Samstag, 20. April 1929.

Kurze Parlaments'eifion Ende April.

Prag  , 19. April. Das Präsidium des Ab­geordnetenhauses faßte beute den Beschluß, das Barlamenisplenum für Donnerstag, den 25. April um 3 Uhr nachmitag zu einer Sigung einzube­rufen. Auf der Tagesordnung stehen lediglich vei Vorlagen, die schon seit Monaten fertiggestellt waren, nämlich die Regierungsvorlage über die Renorganisierung der Handelshoch­schule in Prag  . die auf vier Jahrgänge er­weitert werden soll, und die vom Senat bereits genehmigte Vorlage über die Errichtung von Silfsschulen sowie fechs Immunitäten.

Diese Parlamentseinberufung ist also feines­falls als Zeichen dafür zu werfen, daß sich die Stoalition nunmehr über das weitere Arbeits­programm geeinigt hätte; man hat lediglich ein paar alte Ladenhüter aus dem Stasten gekramt, um doch so etwas wie eine parlamentarische Tätigkeit vortäuschen zu fönnen. Mit der zweiten Sigung, die für Freitag, den 27. d., um 11 Uhr vormittags geplant ist, dürfte dann wie der eine längere Verlegenheitspaufe eintreten.

Auch der Senat, der für den 23. d., um 4 Uhr nachmittags einberufen werden soll, hat nur eine unbedeutende Tagesordnung. nämlich zwei Rusagrrotokolle zu Handelsverträgen und drei Immunitäten.

Folgen der Steuerre orm des Bürger­blods.

Die Konsumgenossenschaft" schreibt in einer Betrachtung über die Bilanzen der tschechoslowa­tischen Banken:

Rüftet zum Reichsarbeitertag in Karlsbad  .

Markt und Schloßbrunnkolonade mit dem Stadtturme.

Der, gottgefandte Muſſolini  .

Wie er früher über die römische Kirche und die Religiou urteilte. Die Mätreffe des Kardinals."

Interessant ist die Tatsache, daß sich trop des vermehrten Geschäftsumfanges die absolu'en Steuerausgaben gesenkt haben. So hat sich die Steuerpost bei der Zivno- Bank von 32 Millionen im Jahre 1926 auf 23 Millionen im abgelaufenen Geschäftsjahre, bei der Un: onbant von 23 auf 17, bei der Eskomptebank von 21 auf 9 und bei der Industrialbant von 10 auf 4 Mi Die römisch- katholische Kirche  lionen vermindert und entspricht damit nahezu und der Fascismus, mindestens das unfehl der Vorkriegsbelastung. Hier kann nicht laut ge- bare Oberhaupt der Kirche und der absolute Ober­ung geschrien werden! Vier der größten kommandant der fascistischen Banden, sind heute Banten haben nicht weniger als ein Herz und eine Seele, vor aller Welt im Geifte dreiunddreißig Millionen eronen und in der Tat verbündete Mächte. Der weniger Steuern bezahlt, als vor Papst hat Mussolini   als den der Stirche von zwei Jahren. Bej den riesigen Ktonjuntur- ott gesandten" Befreier bezeichnet, gewinnen der letzten Jahre. bei den reichlichen die Bischöfe und Stavdinäle Italiens   haben zu Dotierungen der Reserven, bei der Ausschüttung Dutzenden ihre Stimme offen für den Fafcismus einer nicht zu gering bemessenen Dividende zahlen abgegeben, haben sich in den Dienst der fasci die Banken weniger Steuern. Dem kleinen Mann stischen Wahlpropaganda gestellt und die Abgabe wird, wenn es sich die Steuerbürokratie unseres des fascistischen Stimmzettels als religiöse Pflicht Staates in den Kopf setzt, der letzte Lohngroichen bezeichnet. gepfändet, hier geht der Fiskus über Leichen. Es war und ist bekannt, daß Waussolini nicht Die Zudersteuer aufzuheben oder wenigstens um immer ein Freund der Stirche und nicht immer cint bedeutendes herabzusetzen- ja. o denken ein Liebling des Papstes war, Noch 1919 hat ja Sie hin, Herr Staatsbürger? Wo soll denn dann der Fascismus dic tonfiskation der Kir unser Finanzminister die Bedeckung für die Stoften che ugüter und die Trennung von des Staatshaushaltes hernehmen? An diesem Kirche und Staat gefordert. Aber immer Paradox, daß die gesamte Verbraucherschaft unter noch werden weitere interessante Details über dem schweren Drude der Konsumsteuern steht, den Grad der Stirchenfeindlichkeit Mussolinis be­und daß es für die Exponenten unserer feinen fannt, aus denen man ermessen mag, wie sehr Privatwirtschaft, die Banken, derart bedeutende er heute Komödie spielt und welche Steuernachlässe gibt, geht der Fiskus unferes Staates blind vorbei. Doch wir wollen uns darüber nicht allzusehr wundern, wissen wir doch ganz genau, daß es im Wesen der herrschen­den Privatwirtschaft liegt, daß alle Lasten auf die Verbraucher abgewälzt werden. Erst die Ge­meimvirtschaft wird die Gesellschaft von dem un­sozialen Wirken der Banken befreien können.

