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9. Jahrgang,

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Eine vernünftige Stimme.

Geben die Deutschnationalen Fair play?

Der deutschnationale Abgeordnete Dr. Schellich schreibt über die neue Regierung unter anderem:

Sonntag, 15. Dezember 1929

Vertrauenrvotum für die Reichsregierung.

Eine schwere Arise provisorisch beigelegt.

Bezugs Bebingungen: Bei Zustellung ins Haus oder bel Bezug durch die Post:

monatlich... K 16.­vierteljährlich

halbjährig

ganzjährig.

48.­

96.­

192.­

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Ericheint mit Ausnahme bes Montag täglich irih.

Nr. 293.

Sozialidioten!

Um ein volles Viertel an Zahl ihrer Ver­treter geschwächt, aber an Lungenkraft gestärkt, sind die Kommunisten ins Parlament zurück­gekehrt und haben ihre er st e Vorstellung veranstaltet. Was ihre parlamentarische Frak­,, Die jegige Regierung wird also auf teinem Gebiete eine extreme Politit machen können. In Berlin , 14. Dezember .( Vormeldung.)| Sißungsjaal wenig Intereise entgegengebracht. tion früher noch an Potenzen bejaẞ, es ist nationalen Fragen wird die Anwesenheit deutscher Das Vertrauensvotum im Reichstag wurde mit Redner der Wirtschaftsparteien und der Volls- nunmehr als mit dem Verbrechen einer fozial­Parteien etwas hemmend wirken. Wären die deut- 222 gegen 156 bei 22 Stimmenthaltungen ange- Reichsfinanzminister Dr. Hilferding nahm auscemerzt, der Ersatz ist meist nach dem rechtspartei sprachen gegen das Finanzprogramm. demokratischen Vergangenheit belastet, restlos schen Parteien, der Bund der Landwirte, die nommen. das Wort, um sich gegen Angriffe der Deutsch Grundsatz ausgewählt worden: wer hat die christlichsoziale Partei und die Gewerbepartei, nationalen zu wehren. Er betonte vor allem, daß allein als Vertreter des sudetendeutschen Volkes wie früher in der Regierung, so hätte ich auf Berlin , 14. Dezember. Die Arise ist be. das Kaffendefizit nicht durch ihn verschuldet sei, stärksten Körper- und Lungenkräfte, wer fann sondern daß er im Gegenteil unter den früheren am lautesten schreien, wer fennt am wenigsten Grund der dreijährigen Erfahrung diese Behaup- endet, die Reichsregierung hat das von ihr ge- Regierungen häufig genug seine warnende aus früherer feelischer Verbundenheit mit der tung nicht ausgesprochen. Die deutsche sozialdemo- forderte Vertrauensvotum der Mehrheit des Stimme erhoben hatte und bei Amtsantritt ein Sozialdemokratie proletarisches Solidaritäts­fratische Partei, die gegen die christlichsoziale Bar- Reichstages erhalten. Wie bereits gemeldet, großes Defizit als Erbschaft vorgefunden habe. gefühl? Am Freitag sollte gelegentlich der Re­tei ausgetauscht wurde, hat die ganzen Fahre über wurde mit 222 gegen 156 Stimmen bei 22 Neue Angriffe gegen die Regierung famen von gierungserklärung die Probe auf die Bewäh­im Stampfe gegen die deutschen Regierungspar deutschnationaler und kommunistischer Seite. Die rung gemacht werden. Es sollte sich erweisen, teien die Vereinigung der nationalen Fragen als Stimmenthaltungen folgender Antrag ange- chriftlichnationale Arbeitsgemeinschaft, die als daß in die Ruinen der kommunistischen Bar­Voraussetzung jeder Mitarbeit deutscher Parteien nommen: neue Fraktion durch den Zusammenschluß der in der Regierung bezeichnet, so daß zu erwarten steht, daß diesbezügliche feste Abmachungen mit den tschechischen Sozialdemokraten vorher erfolgt find, welche die Grundlage weitgehender Verbes­serungen zu Gunsten des sudetendeutschen Voltes bilden werden. Sollte aber der Eintritt der deut­ schen Sozialdemokraten als reiner Aft der Soli­darität ohne solche Abmachungen, also bedingungs­los erfolgt sein, was sie ja früher immer den deutschen Regierungsparteien zum schwersten Vorwurf machten, dann müssen sie in der Folge­zeit unter allen Umständen trachten, trop ihrer Internationalität die nationale Frage als das

Vertrauen ans."

