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9. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowatischen Republit.

Samstag, 17. August 1929.

Karlsbader Festtage.

Frauenreichskomitee, Juristenvereinigung und Arbeiterfürforge

präge. In allen Straßen flutet Leben und von Stunde zu Stunde wächst der Verkehr. Die Eisenbahnzüge treffen verstärkt ein und jedem Zug, von welcher Richtung er immer kommt, entsteigen Arbeitertags- Gäste, die mit klingender Musik empfangen werden. Es sind alte, grau­bärtige Männer unter ihnen, die sich die weite Reise nicht verdrießen ließen, Frauen aus den entlegensten Dörfern, die interessiert das städ­tische Treiben beobachten, die aber alle jich in der Stadt nicht fremd fühlen, denn auf Schritt

und Tritt begegnen sie Menschen, mit denen sie sich verbunden fühlen, die der gleichen Gesin nung sind, wie sie.

an der Arbeit.

Gegen das Berfetutionssystem!

Für Erneuerung der zerstörten Demokratie.

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Nr. 192.

Die Hölle des Fascismus.

Wie Mussolini   sich seiner ,, Gegner" entlebigt.

Bor wenigen Tagen sind aus der Zwangs­verschidung in   Lipari( Italien  ) der Sozia­list Rosselli, der Republikaner   Nitti und Karlsbad  

