Samstag, 11. Feber 1928.

Seite 3.

In der Heimat der Instrumentenmacher.

Graslih und Schönbach- zwei Tonquellen der Welt.

Unerschöpflich sind Begabung, Fleiß und Hand Städten Graslih und Schönbach Gepräge und drehen, gießen oder walzen fann: Der Ton. uns, als ob wir dort noch einen Abglanz von dem fertigkeit des schaffenden Erzgebirgsvoltes. Gra 3- Weltruf gibt. lit, die industrielle Hauptstadt dieses arbeits­der reinklingende schmetternde, jubilierende fröhlichen Werksgeist vergangener Tage gefunden und hungergesegneten Grenzlandes, liefert dafür grollende Ton. Ja, darum kann kein Ford oder hätten. In diesem Landstrich, wo das Volkstum Graslig ist ein mächtiger, in alle Weltteile Bata die vielen fleinen Werkstätten und Fabriken vom erzgebirgischen zum egerländischen übergeht, tausendfachen Beweis. Diese Stadt und der fließender Tonquell für große und fleine Musi- von Graslig mit einem mechanisierten Groß- fließt das Blut rascher durch die Adern. Die gleichnamige Bezirk teilten das Geschick der fanten. Schon in den Arbeitssälen der Spielzeug betrieb niederkonkurrieren, weil sich die Instru Arbeit hat mehr Sinn und Klang, als das tote Breßnizer, Joachimstaler, Neudeker Nachbar fabriken hebt das Wunder an. An der schnur- mentenmacherei nicht in lauter Sandgriffe auf- Werk der Spitzenklöpplerinnen. Und wenn nicht schaften. Auf der Jagd nach edlen Metallen geraden Front der Stanzmaschinen sizen blaue lösen und entseelen läßt, sondern weil jedes Er- die Krise ihre grauen Schwingen über das Schön­fallen Auswandererschwärme in unfruchtbares Blusenmänner und verwandeln mit monotonem zeugnis erst Wert und Leben empfängt, indem Sochland ein, nach einer kurzen Blüteperiode Griff Blechrollen in die Grundbestandteile eiser- der Schöpfer ein Stück seiner beschwingten Seele vegetieren die Menschen jahrhunderlang zwischen ner Zwergviolinen und Waldhörner. Metall- hineinlegt. Darum muß jeder Instrumenten­verfallendem Bergbau und Heimarbeit dahin, dreher zaubern aus sprödem Stoff die geschwunmacher auch ein Pflichtinstrument können.

1. Réttin

Jungen beim Stifteln.( Eibenberg bei Graslih).

gith

Geigenhalsschnitzer( Schönbach).

