Sonntag, 18. Oktober 1929.
VERLANGET UEBERALL
VOLKS ZUNDER
SOLO A.S.I.
Boltswirtschaft und Sozialpoliti Die Krise in der Flachsindustrie.
Mitte September dieses Jahres empfing Minister Schramet eine Deputation der oftböhmischen Flachsarbeiter unter Führung des Abgeordneten Genoffen Roscher, welche die troftlose Situation in der Flachsindustrie schilberte und auf die Notwendigkeit der Novellierung des bestehenden Arbeitslosengeseyes, sowie auf die Auszahlung einer Notfallunterſtüßung für die Zwischenzeit verwies. Der Minister ver sprach, die erforderlichen Erhebungen durchzuführen und darüber dem Ministerrate zu berich ten. In den letzten Tagen erhielten die Bezirks behörden in Trautenau und Hohenelbe von der politischen Bezirksbehörde den Auftrag, die maßgebenden Stellen zu einer Besprechung einzu laden, um über die herrschende Situation zu be raten und zu den
erforderlichen Hilfsmaßnahmen Stellung zu nehmen. Diese Besprechungen fanden bei den Bezirksbehörden in Trautenau und Sohenelbe am 8. und 9. dieses Monates statt und es nahmen daran die Vertreter der Gemeinden, sowie die der Gewerkschaften, die Vertreter der Industrie und das Geiverbeinspektorat teil. Die Aussprache wurde in einer einmütig ge faßten Entschließung zusammengefaßt, die durch die Bezirksbehörde an die maßgebenden Stellen weiter geleitet wird. Die gefaßte Entschließung hat folgenden Wortlaut:
Die über Einladung der Bez.- Behörde in Hohenelbe im Sinne des Auftrages der Landesbehörde in Prag vom 24. September 1929, 31. 476.670/ 1929-16-3724 einberufene Bespre
chung in Angelegenheit der Arbeitslosigkeit im politischen Bezirke Hohenelbe hat einstimmig nachstehende Entschließung gefaßt: UebereinStimmend wurde festgestellt, daß tatsächlich die Arbeitslosentrise im pol. Bezirke Hohenelbe sich immer bedrohlicher gestaltet, einerseits, weil die zum Stillstand gelommenen Flachsspinnereien der Firmen W. Jerie, Ferd. Böhm, Flachsindustrie Broschwit und Döberney, welche vor dem Stillstand zu fammen über 900 Arbeiter beschäftigten, als dauernd stillgelegt betrachtet werden müssen, anderseits infolge der auch in der Baumwollindustrie schon seit mehr als einem Jahre an haltenden Strife eine Aufnahme der entlasse nen Flachsarbeiter einfach unmöglich erscheint und int Gegenteil auch in dieser Branche mit Arbeiterentlassungen gerechnet werden muß, schließlich mit Rücksicht auf die Jahreszeit, als auch mit Rücksicht auf den Mangel jeder ande ren Arbeitsmöglichkeit eine andere Unterbringung der Arbeitslosen nicht gegeben ist.
Die heutige Situation ist bereits soweit gediehen, daß zirka 400 Arbeitslose im Bezirke gezählt werden, von denen der größte Teil( na
hezu alle) bom Bezuge der Arbeitslosenunterftüßung mit dem Staatsbeitrage infolge der langandauernden Arbeitslosigkeit ausgeschlos ſen ist. Nach dem Ausweis der hiesigen Bezirksanstalt für Arbeitsvermittlung zahlt der Staat den Staatsbeitrag zur Arbeitslosenunterstügung zu Anfang Oktober nur an 7 Personen, aus dem Steuerbezirke Hohenelbe und an 18 Personen aus dem Steuerbezirke Arnau . Der überwiegende Teil der Arbeitslosen rekrutiert sich aus älteren, im Bezirke seßhaften Leuten, wel che jahrzehntelang bei den nunmehr stillgelegten Betrieben beschäftigt waren und infolge des dauernden Stillstandes dieser Betriebe weder eine Arbeitsmöglichkeit finden, noch auch eine Arbeitslosenunterstützung genießen. Als wirk lich wirksames Mittel zur Linderung der Notlage der Arbeitslosen haben sowohl Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer nur ein Einschreiten des Staates selbst bezeichnen können. Wenn auch sowohl an die Gemeinden, wie auch an die Bezirke und an die Arbeitgeber selbst wegen Unterstützung zur Linderung dieser Not heranzit treten ist, so sind sich doch die Anwesenden darüber klar, daß von den Gemeinden und Bezir fen infolge der beschränkten geldlichen Mittel derselben, wie auch deren beschränkter Dispo. sitionsfähigkeit eine ausgiebige Hilfe nicht zu erwarten ist, die Arbeitgeber wiederum selbst durch die anhaltende Krise zu den Betriebsstillständen gezwungen sind und daher in schwierige Situation geraten. Auch besteht nach Ansicht der Anwesenden für den Staat selbst eine moralische Verpflichtung, die Fürsorge für die Arbeitslosen im eigenen Wirfungsfreise zu regeln, da der Staat im Vergleich zu anderen benachbarten Staaten in dieser Hinsicht durch seine Gesetzgebung weit weniger Fürsorge für die Arbeitslosen getroffen hat.