Telegramme.

Scife S.

Baris bis Montag vertagt.

Paris  , 19. April. Die für heute vormit­tags anberaumte Sigung der Reparationssach verständigenfommission hat nur zwei Minuten gedauert. Sie wurde dazu benußt, um der eng­lischen Delegation das Beileid über den plöß­lichen Tod Lord Revelstokes zum Ausdruck zu bringen. Die nächste Bollfigung ist auf Montag vormittags 11 Uhr anberaumt worden.

Etwas Authentisches darüber, ob die Ber handlungspause dazu benukt wird, um noch einmal die Möglichkeit einer Verständigung zu suchen, ist nicht bekannt, doch ist das unkontrol lierbare Gerücht in Umlauf, daß Bemühungen unternommen werden, um eine neue Verhand lungsgrundlage zu finden.

Unzufriedenheit mit Schacht.

Berlin  , 19. April.  ( Eigenbericht.) Das Reichskabinett trat heute zu einer Sigung zusammen, in der es sich mit der in Paris   ent standenen Lage bejajte. Es wurde aber Yein neuer Beschluß gefaßt und den deutschen   Sach verständigen wurden keine neuen Instruktionen erteilt. Man beschloß, die weitere Entwidlung abzuwarten. Innerhalb der Sozialdemo fratic it man vor allem mit der Haltung des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht nicht einverstanden. Es scheint, daß er Poli­tit auf eigene Faust betrieben hat, indem er dic Frage des Donziger Korridors und der Kolonien anschnitt, wodurch er auch das Mißtrauen der Franzosen erregte. Stimmt man mit Schacht in der Ablehnung der jür Deutschland   nicht trag stieren. Hätten Madruzzo und Glaudia in gebaren alliierten Forderungen überein, so muß; heimen ihre Liebesfreuden genossen, wie gern man um jo mehr bedauern, daß er sich auf poli hätte eine Welt ihnen verziehen, deren Prie- tisches Gebiet begibt und dadurch auch die Ver­sterschaft eine einzige große Ber- ändigungspolitik der jetzigen Reichsregierung führerbande geweien zu sein scheint. Aber durchtreuzt. Die Lintspresse bedauert die Kriſe, Claudia und ihr Kardinal hatten den Fehler be die in Paris   eingetreten ist, die Rechtspreise lon­gangen, offen vor aller Welt eine grande passion statiert sie dagegen mit offenem Behagen. zur Schau zu tragen. Das war zu viel für die zeigt sich hier wieder deutlich die Interessen­Matronen Trients in den Armen ihrer remeinschaft der deutschen   und französischen  Nationalisten, die beide auf ein Scheitern der Beicht väter und vor allem zu viel, da Claus dias Launen die Einkünfte des Staates ver­Verhandlungen hoffen. schlangen Mörder wurden gedungen, die mit In Paris   selbst ist eine gewiffe Be Dolchen nach der schönen Geliebten stachen und ruhigung eingetreten und man rechnet mit jie verfehlten, bis ichließlich ein Gif.becher die einer Abkühlung der Gemüter bis Montag. erwünschte Wirkung erzielte. Trient   ist befreit und der Sardinal gebrochen.

eBvor die große Tat geschehen ist, werben wir durch einen Irrgarten politischer und amou röjer Intrigen geführt, und wo immer Mussolini  einen priesterlichen Gauner und Lüstling hinsegen lann, verschlt er es nicht. Wir haben Sterfer­szenen, Strypten und aufgebrochene Särge und Leichengeruch und alles das, was sonst zu den Epigonen Bittor Hugos und Dumas gehört."

