Zentrum und Militärvorlage. In einem Punktebricht nun wenigstens die Zentrumspresse das diplomatischeSchweigen. Die„Germania" bemerkt:„Ein etwaiger Versuch, die zweijährige Dienstzeit nochmalsund� vielleicht in perpetunm als„Kompensationsobjekt"zu verwerthen, wird bei der Mehrheit des Reichstags keinenAnklang finden." H.Das Zentrum scheint demnach die Festlegung der zwei-jährigen Dienstzeit verlangen zu wollen, ganz unabhängig vonder Annahme oder Ablehnung der Vorlage. Jedenfalls hatsich die„Germania" durch diese Bemerkung in der Weise ge-Kunden, daß sie nicht mehr in der Lage ist, für die etwaigeFestlegung der zweijährigen Dienstzeit die Bewilligung derMilitarvorlage zu empfehlen.—Politik im Hofkalender. Der Gothaische Hofkalender, dersonst außer durch die vollständige Blaublutschan nur durch seinereichhaltigen statistischen Notizen Interesse hat, enthält in» seinem1889« Jahrgang, wie das„Berliner Tageblatt" entdeckt hat, einegeradezu sensationelle Vorrede, in der es heißt:„Veränderungen in dem genealogischen Theile des Hof-kalenders sind nicht vorgenommen worden, wenn auch in diesemJahre, wie schon oft, mannigfache Versuche— zum thcil unterDrohungen— gemacht worden sind, die Redaktion von ihrenaltbewährten Grundsätzen abzubringen und den HofkalenderS on d erbe streb uu gen dienstbar zu machen. Essei auch hier darauf hingewiesen, daß der Gothaische Hof-kalender nie Politik getrieben hat, noch treiben ivird. Er hältsich einfach an die vollendeten Thatsachen und ver-zeichnet sie historisch möglichst getreu. Irgend welche Be-vorzugung oder Parteinahme findet durchaus nicht statt. Dagegenhat er oft genug schon Schutzlosen gegen seiner Meinungnach unberechtigte Angriffe dadurch Schutz gewährt,daß er an dem bisherigeii Wortlaute festhielt. Auch von ihmgilt das Wort:„Kit ut est aut non sit".Für die in den �genealogischen Mysterien unbewanderten Leserist es nicht leicht zu verstehen, wie durch die einfache Notirung ineinem„Adreßbuch" ein Schutzloser gegen unberechtigte Angriffe Hilfezu erhalten vermag. Indessen geht doch aus jenen dunklen Sätzenhervor, daß die Redaktion des Hofkalenders des öfteren der Ver-folgten sich annimmt und sich selbst nicht durch Drohungen vonsolchem Thun abbringen läßt. Es muß in der bloßen Konstatirungder vollendeten Thatsache, sofern sie durch den Hofkalender erfolgt, einegeheimnitzvolle Zauberkraft liegen. Wenn man nur wüßte, zuwessen Gunsten diesmal die Redaktion gewirkt hat.Um übrigens den Uneingeweihten einen Begriff zu geben, wasder Kalender enthält, schreiben wir auf's Gerathewohl auf Seite 49ein paar Zeilen ab:„Ernst Kasimir Friedrich Karl Eberhard Grafund Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld Erlaucht, geb. zu Obercassel beiBonn 9. Juni 1842, folgte seinem Vater, dem Grafen Julius(geb.2. April 1812, f 17. Mai 1884); Regent des Fürstenthums Lippe!R.Rr. des Joh.-O. sc.(Detmolds; verm. zu Neudorf 16. Sept. 1869mit— Karoline, Gräfin von Wartensleven, geb. 6. April 1844,Erlaucht."Aus solchen trocknen und einwandsfreien Notizen setzt sich derKalender zusammen. Und dennoch führt man gegen die harmloseRedaktion das schwere Geschütz von Drohungen auf l Wir werdenes nächstens noch erleben, daß— das Berliner Adreßbuch als Organdes Umsturzes bedroht wird, weil sozialdemokratische Adressen in ihmenthalten sind.