Dienstag, 24. Dezember 1929.

Unterfreunden

Von Jaroslav Hašek.

knots

Als man dent Hausbesißer Turny erzähite, daß sich Herr Pletanek in Prag befinde und be reits von fünf Bekannten je zwanzig Stronen entliehen habe, begab er sich eilends heim, um fieberhafte Vorbereitungen zum Empfang des Freundes zu treffen.

Er rannte im wahrsten Sinne des Wortes, um daheim zu sein, bevor die Jüvasion" über ihn hereinbreche. Vor allem versperrte er die Zimmer. Dann entlich er vom Hausbesorger ein altes Pfeifenrohr und faufte in der nächsten Trafit ein dazu passendes Mundstück und einen Gipskopf.

Hierauf machte er in der Küche Feuer, brannte den Gipskopf an und bestrich ihn ein wenig mit Schuhpasta, damit er recht schwarz aussehe.

Dann brach er das Mundstüd entzwei, um­wickelte es mit Papier und band Spagat herum, worauf er das Ganze recht schmußig machte. Das Pfeifenrohr umwidelte er ebenfalls an

Seite 9.

raucht habe. Woraus denn und wofür? Wo eines Nachbarn in Brand zu stecken. Ich soll soll ich das Geld tern. men, frage ich dich, we achthundert Stronen zahlen, und deshalb komme her?" ich zu dir, einem alten Freund

Ich möcht dir die Pfeife gern borgen, lie­ber Freund, aber sie stinkt zu seh: Ich habe fein Gelo, um mir ein neues Pfeifenrohr zu

"

,, Verzeih"", sagte Herr Turny, beinahe hätte ich etwas vergessen..."

Er trat zu der schwarzen Tafel, nahm sie mann 20 Kronen 40 Heller, Fleischer 12 Stronen laufen. Wie du siehst, habe ich dieses zusammen von der Wand, und als er sich überzeugt hatte, geflickt und den Gipskopf habe ich auch schon daß Herr Pletanet ihn beobachtete, schrieb er 50 Seller, Staufmann für Petroleum 2 Stronen über ein Jahr. Schau her, wie sawarz er ist. mit Kreide: Schuldig: Kaufmann für Streich­40 Heller. Nachdem er dies getan hatte, begab Er läßt sich nicht einmal mehr anbrennen. Aber hölzer 60 Seller."

er sich zum Hausbesorger und teilte ihm mit, eso soll ich das Geld zu einem neuen hernehmen?„ Ich führe hier Buch, es ist schon recht viel, werde ihn im Laufe des Tages ein Herr suchen. Schau dort auf den Tisch. Deffne die Geldbörse. ich weiß nicht, wie ich es bezahlen werde." Daß Sie sich aber nicht einfallen lassen zu was sichst du darin? Neunzig ller. Das iſt fagen : Ja, der Hausherr ist zu Hause." Ren- mein ganzes Vermögen. Davon soll ich einen, nen Sie mich nur Herr Turny, und sagen Sic meinetwegen, daß ich nicht mehr der Hausherr zwei Monate lang leben."

bin."

Als er wieder in der Küche stand, atmete er erleichtert auf und lächelte zufrieden, seine Vorbereitungen betrachtend. Jetzt konnte der Freund lommen.

Und er fam, trat traurig in die Küche und Herr Turuh merkte sofort, daß der Flidklappen auf dem Ellbogen seines Gastes frisch aufgenäht war. An einer Stelle war er losgetrennt und dort wurde der chrbare, unversehrte Ellbogen des Roces sichtbar."

Da schau her, dir geht es aber gut", sagte Herr Bletanet. Lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Du bist Hausherr ge­

-

,, Mir. geht's. noch viel schlimmer", schluchzte Herr Pletanet. So ein Hundeleben! Wenn man wenigstens Geld für einen Revolver hätt', dann wüßt man, entweder Schuß oder mit den dreihundert Kronen ein neues Leben beginnen. Die Kinder fleiden und sättigen."

Du hast einder?"