Die Anwesenden halten daher eine Novellierung bes derzeit nnzulänglichen Gefeßes über die Arbeitslosenunterstüßung für unbedingt notwendig.
Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit dieser Angelegenheit jedoch wird bis zur Gesetzwerdung diefer Novellierung eine
Notstandsaktion
wie im vorigen Jahre notwendig sein, wobei jedoch darauf hingewiesen wird, daß die bei der vorjährigen Notstandsaktion bewilligten Bc. träge vollkommen unzureichend waren und daher erhöht werden müssen, wenn diese Beträge wenigstens die ärgste Not beheben sollen. Auch die Dauer der vorjährigen Notstandsaktion hat sich als zulänglich erwiesen, da bei den bewilligten 18 Wochen die Arbeitslosen gerade zur Zeit des strengsten Winters ohne jede Unterstügung blieben. Es wird daher sowohl einer Erhöhung der zu bewilligenden Beträge, als a eine Ausdehnung der Dauer bis zu 26 Wochen
gefordert, um auf diese Weise wenigstens über die schlimmste Not hinweg zu fommen. Die Einleitung von Notstandsarbeiten wird von den Anwesenden grundsäßlich begrüßt, wenn auch in diesen Notstandsarbeiten keine ausreichende Hilfe erblickt werden kann, da sich die Arbeitslofen zum größten Teil aus älteren Leuten und Frauen zusammensetzen.
Eine Beihilfe von Seiten der Gemeinden und Bezirke scheint nur dann möglich, wenn die Landesbehörde die von den Gemeinden und Bezirken für diese Zwede ausgefeßten Beträge nicht wie im Vorjahre streicht,
so daß es notwendig erscheint, in diesen Notstandsbezirken derartige Budgetposten der Gemeinden und Bezirke anzuerkennen. Eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit könnte darin erblidt werden, wenn den in Not geratenen Betrieben die Möglichkeit geboten wäre, die Betriebe wieder aufzunehmen oder sie umzustellen, was mangels der finanziellen Unterlage bei den Betrieben selbst nur durch staatliche Förderung derselben möglich wäre. Im hiesigen Bezirke stillgelegte Betriebe sind trog weitgehendsten Bemühungen und trotz des bil
wieder.
31 Der rechte Weg
Seite 7
zum vollendeten Radioempfang
-
Wenn Sie bereits zu den unzähligen begeisterten Besitzern einer PHILIPS Miniwatt"-Röhre gehören für Hochfrequenzverstärkung oder Audionstufe- so sind Sie auf dem richtigen Wege. Um jedoch das Höchste zu erreichen, benötigen Sie die beste Endröhre, die es gibt, eine
Sandigen Sie die bes
Diese Spezialröhre enthält fünf Elektroden
-
Anode, Heizfaden und drei Gitter-
und steht unerreicht da.
Bei Verwendung dieser Röhre haben Sie die Sicherheit, Ihr Ziel zu erreichen. Lebenswahre Wiedergabe von Musik und Sprache das Ergebnis einer großen und doch reinen Verstärkung.