genen Mündungen der Darum sind die Instrumentenmacher fast durch Kindertrompeten hervor. wegs gute Musikanten und legen mit ihren Ar­Holzdreher sitzen im Harz beitermusikkapellen gar oft Proben ihres hohen geruch und in Wolken Könnens ab. In allen Weltteilen, wohin Gras­von Sägespänen einge- litzer Instrumente exportiert werden, flingt in hüllt u. senfen kreischende Konzertjälen, Theatern, Dorfgasthäusern, auf Messer in das Fleisch der Lurusdampfern wie in Matrosenfneipen ihr hei Fichtenflößer, die als teres Wesen, ihre Schwermut, weint und jauchzt gefälliges Werkstück den in den Weisen der starke Lebensgeist des werk­Saal ihrer Qual verlas tätigen Erzgebirgsvolkes. sen. Männer an Lötma­schinen und Sprißfasten, Frauen an langen Ar­So wie Graslitz   und Klingental   heftige Kon beitstischen vereinigen de furrentinnen und engverbundene Schwesterstädte Bestandteile, geben ihnen sind, so sind das nahe Schönbach und das Farbe, Form und Paf vogtländische Markneukirchen   ein Zwil fung. Mädchen hantieren lingspaar der Arbeit und des Fleißes. Klingen­an einem laufenden Band tal und Trossingen   in Thüringen   machen die 1. kleben auf die Schach- Harmonikas. Grasliß, Lyon   und das amerikani­teln buntbedrudie Pasche Elfhardt liefern die meisten Blechinstrumente. pierstreifen: The Ba In Schönbach und Fleißen, Markneukirchen  , im by Violine" stand bayerischen Mittenwald   und im französischen   Mir­darauf, denn die fleinen court sitzen die Geigenmacher der Welt. Was Blechviolinen, Posaunen, wären die berühmtesten Komponisten und Dirt Trompeten, Leierfästen genten ohne die Volkskunst diefer wenigen, meist nehmen ihren Weg in die recht bescheidenen Orte? Im Vogtland   ist die angelsächsische Welt. Auch Geigenbauerei erst durch deutschböhmische Pro­die riesigen Saujen testanten zur Blüte gebracht worden, die vor dem leichter Tennisschläger Zwang des Katholischwerdens flüchteten. Der werden vom Wirbel frühkapitalistischer Entwick| sind für England und Amerika   bestimmt. Viele altestbefannte Geigenbaumeister in Schönbach bacher Ländchen breitet, soll es nach Feierabend lung mitgerissen, wieder in die Schluchten von glückliche Kinder müssen sich dort auf Tennisplägen war Elias Plachte, ansonsten gebürtig zu bei Lieder und Lautentlang gar lustig zugehen. Strijen, Striegen, Hungersnöten geschleudert, von tummeln dürfen. Im Kontor holen Heimarbeiter Niemes   in Böhmen  ", dessen Schaffenszeit zwischen Warum soll auch das Werk des Arbeiters immer jeder neuen Wirtschaftsblüte erfaßt und empor- ihr Arbeitsmaterial ab. Die ganze Fabrit ist den Jahren 1690 und 1721 lag. Plachte hat nur anderen Freude machen? gehoben. So oft auch das Ungemach diesen zähen nicht nur auf einer sinnvollen Kombination von viele Schüler gefunden. Zwei Drittel der Schön­Menschenschlag zu Boden wirft, so oft erhebt er Maschinenarbeit und Handarbeit aufgebaut. Die bacher Bevölkerung leben heute von dieser alten Ein verwunschenes Königreich der Arbeit sich wieder zu neuem Kämpfen und Schaffen, un- Heimarbeit muß wieder die Fabritsarbeit ergänKunst, in der ganzen Umgebung mögen ihr 4500 möchte man das deutschböhmische Erzgebirge  besieglich, unüberwindbar in seiner starten en. Gewisse kompliziertere Teilvorrichtungen Personen nachgehen. Im Schönbacher Ländchen nennen, wenn man es von Katharinaberg bis zu Lebenskraft. Graslih war vor dem Kriege eine bleiben noch immer den Heimarbeitern über werden nicht nur Violinen, Cellos, Baßgeigenen Türmen der alten Reichsstadt Eger durch­aufblühende Industriestadt. Das Fabriks- und lassen. So das Einschlagen der flemen Nietstifte sondern auch alle Arten Zupfinstrumente, so streift hat. Graslih und Schönbach sind zwei Heimarbeitsproletariat seines Bezirkes darbte im in die Platten der Mundharmonikas und Kinder- Mandolinen, Zithern, Gitarren, aber auch viel Söhepunkte der nimmermüden Schaffenstraft und Kriege, von allen Agrargebieten durch benachbarte flöten, Stifteln" genannt. Das Stifteln ist eine Zubehör wie