Samstag, 21. Jänner 1928.

Mit kan

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Könich mächt ich tauschn...

Wohin gehören die Erzgebirgslandwirte?

Of da Barch do is halt lustich, Of da Barch do is halt schi. Do scheint da Sonn en aller ersin, Scheint sa aa en längstn hie. Wu da Wälder hamlich rauschn, Wu da Haad su rötlich blüht. Mit fan Könich mächt ich tauschn, Weil do drubn mei Heist sticht. Erzgebirgslied voz. Günther.

Von der Endstation Ober- Wiesental, einer sächsischen Bimmelbahn, führt eine Straße

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Wenn das Glödl dreie länt' Glück auf! Glück auf!

und Hirschenstand revoltierten gegen die Partei hervorging. Wenn man die windschiefen| verdienen. Wie der Lohn wurde auch das ganze Getreideausfuhr nach Sachsen   und plünderten Hütten der Kammsiedlungen mit den gedrunge Arbeitsverhältnis einseitig von der Bergbehörde  Fuhrwerke, bis Militär eingriff und 21 Hunger- nen behäbigen Höfen der Agrardörfer des Flach bestimmt. Die Bergleute mußten schon um vier rebellen ins Brüger Kriminal beförderte. Aber landes vergleicht, so begreift man erst, wie not- Uhr früh in den Schacht einfahren. Aus dieser das war nur ein schwaches Vorspiel zu der wendig es ist, daß die kaum der Hungerkatastrophe Zeit stammt der nachstehende Spruch: Sungertragödie des Erzgebirgsvolfes im Welt des Weltkrieges entronnenen Erzgebirgler schon friege. Hungertyphus und Hungerödem beherrsch wieder die Hungersteuer der Getreidezölle zugun ten jahrelang dent dichtbevölkerten Gebirgsfamm, sten der reichen Rörndlagrarier bezahlen. für die Versorgung im Schleichhandel   fehlten Of da Barch do is halt Iustich..." Beziehungen, Tauschyvare und Geld. Heute noch fann man in den Industriebetrieben des Erz­gebirges in auffallender Zahl schwer zurückge- berges ist Bergstadt, Industriestadt und Kurort St. Joachimstal am Fuße des Keil bliebene junge Menschen treffen, die sich in ihren zugleich. Früher hieß der Ort Konradsgrün und Kindesjahren buchstäblich zu Strüppeln gehungert war nur von geringer Bedeutung. Gewaltige haben. Of da Barch do is halt Iustich.." Silberfunde am Beginn des sechzehnten Jahr

Gottesgab  , die höchstgelegene Stadt Mitteleuoropas.

Muß der Bergmann   aus dem Bet: Glüd auf! Glüd auf!

Frau und Kinder schlafen noch Glüd auf! Glück auf!

Und der Bergmann   muß nein ins Loch Glück auf! Glüd auf!

Ueber Einschreiten des Reichsratsabgeord hunderts hatten einen großen Menschenzustrom, neten Genossen Otto Glöckl ist dann der Are Aufschwung zur Stadt und eine wirtschaftliche beitsbeginn um 6 Uhr festgesetzt und auch die vier Hochblüte im Gefolge. Bald darauf wurden in zehntägige Lohnauszahlung eingeführt worden. St. Joachimstal 1200 Häuser, 914 gangbare Bechen, an 1000 Steiger und Schichtmeister sowie 8000 Bergknappen gezählt. Die mächtigen Verfolgt man die Waldstraße talwärts von Die mächtigen Gottesgab nach Joachimstal   an einem hellen Grafen Schlid übten das Münzrecht aus