—Die Wahrheit marschirt!AuS Paris, 9. Dezember wird uns geschrieben: Die Ver-tagung des Prozesses P i c q u ar t durch den Kassationshofist ein neuer Sieg des Rechts über den Militärklüngel. Man hatjetzt allen Grund zu erwarten, daß das vorbedachte Justizverbrechenan Picauart nicht zur Ausführung kommen wird. Der oberste Ge°richtShof wird in der Lage sein, auf arund der von ihm eingefordertenPicquart-Akten auch in das neueste Attentat der Militärgewaltgründlich hineinzuleuchten.Der erste Schritt dazu wnrde in den gestrigen öffentlichen Ver-Handlungen gethan. Zum erstenmal wurde Zurlindcn's Verlveisungs-befehl bekannt gemacht. Der Chef der Pariser Militärjustiz sprichtdarin mit wahrhaft unzurechnungsfähiger Naivetät davon,daß Picquart den bekannten„petit bleu"(Rohrpostbrief Schwartz-toppen-Esterhazp) gefälscht hätte,„um betrügerisch die Schuld desangeblichen Adressaten nachzuweisen, der... einstimmig vom erstenPariser Militärgericht freigesprochen war" I Im Augenblick, wo derKasiationshof gerade damit beschäftigt ist, Esterhazy's Schuldjuristisch festzustellen, beruft sich Zurlinden auf die Unschuld Ester-hazy'S, um Picquart erdrosseln zu können I...Das Sakularwerk.»Bismarck, Gedanken und Erinnerungen"— sosteht in Golddruck auf dem Rücken des Buches. Inwendig auf den:Titelblatt liest es sich etwas anders: Gedanken und Erinne-r u n g e n. Von Otto Fürst von Bismarck. Bei einem gewöhn-lichen Buche würden wirden Unterschied nicht bemerken. Hier haben wir esaber mit einem nicht gewöhnlichen Buche zu thun,— wenigstens miteinem Buche, das von einem Manne herrührt oder— wir haltenals vorsichtige Leute die verschiedenen Möglichkeiten im Auge—oder von einem Manne handelt, der in der Ver hüllung der Wahrheitviel stärker war als in ihrer Enthüllung, der ein Meister jenerZunft war, für welche die Sprache dazu da ist, die Menschen etwasanderes glauben zu machen, als was anscheinend in den Worten liegt.DaS Buch hat also zwei Titel. Der eine nennt Bismarckals Verfasser. Der andere nennt ihn nur als G e g e n st a n d oder„H e l d" des Buches. Wir werden sehen, welcher von beiden Titelnder richtige ist.Zunächst die Entstehungsgeschichte des Buches. Sie istlang, wird aber von uns ganz kurz zusammengefaßt werden.Sie ist lang, sehr lang. Von dem Kindlem war schondie Rebe gut zwanzig Jahre ehe es auf die Welt kam.Schon in den 70er Jahren, während der ersten„Friktionen" nach demErblassen des Reichsglorienscheins, tauchte die Nachricht auf, derSäkularmensch schreibe seine Memoiren, und Er, der die Welt beiLebzeiten schon in einen chronischen Paroxysmus des Staunens ver-setzt hätte, werde sie durch das Werk, welches nach seinem Tode erscheinenwerde, in noch weit größeres Erstaunen versetzen. Der lebende Bismarckkonnte nicht lärmender gelobt, nicht hysterischer verherrlicht iverden—das war einfach nicht möglich. Die christlich germanischen Bornums,denen die Pflege des Bismarck'schen Ruhmes anvertraut war—E r sagte einmal in undankbarer Stunde: anständige Leute schreibennicht für mich I— hatten ihr amerikanisches Vorbild dermaßen inSchatten gestellt» daß der Original- Bornum aus Verzweiflung dieReklametrommel beiseite warf. Sie fanden keine Steigerung mehr. Undso blieb ihnen als letztes Mittel der Hinweis auf die Zeit nach seinemTode— vorausgesetzt, daß ein„mehr als Halbgott" überhaupt sterbenkann.