Samstag, 14. Jänner 1928
Ueber den Preßnitzer Paß.
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In den Radspuren der wirtschaftlichen und sozialen Erzgebirgsentwicklung.
Mühjam feucht der Weiperter Personenzug,| Schmiedeberg waren seit dem 14. Jahrhundert| vertrieben, die auch die Aufträge entgegennimmt| Unterstützung der Eltern in die Heimat flossen, nachdem er die erste Station hinter Komotau ver- Eiſenſchmelzen in Tätigkeit. Der weitbekannte und die Löhne festsetzt. Die Verdienste der dabei waren nicht gering. Als Preßnitz im Jahre 1811 laffen hat, bergan. Der Rauch der Lokomotive Stupferhügel " bei Stupferberg trägt feinen Namen beschäftigten Männer, Frauen und Jugendlichen durch einen fatastrophalen Brand verwüstet wurde kämpft mit den schweren Nebelschwaden, die über seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. sind gering. Freilich sind auch die Fabriksarbei- in vier Stunden verbrannten 314 Säuserdie bewaldeten Erzgebirgshänge dahinziehen. In Weiperts Aufstieg datiert seit dem Jahre 1540, ter, die täglich fünf Stunden nach Stomotau laufen trugen die auf der Wanderung befindlichen Ortsimmer höhere Regionen schlängelt sich der wo im Weichbild der Stadt reiche Silberadern oder diese Zeit auf den Bahnhöfen verwarten finder mit erheblichen Beträgen zum WiederaufSchienenstrang und bald eröffnen sich prächtge entdeckt wurden. Der Ortsteil Neugeschret müssen und von den durchschnittlich 180 Stronen bau bet. Die Geldsummen, welche von den herumAusblicke, auf schweigfame Waldtäler, auf die soll seinen Namen von dem großen Gefchrei betragenden Wochenverdienst ein Drittel für ziehenden Kapellen nach Preßniß zurückflossen, Induſtrieovte des Komotauer Bezirkes, in die haben, das sich weithin verbreitete, als im Jahre Fahrt und Zehrung ausgeben, nicht besser daran. werden von Dormiser und Schebek in weite fruchtbare Ebene des Saazer Landes. Dann ihrer Erzgebirgsbeschreibung 1856 auf 80.000 Guldrängt sich wieder eigenartige Gebirgslandſchaft den jährlich beziffert. Es waren auch nach den vor die Waggonfenster. Sonne bricht durch und Angaben der nämlichen Autoren im Jahre 1862 beleuchtet das weiß glitzernde Winterkleid weiter 255 Gesellschaften mit 661 Bersonen auf der Tour Wiesenflächen, zu denen die schwarzen Schindelin Europa und Asien . Manche Preßnißer Musis dächer der vielen kleinen Erzgebirgshäuschen und fantenmädel haben allerdings in der weiten Welt die tiefblauen Waldjäume einen fesselnden Konanstatt des erhofften Glücks ein trauriges Ende trast bilden. Der Zug hat bereits die größte gefunden. Einige Gruppen, die bei Kriegsausbruch Steigung überwunden und braust mit dem im Feindesland oder am anderen Ende des PlaSamimwind um die Wette über die frostige Hochneten überrascht wurden, blieben gänzlich verebene. Aber noch immer sind ausgedehnte Dorfschollen. Der Weltkrieg hat auch den Weltwande Schaften seine Begleiter, alte Städtenamen flingen rungen der Erzgebirgsmujifanten für immer ein bei Ausrufung der Stationen auf, auf jeder Ende gemacht. Nur noch einige Damenkapellen Haltestelle reges Menschengewimmel- wo bleibt bereisen Deutschland und die Tschechoslowakei . Der die majestätische Bergeseinsamfeit? Diese Frage in der Preßniver Musikschule ausgebildete Nacherhebt der fremde Wanderer, der in den Alpen wuchs sucht bei modernen Theater und Konzertauf solchen Höhen nur noch weltverlorene Bauern fapellen Unterschlupf. Einige alte Leute, die sonst gehöfte und Sennhütten anzutreffen gewohnt ist. feinen Erwerb mehr finden, ziehen mit ihren Ein Blick in die soziale Vorgeschichte des LandHarfen und Fiedeln in den Gasthäusern der näch striches löst das Rätsel: Wir folgen den sten Umgebung herum und bilden den letzten Spuren eines uralten länder- und Ueberrest der alten Wandermusikantenzunft. Preßvölkerverbindenden Verkehrswe. nitz, die einstmals reiche Berg und Zollstadt, ver ges. Ueber den Preßnißer Paß vollzog sich mutlich die älteste Erzgebirgsfiedlung, liegt heute jahrhundertelang