Mittwoch, 21. August 1929.

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uns dies am wenigsten leid. Achulich äußerte Festschrift Gen. Rieger( Wien  ) den Versailler ich bas Národní Osvobozeni", wenn es schreibt: Frieden als ein Friedensdiktat" bezeichnet und Es gibt vielleicht in Europa   teine invere daß Otto Bauer   von der Annexion der deutschen  sozialdemokratische Partei, welche am alten mar Gebiete der Tschechoslowakei   spricht. Das sind ristischen Ratechismus mit einer solchen Zähig historische Tatsachen, über welche die Aften feit festhalten würde, wie die deutsche   Sozialdemo- geschlossen sind und mit Ausnahme der Reda Iratie der Tschechoslowakei  ." teure des Venkov" weiß es jedes Kind, daß Das Lob, das uns da gespendet wird, ist man Deutschland   zur Unterzeichnung des Frie übertrieben! Die österreichischen Genossen sind densvertrages gezwungen hai. ficherlich so gute Marristen, wie wir find Wenn schließlich das genannte Blatt die tsche wir doch beide afls der gleichen Schule Victor chischen Sozialdemokraten beschuldigt, daß sie bei Ablers hervorgegangen. Die marristische Me- einer antistaatlichen Parade assistiert" hätten, thode und die Ergebnisse der Lebensarbeit von so ist dies nur der Ausdrud einer Nervosität, Marg haben gerade nach dem Striege eine so die das Organ der Agrarpartei seit einiger Zeit ungeahnte Bestätigung erfahren, daß selbst viele befallen hat und die in fortwährenden wüsten Nichtmarristen das zugeben müssen, wenn sie Angriffen der tschechischen Sozialdemokraten nicht geschworene Feinde der Arbeiterklasse sind. zum Ausdrud fommt. Die Agrarier, hüben Es hat also, da uns die ganze Weltenwicklung und drüben, wissen, daß sie bei den nächsten Recht gibt, die obige oberflächliche Bemerkung Wahlen niemanden so zu fürchten haben, als die wenig Ueberzeugungskraft für uns. Sozialdemokratie. Ihre Nervosität ist also be Am meisten ärgert sich über den Reichsar gründet und ruft deshalb auf unserer Seite wie beitertag das Blatt des Ministerpräsidenten Es auf derjenigen der tschechischen Genosien teine regt sich fürchterlich darüber auf, daß in der Aufregung hervor.

Tagung der Arbeiterfürsorge in Karlsbad  .

Beite 3.