Ein Pariser   Experte gestorben.

Paris  . 19. April. Der Führer der englischen Delegation bei den Verhandlungen der Repara­tionsfachverständigen Lord Revelstoke ist im Laufe der Nacht in seiner Parifer Wohnung in der Rue Saint Honoré plötzlich verstorben. Lord Revelstoke schien gestern abends noch wohlauf, hat jich aber ziemlich früh in sein Schlafzimmer St omödie aber auch der bl. Bater" fich zurüdgezogen, wo er heute morgens tot aufge leistet, wenn er Mussolini   als, Gottgefandien" Was sagt die Indexkommission des Heiligen funden wurde. Ueber die Todesursache ist nod) bezeichnet, obwohl er sehr gut wissen muß, wie der Stuhles zu diefem net en Roman eines Gottge- teine Erklärung erfolgt. doch wird angenommen, Gottgesandte im Herzen über die Seirche urteilt. ſandien"? Oder was sagt sie, wenn ihr Gedächt- daß es sich um Herzschwäche handelt. Lord Revel In England ist jeg: ein Roman erschie- nis, das sich doch sonst über Jahrhunderte er stoke, der 65 Jahre alt geworden ist, gehörte dem nen The Cardinals Mistreß", die Mätresse des streckt. nicht bis 1909 reichen sollte, zu dem Be Direktorium der Bank von England an und war Stardinals, dessen Verfasser kein anderer als tenntnis, das Mussolini   noch 1924 im Vor- an der bekannten Bank von Baring Brothers  Benito Mussolini  , Cesar, Duce  , Minister- wort feines Buches Cuomo e la Divinità"( Der beteiligt. präsident, fascistischer General, furzum Er selbst Mensch und die Got.heit) ablegte: Eine tſchechoslowakische Wirtſchafts- iſt! Als er den Roman schrieb, war er freilich

tonferenz.

ein kleiner Redakteur in Trient   und den Roman verfaßte er für die Wochenausgabe des Il po­polo", die sich La vita iridentina" nannte. Der Titel des Serienromanes war:

Claudia Particella, l'amante del cardinale.

Nach der Beendigung der internationalen Wirtschaftskonferenz in Genf   im Jahre 1927 hat der damalige Ministerpräsident Svehla die Einberufung einer tschechoslowakischen Wirtschaft­fonferen; in Aussicht genommen, wo über die Durchführung der Beschlüsse, die in Genf   gefaßt Grande romanso dei tempi del cardinale wurden, gesprochen werden sollte. Die Vorarbei Emanuele Madruzzo. ten für diese Wirtschaftskonferenz, die sich nun ( Claudia Pariicella, die Geliebte des Stardi­vei Jahre hinziehen, wurden vom Präsidium des Wirtschaftsbeirates durchgeführt. Wie nun nais, Großer Roman aus den Zeiten des Kar­die Narodni Politika" meldet, soll diese Wirt- dinals Emanuel Madruzzo). In diesem Roman schaftskonferenz in der nächsten Zeit zusammen- erzählt Mussolini   u. a. das Folgende von der römischen Stirche:

treten.

,, Die Kirche Roms hatte ein schlechtes Bris spiel geliefert. Die Nachfolger auf dem Stuhl Petri   waren mit den gräßlichsten Verbrechen beschmußt... Alexander VI.  aus der Familie der Borgias, berüchtigt als Giftmischer, hatte sich der Blutschande und des Nepotismus schuldig gemacht. Leo X.  sette einen Tarif für die Vergebung von Sünden jeit, und Clemens VII.   licj; jich im Vatikan   von ciner Truppe lasterhafter Weiber, dar, unter eine berühmte Afrikanerin, trösten. Julius der Dritte huldigte der griechischen Liebe... Die gesamte katholische hierarchie war infiziert vom Papst bis zum letzten Geistlichen eines Alpendorfes."

