Einzelpreis 70 Seller.

Redaktion und Verwaltung: Prag  , U., Nefajanfa 18.

Telephone: Segesrebattion: 26795, 31489.

Machtrebattion: 28701,

Postichedamt: 37544.

Juferate werden laut Tarij billigt berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlah.

9. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Sigmund Kunfi

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Wien  , 18. November.( Eigenbericht.) Heute mittags ist im Krankenhaus der Gemeinde Wien  Genoffe Siegmund Kunfi gestorben. Kunji hat jahrelang an Schlaflosigkeit gelitten, da seine Ner­ben durch die Erlebnisse während der Revolution und Gegenrevolution in Ungarn   und später in der Emigration schlver zerrüttet waren. Er hatte vom Arzt Schlafmittel verordnet bekommen und hat sich offenbar in der Dosis geirrt. Er wurde gestern in seiner Wohnung bewußtlos aufgefun­den. Zn dieser Vergiftung lam eine Lungenent­zündung, die seine Überführung ins Spital not wendig machte. Im Spital besserte sich sein 3n­stand zunächst etwas, doch trat im Laufe des hen tigen Tages eine Verschlechterung ein. In den Mittagsstunden ist er gestorben.

Dienstag, 19. November 1929.

Bezugs Bedingungen:

Bel Juftellung ins Haus oder bei Bezug durch die Post:

monatlich.

vierteljährlich

halbjährig

ganzjährig.

Ke 16.­

48.­

96.­

192.­

Radftellung von Manu­tripten erfolgt nur bei Eln sendung der Retourmarten.

Gricheint mit Ausnahme Bes Montag täglich früh.

Nr. 270.

Völlische Studententrawalle in   Prag. Studentenkrawalle.

Auch

Sozialisten und Juden aus Vorlesungen hinausgeprügelt. Studentinnen mißhandelt. Gegen 20 Berletzte.- Polizei verhindert Raufereien in den Straßen.

-

Zweitägige Sperre der deutschen Hochschulen.