Sauptursachen, warum es mit einer modernen Rüdwirkungen auf den Arbeiterhaushalt. Der Genoffe Dr. Holitscher stellt fest, daß die hoffrage in den Bereich der Diskussion und ihre Regelung des Geburtenproblemes nicht vorwärts Arbeiter verwendet seine unzureichenden Mittel gehen will, die in unserer Gesellschaft herrschende viel unökonomischer als der Kapitalist. Man sollte Seuchelei ist. Zum größten Teile versagen bei der ihn auch in dieser Hinsicht beraten. Redner tritt Bekämpfung des heutigen unwürdigen Zustandes schließlich für die Schaffung einer Erziehungsbe. die Aerzte und die medizinischen Fakultäten. Der ratung ein. von uns befämpfte§ 144 hat noch feine Abtrei- Genosse Bösmüller- Gablonz spricht die Hoff­bung verhindert, er treibt aber die proletarischen nung aus, daß die Errichtung von Eheberatungs­Frauen und Mädchen in die Arme der Pfuscher. ſtellen mit Hilfe der Krankenkassen in absehbarer Es ist notwendig, soziale Aufklärung unter die Zeit ermöglicht wird. Die schlechte finanzielle erziefchaft zu tragen. Redner fündigt schon für Lage der Sozialinstitute darf kein Hindernis sein, die nächste Zeit die Gründung eines Vereines denn die Wiederherstellung der von Pfuschern zer­ſozialdemokratischer Aerzte an, der mit der Arstörten Gesundheit vieler Frauen und Mädchen beiterfürsorge zusammenarbeiten wird. kostet den Krankenkassen imense Beträge. Genosse Dr. Czech begrüßt sodann den bei der Genosse Dr. Holitscher teilt hierauf unter gro­Tagung erschienenen Reichstagsabgeordneten Dr. Bem Beifall mit, daß auf seinen Vorschlag von Kurt Rosenfeld  . Genosse Rosenfeld ergreift das der Komotauer Krankenkasse bereits ein prakti Wort und schildert den Kampf, der soeben auch in scher Anfang mit der Eheberatung gemacht wurde. Deutschland   gegen den Abtreibungsparagraphen Genosse Blažej- Prag bezeichnet es als not­geführt wird. Die Mehrheit der Berliner   Aerzte- wendig, junge Ehepaare zu beraten. Viele Frauen lammer hat sich dafür ausgesprochen, die Schwan- werden von der Tuberkulose frühzeitig dahinge­gerschaftsunterbrechung auch, aus sozialen Grün  - rafft, weil ihr Körper die Belastung der Schwanke den zur gestatten. Die größte Gegnerschaft gegen gerschaft und Geburt nicht aushielt. cine fortschrittliche Regelung geht von den kirchli Genosse Dr. Gruschka danft im Schlußwort chen Streifen aus. Die sozialdemokratischen Parfür die in der Debatte erstatteten praktischen Vor teien müssen den Kampf gegen den Abtreibungsschläge. Die geplanten sozialen Einrichtungen paragraphen fortführen, bis er beseitigt ist. dürfen keinen parteimäßigen Charakter tragen und Unter außerordentlich starker Beteiligung| fahr eines tödlichen Ausganges des Eingriffs ab Genossin Kirpal verweist auf die Wichtigkeit sollten entweder von den Bezirken oder Kranken­von Delegierten der deutschen   sozialdemokrati- schreckend wirkt, wie die Erfahrung gezeigt hat. der Errichtung von Eheberatungsstellen, die aber faffen errichtet werden. ichen Organisationen wurde, wie wir bereits Es ist aber auch die Frage zu beantworten, nur dann ihre Aufgaben erfüllen können, wenn Dr. Krebs fonstatiert im Schlußwort, daß furz berichteten, Freitag nachmittags im Kur wie weit der§ 144 das Wachstum der Bevölke sie von sozial fühlenden Menschen geleitet werden. die Tätigkeit der Arbeiterfürsorge ein Stück der hause eine Konferenz der Arbeiterfürsorgerung schüßt. Diese Frage beantwortete Genosse Man sollte in diesen Beratungsstellen den Men- sozialdemokratischen Politik darstellt. Wir müffen burch Genossen Dr. c ch eröffnet. Als erster Dr. Gruschka durch ausführliche Darlegungen, die schen mit Rat und Tat beistehen und den Hilfe von allen Seiten an den Staat herankommen. Referent sprach Genosse Regierungsrat Stto sich auf statistische Daten über die Geburten- und suchenden Frauen einwandfreie Mittel zur Genosse Dr. Czech dankte mit herzlichen Krebs- Berlin  , über Sterbeziffern in den letzten Jahrzehnten stüßten. Schwangerschaftsverhütung zur Verfügung stellen. Worten den Referenten und hob in seinen Schluß­Arbeiterfürsorge und Arbeiterklaffe. In Mitteleuropa   war die Geburtenzahl im vori Vielleicht werden auch unsere Krankenkassen noch ausführungen hervor, daß sowohl die Partei als gen Jahrhundert so groß wie sie heute noch in dazu kommen, sich mit dieser Aufgabe zu befassen. auch der parlamentarische Klub sich intensiv mit Redner charakterisierte einleitend die über den östlichen Ländern ist. Sie betrug 40 auf 1000 Genoffe Hergeth- Teplitz spricht zu dem Refe- den aufgerollten Sozialproblemen befassen. Die aommene Form der Fürsorge, die von Angehö- Köpfe der Bevölkerung. Diese Ziffer ist bis auf rat des Genoffen Krebs und begrüßt es, daß die notwendigen Vorschläge für praktische Lösungen rigen der anderen Klassen an den Armen 25 bis 26 vor dem Kriege gejunten und ist nach Arbeiterfürsorge auf den bewährten sozialistischen   sollen mit größter Gewissenhaftigkeit ausgearbei geübt wurde. Dazu gehörten die kirchliche einem vorübergehenden Steigen in den Jahren Grundsäßen aufgebaut ist. Redner hebt die große tet werden. Nach Erledigung einiger Organisa­Wohlfahrtspflege und die bürgerliche Wohltäte- nach dem Kriege in weiterem