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Der Reichstag billigt die Erklärung der christlichnationalen Bauern mit der deutschnatio- tei neues Leben eingekehrt sei. Wie erobert Reichsregierung und vertraut darauf, daß das wissermaßen ihre Visitkarte durch einen Miß­Reichsregierung und vertraut darauf, daß das nalen Arbeitsgemeinschaft entstanden ist, gab ge- man die Seele, Sirn und Herz der Arbeiter? wissermaßen ihre Visitkarte durch einen Miß- Die Linie" sagt: durch sinnlosen, wüsten Finanzreformprogramm vorbehaltlich der end- trauensantrag bei der Regierung ab. Mit Rüd- Lärm, durch Pfeiferlu, Kindertrompeten, gültigen Gestaltung der Gefeße im einzelnen in ficht auf die noch schwebenden Verhandlungen der Pultdeckelkonzerte, Schleudern von Papier­Wahrung der von der Regierung bekanntgege- Regierungsparteien wurde die Sigung bis halb fnödeln und Papierbündeln, durch Gebrüll benen Grundzüge dieser Finanzreform durch zwei Uhr unterbrochen. Bei Wiederaufnahme der und durch papageienhaftes Wiederholen des geführt werde. Der Reichstag spricht der Sißung lag das oben mitgeteilte Vertrauens Rufes Sozialfascisten. Prompt ern­votum vor. Die bayrische Volkspartei hatte es Reichsregierung für ihre Gesamtpolitit das jedoch nicht unterschrieben und enthielt fich auch teten die Schreier, die so tun müssen, weil es der Stimme bei der Abstimmung. Von der deut das Politbüro befiehlt, von unseren Genojien Der eigenartige Saßbau des Vertrauensan- ichen Vollspartei haben mehrere Abgeordnete den Gegenruf auf ihr blödsinniges Gebaren: gegen den Vertrauensantrag gestimmt. Man tanu Sozialideoten!" wichtigste Problem des tschechischen Staates einer trages läßt schon erkennen, daß es sich hier um also von einer völligen Einigung nich: reben, Sozialideoten! Sie haben nicht befriedigenden Lösung zuzuführen, weil sonst die das Produkt langwieriger Verhandlungen zwi wenn auch die augenblickliche Kriſe überwunden ein Gehirn zum Denken, es sind nur Formeln Partei im Falle des Bersagens einen nicht wie- schen den Regierungsparteien handelt. Es war ist. Auf der Sigung von Montag 1 Uhr nachmit- und Thesen darin und da diese von drei zu de gut zu machenden Rückschlag und Abfall ihrer in der Tat nicht so einfach, die fachlichen in Anhänger erfahren würde. Mit den leichter wenlichen Arbeitermassen spielt mar nich: jo aa gef: raft. wie jij dies der Bund der Landwirte mit brücken. Der nächtlichen Parteiführerbesprechung fenen fonservativ eingestellten Bauern oder die mit dem Rabinett war es zwar gelungen, den christlichsoziale Partei mit ihren bedingungslos Bruch von Freitag abends wieder zusammenzu ergebenen Vor- und Nachbetern erlauben durfte. titten, aber heute vormittags hieß es, daß die In nationalen Fragen kann es daher kaum mühsam zustandegekommene Einigung schon wie schlechter werden, als es bisher war. Auch in wirtschaftlichen, sozialen und kultu - der stark gefährdet sei. Die deutsche Volkspartei rellen Fragen wird ein Ausgleich zur Mitte hatte verlangt, daß in das Sofortprogramm auch gesucht werden müſſen. Daß bei dieser Sachlage die Einkommensteuersenkung mit aufgenommen extreme Standesforderungen teine Aussicht auf werde. Dem widerseßten sich andere Regierungs- Deutschhannoveranern drei, ferner die beiden Mitſen der denffähigen Arbeiter lieber auf alle Durchsetzung und Gesezéswerdung haben, ist be­glieder der Volksrechtspartei und die feiner Par- im Bereiche des Möglichen erreichbaren Vor­greiflich. Es steht aber doch zu erwarten, daß parteien, vor allem die Sozialdemokraten. Angesichts der schwierigen Verhandlungen tei angehörenden Abgeordneten Bruhn und teile und Verbesserungen gerne um des Phan die sozialistischen Parteien für die toms der bolichewistischen Weltrevolution wil Lebensnotwendigkeiten der Band- in den Fraktionssihung wurde der Debatte im Frölich- Leipzig . len, der Weltrevolution, an die die Kommu wirtschaft, der Industrie, des Handels, nisten selber nicht mehr glauben, verzichten des Gewerbes, der Beamtenschaft ein werden! Nur kein Versuch, soziale, wirtschaft­liche und fulturelle Reformarbeit leisten, das fönnte Schaden bringen! So wie der Boliche­wismus im Zeichen des Fünfjahrplanes, dic­jes raffinierten Planes auf gesteigerte Aus­beutung der Arbeiterschaft, in Rußland auf . Das„ Národni Osvobozeni" hebt soziale Reformarbeit großmütig verzichtet, jo mit besonderer Befriedigung jene Stelle der Re- glauben die Sozialideoten, daß auch die Ar­gierungserklärung hervor, in der von der Selbst verwaltung die Rede ist:

fäße innerhalb der Regierungsparteien zu überlari teht neben leineren Vorlagen die Zoll- brei Monaten wechseln, sieht es in den Köpfen

tschechischen Preffe.

ebenso großes Verständnis aufbringen werden, wie Echo der Regierungserklärung in der die bürgerlichen Parteien für das, was die Arbei­terschaft zur Führung eines bescheidenen Daseins braucht. Wenn sich durch diese Zusammenarbeit ein Verständnis für die gegenseitigen Bedürfnisse

Das Právo Lidu" sagt zur Regierungs­

der Stände entwideln würde, wäre dies gewiß erklärung, nachdem es deren Inhalt kurz ſkizziert im allgemeinen Interesse gelegen. Es hat: würde dann in der Zukunft weniger mit Schlag­worten und mit gegenseitiger Berhebung, sondern mit mehr Verständnis für die Forderungen der einzelnen Stände gearbeitet werden, was die Deutsche Nationalpartei programmatisch seit jeher fordert. In sozialer und kultureller Hinsicht verbürgt der jegige Regie­rungsfurs einen gesunden Fort schritt, der sich gleichfalls von Extremen frei­halten muß."

Das ist nun wirklich das seltene und er ftaunliche Beispiel einer fachlichen und ruhigen Polemik von deutschbürgerlicher Seite! Wenu man Herrn Dr. Schollich glauben soll, hat er für die Situation vor allem der Sozialdemo fratie vollstes Verständnis und will er der neuen Regierung auf eine gewisse Frist hinaus Fair play gebeit.

Das Blatt, das dem Artikel, wahrscheinlich notgedrungen. Raum gibt, die„ Suderen deutsche Tageszeitung" fann freilich auch anders und wird wohl bei der nächsten Ge­legenheit zu forrigieren suchen, was sie sich hier durch Honorigkeit vergab!

Der Hinrichtungstaumel in Rußland. Paris

, 14. Dezember. Matin" meldet, daß in Astrachan in Sowjetrußland in der Nacht auf gestern 14 Staatsangestellte wegen Unter­schlagung von Geldern hingerichtet wurden.

Auch in Psoluti in der Ukraine sollen fünf Bauern erschossen worden sein, weil sie Getreidevorräte der amtlichen Re­quisition entzogen haben.

Es ist ersichtlich, daß die Regierung in einer ganzen Reihe von Fragen noch nicht ihr letztes Wort gesagt hat und daß einige Probleme, welche diese Regierung lösen soll, nicht einmal in den Rejjortministerien geklärt sind. Auf der ganzen Sundgebung der Regierung liegt wie ein Alp die Gefahr der weiteren Verschlechterung der wirt­schaftlichen Verhältnisse zu dieser Frage fehrt die Regierungserklärung immer wieder zurück und verweist auf sie in ihren hauptsächlichsten Teilen. Die Regierung ist sich also genau dessen bewußt, weld schweren Zeiten wir möglicherweise entgegengehen, und das ist ein Plus..

Für das Vertrauensvotum haben wüst aus. Nach einer dieser Formeln spiegeln gestimmt geschlossen die drei Regierungsparteien, sich in ihnen die politischen Geschehnisse der die Sozialdemokraten, das Zentrum letzten Zeit wie folgt ab: die sozialistischen und die Demokraten, von der deut Parteien sind in die Regierungsmehrheit ge­schen Bollspartei 24 Mitglieder. treten, damit ist der Zeitpunkt gekommen, da Dagegen haben gestimmt geschlossen die Par- fie bei der Arbeiterschaft an Anschen und Zug­teien der Deutsch nationalen, der om fraft verlieren müssen und ein neues goldenes munisten, der Wirtschaftspartei, der Zeitalter des Bolichewismus ist die unver­deutſchnationalen Arbeitsgemeinschaft, der christ meidliche Folge. O, diese armseligen Tröpfe! lichen Bauernpartei, der Nationalsozialiſten und Sie glauben wirklich noch daran, daß die Mai­von der deutschen Volkspartei 14, von den vier

am ärgsten ist, von Fall zu Fall durch Befriedi­gung jener Faftoren zu regieren, welche es zur Regierung am nächsten haben. Es war schon höchste Zeit, daß nach einer Regierung der Pro­teftion eine Regierung fommt, welche das Ge­ſamtintereſſe im Auge hat.