, 16. August. Kalendermäßig ist der Fällung eines Urteiles ist die soziale Ge- zugeben. Die Tagung nahm auf Grund des der frühere Abgeordnete der jardischen Aktions­heutige Tag ein Wochentag. Die Fremdenstadt richtshilfe, deren Form allerdings auch in Referates eine vom Genossen Dr. Czech vorpartei Emilio Lussu   entkommen. Rosselli, Karlsbad   zeigt aber ein feiertagsmäßiges Ge- deutschen Reichstage noch nicht endgültig ist. geschlagene und begründete Resolution an, Genossen Dr. Krebs als Broschüre heraus unseren Verhältnissen festgelegt sind. Die Juristentagung beschloß, die Rede des in der die Richtlinien für die gleiche Arbeit in der troß seiner Jugend Dozent an der Univer sität war, ist verschickt worden, weil er seiner­zeit die Flucht Turatis organisierte und sich dann vor dem Gericht von Savona   offen seiner antifascistischen Gesinnung rühmte. Nitti verdankt diese Maßnahme seiner republikanis schen Gesinnung und dem Umstand, daß er Neffe des einstigen Ministerpräsidenten Fran­Die Parteivertretung der deutschen So ste Arbeiterpartei des Landes zu sein, nicht ge- cesco Saverio Nitti ist. Lussu hat im Novem zialdemokratie hat gestern folgende Regen die Polizeimaßnahmen der Regierung, fon- ber 1926, als die Fascisten sein Haus stürmten. jolution einmütig zum Beschluß erhoben: dern hilft dem Bürgerblock und seiner ein Fenster eindrang, niedergeschossen, eine ein Schwarzhemd, das mit dem Revolver durch Die Parteivertretung der deutschen sozial- Regierung, indem sie den Reſt ihrer Kraft Sandlung, die alle Kennzeichen der Notwehr demokratischen Arbeiterpartei stellt mit Empör Bekämpfung der Sozialdemokra frug, ihm aber lange Untersuchungshaft und rung fest, daß die politische Reaktion in der tie verwendet. dann das Zwangsdomicil einbrachte. Tschechoslowakei   neuerlich ihren Kurs verschärft allein in der Bekämpfung der bürgerlichen Re- drei besonders ärgert, ist nicht so sehr die Tat­So bleibt die sozialdemokratische Partei Was die Fascisten an der Flucht dieser Unterdessen wird überall noch an der Aus hat und daß ein schrankenloses Polizeiregime die altion, die ihren politischen Bankrott durch Nach- fache, nunmehr drei Menschen weniger schinden schmückung gearbeitet. Ueber Nacht entstand noch leßten Reste der ohnehin arg verkümmerten ahmung fascistischer Unterdrückungsmethoden zu eine mächtige mit Glühbirnen eingefaßte Em Freiheit der Meinungsäußerungen, der Vereins- verbergen sucht. Die deutsche sozialdemokratische können, als die Angst vor den Ent­pfangspforte am Haupteingang in die Stadt, am und Versammlungsfreiheit, der Pressefreiheit, Arbeiterpartei fordert die gesamte Arbeiterilaise hüllungen. Von den verfluchten Inseln Abend erglühte auch Fischern in Festbeleuch- der parlamentarischen Immunität, furz alle ich an dem Kampf gegen das Po- darf fein Lebendiger zurückkehren, er sei denn lizeiregime mit zäher Entschlossen- mundtot gemacht durch eine„ Begnadigung". tung. Die Vorortstraßen, durch die sich der Fest Grundlagen der politischen Freiheit völlig zu heit zu beteiligen. Es gibt teine Demo Inzwischen haben die drei berichtet, berichtet zug bewegen wird, haben reichen Schmuck an vernichten droht. Versammlungsverbote. fratie bloß für einen Teil der Bevölkerung! Es von ihren Erlebnissen aus der Hölle des Fascis­gelegt, überall grüßt auf breiten Bändern unser Konfiskationen, Zeitungseinstellungen, Berhaf- gibt keinen Ausnahmszustand, der sich auf die mus. Und wie sieht es dort aus? Die Zahl der „ Freundschaft!" Dauer bloß gegen einen Teil des Proletariates tungen ohne richterlichen Beschl häufen sich in wendet! Aufhebung der Demokratie bedeutet die aus politischen Gründen Verschickten beläuft Die Vertrauensmänner der Arbeiterorgani- einem bisher nicht dagewesenen Ausmaße. Zerstörung des Bodens, auf dem allein die sich heute noch auf etwa 1200, die auf die In­fationen waren zu wichtigen Tegangen vereint. Es kann unseren Standpunkt nicht im ge- Arbeiterklasse ihren politischen, wirtschaftlichen jeln Lipari, Ponza und Ustica   verteilt Es kann unseren Standpunkt nicht im ge- und tuliurellen Kampf erfolgreich führen fann. find. Vereinzelt finden sich noch Verschickte in Das Frauenreich stomitee hielt eine Sit­zung ab, die sozialdemokratische Juristenver- ringsten beeinträchtigen, daß sich die Persekutio­Die Parteivertretung fordert daher die so- Sardinien   und auf dem Festlande Süditaliens, einigung hörte in ihrer Vollversammlung ein nen in erster Linie gegen die kommunisti- fortige Aufhebung aller Ausnahms in der Basilicata  . In Tremiti befindet sich außerordentlich bemerkenswertes Referat über iche Partei richten. Die Verfolgungen unserer maßnahmen. Sie beauftragt die parlamenta ein einziger politischer Gefangener: Dumini, soziale Gerichtshilfe, erstattet von Regierungs- Jugendlichen, das Verbot sozialdemokratischer rischen Klubs, auf den chesten Zusammentritt der Mörder Matteottis. Natürlich nicht wegen rat Dr. Krebs aus Berlin  , am Nachmittag Antikriegskundgebungen, die Konsislation sozial. des Parlaments hinzuwirken und auf parla des Mordes, sondern wegen wiederholter Er­traten die Bertreter der Arbeiterfürsorge zu einer demokratischer Zeitungen, die unerhörte Miß- Rampfmittel gegen das Bersetutis pressungsversuche, bei denen das Wort fiel: außerordentlich stark besuchten Tagung zusam­men. Eine rege Aussprache, die den Ausführun- handlung eines sozialdemokratischen Arbeiters onssystem einzuseßen. Sie wendet sich Wenn ich vier Jahre bekommen habe, hätte gen der Genossen Dr. Krebs- Berlin und Dr. durch die Gablonzer Staatspolizei zeigt, daß aber auch an die Parteimitglieder, an die ge- der Präsident dreißig bekommen müssen." So­Gruschta- Aussig  , folgte, zeigte, eine wie wich dieses Terrorsystem in seiner Stonsamte flassenbewußte Arbeiterschaft mit der Hoff- lidarität mit Mördern ist für ein Regierungs­tige Einrichtung die Arbeiterfürsorge heute ist. sequenz die ganze Arbeiterbewegung here Entschlossenheit zur Wiedererhöhung muß Dumini in Tremiti umfommen. nung, der neuesten Reaktionswelle ihre umso grö oberhaupt ein kostspieliges Vergnügen; deshalb Abend boten großen Zuschauermengen überall trifft. Und in dieser Situation tehrt sich die here Entſchloſſenheit zur Wiedererhöhung mus; Dumini in Tremiti umfommen. der zerstörten Demokratie entgegenzu- Es ist bekannt, daß man ohne Richter­künstlerischen Genuß. fommunistische Partei, die sich rühmt, die stärl- jegen!

sprache an.