Fallen. In Deutsch  - Bedeutung der geplanten Kurse zur Schulung von tionsfragen wurde die schön verlaufene und von rei. Das Kennzeichen dieser Sorte von Fürsorge land z. B. ergibt sich äußerlich betrachtet Sozialarbeitern hervor. einem prächtigen Geist getragene Fürsorgetagung war das Armenhauswesen. Es war auf die ein Geburtenüberschuß. Die Zahl trügt aber, und Genosse Dr. Ritter- Warnsdorf stellt die Alko  - geschlossen. ewige Dauer der Armut eingestellt. Der Hilfs in Wirklichkeit bleibt die wahre Geburtenziffer Objekt, das im Zustand der Armut erhalten wurde. Der poli- zurück. In der Tschechoslowakei   ist die Geburten tische Kampf der Arbeiterschaft hat auch auf zahl mit 23.4 auf 1000 Stöpfe der Bevölkerung diefem Gebiete einen grundlegenden Wandel an- etwas höher als es notwendig ist, um die Zahi gebahnt. Die neue soziale Wohlfahrtspflege der Bevölkerung auf der bisherigen Höhe zu er Eine deutschnationale Stimme über Güdtirol. betrachtet den Menschen als Subjett, sie will halten, aber auch auf dem Gebiete der Tschecho­ihn aus dem Zustande der Armut flowakei zeigen fich große Unterschiede zwischen Wien   die Südtiroler   verhöhnt hat, indem er ein Röschte ebenfalls: Nachdem vor kurzem erst Herr Krebs in Presse und Meinungsfreiheit auswirkt, berichtet heraushelfen. heraus helfen. Indem sie den Notstand den einzelnen Ländern. In Böhmen   ist die Ge- Bündnis Deutschlands   mit Mussolini   propa­des einzelnen bekämpft, verfolgt sie das Ziel, den burtenzahl faft auf derselben Söhe wie in Deutsch   gierte, hat in Nürnberg   der Herr Jung nicht Notstand ganz zu beseitigen. Das ist vor allem landjie beträgt 18 während sie, je weiter während sie, je weiter zurüdstehen können und erflärt, über Südtirol  eine pädagogische Aufgabe. Sie ist Hilfe man nach Osten kommt, steigt, bis sie in Karpa- werde nur deshalb in Deutschland   so viel geredet, zur Selbsthilfe. Die moderne Wohlfahrts thorußland mit 40 den Höhepunkt erreicht. weil Italien   den pariserisch westlichen Staats­pflege ist von der Tendenz beherrscht, sich in ab- Woher ist diese ungeheure Wandlung ge- gedanken" überwunden habe und Mussolini  jehbare Zeit überflüssig zu machen. Sie will kommen? Der Grund ist darin zu suchen, daß gegen die Freimaurer sei. Die Südtiroler   sind nicht nur soziale Krankheiten heilen, sondern sic die Arbeiterschaft sich auf einen pripilan also für die Nationalsozialisten andauernd Simu­auch vorbeugen, verhüten. Losgelöst von dem zungsthus eingestellt hat, welcher früher lanten und Querulanten, die der gemeindeutschen entwürdigenden Almosengeben strebt sie die Wie­ein Privilen der kulturell höherstehenden Sache nur im Wege stehen und deren baldiges derherstellung der Arbeitskraft an. Die Unter­Schichten war, nämlich auf den rationellen Verschwinden von der ethnographischen Karte stübung wird nicht mehr als Gnade betrachtet, Fortpflanzungsthpus. anscheinend den Nationalsozialisten Ungelegen­sondern als die Erfüllung eines natürlichen Früher hatte sich die Bevölkerung, nach einem heiten ersparen würde. Rechtes jedes Menschen auf Hilfe in der Not. Ausdruc Prof. Groterjahus, naiv" fortgepflanzt, Daß es auch in deutschnationalen, Der Zustrom der Fürsorgebedürftigen ohne die Folgen dieser bedenkenlosen Fortpflan ja geradezu in hakenkreuzlerischen Strei muß eingedämmt werden und deshalb wollen zung zu erwägen. Erst seitdem die Arbeiterschaft sen noch Leute gibt, die über Südtirol   die Wahr­wir die Fürsorge herausheben aus dem Milieu dieses Problem erfaßt hat, begann die Beschrän heit fagen und sich noch nicht zu dem überlegenen der Wohltäterei in das Gebiet der Sozial- fung der Geburten auch in ihren Streifen. Deut- Standpunkt der Jung und Krebs durchgerungen politit. lich ist nachzuweisen, daß die Beschränkung der haben, beweist ein Artikel von Herm. Rotschte im Gegensatz zu der korrupten Demokratie" als Der ganze Komplex von Fürsorgeaufgaben ist Kinderzahl in der Arbeiterfamilie eine Folge des in der" Sudetendeutschen   Tageszei- Hort der Reinheit und des Idealismus. Wir ein Bestandteil der Politik. gesteigerten Verantwortungsbewußtseins des tung", die doch gewiß unverdächtig deutsch   wissen, was hinter diesen Phrasen stedt. Aber Darum sind auch die Bedenken unbegrün- Arbeiters gegenüber der eigenen Person und der national, hakenkreuzlerisch und monarchistisch ist. det, daß durch die Arbeiterfürsorge die Arbeiter Nachkommenschaft ist. Es ist eine fulturelle Er Vor einigen Tagen war an der gleichen Stelle schaft von der Politik abgelenkt werde, denn es rungenschaft, wenn die Arbeiterschaft heute die udendorff zu Worte gekommen und sehr handelt sich um zwei Seiten eines und desselben Familie so flein erhält, daß es sich verbinden oft wird dort dem Heimwehrfascismus die Mauer Broblems. Die sozialistische Einstellung zur läßt mit ihren materiellen Verhältnissen. Diesen gemacht. Also feine Spur von westlerischem Fürsorgearbeit seht an Stelle des passiven Mit Wunsche muß man in den Eheberatungsstellen Staatsgedanken". Und doch schreibt dieses Blatt: leids das aktive Mitleiden. mit geeigneten Mitteln entgegenkommen, um zu berhindern, daß das gefährliche Mittel der Ab­treibung angewendet wird.