Die Krawalle griffen auch auf die deutsche  

An den Prager   tschechischen und deutschen Hochschulen studieren seit Jahren auch zahlreiche Studenten aus dem Auslande, das heißt, aus Ländern, wo ihnen das Studium aus irgens. einem Grunde erschwert oder gar unmöglich gemacht ist. Gegen diese landesfremden" Hörer hat ein Teil der tschechischen Studerten in der vorigen Woche durch eine Straßenfundgebung  Prag, 18. November. Heute vormittags| angeordnet. Troßdem wurde fein Sörsaal noch demonstriert, nachdem die leberfremdung" tam es an verschiedenen Instituten der deutschen vor Beginn der Vorlejung von den völkischen ge- der tschechischen Hochschulen vorher jahrelang Universität sowie an der deutschen Technik zu stürmt und die jüdischen Studenten hinausgevor­von den verschiedenen staatlichen und politischen schweren Ausschreitungen der deutschvölkischen und fen, wobei man sich auch an hatenkreuzlerischen Studentenschaft gegen Ausörerinnen vergriff. Faktoren gefördert worden war, darunter auch länder und namentlich gegen jüdische Hörer, wo- Aehnliche Krawalle wiederholten sich im von jenen, die nun auf einmal darin ein lebel bei eine große Anzahl von Studenten und Stu- klementinum bei der Vorlesung des Ger- erblicken und sich auf die Seite der demonstrie dentinnen schwer verprügelt wurde. Mehrere von maniſten Cyfar;. Nachher hielten die Bölkischen renden Studenten ſtellen, wie es beispielsweise ihnen erlitten dabei Verlegungen. Die De die Eingänge befeßt, während sich vor dem Ge- die tichechischen Nationaldemokraten tun, die Kunsi war erst 50 Jahre alt. Bis zum Um monftrationen fanden teilweise vor den einzelnen bände ein starkes Polizeiaufgebot ansammelte. früher nicht genug Staatsmittel zur Unter stur; war er Chefredakteur der, epizava" in Hochschulgebäuden auf der Straße ihre Fort stützung der an den heimischen Hochschulen Budapest   und einer der führenden Genossen der schung, wobei auch Polizei cingriff. So tam es Technit in der Hukgasse über. studierenden weißgardistisch- russischen Studenten ungarischen Sozialdemokratic. Während des Um in der Smečkagasse vor dem Hause des Handwer sturzes wurde er Unterrichtsminister in der ersten fervereins, in dem zahlreiche völlische und auch Dort brach gegen 11 Uhr ein Trupp von 40 bis beigestellt ſehen konnten. Nun traten auch die Aktion und revolutionären Regierung Karolyi. Als diese dann liberale Studentenverbindungen ihren Sit haben, 50 Studenten, welche aus dem Studentenheim deutschvölkischen Studenten in von den Kommunisten verdrängt wurde, trat er zu einer Rauferei zwischen den beiden findenti in der Krakauergaffe gekommen waren, in das Festern ist es zuerst bei der histologischen Vor­im Auftrag der sozialdemokratischen Partei mit schen Gruppen, in die sich auch Passanten ein Gebäude ein u. trieb mit Hilfe anderer Stommili lejung des Professors Tichermaf zu wohlvor­einigen andern Genossen als Volkskommissar auch mischten. Ein starkes Polizeiaufgebot konnte erit tonen, die bereits im Sof auf sie war bereiteten Strawallen gekommen, die in tätliche in die Regierung Béla   Kun ein, betätigte sich aber nach längeren Bemühungen, die beiden Streitteile teten, alle jüdisch aussehenden Hörer hinaus. Angriffe gegen die anwesenden jüdischen Stut in den Beratungen immer als Führer der sozial- auseinander bringen. In dem Handgemenge ere Da die Juden und Sozialisten, die ebenfalls in denten und Studentinnen ausarteten und im demokratischen Opposition. Als dann die weißen litten zwei Studenten und ein Polizist Berlet der Aula versammelt waren, das Gebäude nicht Laufe des Vormittags wurden von den mit Truppen Horthys im Gefolge der Rumänen in zungen. Die Polizei nahm eiwa zwanzig Bergutwillig verlassen wollten, bildeten die Völkischen nütteln und Stöden bewehrten völkischen eine Kette, durch die die Juden förmlich hin- Stoßtruppe der Reihe nach die anderen Hoch Budapest   einzogen, mußte Stunfi flüchten. Er haftungen vor. ausgeprügel wurden. Der dabei entitanichul Institute und Sochschulen gestürmt, die wurde schließlich in   Wien Redaftcur der Arbei dene Strawall war weit auf der Straße zu hören. ter Zeitung" und betätigte sich gleichzeitig als einer der leitenden Personen in der ungarischen Vor der Technikt sammelte sich ein startes Polizeiiüdischen und sozialistischen Studenten von der aufgebot, das Raufereien vor dem Gebäude, ver- llebermacht verprügelt und aus den Hörjälen sozialdemokratischen Emigration. überhinderte. Auch aus dem Hörsaal des Professor gedrängt. Es scheint, daß der Ruhm, den die mad wurden, troßdem Prof.. Mad auf die Anfascistischen Studenten in   Wien durch die Ver­Wie ein Blitz aus heiterem Himmel wird in wesenden beruhigend einzuwirken versuchte, Ju prügefune sozialistischer und jüdischer Hörer an den breitesten Streifen auch des judetendeutschen Proletariats, das Sigmund unfi aus vielen waren. Die erste Vorlesung konnte noch ohne be- den und Ausländer unter Gewaltanwendung der dortigen Universität an die Fahnen des hinausgedrängt. Safenfreuzlertums geheftet haben, ihre hiesigen Vorträgen fannte, die Nachricht von dem plög- jondere Störung durchgeführt werden, in der Der Rektor der Techuit, Prof. Dr. Fied Gesinnungsgenossen nicht eher ruhen ließ. lichen inscheiden dieses ausgezeichneten Politi nächsten Stunde kam es aber in mehreren Borle- ler, der telephonisch ins Refiorat berufen wurde, che sie ihren fers und sozialiſtiſchen Theoretikers wirten. Stunfi jungen zu großen Strawallen. Sturz vor Beginn schildert seine Beobachtungen folgendermaßen: che sie ihren nicht nachgeeifert hatten. zählte zweifellos zu den interessantesten Erscheider Vorlesung Prof. Mayers nungen der an markanten Seöpfen reichen sozia listischen Arbeiterinternationale. Er hat schon als Chefredakteur der Népszava  " sich außerordentliche Verdienste um die Schulung der ungarischen Ar­beiterklasse erworben und hat, nachdem ihn die Bluthunde der ungarischen Reaktion ins Egil trieben, als Redakteur der Arbeiter- Zeitung  " und Mitarbeiter wissenschaftlicher Zeitschriften die europäische   Deffentlichkeit über die ungarischen Verhältnisse treffend informiert. Aber weit dar­über hinaus hatte er als sozialistischer Schrift steller einen Namen. Oft und oft hat er die Welt­lage des Sozialismus bei aktuellen Gelegenheiten Prof. Mayer hielt für die im Hörsaal zu­tief schürfenden Untersuchungen unterworfen, ridgebliebenen( reinrajjigen) Studenten unbetüm­deren Ergebnis reich an fruchtbaren Erfenntnisjen mert die Vorlesung weiter ab. war. Seine Artifel im Kampf" waren stets Dann zogen die völlischen Horden zum phy Lesenswert, ebenso wie es ein Genuß war, Stunfi, fiologischen Institut, um dort die Vorlesung der die deutsche Sprache völlig beherrschte und Tschermats zu sprengen. Obwohl das Insti fast ohne ungarischen Akzent sprach, in Vorträgen tut abgesperrt war zu hören. Viele unserer Genossen kennen ihn aus