" Eine lange Geschichte. Vier, das fünfte auf dem Wege, beim sechsten ist die Mutter gestor ben. Die rankheiten haben viel Geld gekostet. Jetzt gerade hat mein Aeltester ein Geschoür zwischen Magen und Speiseröhre. Die Operation foll zweitausend Kronen kosten. Aber woher das Geld nehmen, um das Leben des bedauernswer­ten Knaben zu retten? Wenn man wenigstens Treunde hätte, Rameras wir waren immer so gutherzige Menschen."

Jemand pochte an der Tür und in die Küche trat der Geldbriefträger.

Herr Hausbesizer Turny", sagte er ,,, wol­len Sie gefälligst unterschreiben."

Und während Turny mit zitternder Hand die Ueberweisung von viertausend Kronen Divi dende seitens der Margarinefabrit in Licben be­stätigte, zählte sie der Briefträger in hübschen Zwanzigtronennoten auf den Tisch.

Als er gegangen war, blidte Herr Turn!) Herrn Pletanet an, und rief plöglich, indem er cine resignierte Handbewegung machte:

,, Nimm dir von dem Geld so viel du willst, du Betrüger."

Und fing laut zu weinen an. ( Einzig berechtigte Uebersegung von Grete Reiner .)

Kaiserliche Möbel.

Von Alfred Polgar .

In der Wiener Mariahilferstraße

-

durch

Wenn du gestattest, stopfe ich mir die die vor Zeiten so oft goldgeräderte Wagen fuh Pfeife", unterbrach ihn Herr Turny und zog die ren, aus denen sichtlich erfreut gedankt wurde steht das Hofmobiliendepot". Ein weitläu­- um mich Bigarrenschachtel aus der Tasche. Er nahm worden und mich hat das Leben so auszudrüden hart angepadt." einen Britannifastummel, brach ihn entzwei und figer Bau, dessen Bestimmung war, den Reserve Herr Turnh hüstelte. stopfte ihn in die Pfeife. Das hab' ich von der und Ersatzmöbeln für die kaiserlichen Schlösser Mir, meinst du, geht's gut? Mir geht's Poſt. Dort finde ich die größten, auch beim Quartier zu geben. Sozusagen die Rumpellam Deutschen Theater liegen oft große. mer Seiner Majestät. Aber eine Rumpelfammer, die etwa dreißig langgeftredte Säle umfaßt und her, in die Werkstätten, von den Betreuern des Werkstätten, so groß wie Bahnhofshallen. Hier­Depots Spital" genannt, tamen die schadhaften Baiserlichen Möbel zur Reparatur.

überhaupt.cht mehr. Das Haus hat man mir verkauft.

Herr Pletanet lächelte. Na, so schlimm wird's wohl nicht sein. Aber ich habe Pech. Muß wieder nach Prag übersiedeln, die Möbel find fchon unterwegs. Der Transport wird bret hundert Stronen tosten. Ich bin vom Unglüc verfolgt. Bis ich dir alles erzählt haben merde, wirst du's laum glauben."

Höchste Zeit, dachte Herr Turnh, mit der Pfeife herauszurüden.

Ich bitte dich, was hast du da für eine Pfeife?" rief Herr Pletanet, als er das Ungetüm gewahrte, du hattest doch immer so schöne Pfeifen."

Herr Pletanet feufzte abermals: Du hast wenigstens Zeit. Aber was soll ich, der Vater

In den Spitalzimmerit ist es warm. Ein ciferner Ofen erhißt sich fürs Wohl der Sturbe, es riecht nach Holz, Leim, Farbe und der men schenfressende Cöße Arbeit zeigt sich als freund licher Genius, Behagen bergend in seines Stit tels Falten.