und prägten filberne Joachimstaler, wovon sich Tage, so eröffnet sich ein weiter Ausblick auf das dann der Name Taler in die ganze Welt ver- Egerland  . Was aber an den Höhenrüden hinter breitete. Von diesem Grafengeichlecht aina vei- Joachims'al so ins Auge fällt, sind die seltsam fellos eine starke Förderung des erzgebirgischen gekrümmten Streifen der Gebirgsäder. So sieht Silberbergbaues in Joachimstal   und Umgebung die Erzgebirgslandschaft fast überall aus! Entiveder aus, daß die Schlics aber keine Volkswohltäter mehr oder weniger versumpftes Wiesengelände, waren, geht aus der geschichtlich überlieferten hängen hinaufwinden. Für den halben Ertrag des oder magere Gebirgsäderlein, die sich an den Ab­Tatsache hervor, daß ihre Burg Freudenstein im Jahre 1525 von aufständischen Bergknavven gepelte Arbeit leisten. Das Adern, Düngerführen, Flachlandbodens muß hier Mensch und Tier dop­stürmt und teilweise zerstört worden ist. In Ernten ist oft ein. wahre Quälerei. Und dabei kön Spelte Joachimstal wird auch gegenwärtig noch Berg­

bau in erheblichem Umfange, und zwar auf nen Hafer und Kartoffel, die allein in den höheren zwischen den beiden Erzgebirgsriesen, Keilberg   Weder sentimentaler Heimatsdusel kann die Uranpechblende betrieben. Von den Uranerzen Lagen gedeihen, an vielen Jahren gar nicht ans­und Fichtelberg, nach Gottesgab  , der höchst sozialen Grundfragen des Grenzgebirges lösen, werden für die Glas- und Porzellanfabriken reifen. Nicht selten wird die ganze Fechfung vom gelegenen Stadt Mitteleuropas  . An der Staats- noch der zunehmende Fremdenverkehr, Farbstoffe erzeugt. Aus den Rückständen diefes ersten Herbstschnee begraben. Wo im Vorgelände grenze trauert ein riesenhafter steingemauerter der nur geringe Arbeitsmöglichkeit bringt, dafür, Prozesses wird wiederum das kostbare Radium schon Korn gedeiht, sind die Landwirte an den Würfel um Vergangenes. Während des Krieges aber eine Verteuerung der Lebensverhältnisse gewonnen. Ein ganzer Waggon solcher Abfälle Fingern abzuzählen, die ihren eigenen Brotbedarf wurde dort ein Denkmal der deutsch   österreichi- und eine Preissteigerung der Baugründe im Ge- ergibt nach monatelanger Bearbeitung ein decken. Die Mehrheit der Erzgebirgslandwirte schen Waffenbrüderschaft begonnen. Nun steht folge hat. In Gottesgab   steht neben einemt fom- Gramm Radium. Der Radiumerzeugung empfinde bei der Beschaffung von Mehl und es unvollendet da, als steinerner Ueberreft der fortablen Berghotel mit Autogarage, Musiksalon, und seinen heilkräftigen Quellen verdankt Futtermittel die Laſt der Agrarzölle ebenso wie vergänglichen Schulter- an- Schulter"-Stimmung der Industrie und Heimarbeiter.

der

der Hurra Patrioten. Das Keilberg  - Fichtelberg­Gebiet ist als Eldorado der reichsdeutschen und tschechoslowakischen Touristen, namentlich Wintersportler bekannt. Der Touristenverkehr belebte auch wieder die sterbende Knappenſtadt Gottesgab  , die aus der kleinen Siedlung Win­ tersgrün   hervorgegangen ist und erst seit dem Jahre 1546 zu Böhmen   gehört. Gottes- Gabe nannten die frommen Bergleute den Ort, der Anfang des sechzehnten Jahrhunderts als reiche Fundstädte gediegenen Silbers bekannt wurde Gottes Gaben flossen aber immer spärlicher, und als nach dem Sterben des Silberbergbaues auch der im achtzehnten Jahrhundert betriebene Eisen erzbergbau aufhörte, fehrten Not und Ent­behrung in dem Städtlein mit dem bigotten Manne ein. Wie anderwärts suchten auch hier die Frauen mit Klöppeln, Nähen, Striden ihr Leben fortzufriften, indes die Männer als Musi fanten und Sausierer auf die Wanderschaft gingen. Auf unwirilicher Hochfläche, 1028 Meter dem Meeresspiegel, durch die Schneestürme des Winters oft tagelang von der Aukenwelt abge­schnitten und den Elementen preisgegeben, leb ten die tausend Einwohner von Gottesgab   in freiwilliger Verbannung.

