß der sozialdemokratischen Parteien der Tschechoslowakei einen Leitartikel, in dem unter anderem ausgeführt wird:

Sicherlich wird dieser Kongreß zur Klärung der Situation beitragen. Schon im Juli des Vor­jahres haben sich die ersten Anzeichen der Not­wendigkeit der Zusammenarbeit gezeigt. Es war das gerade in der Zeit, da das Wiener Pflaster von Proletarierblut gerötet wurde und da under geßliche Kundgebungen des erregten Proletariats in Prag , Brünn und anderen Städten der Re­ publik veranstaltet wurden. Zu diesen Kundge­bungen tamen nicht nur tschechische, sondern auch korporativ die deutschen, polnischen, slowakischen und farpathorussischen Arbeiter. Damals hat in der denkwürdigen Kundgebung in Brünn der Vorsitzende der deutschen sozialdemokratischen Par tei, Abgeordneter Czech , erflärt daß wieder nach dreißig Jahren in Brünn der deutsche und tsche­chische Arbeiter zu einem gemeinsamen Protest gegen die Bürokratie der ausländischen Reaktion. zufammenkommen und daß diese Manifestations­tundgebung eine dauernde Ueberbrückung bis­heriger Gegenfäße in einer besonders gefährlichen Zeit ist, da sich auch die heimische tschechoslowati­sche Reaktion zu einem Beutelampf rüstet.

Nach diesen Vorfällen kommt in diesem Mo­nat und nach neunjährigem Bestehen der Republik ein proletarischer Kongreß aller Sozialdemokraten in der Tschechoslowakei zusammen. Den Delegier­ten aus Ostrau wird aufgetragen werden, diesen außerordentlichen Kongreß der Arbeitersolidarität, diesen bedeutenden Parteitag der Kraft und Energie freudigst zu begrüßen. Von uns kommen nach Prag die Vertreter dreier Völker und ihr Standpunkt zu der fünftigen gemeinsamen Arbeit wird selbstverständlich in die Wagschale fallen."

Ein Sprachenstreit im Oftrauer Ortsschulausschuß.

Jm Ostrauer Ortsschulausschuß ist es, wie ivir den Lidove Noviny" entnehmen. zu einem Streit um die Geschäftsordnung gekommen. Märisch- Ostrau hat nämlich nur einen Ortsschul ausschuß, der aus zehn Tschechen und fünf Deut­ schen zusammengefest ist. In einer Sitzung wurde nun dort gefordert, daß der Ortsschulausschuß den

Der Hauptverband der Industrie als soziale Zerrororganisation.

KRIS KARLSBAD des Deutschen Hauptverbandes der Industrie. Fernruf: 1063. Hauptstraße, Haus Passage.

Betrifft Streik bei Fa. wild. Verzeichnis der Strei kenden.

K.

Karlsbad, den 19. Juli 1927.

Geehrte firma,

In Ergänzung unseres gestrigen schreibens übersenden wir Ihnen in der Beilage ein Verzeichnis, das die an dem Streik bei der Firma I. David Wild, Königsberg , beteiligten Personen enthält und bitten un gefl.

Kenntnisnehme.

Beilage

Bochachtend

KREIS KARLSBAD

DES

DEUTSCHEN HAUPTVERBANDES DER INDUSTRIE DAS SEKRETARIAT:

I forget

KREIS KARLSBAD d. Deutschen Hauptverbandes d. Industrie.

Fernruf: 1063.

Betrifft

K.

Streik Wild, Königeberg a. Meinl's Enkel, Grünberg .

Hauptstraße, Haus Passago. Karlsbad . den 19. Okt.1927.

Geehrte Firma:

1.) Stroik bei der Firme 1. David Wild, Vigognespinneroi, Königsberg : Die genannte Firma, welche seit 16. Juli bestreikt war, hat die Arbeit wieder aufgenommen und zwar ohne jegliche Vereinbarung mit den Gewerkschaften, indem sich die Arbeiter- des Streikes über= drussig selbst wieder zur Neuaufnahme meldeten. Im folgenden geben wir die Namen der Arbeiter bekannt, deren Wiederaufnahme die genannte Firma ablehnt; Albert Johann, Königsberg

Albert Therese,

Albert Klara, Pochlowitz Bär Elsa,

Brandl Julie, Katzengrün Beck Karoline, Konigsberg Bauer Anna, Katzengrün Böhm Marie, Mariakulm Becher Rosa, Katzengrün Friedl Adam,

Fippl Marie, Königsberg Götzl Karl,

Görtl Anna, Katzengrün Gössl Marg., Königsberg Hackl Josef, Steinhof

Haupt Magd., Königsberg Kohl Emanuel, Mariakulm Kaiser Josef, Katzengrün Kohl Johanne, Pochlowitz Pecher Rudolf, Katzengrün Rull Merg..