„Er»var unvergleichlich, übermenschlich im Leben. Aberer hat Euch noch nicht sein ganzes Genie gezeigt. Das wirder erst der Nachwelt zeigen, denn die Mitwelt ist zu schwach, um denAnblick des Strahlenmeeres zu ertragen, sie würde versengt, wieSemele beim Anblick der ungennlderten strahlenden GottheitJupiters. Bis jetzt habt Ihr nur den gemilderten, abgeschwächtenGottglanz geschaut. Nach seinem Tode werdet Ihr den Gott— inseinem ungemilderten Gottglanz schauen— in seinen Memoiren.—So ist seit 20 Jahren der Tempel von SaiS errichtet, in welchemdie Gottheit des„mehr als Halbgott" sich der Nachwelt einst offen-baren sollte— in seinen Memoiren.Nach Bismarck's Sturz am 18. März 1890— gewiß für FürstBismarck eine höchst unfreiwillige Märzfeierl— verdoppelten diechristlich- germanischen Bornums ihre Thätiakeit und so ging dasKonzert mtt Pauken und Trompeten bis zum Tage, wo Bismarck starb.Dann eine kurze, halb feierliche, halb verblüffte Pause— einKassationsrath Atthalin hat in seinem Bericht Zurlinden'sEinfall mit einer Andeutung auf den gegenwärtigen Stand derRevisions-Enquete in sein Nichts zurückgewiesen. Atthalin sprachnämlich von der„so wichtigen Beschlagnahme und Expertiseeines Esterhazh'schen Briefes vom 17. August 1894",d. i. eines Briefes, der ungefähr gleichzeitig mit' demBordcreau und auf demselben seltenen Papier geschriebenwurde. Uebrigens hatte der Kassationshof schon vorher gezeigt,was er von der Anklage der Fälschcrbande gegen Picquarthält, indem er die Zeugenaussagen des Opfers des'Generalstabesin der Dreyfus-Sache zehn Nachmittage hindurch entgegennahm.Das endgiltige Urtheil über den von Picquart angerufenenrichterlichen Kompetenzkonflikt wird der Kassationshof nach Einsicht-nähme von den Akten fällen. Da ist es nicht ausgeschlossen, daßPicquart überh aupt in allen Anklagepunkten den Militürrichternentrissen wird. Der Kern des Äonflitts besteht nämlich darin, daßPicquart vor dem Zuchtpolizeigericht wegen Mittheilung des Rohrpost-briefcs anLeblois verfolgt wird.und zwar auf grundderSpionagegesetze.DaS fetzt natürlich die Echtheit des Rohrpost-Briefes' voraus.Andererseits wird derselbe Picquart vor das Militärgericht ver-wiesen u. a. wegen Fälschung desselben Briefes und des Gebrauchsder Fälschung, welcher Gebrauch eben in der Mittheiluug anLebloisbestehen soll. Dos eine Mal ist also der Rohrpost-Brief echt, dasandere Mal eine Fälschung. Und das schönste bei der Sache ist,daß beide einander schnurstracks entgegengesetzte Anklagen das Werkdes rachgierigen Militärklüngels sind. Das kommt daher, daß dieRache-Aktion gegen Picquart allmälig heranreifte und desto rasenderwurde, je näher die Stunde der Abrechnung für die Fälscherbandeheranrückte.Unnütz zu sagen, wie die Preßmeute des Gencralstabes dieEntscheidung des Kassationshofes aufnimmt. Es ist für sie ein„gerichtlicher Staatsstreich", eine„Rebellion der Richter" u. s. f.In der That, der Generalstab hat so lange selbstherrlich regiert, daßihm die Wiederherstellung des Rechtsbodcns als eine Rebellion vor-kommen muß.