über

Durchblick gegen die Höhen von St. Joachimstal.

Rete

Gottesgab   ist der Heimatsort des Volts­dichters Anton Günther  , der seinen Lands­leuten eine ganze Anzahl flangvoller tiefempfun­dener Heimatslieder geschenkt hat. Wu da Wälder hamlich rauschen" singt Gün­ther und verherrlicht die Bauch", die Luft, das Wasser, die Vöchela", Sonne und Sterla" Tanzdiele, Dampfheizung das minder bequem Joachimstal jeinen Aufschwung als Kurort. Bei jeiner Gebirgsheimat. Gegen diese Art von eingerichtete Armenhaus. Dort haust ein 20jäh- einer gemütlichen Raft in der Wohnung des alten Poesie, die im Volte viel Beifall findet, wäre riger lungenkranker Proletarierjunge in kabler, Parteiveteranen Proschte erfuhren wir auch nichts einzuwenden, wenn sie nicht so nebenher talter Stube allein. Ein Waisentind, hat er sich interessante Einzelheiten aus dem Leben der und zufällig die sozialen Tatsachen verwischen als Lehrling die Tuberkulose geholt. Notdürftig alten Joachimstaler Bergleute. In den Sieb­würde. Mit kan donich mächt ich tauschen" ausgeheilt, ging er wieder zu feinem Meister sigerjahren verdienten die lehrt Günther die Erzgebirgler fingen, und er zurüd und verschlimmerte sein Leiden bis zur Berglente nur 5-7 Gul weckt so vor der Welt den Eindruck, als ob sich Arbeitsunfähigkeit. Wäre er besserer Leute Kind, den monatlich. Es bestand seine Landsleute vor lauter Heimatbegeisterung so fönnte ihn vielleicht ein Aufenthalt im Süden damals die Uebung, daß schon längst das Essen abgewöhnt hätten. Denn retten, als elternloser Arbeiterjunge wartet er sich die Snappen einen so weit die leiblichen Nahrungsbedürfnisse in im Armenhaus des Heimatsortes auf den Tod. Bäder wählen konnten, Frage kommen, hat es schon öfter und nicht zu- Of da Barch do is halt Iustich..." wo sie Brot auf Vorschuß letzt im Weltfriege Zeiten gegeben, wo die Erz- Bei der Kartonnagenerzeugung verdienen bezogen; der dafür auf gebirgler nicht nur mit den Königen, sondern in Gottesgab   die Mädchen 70" Heller bis gelaufene Betrag wurde auch mit manchem Vettler gerne getauscht hät eine Serone pro Stunde. Noch weniger oder be- vom Lohn abgezogen. Oft­ten. Denn diese Gebirgsbewohner haben jede stimmt nicht mehr verdienen die Hausstriderin- mals ist der ganze Ver Hungersnot, die über Europa   oder unsere engere nen, Handschuhnäherinnen und Spizenklöpplerin dienst draufgegangen und Heimat hereinbrach, am längsten und am schwer- neu bei der Heimarbeit. Sie müssen so fleißig die Stnappen bekamen am sten mitgemacht. Bei ihnen, die auf die Ver- und so lange arbeiten, daß sie auf die Schönheiten Lohntage feinen luderten pflegung von außen angewiesen sind, stellte sich der Gebirgsheimat bald ganz vergessen. Mutter Kreuzer heraus. Genossin zuerst der Mungel ein. Schliman war es vor der und Tochter sigen nebeneinander Sommer und Proschke, die das zweit­Einbürgerung des Kartoffelbaues, wo zumeist Winter, Jahr für Jahr beim Klöppeljac und älteste Kind einer vier Strautstränke, Rüben, Kraut, Dorichen und im merken es gar nicht, daß sie Gefangene ihrer zehntöpfigen Bergmanns Sommer das Waldobst das Brot erieben mußten. Stube sind, daß ihr Leben inhetsleer verrinnt. familie war, kann sich er­Von den Notjahren 1770 und 1771( wo auch die Of da Barch do is halt lusti ch..." innern, daß der Lohn des Kartoffelvflanze im Erzgebirge   Eingang fand) Von dem fünf bis zehn Kronen betragenden Vaters nicht einmal für berichten die Chronisten, daß die Bäcker belagert Tagesverdienst müssen die erzgebirgischen Heim- das trockene Brot reichte. wurden von Hungrigen, die das Brot heiß auf- arbeiter nun die Teuerung der Agrarzoll- und Oft bekam sie beim Bäder zehrten. Scharen von Bettlern zosen damals vom Steuerpolitik der heutigen Regierungsmehrheit den Beschied: Gebirge in das flache Land und wurden am fausgleichen. Das ist der Dank für ihre Heimats- Ihr habt Euer Wene von Hunger und Seuchen dahingerafft. treue Gesinnung, welche besonders die agrarische Nach dem großen Wipwachs 1816 foftete in Schollenpartei" so gern für ihre Zwede aus­Gottesgab eint Laib Brot 2 Gulden 12 Streuzer nügt. Es ist fein Wit, sondern eine recht trau­und die Frauen fielen vor Sunger beim Klöppel- rige Tatsache, daß in der höchsten Stadt des Erz­sad um. 1843 berrichte wieder große Suneersnot nebirges, auf deren Umgebung von Heide und schon vom fünften Jahre die Betreidenreife ftienen das Klövreln lag dar- Moor kaum Vichfutter gedeiht, bei der Wahl im an flöppeln. um einen nieder. Die Bewohner von Schmiedeberg Herbst 1925 der Bund der Landwirte als stärkste Sad Mehl für Knödel zu