der Handel zwischen dem böh einsam und traurig da und zehrt von seiner reichen mischen und den mitteldeutschen Landen und deren Geschichte und von dem mageren Gebirgsboden Sauptorten Prag und Leipzig . Von der historiseiner Gemarkungen. schen Egerflußfefte Raaden ausgehend, zogen sich die Radspuren über Brunnersdorf, Seralupp bergwärts gegen Preßnitz, dann weiter über Weipert nach Chemniß und ins Meißnische hinein. Nicht immer war die Söhenstraße von den Wagenzügen friedlicher Kaufleute belebt, denn der Preßniver Paß genoß in Striegszeiten als Ausfalls und Einfallstor nach Böhmen und Sachfen eine traurige Beliebt heit. Auf diesem Gebirgsübergang verfolgten die Suffiten die geschlagenen Sachsen , führten im 30jährigen Striege Báner, Brandenstein, Torstenjohn ihre Schwedenheere, Wallenstein und Leopold die kaiserlichen Truppen, um die Wette sen gend, plündernd und den Wohlstand der Bergstädte vernichtend. Auch im siebenjährigen und im bayerischen Erbfolgekrieg und in den napo Leonischen Striegen war der Preßnitzer Baß Geer ftraße für Freund und Feind.
Doch all die vielfältige Striegsnot, die sich durch die Breznißer Landespforte über die schick. falsbedrängte Grenzbevölkerung ergoß. konnte die Spuren rastlosen Menschenfleißes nicht ganz verwischen, der in der Blütezeit des Bergbaues hier fegensvoll waltete. Siedlungsnamen, wie Stupfer berg, Schmiedeberg, Christofhammer, erzählen
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Neudorfer Klöppelmädchen bei der Arbeit.
Die in unmittelbarer Nachbarschaft siedelnden Reischdörfer sind ein bewegliches Handelsvolf. Mit ihren Kragen und Huden beladen ſtreifen sie über den Gebirgskamm bis in die Bauern dörfer des Flachlandes hinab. Jhre Spezialität ist der Grünzeughandel, und mancher Reischdorfer, der früher freuzerweise Krenivurzeln und Zwie beln verhandelte, sist heute in Chemnitz Leipzig oder Plauen unter den angesehenen Kaufleuten. Auf die Reischdörfer trifft am chesten der gut mütige Spottvers zu, der in der Gegend gerne gefungen wird Ich un mei junge Fra Stunna schee tanzen, 1550 beim Sturz einer Tanne ein Erzgeschub] In Sebastiansberg und besonders im benachbar Sie mitn Klüppelsad entdeckt wurde, welches 80 Mlarf Silber enthielt. ten Neudorf wird auch die Spitzenklöppelei Ich mitn Ranzen. 1583 waren um Preßuiz 26 Eisenhämmer im start betrieben. Seitdem die Annaberger Berg- Stupferberg sucht mit feinen historischen Betrieb. Anfang des 16. Jahrhunderts, zur herrnsgattin Barbara Uttmann im Jahre Kupferhügel", wo heute noch Malachithöhlen geZeit der Hochblüte des Bergbaues, beschäftigte 1561 die Klöppelfunft in das Erzgebirge ver- zeigt werden, den Touristenstrom in feine Mauern eine Schmelzhütte in Weipert allein 300 Arbetter. pflanzte, fißen tausende armer Frauen und Mäd zu lenken. Als Heimarbeit wird im Orte die LamIn der Werkehrslage und in der Wirtſchafts- chen den längsten Teil ihres Lebens beim Stlöp- penfrauzenerzeugung betrieben. Schmiedegeschichte liegt fonach die Erklärung für die un- peliad und versuchen mit flinker Ausdauer das berg, schon einigermaßen industrialisiert, be verhältnismäßig dichte Besiedlung und für den fehlende Brot zu verdienen. Wenn sich aber in heimatet wieder Perlenweber, Perlschlinger und Menschenüberflüß dieses Erzgebirgsdistriktes. Auf stundenweiter Entfernung in einer Fabrik Be- Posamentric- Heimarbeiterinnen. einer Wanderung über die Preßnißer Baßstraße schäftigung bietet, läßt die jüngere Weiblichkeit weber muß ein geduldiger Mensch sein, denn zu kann man aber auch erfahren, mit welch uner- den Klöppelfad im Stich, weil das jahrelange einer gemusterten Handtasche, wie sie meistens erschöpflicher Begabung u. Stubenhoden, auch wenn es mit der Erzählung zeugt werden, braucht er 40 bis 60.000 verschie Vielseitigkeit sich das ent von Liebesgeschichten und Gesang gewürzt wird, wurzelte Bergmannsvoif doch zum Sterben langweilig ist. dieser Höhen neue Daseinsgrundlagen zu zim
Berlweberlehrling in Schmiedeberg.