Zu den ersten Strawallen tam es bei der Vorlesung Prof. Tschermats im phyfiologi fchen Inftitut. Schon vor acht Uhr früh war Ser Vorlesungsjaal von nationalen Studenten füllt, von denen viele Couleur trugen und t, von denen viele Coule

mit Stöden und Knütteln ansgerüstet

stürmten etwa 30 völlische Studenten, zum Teile im Couleur, in den Saal und began nen unter dem Geschrei Juden hinaus!" auf die iüdischen Studenten mit Fäusten und Stöden einzudreschen und sie aus dem Hör­jaal hinauszutreiben. Ein Mitglied der so­ zialistischen   Studentengruppe wurde durch Stochiebe derart mißhandelt, daß er bewußt­los jusammenbrach und auf die Klinit Schloffer gebracht werden mußic, wo er ver­bunden wurde.

brachen sie die Tür auf

Ein anderer Grund für die wüsten und rohen Erzesse, in denen sie sich gestern produ zierien, ist nicht zu finden.

,, Als ich in den Hof lam, war dort bereits eine große Ansammlung von Studenten, welche ein Spalier gebildet haben, durch welches sie eine Es ist richtig, daß an der Hochschulen, be Anzahl Hörer hinaustrieben. Ich konnte eben sonders an den deutschen, verschiedene schwere noch schen, wie ein Student einem Hörer einen Mißstände bestehen. In der von uns an an= derartigen Faustschlag in den Rüden derer Stelle abgedruckten Resolution der sozio­verfekte, daß dieser sich geradezu vor Schmerzen listischen Akademiker und der Sozialdemokra Irümmte. Ich hielt den Angreifer jofort jeit und tischen Prager   Studentengruppe wird auf das verlangte feine Legitimation. Er ertlärte, teine Bestehen dieser Mißstände, die durch die Ueber­Legitimation zu haben, und gab nur an, tute, durch die unzureichenden Bauten und Ein­füllung der unzulänglichen Sörsäle und Infti­daß er Gesell heiße. Ob diese Angaben auf richtungen hervorgerufen wurden sowie auf den Wahrheit bernhten, konnte ich nicht feststellen."

The Vorlesungen an der Technik wurden daraufhin fiftiert. Die Strawallmacher zogen sich dann wieder ins Studentenheim zuriid.

Nachmittags gegen 2 Uhr juchten einige hun

Mangel einer ausreichenden sozialen Fürsorge­tätigkeit für die Studentenschaft hingewiesen und es wird die Bereitstellung erhöhter staatlicher Mittel zur Beseitigung dieser Uebel wie auch zur Ausgestaltung der sozialen Fürsorgeeinrich tungen gefordert. Was aber tut die deutschvöl­

-

solchen Vorträgen, die er den Städten unseres und draugen in den Hörsaal ein. Aud) by wurdert völkische Sidemen das chemische Intische Studentenschaft? Sie tämpft" gegen Wirkungsgebietes in den letzten Jahren gehalten den die jüdischen Studenten unter dem Ruf Institut der deutschen Technit auf dem Albertov zu diese Mißstände, indem sie ausländische und hat, sehr gut und werden ebenso wie die Schüler den hinaus" im wahrsten Sinne des Wortes aus besetzen. Der Borstand, Prof. Süttig, gab den nichtarische Studenten wohlgemerkt: nicht­unserer Starisbader Parteischule von 1923, mit dem Hörsaal hinausgeworfen, wobei man i Demonstranten bekannt, daß das Juſtitut durch Schmerz und Anteilnahme vom Tode dieses Vor- schen Studenten und Studentinnen feinen Un- Berfügung des Rektorais für zwei Tage gesperri bewaffnete und in der Minderzahl befindliche fämpfers der sozialistischen   Bewegung Kenntnis terschied machte. Es verdient festgehalten zu werfft, und verweigerte ihnen den Eintritt. Darauf überfällt, auf ihren Köpfen mit ihren Knüt­ist, nehmen. Mit ihm verliert das blutbefleckte Horthy  - den, daß sich Herr Prof. Tschermat in seiner Borsuchten die völlischen vor dem Gebäude gegen teln die Entrüstung über die bestehenden Bu regime einen seiner zähesten und bedeutsamsien lesung absolut nicht stören ließ und nicht den ge- Juden und Ausländer zu demonstrieren. Als die stände, durch die doch nicht nur sie, sondern die Widersacher, die ungarische Arbeiterbewegung ringsten Versuch machte, die attafierten Hörer Situation tritisch wurde, erschien jedoch Bolizei gesamte Studentenschaft sich gehemmt sieht, einen seiner fenntnisreichsten Führer, die Inter  - zu schüßen! und drängte die Studenten in die Neben- austobt. nationale einen hervorragenden Schriftsteller. gaffen ab."