—*»Aeutsch/s M-rch.Eine schwere Geburt. Ueber das Schicksal der Militär-Strafprozeß-Ordnung und des bayerischen Senats berichtet offiziösdie„Nordd. Allg. Ztg.":Der Gesetzentwurf, durch welchen die Einrichtung einesbayerischen Senats beim Reichs- Militär-gerichtshof auf grund der Verständigung zwischen demKaiser und dem Prinz-Regenten von Bayern erfolgensoll, ist, wie wir hören, fertiggestellt tvorden. Wann und inwelcher Gestalt der Entwurf dem Reichstag zugehen wird,läßt sich gegenwärtig nicht sagen. Der Entwurf hat, eheer an den Reichstag gelangen kann, vier Stadiendurchzumachen. Zunächst unterliegt er der Begutachtungdes Kaisers und alsdann der des Prinz- Regenten,worauf er nach Annahme seitens des preußischen Staats-Ministeriums dem Bundesrath vorzulegen ist. Soweit wir unter-richtet find, dürfte sich der Entwurf noch in dem ersten dergenannten Stadien befinden.Hoffentlich geht die das ganze Volk interesfirende Angelegenheitnunmehr recht bald aus dieser ersten Instanz hervor. Die Sachedürste nun ja auch hinreichend geklärt sein, da die Militär- Straf-prozeß-Reform schon seiner Zeit so sehr lange dem Kaiser zur Eni-scheidung vorgelegen hat, ohne daß die zuständigen Instanzenscheinbar zu einem Entschluß kommen konnten.—Gefundheitsverhältniffe in Kiautschou. Man theilt uns denBrief eines Seesoldatcn aus Kiautschou mit, aus dem wir diefolgenden Stellen wiedergeben:Liebe Eltern IKomme soeben von einem traurigen Akt der Kameradschaftzurück. Heute haben wir einen Kameraden von unserer Kompagnieund unserem Transport die letzte Ehre erwiesen. Er ist 22 Jahrealt und hat vom 25. September bis zum 19. Oktober schwerk krankgelegen und über acht Tage mit dem Tode gerungen. Er starb anRuhr und Malaria, ganz schwarz hat er ausgesehen. Aufunserm Friedhof liege ii jetzt elf Mann, drei Mann sindwährend der Zeit meines Hierseins gestorben....Unsere Löhnung beträgt 1,20; 35 Pf. kriegen wir ausbezahltund 85 Pf. müssen wir für Menage abzahlen. Aber was für einEssen bekommen wir!...In den 6 Wochen unseres Hierseins hat unsere Kompagnie400 Mark gespart und in den Zeitungen wird wer weiß was ge-schrieben, wie gut wir es hier haben und wie für unser Wohl ge-sorgt wird.Ueber die Verhältnisse in unserer chinesischen Pachtung ist schonftenetisches, fieberhaftes, trommelfell-zerreitzendes Geschmetter—und wieder und wieder Geschmetter, trommelfellzerreibend. Plötzlichwieder eine Pause. Verlegenheitspause! Unter den Bornums istStreit ausgebrochen. Und der geschickteste und affenartig geschwindestehat— falsche Memoiren in die Welt geschickt. Der abscheulicheBusch— Moritz Busch, alias das Biischchen des„Chefs", weilandvon ihm sehr geschätzt und— verachtet, was bei dem„Chef" immerzusammen ging.„Das sind die falschen Memoiren 1 Der Buschist ein Fälscher, ein Lügner!"So raste der Konkürrenzneid der christlich-germanischen Barnim, s,die für die echten ivtemoiren Reklame zu machen hatten und derFahne treu geblieben waren. Ach, der böse Busch! Ein richtigerSchelmenstreich, den er nnt seinem Bismarck und„einigen ge-Heimen Seiten von dessen Geschichte", den echten Barnum's unddem schon verzweifelnden Cotta gespielt, der ein paar Millionen indie Memoiren gesteckt hatte. Jndeß—. Gott verlätzt keinen Deutsche»und