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Kulturelle Veranſtaltungen.

Musikalischer Auftakt.

spruch, ohne Verhör, auf Grund des Be= schlusses einer geheimen Kommis­sion verschickt wird. Weniger bekannt dürfte aber sein, daß die Verurteilten im Polizeischub mit gemeinen Verbrechern und mit Handschel­len befördert werden. Einem der jetzt befreiten Häftlinge wurden die Handschellen volle hun­dertfünfzig Stunden nicht abgenommen. Tags­über in der Eisenbahn, nachts in den feuchten Egmont   ist ein unpolitisches Drama. Sein Höhlen oder den Wanzenfästen der kleinen Po­Seld ist fein Revolutionär. Er ist auch fein lizeigefängnisse, wo es oft an Raum zum Aus­Mann des Volkes, sondern ein Aristokrat wie streden fehlt. Ein solcher Polizeischub, bei dem Goethe selbst.

Die Arbeiterfürsorge hielt heute nachmittag im Kurhaus in Karlsbad   unter dem Vorsitz des Genossen Dr. Czech eine außerordentlich gut besuchte Tagung ab, in der Regierungsrat Dr. Krebs aus Berlin   über A'r beiter für­risch verkleidete Gestalten repräsentieren das forge und Arbeiterklasse" ein ausge­Volt. Und die historischen Personen, insbeson zeichnetes Referat erstattete. Als zweiter Redner Der fünstlerische und gesellschaftliche Teil des dere Alba und Oranien, haben nur die Namen sprach Genosse Dr. Gruschka aus Aussig   über Reichsarbeiter: ages wurde heute Nachmittag durch aus der Geschichte entlehnt. Fragen der Bevölkerungspolitit. An ein Symphoniekonzert im großen Post­die Ausführungen der beiden Referenten schloß hofgarten eingeleitet, das in festlicher Stimmung sich eine rege außerordentlich interessante Aus für mehr als 2000 Besucher, zum allergrößten Teil Teilnehmern des Reichsarbeitertages, statt fand. Das im guten Sinne volfs.ümfiche und sym­Die erst in diesem Jahre geschaffene sozial- bolhaft internationale Programm dieses Konzer­demokratische Juristenvereinigung hielt anläßlich tes wurde mit Webers Euryanthe Ouverture er des Reichsarbeitertages am Freitag, den öffnet, die Generalmusikdirektor Mauzer und 16. Auguſt, vormittags, ihre Vollversammlung das ausgezeichnete Karlsbader Kurorche unter dem Vorsitz des Genossen Dr. Czech ab. it er besonders im Rhythmischen überzeugend ge­ster Es ist erst ein Vierteljahr seit der Gründung der staltete. Smetanas Aus Böhmens   Hainen und Bereinigung vergangen und dennoch fonnte Fluren" voll farbiger Naturbetrachtung gab dem Genosse Dr. Wiener Prag, in seinem Ge- trefflichen Bläserchor Gelegenheit zum Ausdruck ſchäftsbericht schon von einer Fülle geleisteter bezaubernder Romantik, den Streichern zur Ent Arbeit berichten. Es feien hier nur die Erfolge wicklung aller Süße volksliedhaften Tones. Die der jungen Vereinigung beim deutschen Juristen- naive Steigerung Griegscher Musif fand ihren tag zu erwähnen. Gen. Dr. Sch we 1b brachte Abschluß mit dem„ Buldigunasmarsch" durch des den Kassabericht und Genosse Dr. Engel den sen fraftvoll weit gewölbte Wogen der Festgeist der Kontrolle. Genosse Dr. Heller sprach über so recht einzuziehen vermochte. Den zweiten Teil tion, Was iſt des Freieſten Freiheit: Recht zu die Arbeitsmethoden der Juristenvereinigung. des Konzertes nahm Tschaikowsfijs fünfte Sym- tun."( Auf die Frage freilich, was Recht ist, Als Gäste der reichsdeutschen Juristen- phonie ein, die in Würde und Weihe hinüber lei- verweigert Goethe die Antwort, denn er ist ein bereinigung nahmen die Genossen Dr. Kurt fete zur ernsten Größe der gesamten Veranstal Rosenfeld Berlin und Dr. Otto Krebs- tung des Reichsarbeitertages. Berlin  , für die österreichische jezialdemokratische Dem Dirigenten und dem Orchester wurde Juristenvereinigung die Genossen Eldersch viel zerlicher Beifall zuteil. und Maurer teil.