Ihr Führer
---
B 443
412
ligsten Angebotes nicht anzubringen, wodurch Dieser Entschließung haben sich auch sämt die dauernde Entziehung dieser Arbeitspläße liche Vertreter derselben Streise bei der Bespredroht. chung in Trautenau angeschlossen, welche einen
Zusammenfassend ersuchen daher die Auve- Tag später bei der Bezirksbehörde stattfand. Nur senden, den Vertreter der Bezirksbehörde, an die wurden im Anhange noch einige Vorschläge für Landesbehörde das Ersuchen weiterzugeben, der durchzuführende Notstandsarbeiten gemacht. Die Not der Arbeitslosen selbst dadurch zu steuern, maßgebenden Regierungstreife haben jest bas entscheidende Wort, denn ihnen stehen die erforderlichen Mittel zur Verfügung.
daß
1. die umgehende Novellierung des Arbeitslojengesetzes in die Wege geleitet wird,
2. in der Zwischenzeit durch eine außer ordentliche Rotstandshilfe momentane Abhilfe geschaffen wird.
3. die Bezirke und Gemeinden nicht durch die Landesbehörde in ihrem Bestreben zur Lin derung der Not der Arbeitslosen durch Nichtanerkennung der für sie ausgefeßten Beträge behindert werden.
4. Notstandsarbeiten in Angriff genommen
werden.
5. Stillgelegten Betrieben die Möglichkeit geboten wird, den Betrieb wieder aufzunehmen und so die entlassenen Arbeiter wieder zu befchäftigen."
Kunst und Wissen.
Prager Konzert, aal.
Die Stonzertunternehmer haben nod) ininter nichts gelernt. Sie überschütten uns diesmal gleich Beginn der Saison mit Konzerten aller Art, ohne bedenken, daß sie dadurch die Konzertmüdigkeit des Publikums beschleunigen. In der legten Berichts zeit herrschte wieder einmal Ueberfluß an Biant. it e n. Ueber das Konzert des Wiener Meisterpianisten Emil Sauer haben wir anläßlich der Wieder eröffnung des Konzertsaales in der Produktenbörse bereits besonders berichtet. Ein neuer Wann auf dem Gebiete der auffallend bevorzugten Klavierkunst war Artur S. Hic, ein Amerikaner aus Phila delphia ; ein Pianist, der bewies, daß viele unter feinesgleichen berufen, aber nur wenige auserwählt sie erscheinen in seinen Dichtungen immer stücke, die G. Jirku in ein vortreffliches sind. Sein Anschlag ist hart, sein Vortrag troden, Joan Cantar. Deutsch übersetzt hat, gehören nun zu den stärk- seine Dynamit unausgeglichen und seine Technit Er sollte Senecht werden, aber der Knabe sten sozialen Dichtungen der Weltliteratur. Die unvollkommen. Daß er ein ebenso schönes wie stilIn dem schicksalschweren Jahre 1918, Inapp bevor sich der Traum der füdslawischen Einheit war zu schwach. Er trat als Hirt beim Nach Erzählung, welche der Sammlung den Titel ge- volles Programm spielte, in dem neben der großen erfüllte, starb der größte Dichter des Slowenen- barn in Dienst, aber die Kühe verliefen sich im geben hat, behandelt das Michael Kohlhaas - C- Moll- Toccata von Johann Sebastian Bach volkes, Ivan Cankar . Die Arbeiter auch der Kleefeld, dieweil der kleine Phantast im Grasschen Novelle ebenso wie der Kapitalismus des opus 110 vertreten war, ſei rühmend anerkannt, Motiv, unterscheidet sich aber von der Kleiſt Ludwig van Beethovens herrliche Us - Dur- Spnai? anderen Länder werden ihn, sobald sie seine unter dem Birnbaum lag und den weißen 20. Jahrhunderts von der Zeit vor hundert vermag aber nicht, das pianistische Urteil über ihn Werke kennen lernen werden, ebenso in Ehren Wolken nachschaute, die vorüberzogen. Da nahhalten, wie die südslawischen Arbeiter, die in men fich ein paar Dorfhonoratioren seiner an, Jahren. Es iſt eine einzige leidenschaftliche An- zu verbessern.