die Dummen werden nicht alle— mit diesen zwei Sprichwörternkonnte der arme Cotta sich Wösten, der seine im Glanz des Doppel-gestirns Goethe und Schiller emporgeblühte, seitdem aber arg ver-blaßte Firn>a mit dem Glanz des„mehr als Halbgott" wieder auf-frischen wollte. Nun— er hat sich nicht getäuscht.Der böse Busch übrigens auch nicht. Und es giebt sogar Leute,die allen Ernstes behaupten, seine Memoiren seien die richtigen,und— die anderen falsch.Nun, wir werden ja sehen.Einstweilen wollen wir hören, was er über die Entstehung der„Memoiren" schreibt.Im Busch-Buch lesen wir Band III Seite 843 nach einem füruns hier gleichgiltigen Briefe Bucher's:„In einem anderen Brief Bucher's vom 14. Oktober(1890)—schreibt Busch—„Der Chef beschäftigt sich noch viel zu viel mitder Presse. Mittlerweile hat er während der letzten Tage zu diktirenbegonnen, jedoch ohne richtigen Zusammenhang(vitboutany real coherence) bald aus diesem bald aus jenem Jahre. Esist also jetzt blos Rohmaterial."Auf derselben Seite und den folgenden erzählt Busch, Bucherhabe ihn am 22. Dezember 1890 besucht.„Er(Bucher) sagte mir,körperlich befinde sich der Fürst Bismarck in ausgezeichneter Gesundheit—bei Tisch trinke er eher zu viel als zu wenig und klage auch nichtmehr über Schlaflosigkeit. Geistig aber, und besonders soweitsein Gedächtniß in Frage kommt, fällt er in Stücke—(sie is fallingto pieces),* Damit meinte Bucher, daß er(Bismarck) seine Ge-danken nicht mehr hinlänglich zusammenfasse undin einer Erzählung die Einzelheiten nicht mehrfe st halten könne, und daß er leicht von demGegen st and abirre. Er erzählt heute eine Ge-schichte so. und morgen erzählt er sie ganzanders. Er(Bismarck) wünsefite, ich solle Weihnachten nachFriedrichsruh kommen, allein sie(die Familie Bismarck) gaben mirzu verstehen und in der That sehr deutlich, meine Anwesenheit seiihnen nicht sehr angenehm. Und so bin ich jetzt für ein paarWochen mein eigener. Herr.Auf das Drängen Schweninaer's entschloß er(Bismarck) sichendlich, mir eine Stunde täglich seine Erinnerungen zu diktiren, dieso viel Verwunderliches bekannt geworden, daß wir uns verpflichtetglauben, diese Klagen eines deutschen Soldaten der Ocffentlichkeit zuunterbreiten. Erwähnt sei noch, daß die Flasche Bier 60 Pf. tostetund über das Trinkwasser Beschwerde erhoben wird.—Eutschlicfmngrn des Bundesraths. Wie aus den„Eni-schließungen des Bundesraths" hervorgeht, hat der Bundesrath überdie Aufhebung des Jesuitengesetzes noch keinen Be-s ch l u tz gesaßt.— Ein Gesetzentwurf über die A i ch u n g derBierfässer wird im Zusammenhang mit der Abänderung derMaß- und Gewichtsordnung vorbereitet.— In der I m p f f r a g esind Aendernngen und Ergänzungen der zum Vollzuge des Impf-gesetzes erlassenen Bestimmungen in Vorbereitung.— Für einereichsgesetzliche Regelung über die Auftiahme, die Aufenthalts-Ver-Hältnisse, und die Entlassung von Geisteskranken in resp. ausden Anstalten erkennt der Bundesrath zur Zeit ein Bedürfniß.nach den gepflogenen Erhebungen nicht an.— Dem Gesetzentwurfwegen Neuregelung der Wahlen zum Landesausschutz für Elsaß-Lothringen hat der Bundesrath beschlossen, keine Folge zugeben.— lieber das Schicksal der sozialpolitischen Anträge berichtenwir an anderer Stelle.