Sommer Marie, Steinhof Sandner Berta, Katzengrun Scherbaum Anna, Mariskulm Schaffl Marg.. Katzengrün Schwager Marg., Königsberg Sohiller Marie, Mariakulm Scherbaum Anna, Königsberg Schneider Leni, Mariakulm Tost Anne. Königsberg .

2.) Der Streik bei der Firma A. Meinl's Enkel, Grunberg , geht vors läufig noch weiter, doch fand am 11.d.M. über Binladung der po litischen Bezirksverwaltung in Graslitz eine Aussprache zwischen unserem Verbande und der Union der Textilarbeiter in Graslita statt. Die Verhandlungen werden fortgesetzt.

Hochachtend

KREIS KARLSBAD

des Deutschen Hauptverbandes der Industrio Das Sekretariat. Dr. Horget,

Ergeht an alle Firmen mit Ausnahms d. Porzellanindustrie, an die Orts gruppen& Verbände.

Annäherung zwischen S. H. S. und Jialien?

Berlängerung des Freundschafts Berlängerung des Freundschafts­vertrages von 1924.

Belte S

Tages- Neuigkeiten.

,, Etwas Schlimmeres hätte wohl tanm tommen tönnen".

Im donnerstägigen Leitartikel der Bo­hemia", geschrieben von 2. W." aus Anlaß des Jubiläums des Prager deutschen Theaters, findet sich folgende Stelle, die wir als kleines, aber einprägsames Dokument sudetendeutschbür gerlichen Dichterdenkens der Arbeiterschaft nicht glauben vorenthalten dürfen:

Die sozialen Umschichtungen, die der Krieg heraufbeschwor, haben sich nur auf einem nicht allzu großen Gebiet des Weltkriegsschauplages völlig auswirken können, aber eine Gesellschaft, wie sie in Wien in der Glanzzeit des alten Burg­theaters, in dem Paris Balzacs, in dem viktoria nischen London und vor allem in Meineren Städ ten, nicht zulest in jenem Prag , das noch wenige Jahre vor dem Krieg auf den Graben stolzer war, als der Wiener auf den glanzvolleren Wiener Gra ben eine derartig in sich geschlossene, selbst­bewußte, wenigstens theoretisch, Seunst, kultur und Lebensgenuß beschirmende Ge­sellschaft gibt es nicht mehr. Die Stelle, die einst die Gesellschaft einnahm, ist leer; das Bolt nimmt sie nicht ein, weil seine Expansions­bestrebungen weiter reichen als seine sozialen Er­folge. Die fernere Entwidlung läßt sich nicht voraussehen; sie hält einstweilen bei der Proletarisierung des ehemalt. gen Bürgertums und Verbürger­lichung des Proletariats- etwas Schlimmeres hätte wohl kaum kommen können."

Herr 2. W. wird uns nicht böse sein, wenn wir ihn beim vollen Namen nennen: Ludwig Winder ist Schauspielrezensent der Bohemia" und, nebenbei oder hauptsächlich, Dichter. Eines seiner Stücke wurde sogar an besagtem Burgthea ter aufgeführter kann nichts dafür, wenn dies nach dessen Glanzzeit geschah. Dagegen ist er nicht ganz unschuldig daran, daß vor mehrerent Jahren dem großen Karl Straus in Prag so übel mitgespielt wurde. Das war immerhin ein paar Jahre nach dem Striege, also zu einer Zeit, wo die Stultur und Kunst beschirmende Gesell schaft" nicht mehr existierte und Herr Winder sic nicht zu ersetzen vermochte. Seit jener Zeit feit nen wir ihn näher. Aber so recht in der Tiefe feines Herzens und Geistes, dünft uns, haben wir ihn erst jetzt fennen gelernt.

