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9. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

·

Sonntag, 8. Dezember 1929.

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Nr. 287.

Genoſſe Dr. Ludwig Czech Die Ernennung des neuen Kabinetts. Die neue Regierung.

284A Czech

der erste deutsche Sozialdemokrat in der Regierung.

Herr Vorsitzender der Regierung. ich nehme die Demission der Regierung an und enthebe Sie wie Ihre übrigen Mit­glieder der Aemter.

Udržal, m. p.

T. G. Majaryf, in p.

Herrn Franz Udržal,

-

Ing. Johann Dostalet zum Minister für öffentliche Arbeiten, Gottlich Bradač zum Landwirt

Vorsitzenden der Regierung der Tschechoslowajchaftsminister,

fischen Republit in Prag

Lana, den 7. Dezember 1929.

Herr Abgeorneter Udržal.

ich ernenne Sie zum Vorsitzenden der Regierung.

Gleichzeitig ernenne ich die Abgeordneten: Dr. Eduard Beneš zum Außen­minster,

Nach sechs Wochen, die von Verhandlun Die Handschreiben des Präsidenten. Die Minifterlifte. gen, Kämpfen, Gerüchten, Sensationen erfüllt Prag , 7. Dezember. Der Präsident der Dr. Josef Matoušet zum Winister waren, kann endlich die Ministerliste der neuen Republik erließ heute folgende Handschreiben: für Industrie, Handel und Ge- Regierung dem Volke präsentiert werden. Lana, den 7. Dezember 1929. iver bc, Noch nie hat in diesem Staate eine Regie­Rudolf Mlčoch zum Eisenbahn- rungsbildung soviel Zeit erfordert, selten noch minister, gab es anderswo in parlamentarisch regierten Dr. Emil Franke zum Minister für Ländern eine so langwierige und schwere Ge Post und Telegraphen, burt. Dieses sechswöchige Ringen um ein regierungsfähiges Kabinett hat seine guten Gründe. Nicht Zufall und Laune Einzelner. sondern die ökonomisch- sozialen Machtverhäl:- nisse, die in der Stärke der politischen Parteien Dr. Karl Viškovsth zum Minister für ihren Ausdruck finden, bedingten die Strife National verteidigung. zwischen den beiden Kabinetten Udržal, dem Dr. Ludwig Czech zum Minister für Bürgerblockabinett und dem Konzentrations soziale Fürsorge, fabinett" vom Dezember. Dr. Franz Spina zum Minister für Die Wahlen vom 27. Oktober brach­öffentliches Gesundheitswesen ten eine flare Entscheidung der Wäh­und förperliche Ausbildung, ler. Der Bürgerblock verlor 16, der sozialistische Blod gewann 18 Mandate. Der Bürgerblod verlor die Mehrheit im Parlament, er fonnte in dieser Form nicht weiterregieren. Nur durch eine Koalition von 13 Parteien, eine Samm fung aller Gruppen und Splitter, durch die Erschöpfung seiner legten, nationalistisch expo­nierten Reserven hätte der Bürgerblod parla mentarisch weiterregieren können. Auf der an­dern Seite sind wir, dank der kommunistischen Spaltungs- und Seharbeit in diesem Staate noch lange nicht soweit, eine rein sozialistische Zu größeren Verhandlungen zwischen den oder von Sozialisten mit Uebermacht be­Parteien war es vor der Ernennung nicht mehr herrichte Regierung bilden zu können. 93 sozia genommen. Es ist daher möglich, daß zwischen fiftische Mandate reichen dazu nicht aus, mehr Amtsantritt und Parlamentsantritt noch über als 700.000, auf die Sommunisten entfallene Details des Programms und der Regierungs- Stimmen sind für die Dauer der Parlaments­erklärung verhandelt werden wird. periode eben verloren. Die Notwendig feit einer bürgerlich sozialisti ichen Koalition ergab sich also aus dem Wahlergebnis.

Unseren Vejern und Parteigenossen brauchen wir Genossen Dr. Czech, den die Partei nun. auf den so wichtigen und veran.wortlichen Posten eines Ministers für soziale Fürsorge entsendet, faum vorzustellen. Sie kennen ihn als den Manu ihres Vertrauens, als den Führer in schwerer Zeit, durch ernste Krisen, als Kampfgefährten seit vier Jahrzehnten, als den in mannigfachen Stellungen und in jeder Lage erprobten unbeug­jamen Verteidiger der Interessen der Arbeiter

flaffe.