- Weit bessere pianistische Eindrüde ihm nicht nur einen der größten Dichter des der kleine Junge konnte sein Bündel schnüren lage der kapitaliſtiſchen Rechtsverhältnisse, die als dieser Amerikaner hinterließ die jugendliche Südflawentums, sondern auch einen der Ihren und ging nach Laibach. er sichen StiavierDort ging er sieben nur ein Sozialiſt ſchreiben konnte, ein großer heimische Klavierkünstlerin Edith Straus, eine verehren, einen großen Gestalter, der ein warm- Jahre in der Mittelschule, sieben Glendsjahre, Dichter zugleich, der uns das Schicksal eines Schülerin des hervorragenden Berliner Slavine armen Senechtes erzählt, der vierzig Jahre einem meisterlehrers Schnabel, die in einem selbstän fühlendes der für die Armen und Stleinen die er mit Freitischen und Lektionen, mit denen Gospodar gedient, von deffen Sohn verjagt wird digen Klavierabend ebenso durch delikate Anschlags. hatte, den die Härte und Nücksichtslosigkeit der er ein paar Kreuzer verdiente, bezwang. Dann und nun sein Recht suchen geht. Auch die zweite kultur und saubere Technik wie Stlarheit und überheutigen Gesellschaftsordnung immer wieder ging er nach Wien an die Technik. Aber fleißiger große Erzählung, die von einem Briefter han raschende Geistigkeit des Vortrages entzückte und fid) aufs tieffte erschütterte und der in seinen als dem technischen Studium ergab er sich ber belt, der einst Geliebte und Sind verstoßen hat namentlich als ausgezeichnete und stilvolle Mozartwundervollen Erzählungen immer wieder auf die Lektüre von Bandelaire und Dostojewsky, Ber- und später an dieser Schuld zugrunde geht, ist spielerin erwies. Auf das starte Klaviertalent Frl. der Not und das Elend der Allerärmsten zu sprechen laine und Nießsche, Maeterlinc und Marg von stärkstem, erschütterndstem Eindruck. In Straus haben wir schon seinerzeit bei ihrem ersten Er wurde Sozialiſt und erkannte, daß alles Entwicklung seitIm Jahre 1876 kam er in dem kleinen Elend auf dieser Welt nichts Zufälliges und einer dritten Erzählung hören wir von der un- Prager Stonzert hingewiesen; ihre Entviding Dorfe Vrhnika zur Welt. Zwei Dinge lernte Unabwendbares, sondern notwendig durch die Bücklichen Liebe einer schwindſsüchtigen Näherin, her hat uns recht gegeben und läßt den berechtigten er schon in frühester Jugend kennen: Arnut und bestehende Gesellschaftsordnung gegeben fei. In igenartig, to start, daß wir aufs tiefste be- Schluß zu, daß in dieser Künstlerin eine der Westen Liebe. Armut: denn er war ein Proletariersohn ſeinen Dichtungen zeigt sich auch, daß er ausgt sind. Einige kleinere Profaſtücke, jedes ein ihres Faches heranreift.- In dem erſten Repräsen Marg gelernt hat.
fam.
-
und die Eltera hatten mehr Kinder als sie ernähren konnten. Liebe: er hatte eine Mutter, Wir haben jest Gelegenheit, einiges aus die trop der vielen Stinder und froß der großen dem Werke Cantars in deutscher Sprache kennen Armut zu ihm so zärtlich war, daß er es ſein zu lernen*). Die Novellen und kleineren Prosaganzes Leben nie vergessen konnte und daß die Mutterliebe in vielen seiner Novellen in den*) Ivan Cankar : Der Knecht Jernj. Eine Ausverschiedensten Formen wiederkehren. Armut wahl 1929 Niethammer- Verlag, Wien , I., Graben und Liebe waren die Begleiter seiner Jugend, 29a- Leipzig .
zelne ein stilistisches Kunstwerk, jedes anders, tationskonzerte der Prager Tschechischen Phil. in jedem ein Stück Lebensweisheit: kein einziges, harmonic war Alexander Zemlinsky , ber von dem wir nicht aufs tiefste erschüttert wären. einstige Opernchef des Prager Deutschen Theaters, Jedem Sozialisten und jedem Freund der gegenwärtige Opernkapellmeister der Berliner Staatsschönen Literatur kann die deutsche Auswahl oper und künftige Opernchef der russischen Staatsoper aus Cantars Lebenswerk anempfohlen werden. in Leningrad , als Gast am Pulte erschienen. Das Die Lektüre wird zur Stunde der Erbauung, Programm des Konzerts enthielt das Vierte brandentiefster Andacht und größter Ergriffenheit. Ergriffenheit. burgische Konzert von Johann Sebastian Bach als E. St. stilvolle Einleitungsnummer, Josef Suks Meditation