Gewisse Herren sind über das falsche volts. wirtschaftlich- soziale ABC jener Zeit unmittelbar nach dem Umsturz nicht hinausgekommen, in der die ihrer Existenz nach absolut nicht der Bour geoisie angehörigen, wohl aber ihr dienenden Menschen in der Fülle der wel bewegenden Er­eignisse nur das Eine sahen, daß die Proletarisie rung gewisser Schichten mit Riesenschritten vor sich gehe, während vorübergehend die Ar­beiter ihre Löhne und ihr Lebensniveau etwas heben konnten. Bei diesem Gesichtspunkt für viele der einzige politische überhaupt sind sie geblieben. Man sieht die Welt durch die Brille schöngeistigen Schrifttums, womöglich unter vor­jichtigem Ausweichen vor allem wirklich Neuen auch hierin erlebt das Leben nur durch den Vorhang eines in der Hauptsache rückwärts ge­wendeten Theaters und so kommit man dazu, zu schreiben, daß die gegenwärtige Entwicklung durch die Proletarisierung des ehemaligen Bürgertums und die Verbürgerlichung des Proletariats ge­kennzeichnet sei. Weil Schleppträgerdienste für das Bürgertum ein paar hundert oder tausend Menschen nicht vor der Prole'arisierung schüßten, behauptet Ludwig Winder , das Bürgertum schlechtweg sei oder werde proletarisiert und er­klärt so den Verfall der Kunst! Und weil das Proletariat ein paar Menschenrechte hinzu er warb, die es aber noch nicht instand setzen, eine vollwertige neue Kultur an Stelle der untergehen­den bürgerlichen zu setzen, spricht er klagend von der Verbürgerlichung des Proletariats, wobei er es jedem überläß, diese Verbürgerlichung" mit wirtschaftlichem Aufschwung gleichzuseßen!"