Der Gründer des ungarischen Genoffenschaftswe'ens geftorben. Wien  , 18. April.  ( Eigenbericht.) In Budapest  ist heute Moritz Erdelyi im Alter von 52 Jah­ren gestorben. Er war Begründer der Arbeiter­fonfumgenossenschaften, von Beruf Buchdrucker. Nach dem Umstur; war er Staa'sfetretär für Boltsernährung in der Starolyiregierung, wäh­rend der Rätebittatur eine zeitlang Voltstom missär, ist aber bald wieder aus der Regierung ausgetreten. Er mußte aber nach dem Umsturz trotzdem Ungarn   verlassen und lebte seither in Wien  . Im vorigen Jahre gelang es der Sozial­demokratic, ihm die Rückkehr nach Ungarn   zut In jeder Fortsegung wurden Freß-, Sauf­ermöglichen. Er übernahm wieder die Leitung der und Liebesgelage der römischen Geistlichkeit in Genossenschaften, die unter ihm einen großen den buntesten Farben geschildert. Ueber den In­Aufschwung nahmen. Mittwoch während eines halt des Romans berichtet das Berliner   Tage­Vortrages bekam er eine Gehirnblutung. der er blatt": heute vormittags erlegen ist. Er wird Sonniag nachmittags beerdigt.

Auch in Finnland   Neuwahlen. Helsingfors  , 19. April. Der Präsident der Republit hat heute den Reichstag   aufgelöst. weil diefer den Vorschlag der Regierung auf Aufbesse rung der Gehaltsbezüge der Staatsbeamten abge­lehnt hatte. Dic. Neuwahlen wurden auf den 1. Juli festgesetzt. Der neue Reichstag soll am 1. August zusammentreten.

In einigen Wirtshaus- und Bankettszenen wird sogar das Dichterische gestreift, am nächsten dort, wo der Verfasser ims das Volk zeigt, das wirtschaftliche Sklaverei widerspruchslos erduldet und dann wegen einer moralischen Frage revol­tiert." Dieses Volt wir befinden uns in einem österreichisch- italienischen Miniaturstaat des 17. Jahrhunderts- marschiert denn auch eines Tages in hellen Haufen vor den Palast des fürst­lichen Stardinals Madruzzo, um gegen die Herr­schaft der schönen Mätresse Claudia zu prote

,, Religion ist in der Wissenschaft ab­surd, in der Praxis cine Immoralität, bei den Menschen eine Krankheit.

Bombenattentat auf ein fascistisches Kon'ulat.

Der ampf gegen die Absurdität Rom  , 19. April. Wie die Blätter berichten, der Religion ist heute mehr denn ie not- wurde auf das italienische Generalkonsulat in wendig. Die Religion hat ihr wahres Gesicht Tunis   ein Bombenattentat verübt, dem keine in vollster Offenheit enthüllt. Uns selbst noch Menschenleben zum Opfer fielen. Die Explosion weiter zu täuschen, wäre Feigheit. Die Anpas war sehr start. Sämtliche Fenster des Konsulats sung der Kirche an die neuen unabwend- und der umliegenden Hänser gingen in Trümmer. baren Notwendigkeiten der Zeit be- Der Fußboden des Skonsulats wurde aufgerissent tören uns nicht. Es sind Versuche in und Splitter und Manerstücke wurden in einiger der Regel citle- das Prestige der Göttlichen Entfernung vom Konsulat aufgefunden. Von den Bant"( banca divina), die schon im Ren, Tätern fehlt bisher jede Spur. kurs steht, zu heben.

Im Zeitpunkte des Umjichgreisens der Ge.

dantenfreiheit, zitternd um das Schicksal seiner Herrschaft, bricht Vater Sarto in den Ruf ans: Getreue, der Antichrist ist geboren!

Der Antichrist ist die menschliche Ber­unit, welche sich aufbäumt gegen das Dogma und Gott niederschlägt."

Wiederaufflammen des afghanischen Bürgerkrieges.

London  , 19. April. Renier berichtet aus Beschawar: Schwere Stämpfe haben, wie gemeldet wird, vor zwei Tagen in dem Schech- Abad- Tal zwischen den Wardaks und den Streitkräften Sabib Ullahs stattgefunden. Eine Anzahl von Wir wissen schon, daß im katholischen Him Verwundeten ist bereits in Stabul eingetroffen. mel über einen reuigen Sünder mehr Froude Aman Ullahs Truppen wurden am 13. d. W. in herrscht, als über 99 Gerechte. Im Fall Mus- Nani gemeldet. Die Streitfräste Sabib Ullahs solini dürfte aber die Reue ebenso Berech- find in Ghazni   zusammengezogen worden und ung sein wie andererseits die Verzeihung und schlossen sich dert mit den Tadschits und Ghilzais zusammen. Freude des Papstes!

30 Groschen 20 Pfennig 1.60.K

Kuckuck

ruft:

Kummer 3

ist da!