—Moralanarchiste». In der„Post" lesen wir in einer Bettach-tung über Politik und Moral:„Die Lektüre der neu erschienenen Bismarck'schen Memoiren,die einem trefflichen Lehrbuch der Diplomatie gleichen, sollte dieseElemente belehren, daß wir Politik zu tteiben, nicht Moralunseren Nachbarn zu predigen haben."Die„Post" giebt in diesem Satz vorzüglich die Quintessenz derBismarck'schen„Gedanken" wieder. Sämmtliche Gebote des Kate-chismus, der in der Bismarckschule benutzt wird, handeln von diesemMoralanarchismus. Es versteht sich, daß unter den Nachbarn nichtnur die anderen Nattonen, sondern auch die Nachbarn im eigenenLande versteht. Jede Notiz, welche die„Post" schreibt, beweist, daßsie Politik und Moral für Widersprüche hält. Die„Post" ist stolzdarauf, nur Politik zu treiben.—Eine iutcressaute Gegcud ist Lippe-Detmold. Schon seitlanger Zeit, so schreibt die„Lipp. Landesztg.", werden über Vor-änge am Hofe, in.Kreisen der Staatsbeamten und besonders überöchst vertrauliche Angelegenheiten auf den verschiedensten WegenNachrichten in das Publikum gebracht. Wiederholt rst dazu Mittheilung durch anonyme, offenbar von Damenhand stammendeBriefe gewählt. Die Briefstellerinnen sind sehr gewandt im Ge-brauch der Feder, kennen Geheimnisse der intimstenArt und auch die Ansichten der leitenden Personen. Letztere wurdenin den verschiedensten Gestalten mitgetheilt. Bald wird einRath, bald eine Mahnung, bald ein Appell an das Gewissenoder das Anstandsgefühl daran geknüpft. Der Regel nachfolgt der so bewirkten Kenntniß der Vorgänge ein'schnell durch gefällige Kolporteure verbreitetes Gerücht. Dieses stütztsich gleichfalls auf Kenntniß der betteffenden Vorgänge, wenn dieseauch arg entstellt werden. Gerücht und anonymes Schreiben deckensich. Nachdem die Verbreitung besorgt, entbrennt dann überall dieHetze gegen den Empfänger des anonymen Schreibens. Ein aus derBeamtengesellschast vor längerer Zeit hervorgegangener Brief istGegenstand eines Strafanttages geworden. Die Erfolglosigkeit desErniittelungsverfahrciis und die daraus entstandenen großen Un-annehmlichkeiten schrecken von ähnlichen Schritten ab.Wer mag diesen? Lippe'schen„Fall Kotze" in Szene setzen? Werhat das Interesse daran, dem Biesterfelder das Leben in Detmoldzu verleiden. Und wer find die Ohrenbläser und Geschichtenttäger,welche das ihnen geschenkte.Vertrauen derart mißbrauchen?—Die Kosten der Palästinareise. Die„Franks. Zeitung", diezuerst mitgetheilt hatte, daß die Kosten der Palästinareise vom Landegedeckt werden sollen, bemerkt zu dem offiziösen Dementi, daß sienicht von einer besonderen Vorlage gesprochen hätte:„JederEtatsverständige weiß, daß Forderungen auch in anderer Formals der einer besonderen Vorlage gestellt iverden können, wir wollenaber annehmen, es stehe nunmehr fest, daß man von jeder Forde-rung Abstand nimmt und daß dies mit der Erklärung gesagt seinsoll, und deshalb wollen wir auch nicht weiter darauf eingehen,' daßman zwischen Reisekosten des Kaisers und Ko st enderReise des Kaisers einen Unterschied machen kann, wie ihn die„Staatsbürger-Zeitung" dadurch angedeutet hat, daß nicht die persön-lichen Kosten des Kaisers, sondern die amtliche Theiluahme an dieserReise ganz oder theilweise auf die Staatskasse übernommen werdensollen."