Leben diese sudetendeutschen Schriftleiter und wegen Vorbereitung zum Hochberrat, Schriftsteller auf dem Mond? Sie reden von der deutschen Schulen auf ihre Eingaben deutsch ant­Sprengstoffverbrechen und unbefugten Waffenbe- allgemeinen Proletarisierung des Bürgertums, worte. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt, fibes zu verantworten. Bollmann war beschuldieweil dieses Reich'ümer auf Reichtümer häuft, dann aber erneuert und auch mit sieben zu sechs Orten zum Sturz der Republik aufgefordert, so- rend die Arbeiter nicht einmal genug verdienen, digt, im Jahre 1923/24 in Libtheen und anderen sie sprechen von unserer Verbürgerlichung, wäh Stimmen angenommen, weil mit den Deutschen die Kommunisten und tschechischen Sozialdemokra wie sich an Sprengstoffvergehen beteiligt zu haben. um menschenwürdig sich zu ernähren, zu fleiden, ten stimmten. Mit Bezug auf eine deutsche Be- Belgrad , 5. Jänner. Nach einer Meldung Bollmann bestreitet das; er will nur das Opfer zu wohnen! Wenn diese Herren nur ein einziges schwerde hat auch die politische Bezirksverwaltung der" Politika" aus Rom haben die in Belgrad seiner früheren Parte freunde ge- mal wenigstens beim Zeitunglesen ihren Blick in Mährisch- Ostrau entschieden, daß der Ostrauer geführten Berhandlungen über den zwischen worden sein. Im Jahre 1924 sei er Bezirksleiter über die Welt des Feuilletons erhüben, so wür­Ortsschulausschuß auf deutschen Eingaben deutsch Italien und Südslawien am 24. Jänner 1924 der Kommunistischen Partei in Libtheen und vom den sie in den Bürgerblättern Erstaunliches über antworten müsse. Dagegen hat nun der Vor- abgeschlossenen Patt von Rom , der unter März bis Juni 1924 sei er Mitglied des medien- die Dividendengewinne der Coupon­ſizendestellvertreter des Ostrauer Ortsschulaus- anderem einen Freundschaftsvertrag burgischen Landtags gewesen. Da er die un- schneider und in der Arbeiterpresse über die schusses, ein tschechischer Direktor, die Beschwerde beider Staaten enthält und dessen Kündigungsinnige Politik der KPD nicht mitgemacht Hungerlöhne der Arbeiter finden. Weiß bei­an die höhere Instanz eingereicht. In der Begrün- frift in diesem Monat abläuft, das Ergebnis ge- habe, habe man ihn vor ein Parteigericht stellen spielsweise Herr Winder, daß laut amtlicher Fest­bung wird gesagt, daß der Ortsschulrat eine Selbst habt, daß der Patt nicht gekündigt werde. wollen. Er sei dann von Mecklenburg nach San- ftellung eine halbe Million tschecho­verwaltungstörperschaft sei, daß daher für diesen Man sei sogar der Ansicht, daß die bisherigen nover verzogen und wäre agitatorisch erst für die slowakischer Arbeiter nicht einmal der§ 3 des Gesetzes über die Selbstverwaltungs- Unterredungen die weitere Entwicklung der füd- Welfische, später für die Deutsch - Hannovera- zehn Kronen im Tag verdient, daß förper gelten und eine doppelsprachige Amtierung ilawisch italienischen Beziehungen nische Partei bis zum Jahre 1927 tätig gewesen. etwa eine weitere Million mit fech= nicht notwendig sei, auch wenn im Bezirk mehr günstig beeinflussen werden. Es sei möglich, Bollmann ist in den lezten Jahren wiederholtig bis hundertzwanzig Kronen in als 20 Prozent deutsche Einwohner sind. In der daß die zwischen dem südslawischen Außenmini- vorbestraft, zuletzt mit 4 Jahren 6 Mona- Ber Woche auskommen muß und daß ins­Sigung des Ortsschulausschusses nun beautragte ster Dr. Marinkovic und dem italienischen Ge- ten Buchthaus wegen Meineid und anderen gesamt mehr als zwei Millionen nicht Direttor Sileny, der Ortsschulausschuß möge diese fandten Bobrero geführten Berhandlungen weit- Straftaten. Die geladenen Zeugen alles che einmal das staatlich berechnete Exi­Beschwerde einreichen, wogegen sich mit aller Ent gehende Bedeutung haben werden. Poft- malige Anhänger Bollmanns, belasteten den An- ste uz minimum verdienen?! Und dabei sind schiedenheit Genosse Dr. Wilhelm Haas wandte. tive Ergebnisse sollen erzielt worden sein, wes geklagten aufs schwerste. B. habe von den Waffen- diese Fakten nur ein Tausendstel von dem, was Nach einer erregten Auseinandersetzung gingen die halb es nicht ausgeschlossen sei, daß zwischen lagern gewußt und sei militärischer Leiter der über die proletarische Not von heute zu sagen ist. tschechischen Mitglieder aus der Sibung weg, so Mussolini und Marinkovic in naher Stommunistischen Partei in Mecklenburg gewesen. Wahrlich, eine herrliche Verbürgerlichung! Und Das Gericht verurteilte B. wegen Vergehen wenn man Lurus und Wohlleben auf der andern daß der Ortsschulausschuß beschlußunfähig wurde. Zukunft eine 3usammenkunft stattfinden nach§ 7, Abs. 4 und 5 des Republitschutzgesetzes, Seite dazuhält, dann darf man sagen: two as Sprengstoffverbrechen und Vorbereitung zum Schlimmeres hätte wohl kaum tom­Hochverrat zu ein Jahr Zuchthaus und men können." 150 Mart Geldstrafe.

Weitere Autonomiftenverhaftungen.

Paris , 5. Jänner. Einer Meldung der Agence Havas aus Straßburg zufolge wurden gestern zwei weitere Autonomisten verhaftet. Eine dritte Person wird steckbrieflich verfolgt.

werde.

Ein feiner Kommunist. Leipzig , 4. Jänner. ( Eig. Drahtber.) Der Gütermaller und frühere kommunistische Land tagsabgeordnete Willi Bollmann aus Lib; in Medlenburg hatte sich in zweitägiger Verhand lung vor dem 4. Straffenat des Reichsgerichtes

Genossen!

Traget bei jeder Gelegenheit Euer Parteiabzeichen!

Vom Standpunkt derer aber, die der Boura geoisie mit dem Worte dienen, liegen, scheint uns, die Dinge doch nicht gar so schlimm, wenn jene auch den Platz der ehrwürdigen Gesellschaft" noch nicht ganz oder nicht mehr ganz ausgefüllt

fchen. Da läßt sich's, wenn man nur die Augen