wag,

Brot schon ihr triegt uischt mehr."

Die Kinder mußten

Was sie durch die Viehzölle gewinnen fönn en, fließt in die Taschen der Händler und Fleischhauer, die bei dem Ueberangebot und bei dem niedrigen Fleischkonsum der Arbeiterbevöl­ferung die Preise so tief als möglich drücken. In dieser schweren Bedrängnis dämmert den Ge­birgslandwirten langsam die Erkenntnis auf, daß sie nicht mit den Großagrariern und den wohl­habenden Getreideproduzenten der Ebene zusam mengehen können. Schon stehen auf dem Erzge­birgsfamm die ersten Borposten der Kleinbauerna bewegung. Ein Besuch in der Musterortsgruppe Bernau bei Neudek  , überzeugt von den gro­ßen Zukunftsaussichten der freien Landvolläbe­wegung. Die Mitgliederzahl der Ortsgruppe Bernau  , die das Prinzip der fleinbäuerlichen Selbsthilfe in mustergültiger Weise verwirklicht, ist seit der Gründung im Jahre 1920 von 17 auf 82 gestiegen. Im Jahre 1927 wurden um 95.730 Kronen Waren gemeinsam bezoge: und zwar Kohle, Saatkartoffeln, Dungkalf, Sleic, Slee­samen, unstdünger, Gabeln. Schaufeln, Sen sen und Wetsteine. Im Vergleiche zu den gebietsüblichen Detailpreisen wurde den Mit gliedern damit ein Betrag von 10.300 Stro­nen erspart. Die Ortsgruppe hat in der verhält nismäßig furzen Bestandszeit zwei Windfegen, wei Schnellwagen, einen Wiesenrißer und zwei Sämaschinen zur gemeinsamen Benüßung ange fauft. Die Mehrzahl der Landwirte des Dorfes und besonders die fortschrittlichen, gehören der Gruppe an. Der Bund der Landwirte ist im Orte aufgerieben. Bei der Oktober- Ge­meindewahl fonnte er nicht mehr fandidieren und die letzten agrarischen Familien haben kom­munistisch gewählt. So ist's recht! Möge das schöne Beispiel von Bernau   im ganzen Erzgebirge Rach  ahmung finden! Wenzel Jaksch.  

Zeichnungen von Lili Réthi  .

Mutter und Tochter am Klöppeljac( Gottesgob).

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