beiter in den westeuropäischen Ländern nichts bejseres zu tun haben, als stets nur darauf Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß in der hinzuarbeiten, daß ausschließlich bürgerliche womöglich fascistische Regierungen am Ru­Regierungserklärung nicht eine neue Richtung womöglich fascistische--­und neue Bestrebungen zur Geltung kommen, der bleiben, mit dem Schicksal des arbeitenden welche durch die neue Zusammensetzung der Re- Volkes Schindluder treiben und daß nirgends gierungstoalition bedingt sind. Die Sozialisten sozialistischer Einfluß im Dienste einer Milde­fonnten eine Reihe ihrer Postulate, auf die Rückrung der sozialen und wirtschaftlichen Schäden sicht genommen wurde, zur Geltung bringen. Je- sich bemerkbar mache.

der begreift, was es heißt, wenn die Notwendig­

keit betont wird, daß der Selbstverwaltung eine Soziali dioten! Sie glauben, daß Die sozialistischen Parteien, welche in die Re- Stelle garantiert wird, die ihr in der öffentlichen sie den Sozialdemokraten, die sich redlich um gierung eingetreten sind, haben schon in ihren Verwaltung gebührt, wenn man feststellt, daß die die Besserung des Loses der werktätigen Men­Wahlprogrammen erflärt, wie sie der Gefahr Selbstverwaltung noch nicht endgültig ausgebaut schen bemühen, mit dem läppischen Worte„ So­steuern wollen. Das waren durchaus nicht bloße ist und wenn eine rasche Regelung auch nach der zialfajcisten" ein Brandmal aufdrücken. Der Wahlversprechungen, sondern wohlerwogene Ver- finanziellen Seite versprochen wird. Dies beden- Arbeiter müßte auf dem geistigen Niveau der tet, daß die neue Regierung der Selbstverwaltung vom Politbüro assentierien„ revolutionären pflichtungen. Und wenn unser Parlament gemein­jam mit der Regierung diese Probleme lösen will, das geben will, was ihr die alte Bürgerfoalition Arbeiter" stehen, die gegenwärtig im Parla­dann braucht es dazu die Entfesselung aller seiner genommen hat. Sträfte, den Austausch der Meinungen und die Charakteristisch ist, daß die„ Národni mente die Vertretung der kommunistischen Verhandlung der Regierungs- und Initiativ­wo die wirklichen Sozialfascisten zu fin­anträge, aber es braucht sicherlich nicht die fomisty" unzufrieden sind mit jener Stelle der Partei zu mimen haben, um nicht zu wissen, munistischen Pfeiferln. Außer wenn das Parla- Regierungserklärung, wo der nationalen Frage den sind. Bei jenen, die es verhindern, daß gedacht wird. Das Blatt schreibt:

ment sich sagen sollte, daß man nach kommunisti­schem Rezept auf die ganze, sich heranwälzende Wirtschaftskrise- pfeifen tann

„ České Slobo" äußert sich folgender­

maßen:

die Klassenfront der Bourgeoisie sich wieder In der Regierungserklärung wird nichts har­über gesagt, wie weit die Regierung die Ber- usammenschließe? Oder bei jenen, die kaum fajfung selbst respektieren will, insbesondere die mehr die Bourgeoisie, den Kapitalismus, die sprachliche Geseßgebung, damit der nationale Cha- fapitalistische Ausbeutung sehen, sondern nur rakter des tschechoslowakischen Staates nicht leidet. mehr die einer anderen Anschauung huldigen­ den sozialistischen Klassenbrüder, die die Ka­pitalistenklasse nur mehr so nebenbei, in der Hauptsache dagegen die Partei des denkenden und klassenbewußten Proletariats angreifen und begeifern? Seann heute noch einem Arbei­

Mit dem Eintritt der Sozialisten in die neue Noalition ist ein neues Regierungsprogramm ge- Die Herren von der„ Národní Listy" trau kommen. Nach vier Jahren haben wir wieder men noch von einem nationalen Staat, wie sich eine Regierung, welche nicht regieren wird, wie ihn etwa Stramař in St. Germain vorgestellt es gerade Gott gibt, sondern welche sich bestimmte hat. Die Nationaldemokraten find da in der Tat Richtlinien stellt, im Bewußtsein dessen, daß es die ewig Gestrigen.