bedürftige galt lediglich als das um mindestens 9 Prozent hinter der Soll- Ziffer

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Zum Wohlergehen eines wahren Sozialisten ist das Wohlergehen aller Vorausseßung. Man hat einen Widerspruch zwischen den Die ganze Arbeiterfürsorge steht und fällt mit der Beteiligung der Arbeiter an der Für Beschwerden über das Sinken der Bevölkerung forge. Das Symbol der Arbeiterfürsorge ist das und dem Verlangen nach Empfängnisverhütung rote Herz. Redner schließt mit dem Wunsche, festgestellt. Dieser Widerspruch liegt aber nicht in daß die roten erzen der Arbeiterklasse aller Län uns, sondern in der Lage der Arbeiterschaft und in der kapitalistischen   Gesellschaft, welche einer der zusammenschlagen sollen und daß die reichs in der kapitalistischen   Gesellschaft, welche einer deutsche   und sudetendeutsche Arbeiterfürsorge seits Fortpflanzung fordert, andererseits Mil­auch in Zukunft brüderlich zusammenarbeiten. Wohnungen ruft, Staatsbeamtinnen die Ehe ver lionen Frauen in die Berufe stellt, nach fleinsten ( Großer, anhaltender Beifall.) bietet und in unzähligen anderen Fällen selbst Als zweiter Redner sprach Genoffe ihrer Forderung widerspricht. Dr. Gruschka- Aussig   über:

Fragen der Bevölkerungspolitik.