Violinbögen, Griffbretter, Stimm der reichen Begabung seiner Bewohner. Heute Sungerburgen abgeriegelt, ärger als die ärmste Stinderarbeit und wird von ihnen in der schulpfeifen, Dämpfer, Saiten und Etuis hergestellt. fchon tragen Produkte ihres Fleißes den Ruhm Großstadtbevölkerung. Ueber Hungerödem, Silfs freien Zeit betrieben. Wenn auch nicht mehr in Die Arbeit ist Hausindustrie mit weitgehender unserer Arbeit über die Weltmeere. Größere, aftionen, Plünderungen führte sein Weg in die den grausamen Formen der Vergangenheit, ist Arbeitsteilung. Um nur eine Anzahl der Mit wertvollere Leistungen sind in der Zukunft mög­furze Nachfriegstonjunktur, in den beispiellosen die Kinderarbeit im Klingenthaler   Gewirkenden zu nennen: die Zunft verteilt sich in lich, wenn den schöpferischen Anlagen dieses Ge­Wirtschaftsniederbruch der Deflationsjahre, die biet des benachbarten Vogtlandes weit verbrei- Holzzuschneider, Boden- und Decenzuschneider, birgsvolfes die Möglichkeit voller Entfaltung zeitweise fünf Sechstel der Arbeiterschaft in Ar- tet. Dort ist die Haupterzeugungsstätte für Bargenschneider, Adermacher, Boden, Decken- und wird. Das ist der böse Zauber, der über der beitslose verwandelten. Als nach langen Zeiten Mundharmonikas und Ziehharmonikas. An 9000 Salsschniper, Griffbrett- und Saitenhaltererzeuger, Landschaft liegt, daß sie seit Jahrhunderten Aus­der Depression wieder die ersten Sendboten einer Menschen sind in der Klingenthaler   Musikindu- Schachtel- und Korpusmacher. Wirbeldrechsler, beutungsstätte für fremde Herren neuen Konjunktur auftauchten, erwachten die strie beschäftigt, davon über zwei Drittel Heim Stegmacher, Polierer. Der Mann, der alle Teil- war. Mit den reichen Werten, die hier für Gra­toten Maschinen und Arbeitssäle seiner Webe- arbeiter, in deren Reihen das weibliche und bestandteile zusammenfügt, hat den alten Ehrene fen, Fürsten  , Kapitalisten erſchunden wurden und reien, Stickereien, seiner Spielzeugfabriken, In- jugendliche Element weit überwiegt. Das flin titel Geigenmacher ererbt. Seit 1904 haben sich erſchunden werden, hat man anderswo Schlösser, strumentenwerkstätten, belebten sich die Arbeits- gende Tal im Vogtland   liefert alljährlich die Schönbacher Instrumentenmacher mit großen Paläste, Villen gebaut, Brunfwohnungen eingerich tische seiner Hauswerkstätten und Heimarbeiter- schätzungsweise 30-35 Millionen Mundharmoni Mühen eine Produktivgenossenschaft tet, den Lurus des Tages bestritten und so ist es bis stuben und die Menschen nahmen ihre Plätze wie- fas und eine Million Zichharmonikas an die aufgebaut, deren Anlagen und Räumlichkeiten den zum heutigen Tage. Die fleißigste Arbeitsprovinz der ein, als ob sie unverwundbar durch den Volksmusikanten der Welt. Eindruck eines modernen Verlags- und Erport- des Landes ist die ärmste, weil unsere Gesell­hauses machen. Den Mitgliedern werden alle schaftsordnung Fleiß mit Armut, Müßigang mit Der Hauptzweig der Graslizer Musik- Vorteile der vorbereitenden Maschinenarbeit ge- mühelosem Gewinn belohnt. Erst wenn der So industrie sind Blech und Holzblasinstrumente, boten, u. a. durch Kreissägen, welche die rohen zialismus diefe verrückte Welt entzaubert, wenn also Trompeten, Posaunen, Flügelhörner, Wald- Fichtenstämme in schmale Brettchen gerteilen, wie die Mammonsgößen stürzen und die Majestät der hörner, Signalhörner, Klarinetten, Flöten und sie die Decken- und Bödenmacher brauchen. Die Arbeit auf den Thron steigt, wird das Werkvolk in neuerer Zeit auch noch Saraphone. Sie Produktivgenossenschaft besorgt den gemeinsamen des Erzgebirges aus dem Winkel seines Aschen­hat ihren Sitz in acht Fabriken und vielen Einkauf des vielfach recht teueren und feltenen brödeldaseins in leuchtenden Kreis des Lebens fleinen Werkstätten. Vor dem Kriege zählte Rohmaterials. Es wird ja nicht nur inländi eintreten. Wenzel Jaks ch. die Genossenschaft der Musikinstrumentenmacher ſches Fichten, Buchen- und Ahornholz gebraucht, Zeichnungen von Lili Réthi  .