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mern versucht.
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denfarbige Perlen. Das Weberschifflein des kleinen Handwebstuhles hat leine Eile, denn nach jedem Schuß muß mit dem jogenannten„ Transpor teur" ein neuer Faden eingezogen werden. Jedes Die Preßnißer, die auf dem weiteren neue Muſter, dessen Vorbereitung oft ein halbes Paßweg anzutreffen sind, haben einen alten Ruf Jahr dauert, braucht andere Perlenfäden. Auf Sebastiansberg als wandernde Weltmusikanten. Zu Anfang des einer Tabelle wird genau vorgeschrieben, wieviel grüßt auf einsamer Höhe 19. Jahrhunderts hat es sich eingebürgert, I grüne, rote, blaue, weiße, silberne oder schwarze stolz in die Ferne. Raube daß Preßnitzer Mädels Stürme, die den größ- als Harfenspielerinnen ten Teil des Jahres her in die Fremde gingen. oben hausen, haben die Das Geld, welches sie niedrigen Häuschen ge- nach Hause sandten, und zwungen, um den schlan- die guten Partien, welche fen Stirchturm eng zusie manchmal draußen sammenzunisten. Bei machten, lockten zur großen Schneeverwehun Nachahmung. Die mujif gen sind sie manchmal liebenden Bergleute von bis zu den Staminen zu- Preßniß, Sonnenberg, gedeckt und zu den Haus- Gottesgab und Joa türen müssen ganze chimstal taten sich in Tunnels ausgeschaufelt Gruppen zusammen, um werden. Nur die Nähe in der weiten Welt als vielbegehrter Erzschätze Wandermusikanten ein hat die Menschen verlei. Durchfommen zu finden. tet, sich auf diesem unge. Besonders Damenfapelschüßten Höhenrüden an- len famten weit in Eurozujiedeln. Sebastians pa, Asien und Afrika berg ist schon lange eine berum, Konstantinopel , Bergstadt ohne Bergbau. Alexandrien , Athen , Seine Bewohnerschaft Bombay , Hongkong . Darmuß sich kümmerliches- salam, Wladivostot, durchschlagen. Vor dem Kasan , Nischni- NowgoStrieg war der Gänse- rod, Moskau und viele handel mit Deutschland andere Plätze suchten im Schwung. Hentzutage die Erzgebirgsmusikanten arbeitet die ärmere Be- auf, in dem Bestreben, völkerung teilweise teilweise in vor weißen, schwarzen,
von den Ruhmestaten schaffensfroher Geschlechter,[ einem nahen Torfftich, in der K or bflech gelben, braunen Völkervon derom arbeitserfüllten Dasein die Chroniken terei oder in den Komotauer Fabriken. schaften ihre Kunst in nur spärliche Stunde geben. Die Freiheiten, mit Mit der Einführung der Storbflechterei wurde Geld umzuseßen. Manche denen die Bewohner der alten Bergstädte Seba- vor allem versucht, einen neuen Erwerbs Kinder, die in Sonnenstiansberg, Sonnenberg, Kupferberg , Preßnig und zweig heimisch zu machen. Eine eigene Korb berg oder Preßnitz die Weipert in der Zeit der schmachvollsten Leib- flechtschule sorgt dafür, die Kunstfertigkeit Schule besuchten, wiesen eigenschaft ausgestattet wurden, zeugen von der der Storbflechter zu heben und sie über die je als Geburtsort irgend einstmaligen großen Wirtschaftsbedeutung des weiligen Modebedürfnisse zu unterrichten. Die eine exotische Hafenstadi wunderschön gearbeitete aus. Die Geldbeträge, Ueberfluß an aber wer schäftigung entweder als
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Gebietes. Bei Breßnitz wurde 1342 ein solcher Erzeugnisse zumeörbchen, Kassetten aus welche durch diese Be
und Stelle eine Münzstätte zur Prägung silber- feinem Bastgeflecht, Sandkörbchen usw. Her böhmischer Groschen errichtet wurde. In den durch eine Produktivgenossenschaft Sparpfennige oder zur
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