—Drei agrarische Jutcrpellatione» waren in der„DeutschenTagesztg" angekündigt worden, über die wir unsere Leser ausführlichinformirt haben. Nunmehr finden wir in den„Verl. Neuesten Nachr."die folgenden Mittheilungen:„Wie uns von wohlunterrichteter Seite mitgetheilt wird, sind dieich dann stenographisch aufnahm. Aber es sind blos Zusammenhangs-lose Bruchstücke(ckisoonneotea kragmeuts) und sie enthielten vieleJrrthümer, besonders im Punkte des Datums."---Bucher befürchtet, aus der geplanten Selbstbiographie werdenichts iverden.„Er(Bismarck) hat einen ganzen Stoß Notendiktirt, in denen natürlich viel Neues und Werthvolles enthalten ist:aber seine Darstellung ist nicht immer zuverlässig,und insbesondere glaubt er oft, er habe etwasgesagt odergethan, waserhätte sagen und thunsollen, aber zu sagen und thun unterlassen hat.oder doch wenig st ens nicht so gesagt und gethanhaben kann, wie er behauptet.Und bei den wichttgsten Angelegenheiten stockt er mitunter.lvie ein Brunnen, der kein Wasser mehr hat, undkommt nicht wieder auf den Gegenstand zurück. Sofing er neulich an, von seinen Beziehungen zu Napoleon von 1870zu reden, ließ aber den Gegenstand fallen, und seitdem istes mir nie möglich gewesen, einen zusammen-hängenden Bericht von ihm zu bekommen.Es besteht noch eine andere Schwierigkeit. In diesen Nottzen,sollte man meinen, denkt er an die Geschichte, an ein Vermächtnißfür die Zukunft— und das wäre gewiß sehr lobenswerth und nütz-lich, da es viele Dinge giebt, von denen nur e r eine vollständigeund genaue Kenntniß hat. Seine Gedanken sindnoch immer in der Gegen>v ort, auf dieer Einfluß zu üben wünscht, und darumerwählt er häufig einen Gegen st and, der mitseinem Leben gar nichts zu thun hat, und manchmaleinen, von dem er gar keine geilaue(Morougb) Kenntniß hat, derihm aber eine passende Gelegenheit zu bieten scheint, seine eigenenBetrachtungen einzuführen.(Folgt ein Beispiel.)---Was ich bis jetzt gethan habe, konnte eben so gut von jedemStenographen gethan werden; der einzige Unterschied wäre gewesen,daß noch ein Fremder ins Vertrauen hatte gezogen werden müsse».Aber ich habe keinen Geschmack für's Kritisiren und Herausgeben(der sogenannten Memoiren), so lebhaft mich Schweningerauch drängt. Es wäre zu viel der Mühe undVerantwortlichkeit. Außerdem fehlt es ann othw endigen Büchern zum Nachschlagen undVergleichen. Es ist wahr, in den letzten 2ö Jahren ist kaumein historisches oder polittsches Buch veröffentlicht worden, von demman ihm nicht ein Exemplar geschickt hätte, aber sie(die Fürstin) hatdie Bücherei unter sich, und sie hat die Bücher in die verschiedenstenZimmer vertheilt, wobei sie die einen in den Keller legt, in deni sieverfaulend in Stücke zerfallen, und andere in das Besuchs-zimmcr, so daß man nichts finden kann, wenn es gebraucht wird."Bücher stimmte mit mir überein, daß der Chef nicht klugwar in feinem Verkehr mit denAushorchern dciPresse; daß seine Haltung gegenüber dem Hofnicht würdevoll genug sei und daß er seinenAerger zu leicht merken lasse.Gleichzeittg bemerkte Bucher nicht unzutreffend von denen, die denFürsten zu befragen kamen:„Wer immer etwas oder viel zu wissenwünscht, lernt auch viel— wenn es auch nicht immer unverfälschte