Den Höhepunkt der Juristentagung bildete das Referat des Genoffen Dr. Krebs- Berlin

Egmont.

Zur freitägigen Aufführung am

Reichsarbeitertag.

über soziale Gerichtshilfe, in dem er, ausgehend von der statistisch erwiesenen Tatsache, daß bei 83 Prozent aller Fälle von verhängten Strafen Eine erhabene Musik. Aber sie ist keine feine Befferung des Bestraften brachte, den Symphonie der Freiheit. Staum eine Vorahnung Kampf unserer reichsdeutschen Genossen nach von Aufruhr wird in ihr vernehmbar. gerechten Urteilen darlegte. Das brauchbarste Egmont   ist im Gegenteil nichts als ein Mittel zur Beschaffung der Unterlagen für die nachdenkliches Selbstporträt des Dichters. Male­

man im Winter vor Kälte, im Sommer vor

Doch Egmont ist der Mann der Verantwor- Sitze und Durst umfommt, fann zwanzig, drei tung. Glaube an sich selbst und Glaube an seine Bic, ja vierzig Tage dauern und wird als die Sendung erfüllen ihn. Was uns ihn teuer macht und ihn geeignet erscheinen läßt, Vertretern der innloseste Quälerei geschildert, die Arbeiterklaffe als Beispiel gezeigt zu werden, ist man sich denken kann. Egmonts politische, sondern seine Zwei Dinge sind es, die die Verschickten nicht als besonders qualvoll empfinden: das Zu­menschliche Rolle. Jeder Kämpfer muß Fatalist sein. Muß an sammensein mit gemeinen Vera den Sieg seiner Sache glauben. Und wenn ihm brechern und die beſtändigen Provokationen beſtimmt ist unterzugehen, dann muß er dem der Wiliz. Mit einem entbehrungsreichen Le­Berhängnis troßen, denn ohne den Glauben an ben finden sich Menschen, die für ihre lleber­den Sieg ist jede Tapferkeit vergebens. Seltsam ist Goethes   Stellung zur Revolu- Beugung einstehen, schließlich ab. Aber die auf­gezwungene Gemeinschaft mit Zuhältern und Bucherern ist schwer zu ertragen. Noch schwerer erträglich ist das Benchmen der fasciitischen Legitimist und Recht ist ihm der Wille des Miliz. Ein Verschickter, Del Moro, wurde Herrschers). 2. B. von einem Hauptmann der Das proletarische Publikum verfolgte das Miliz prundlos beleidigt. Er warf sich des­äußere Geschehen mit einiger Reserve. Aber das halb auf den Hauptmann und streckte ihn zu seelische Drama Egmonts, seine unbeirrte zu Boden. Del Moro wurde sofort abgeurteilt, versicht und sein heroisches Ende( mit Recht dann in eine Irrenanstalt geschickt, wo er nach hüllte der Dichter semen Helden in Musif, um wenigen Monaten it ar b, ohne daß die Fa­ihn aus der Bedenklichkeit irdischer Pose ins Imaginäre zu entrücken) sand begeistertes Eche. Die große Einfachheit des Geschehens wirkte auf die empfänglichen Gemüter wie auf die Menschen aus Goethes Zeit.

Ueber die Aufführung wird noch einiges zu Ernst Som mi è r. sagen zu sein

milie auch nur die Todesursache erfahren hätte. Offenbar war der junge Mann im Gefäng= nis derartig mißhandelt daß man ihn nicht mehr freizulassen waate und so einfach beiseite schaffte. Der Anarchist Luigi Galle ani, ein Mann von 67 Jah­