Das Geburtenproblem ist der biolo­logische Bankrott des Kapitalismus.

Nach einem Hinweis auf die Teplißer Ta- Die einzige Hilfe auf dieſer abſchüssigen Bahn, gung der Arbeiterfürsorge", welche sich schon mit die zum Untergange führt, ist die Stärkung des diesen wichtigen Problemen befaßt hat, umreißt Willens zum Kinde. Das können wir nur errei der Vortragende diesen Fragenkomplex, aus welchen durch die Schaffung einer neuen Ordnung chem er die Frage des Bevölkerungswachstums und einer neuen Woral innerhalb dieser Ord und die Bedeutung der Beratung über die Ehe mung. Bei dieser Betrachtung der Entwidfang und die Empfängnisverhütung für diese Frage fönnen wir unsere sozialistische Ueberzeugung hervorhebt. um einen neuen Grund vermehren. Durch die Der Rat, welcher in erster Linie von den Vertiefung in das biologische Problem kommen Cheberatungsstellen verlangt wird, betrifft die wir zu dem Schluß: Es wird entweder Geburtenregelung und die Empfängnisverhütung. eine neue, sozialistische Gesell Die Sozialdemokraten sind feine Anhänger der schaft geben oder keine Gesellschaft Abtreibung, wie ihnen stets vorgeworfen wird,( Starker Beifall.)

wirken.

In der anschließenden

Debatte

sie sind in gleicher Weise Gegner der Abtreibung mic Gegner des Abtreibungsparagraphen des Strafgesetzes. Die Eheberatungsstellen, welche sie verlangen, sind das wichtigste Mittel gegen die bezeichnet Genossin Blatny das Bevölkerungs­Abtreibung mit ungefährlichen Methoden zu problem als eine der brennendsten Fragen des Nachkriegssozialismus. Je verelendeter und un­Die Tatsache, daß die Abtreibung in großem wiffender ein Volk ist, desto mehr Kinder werden Umfange besteht, ist rein Geheimnis. Um fie geboren, desto mehr Säuglinge sterben aber auch aber zu verhindern, bedarf es anderer Mittel dahin. Wir sind keine begeisterten Verfechter des als des§ 144, Durchbruches der Schwangerschaft. Wir wollen ver seinen Zweck nicht erfüllen kann, da weder nur für ganz verzweifelte Fälle die Straffreiheit die Drohung mit dem Serter, noch mit der Ge- der Abtreibung.

Aus dem Paradies der Hitler, Jung und Krebs.

,, Daß in Italien   die Pressefreiheit unterdrückt ist, ist für Tirol ganz be. sonders schlimm. In ganz Tirol bestehen außer einem fleinen Blättchen in Meran   nur zugi Zeitungen in Bozen  , die fascistische Alpenzeitung und die Dolomiten.

Der beliebte rotweiße Anstrich an Fenstern und Türen ist verboten. Weiße Kirchenfahnen dürfen keine roten Stickereien haben, weil rotweiß die Tiroler Farben sind. Und eine Witwe mußte ihren Mohn abbauen, weil er merkwürdig gemischte rot weiße Blüten trug. Daß jeder Gasthof die Bilder Mussolinis und des italieni­ schen   Königspaares aufhängen muß, fann nicht wunder nehmen. Nur daß ein Gasthof in Grieß  geschlossen werden mußte, weil die königlichen Bil der uneingerahmt waren, fällt auf die Nerven." Der Fascismus gilt den Nationalsozialisten

auch Deutschnationale merken es langsam. Wit der Unbestechlichkeit ist es nicht weit her"," sagt Stößschte und folgert aus einer Reihe von Tat­sachen:

Es ist eine alte Wahrheit: Gewalt ver­dirbt. Sämtliche deutschen   Alpenhütten wurden Alles, was deutsch   ist, ist verfemt. Fast weggenommen und dem italienischen   Alpenverein sämtliche deutschen   Gesangvereine sind aufgelöst. geschenkt. Ebenso hat man die deutschen   Turnhal­In Bozen   und vielleicht noch in einem anderen len weggenommen. Die Faschistenwirt. Orte fristet ein Verein sein Dasein dadurch, daß schaft ist eine ausgesprochene Günst Italiener eine starke Verwelschung durchgeführt lingswirtschaft. Wer auf die Faschisten haben. In den Gasthöfen ist das Singen dent­schwört, hat seine Vorteile. Ausgaben für die scher Lieder streng verboten. Aber auch in den faschistische Miliz, die ungeheuer viel Geld ver­Wäldern darf das sangeslustige Tirol seine schlingt, bleiben häufig unbezahlt. Ueberhaupt ist Stimme nicht mehr erschallen lassen. Jeder An- es gefährlich, italienische Beamte an zeige folgt die Strafe auf dem Fuße. Die deut die Bezahlung ihrer Schulden zu schen Turn- und Radfahrervereine hat man eben­mahnen. Denn deren Einfluß reicht schr weit." falls aufgelöst, weil sie sich keinem italienischen Und wie der Fascismus mit seinem ständi Vorstand unterstellen wollten. Selbst die deutschen  freiwilligen Feuerwehren, weil sie einen zu militäschen Staatsgedanken"( bei dem sich wahrschein­rischen Eindruck machten. In den Städten hat lich der Krebs so wenig denken mag wie der man dafür italienische Berufsfeuerwehren einge Jung) in der Wirtschaft auswirkt, wird so be richtet, die das Feuer nun nicht mit deutschen   richtet: Worten mißhandeln. Auch in den Dörfern dürfen die alten deutschen   Feuerwehren nicht aus der Versenkung herausgeholt werden. Denn die haben die vermaledeiten deutschen   Befehlsworte. Die Tiroler denken sich dabei natürlich im Stillen: Unsere Häuser wili man ruhig abbrennen lassen. Selbst das deutsche   Weihnachtsfest hat man verbieten wollen.. Es war schon ein Ufas vorbereitet, feine Weihnachtsbäume mehr zu schlagen und zu verkaufen. Da wurde aber der Utas vorzeitig verraten. Er kam in die Presse, und die allgemeine Entrüstung, die er hervorrief, erweckte die nötige Scham, daß die Italiener von ihrem Vorhaben abließen.

Die Amtssprache bei allen Behörden ist nur italienisch. Eingaben in deutscher Sprache wandern in der Regel in den Papierforb. Es dürfen allerdings Dolmetscher mitgebracht wer­den. Aber es wirkt ungeheuer fomisch, daß die Anwälte mit ihren Schüßlingen nicht deutsch spre­chen dürfen, sondern sich immer den Umweg über den Dolmetscher machen müssen, und von dessen Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit völlig abhän gig sind.

Wie sich die fascistische Staatsreform

,, Leider ist Tirol auch wirtschaftlich schwer geschädigt. Seinen schönen Wein fann Stalien nicht brauchen. Nun haben ihm die Fascisten auch seine Selftbhilfeverbände, die Raiff­eisenkassen, zerstört, weil es ein deutsches Gewächs war. Dafür will Mussolini   nun im besten Teile. des Landes, im fruchtbaren Etschtale, seine Krie ger ansiedeln Von Bozen   bis Salurn   sollen zwölf italienische Dörfer entstehen. Dazu hat man die dortigen reichsdeutschen Besitzer enteignet. Aber auch zahlreiche Tiroler Bauern. Unter dem Vor­wand, dort sei Sumpfland, und das müsse vom Staate entwässert werden. Wanche Bauern muß ten innerhalb vier Tagen ihre Gehöfte verlassen ohne eine Lira. Die Geldfrage würde später geregelt werden."

Mit einem Wort ein Paradies! Und nur Narren können glauben, daß lediglich die tiro­lische Bevölkerung unter diesem System leide. Unterm Beil ist nicht nur Südtirol  , wenn fich auch die Not hier verdoppelt, unterm Beil ist das ganze italienische   Volt und nur einige Hunderttausend Schmaroßer, die das Land mit Gewalt niederhalten, sind die Nußnießer der Aus­auf beutung, Unterdrüdung und Gemeinheit!