Dr. Juraj Slavit zum Minister des Innern,

Dr. Ivan Derer zum Minister für Unterricht und Volksaufklärung, Dr. Alfred Meißner zum Justiz­minister,

*

Nachdem man noch Samstag nachmittag die offiziöse Version vernommen hatte, die Ernen nung des neuen Ministeriums jei nicht vor Montag, wahrscheinlich aber erst Dienstag zu erwarten, tam es zu der überraschenden Beschleunigung, die sich anscheinend vor 1870 geboren also nun an der Schwelle allem aus der plößlichen radikalen Beilegung des des sechzigsten Lebensjahres stehend wandte Ressortstreits zwischen den agrarischen Diadochen sich Genosse Dr. Czech schon als Student und ober erbinto, die als Anwärter auf die ergab. Weder Stanět noch Stefanct junger Anwalt der Arbeiterbewegung zu, der er beiden Ministerien für Inneres und Landwirt­als Agitator, Schriftsteller, Verteidiger, bald auch schaft genannt wurden. gewannen das Rennen, an führender Stelle diente. Sein Eintreten für fondern Bradáč, der langjährige Einpeitscher den Sozialismus brachte ihm in der Zeit der des agrarischen Klubs, und als neuer Mann Slavit erhielten die umstrittenen Rejjorts. Verfolgungen mancherlei behördliche und gericht Am Nachmittag begab sich držal nach liche Nachstellung, so auch die Aberkennung seiner Lana, um dem Präsidenten die Ministerliste zu Offizierscharge in der t. n. 1. Armee. Seit den unterbreiten, und um sechs Uhr wurde bekannt, neunziger Jahren stand Dr. Czech in der Arbeidaß der Präsident die Ernennungen vollzogen terbewegung Brünns und Mährens an erster Stelle. Er betä igte sich mit unermüdlichem Fleiß in der Kommunal- und Landespoli­tif, wurde leitender Funktionär der Landes­partei, gehörte dann der Parteivertre­

Migr. Dr. Johann Sramek zum Minister für Gefeßesunifizierung und Organisation der Verwaltung, Rudolf Bechyne zum Minister für Volksverpflegung, Prof. Dr. Karl Englis zum Finan

minister,

Udržal, m. p.

T. G. Majaryf, m. p.

habe und daß die Handschreiben noch heute aus­gestellt würden.

-

Wochen nach der Wahl Donnerstag, Das Abgeordnetenhaus tritt fast sieben den 12. Dezember, um 11 Uhr, der Senat omselben Tage um 3 Uhr zusammen.

Von den bisherigen Ministern gehören dem neuen Stabinett weiter an: Udržal, Bis Lovsty, Sramet, Spina. Zum erstenmal Minister find: Bradáč, Slavit, Dosta let, Czech , Matoušet. Früheren Kabinetten hatten schon angehört: Bechyne, Meißner, Dérer, Englis ,

Mlčoch.

Beneš, Franke,

Auch welcher Art diese Koalition sein fonnte, erjah man unmittelbar nach dem 27. Ottober. Die Verluste des Bürgerblocks gingen vorwiegend auf Kosten der Klerikalen. Sie ha ben zwölf Mandate eingebüßt. während die tschechischen Agrarier noch eines gewinnen foun ten. Es lag nahe, die geschlagenen Klerifalen in die Opposition zu drängen und eine So a lition auf agrarisch sozialisti­icher Basis zu bilden, deren Arbeitsgrund­Bauen, soweit sie sich auf eine mittlere Linie

Einberufung der Kammern für den 12. Dezember age bie Straffenintereffen, der Arbeiter und

den 12. Dezember 1929, und zwar die Abgeziehung der Gewerbepartei und der National­ordneten für 11 Uhr vormittags in demokraten hätte sie auf 163 oder 177 erweis das Abgeordnetenhaus, Brag I., Dvořaf- Stai, tert. alfo tragfähip werden können. und die Senatoren für 3 1hr nach mit tags in das Senatsgebäude, Prag III., Land­tagsgasse, ein. Prag

, 7. Dezember. Der Präsiden:) Demgemäß beruft der Ministerpräsident bringen ließen, hätten bilden fönnen. Die reine tung der deutschen Sozialdemokra ie Dester- der Republik sandte dem Vorsißenden der im Sinne des§ 5 der Geschäftsordnung beider rotgrüne Scoalition hätte mit 151 Stimmen reichs an, in der er das Amt eines Obmannes Regierung Fran; udržal ein Handschrei Stammern sämtliche Mitglieder der Nationaleine zu fnappe Mehrheit gehabt. Durch Seran­der Kontrolle bekleidete. Nach dem Umstur; über- ben folgenden Wortlautes: versammlung zur konstituierenden Sibung für nahm er die Führung der Partei in Mähren , sammelte die alten Kampftruppen und führte sie auf dem Teplizer Partei ag der neuen Partei zu. In Tepliß schon wurde er zunt erften Stellvertreter des Parteivorsitzenden ge­wählt und nach Seligers Tod im Oktober 1920 übernahm er in kritischer Zeit das Am: des Var. teivorsißenden.

Lana, den 7. Dezember 1929 Herr Vorsitzender der Regierung, ich be. ruse veide Stammern der Nationalversamm­rufe beide Stammern der Nationalversamm lung zur ordentlichen Session nach Prag für den 12. Dezember 1929 ein. Udržal, m. p. T. G. Majaryf, m. p.

Die Minister.