440 Mitglieder, deren Zahl bis zum Jahre sondern auch wilder Buchsbaum aus Westindien  , 1918 auf 180 fant und gegenwärtig schon Schlangenholz aus Kuba  . Brasil und Mabagoni wieder der alten Höhe nahe sein dürfte. hol; aus Judien. Die Produktivgenossenschaft ist Neben den vielen Unternehmern und Mei- auch gemeinsame Verkäuferin und Exporteurin stern werden rund 3000 Fabriks- und Heim- und erspart so den Er­arbeiter in dem Fach gezählt. Die Justru zeugern bedeutende wi­mentenmacherei ist Se un st handwerk. schenhandelsspesen. Von Wir besuchten die Werkstätte eines Genossen, dem großen Umfang des wo sogenannte Zusammendreher" an der Geschäftes zeugt das rie­Arbeit waren. Dort erfuhren wir, daß die sige Musterlager der Ge­Maschine eines Flügelhornes durch siebzig nossenschaft, aber auch die Sände gehen muß, bevor sie eingesetzt wer- Tatsache, daß manche den kann, denn die Klappen müssen leicht Woche bis zu 10.000 beweglich und doch vollkommen luftdicht zu- Violinen verschickt wer­sammengedreht werden. Das in der Praris den. 10.000 Violinen in ju vollbringen, ist beinahe so schwer, wie einer Woche! Da muß die Quadratur des Zirkels zu finden. In in vielen fleinen Werk­einer kleinen Fabrik konnten wir den ganzen stätten der Holzschnitzer, Werdegang der blechernen Tonwerkzeuge Korpusmacher, Polierer, verfolgen. Die Sache fängt an wie beim Steg- und Bogenmacher Schneider. Zuerst werden die Stücke aus schon fleißig dazugeschaut Messingblech zugeschnitten. Das Zusammenflicken werden. Gearbeitet wird geht nicht so einfach wie mit der Nadel, sondern auch wenn gerade muß am offenen Feuer der Löterei geschehen. Der Konjunktur ist- Schneidermeister gibt seinem Stunstwerk durch allen Häusern und in anprobieren und ausbügeln die richtige Form. allen Stuben. Frauen Kugelregen des Elends geschritten wären. Das Der Instrumentenmacher hat es schwerer. Er und Mädchen helfen nicht ist der Inhalt einer knapp zwanzigjährigen Ent- muß die Messingblechröhre mit Blei vollgießen nur in der Werkstatt widlung dieses Erzgebirgsdistriktes, die in den und mit dieser Füllung in gefällig geschwungene wacker mit, sie liefern hohlen Gesichtern seiner Arbeitsmenschen unaus- Rundform biegen. Dann heißt es die entstan- auch mit umfangreichen löschlich geschrieben steht, die sich in den Körpern denen Falten mit einem Holzhammer auspochen, Rückenkörben die fertige berhärmter Frauen und verfümmerter Jugend das Blei herausnehmen, den Mündern die ele- Ware ab. Obwohl klarer­tragisch ausprägt. Es ist aber nicht unsere Auf- gante Schweifung geben, die Maschine einseyen, weise auch in Schönbn: h gabe, eine moderne Passionsgeschichte, noch ein das Instrument spiegelblank puzen und polieren. fein Manna vom Him proletarisches Heldengedicht zu schreiben, sondern Dann ist das Werkstück aber noch immer nicht mel fällt und jede Krone eine abschließende Reisebeschreibung über die erz- fertig. Es fehlt ihm etwas, was fein Konstruf- wie überall fauer ver­gebirgische Instrumentenindustrie, die den teur aufzeichnen, was keine Maschine stanzen, dient sein muß, schien es

22 Rrethi

Korpusmacher( Schönbach).

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SUP

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In der Löterci der Instrumentenfabrik( Graslip).