Rubio, der nene amerikanische  Präfident.

Blutiger Wahlkampf. Mexiko  , 18. November. Einer Meldung der Mexiko  , 18. November. Einer Meldung der Asficiaded Preß zufolge wurde bei den gestrigen Wahlen der Standidat der revolutionären Parter des ehemaligen Präsidenten General Calles Ortig Rubio gewählt. Ee erhielt nach den bisherigen Meldungen 1,5 Millionen Stimmen.

Aus Mexiko   und aus zahlreichen anderen Staaten langen Berichte über blutige Zusammen stöße ein. In Mexiko   kam es vor einigen Wahl lolalen zu einer Schießerei, bei welcher fün Anhänger Vasconcellos und dre Anhänger Ortiz Rubios getötet wur­den. Außerdem wurden etwa 40 Personen berlegt. Auch in den Staaten Veracruz   und ogales tam es in einigen Orten zu Zusammen tößen. Es werden fünf Tote gemeldet.

Vor dem Justitut gerieten die abziehenden Studenten tätlich aneinander, so daß ein startes Wachcaufgebot eingreifen mußte. Die Hakenkreuz ler zogen zunächst in Gruppen in die Smeéfa isasie, wo es zu den oben geschilderten

Zusammenstößen vor dem Handwerkerverein

Daraufhin holten die Völkischen aus der Nähe einen Baumitamm und schlugen damit die Tür ein.

Genau genommen geht es den völkischen Studenten gar nicht um diese Dinge, sondern Nach Meldungen eines Prager   Abendblattes hatten vormittags die Institutsdiener des physio- sie wollten wieder einmal ihren Radaubedürf logischen Justitutes über Weisung des Prof. nissen, ihrer Wut gegen die Stonkurrenz der Tschermals versucht, die Hörer zur Legitima  - nichtarischen Studenten, die sie mitunter jogar tam. Dann zegen die Hatenkreuzter zur juristischen tion zu verhalten. Da die Diener dem An- zum Lernen zwingt und ihrer politischen Ge­Fakultät, um auch hier die Vorlesungen zu unter- Sturm der Studenten nicht gewachsen waren sinnung Luft machen. Diese politische Gesin­nung ist die der Hakenkreuzler und wie ihre brechen und auf die geschilderte Weise die Juden sperrten sie die Türe zu. Vorbilder bedienen sie sich zur Bekämpfung und Sozialisten hinauszuwerfen. Auch hier wur aller Andersgesinnten des Mittels der brutalen den einige Genossen verlepi. Gewalt. Wenn es nur irgend anginge, würden sie wie die Wiener   arischblütige Studentenschaft die Einführung des Numerus clausus  " for­dern, aber so viel haben sie doch schon gelernt, daß dies in der Tschechoslowakei   dem Schleu Roch am Vormittag trat der Akademische dern eines Bummerangs gleichkäme, der im Auch im chemischen Institut drangen 300 Senat zusammen und beschloß, die Vorlesungen zurücksausen die deutsche   Studentenichaft fel­Nationale in den Hörsaal des Prof. Beynefür heute und morgen auszusehen und die In- ber treffen könnte. Sie fordern keine Beschrän und warfen die jüdischen Studenten hinaus. Prof. ftitute, in denen Strawvalle vorgekommen sind, zu Bennet erflärte, er sei bereits gestern vom   Deia- fchließen. Außerdem wird überall Legitimations- fung bei der Zulassung nichtarischer Hörer an nat aufmerksam gemacht worden, daß Demon- zwang eingeführt werden. firationen gegen die Juden zu erwarten feien. Er habe deshalb heute strengen Legitimationszwang

Eine solche mit Stöden belvaffnete Horde drang sogar in das Studierzimmer der juri­dischen Fakultät ein, in dem etiva 30 Hörer arbeiteten, und mißhandelten dorten, die an= wesenden Studenten ohne Rücklicht auf Kon­

fession und Geschlecht.

Auf diese Weise gelangten sie in den Hörsaal, wo sich dann die Strawalle abspielten.

( Weitere Meldungen auf Seite 2.)

den Hochschulen, aber sie prügeln unter wohl­wollender Duldung und gefälligem Schmunzeln des ihnen gesinnungsverwandten Teiles der