Der Vorsitzende der Regierung Franz Udržal

Dr. Alfred Meißner

Aber schon in den ersten Tagen nach den Wahlen zeigte sich, daß die Bourgeoisie nicht gewillt war, die logischen Folgerungen aus dem Wahlergebnis zu ziehen, daß der Bourgeoisie und ihrer mächtigsten Gruppe sehr wenig an der Bildung einer organischen, lebensfähigen Regierung, an einer wirklichen Stonfolidieruna des Staates und der Wirtschaft lag. Udržal ging, gepreßt und schifaniert von dem rechten

stand vom 25. Mai 1920 bis 15. September 1920 Flügel feiner Partei, von dem Grundsay aus.

Durch die Krise der Parteispaltung und durch die schweren Stämpfe der Reaktionsperiode von 1921 bis 1925 führt Genosse Czech die Bar­tei zu dem glänzenden Wiederaufstieg, der m Wahlfieg vom 27. Oktober gipfelte. Die Gegner war vom 26. September 1921 bis 7. Ottober 1922, an der Spize des Juſtiz- Ressorts. haben Genossen Czech immer als einen konseqen­dann vom 7. Oktober 1922 bis 9. Dezember 1925 ten, vom Ernst der Veran wortung erfüllten und

durch kein Manöver zu täuschenden Führer 12igung. Rudolf Bechyně

Sep- war vom 7. Oftober 1922 bis 3. Oktober 1924 m. nister für Schulwesen, vom 9. Dezember 1925 bis März sah er die Funktion des Stellvertreters des Mini­sterpräsidenten. Dr. Ivan Dérer

fürchtet, den Arbeitern ist er eben durch seine steht seit 14. November 1918 an der Spize dieses 18. War; 1926 Eisenbahnminister Gleichzeitig ver Konsequenz, durch seine Unerbittlichkeit in grund- Ressorts. fäßlichen Fragen, durch sein hohes Verantwor

tungsgefühl besonders teuer gewesen.

Außenminister Dr. Benes

Die Par ei stellt den Mann ihres Versteht seit 14. November 1918 an der Spize tranens, den Führer und Vorfämpfer nun Ressorts.

auf den erponierten Posten in dem festen Ver­

trauen, daß er auch diese keineswens leichte Auf­

Dr. Marl Viškovsty

dieses war vom 25. Mai 1920 bis 15. September 1920 für die Verwaltungs der Slowakei , vom 26. September 1921 bis 7. Oftober 1922 und vom 5. Jänner 1923 bis 18. März 1926 Minister für Gesetzesunifizierung.

gabe bewältigen, daß er unseren Willen zur Gef war vom 9. Dezember 1925 bis 18. März 1926 Ju­tung bringen und in dem Reffort. das ihm nicht tizminister und vom 16. September bis 7. Dezem fremd, sondern aus seiner sozialpolitischen Tätig ber 1929 Minister für Nationalverteidigung. feit in Gemeinde, Land und Parlamen vertraut

fo

Dr. Emil Franke

ift. Erivriekliches schaffen wird. Dieses Ver­trauen der Arbeiterklasse. das auf dem Reichs war vom 17. September 1919 bis 25. Mai 1920 arbeitertag und auf dem Auffiger Barteitag in so Eisenbahnminister, vom 7. Oktober 1922 bis 9. De einzigartiger Weise zum Ausdruck Fam. wird die sember 1925 Leiter des Verpflegsministeriums, vom tärite Stine des Genossen Czech in seiner neuen 18. Oftober 1924 bis Dezember 1924 Leiter des Mission sein. Postministeriums und vom 20. Juli 1925 bis 9. Dezember 1925 Leiter des Eisenbahnministeriums.

Dr. Ivan Šrámek

war vom 26. September 1921 bis 7. Oktober 1922

Eisenbahnminister, vom 7. Ottober 1922 bis 9. De zember 1925 Minister für Gesundheitsweisen, vom 9. Dezember 1925 bis 18. März 1926 Postminister vom 12. Oftober 1926 Minister für soziale Fürsorge und zugleich Leiter des Ministeriums für Gesund heitswesen bis 15. Jänner 1927 feit Ende Oktober heurigen Jahres.

Fortjehung auf Seite 2.

der alte Bürgerblock müsse die Grundlage jeder Regierung sein. Die Sozialisten könnten sich ihm anschließen. Im Stampie gegen dieses unmögliche Projekt Udržals verstrichen drei Wochen. An der hari­näckigen Weigerung der Sozialisten, ein An­hängsel abzugeben, scheiterte der Plan der Bour­geoisie. Der Plan einer allnationalen Soali ion, der zwischendurch auftauchte, fonnte in­folge des Widerstandes der Sozialisten und der Burg auch mit Rücksicht auf das Ansehen des Staates im Ausland feine konkreten Formen

annehmen.

Endlich wurde der Widerstand der Agrarier gegen die Auflösung des Bür gerblods gebrochen und im se onzentra tionsfabinett, das im wesentlichen eine rotgrüne Soalition, erweitert durch die kleinen bürgerlichen und eine Flerifale Partei darstellt. eranb sich eine Verhandlungsbasis. Das Angebot