einer Stelle mit Spagat. Die Pfeife sah aus, als hätte sie die Schwedenkriege mitgemacht. Für den Hausbesorger pflegte Herr Turnh stets die Zigarrenstummel aufzuheben. Sie lagen in einer Papierschachtel hinter dem Fenster. Jetzt stopfte er sie in die Taschen eines alten Anzuges, den er zum Umharken der Beete seines Hatte, das stimmt. Aber es war einmal", Gartens zu tragen pflegte, denn seinen guten feufzte Herr Turnh. Alles längst vorbei. Ich Anzug hatte er abgelegt und im Nebenzimmer mußte alles verlaufen. Ja. after Knabe, die versperrt. Die Geldbörse warf er auf den Zeiten ändern sich. Nicht einmal eine anftän Stüchentisch, nachdem er Kleingeld im Betrage dige Spite fann ich mir taufen. Hast du nicht zur Welt zucht aufgehört. Und mobiliendepot. Aber die braven Leute, deren Ob­zufällig Tabat bei dir?"

von neunzig Hellern drin gelassen hat. Als dies geschehen war, schrieb er mit Kreide auf eine schwarze Tafel neben der Tür: Kohlen­

Ein Weihnachtsfeit.

"

Pletanet lächelte traurig:„ Ich und Tabak? Ich weiß gar nicht, wie lange ich nicht mehr ge­

unschuldig verwundert zu fragen: Ach, die Farbe geht also gar nicht ab?"

Am Weihnachtstage selbst wuchs sein Groll. Er war in die Kirche zum Beten gegangen. John blieb von so etwas fern, er aber tat 8 gern. Um nichts auf der Welt hätte er diese Feierlichkeit versäumen wollen.

Und dabei ward er nun gestört. Weiße Buben und ein kleines Mädel, eins dicht an das andere gedrängt, gudten ihn abwechselnd lachend an. Vor allem die beiden Lausbuben zeigten sich unausstehlich: ein ganz kleines Aeffchen und ein anderer, größerer.

Ук

In den Depotzimmern, vollgestopft mit vor­nehmen Hausrat, mit Palastrat, ist es bittertalt. Als ob der eingefrorene Ueberfluß nie mehr tauen wollte. Es riecht nach gar nichts, nicht einmal nach Staub, der doch auch in seiner Art was Lebendiges ist. So ganz ungemütlich können nur Möbel aus einem vervunschenen Schloß sein. Nach dem Zusammenbruch von o du mein von neun Kindern, sagen? Sie haben angefangen Desterreich kümmerte sich niemand um das Hof­fannst du auf Stinder genug aufpassen? War- hut es anvertraut gewesen, Diener und Hand­um mußte ich nach Prag flüchten? Weil einer werker, obhüteten weiter, taten weiter ihren meiner Söhne so unvorsichtig war, die Scheune Dienst, staubten ab, schoben zurecht, ſtellten her,

raden.

und

' n Abend," sagte Massa zu seinem Same­' n Abend," antwortete antwortete der im ersten Schlummer gestörte John.

"

Massa zog sich im Handumdrehen aus und troch unter die Decke. Aber der Neger blieb aufrecht fißen, was das Auftauchen von Johns spißer Nase zur Folge hatte.

Willst du die Kerze nicht auslöschen,

Massa?"

Ja," sagte der Neger.

Aber er tat nicht dergleichen. Sein dider Kopf zeichnete sich von Kaltbeiwurf der Mauer ab. Seine schwarzen Hände lagen matt auf die Dede gebreitet.

Von Hermann Heijermans. Massa war ein Neger, ein großer, derb Inochiger Neger, ein schwarzer Riese mit plati gebrüdter Nase. Sein Schädel war von Straus haar bedeckt, und seine dicen roten Lippen glichen Nach der Vorstellung nahm er ruhig seinen einem frisch abgeschnittenen Stück Fleisch. Grog, machte seinen gewohnten Spaziergang Massa und John( John war ein Weißer) und begab sich nach der Stathedrale. Dort feste hatten eine Tournee durch England. Deutschland er sich in einen Winkel. Den großen Schädel und Belgien unternommen, wo sie sich in höchfromm gesenkt, die schwarzen Hände übereinan lich geschäßten Nummern als treffliche Clowns der gekreuzt, mit den Lippen murmelnd. bewährten. Vor allem Massa haite Erfolg. Er schnitt so originelle Grimasjen! Wenn die Leute ihn sahen, brachen sie in schallendes Gelächter aus. Vor allem, wenn er seine, Mandoline zupfte und dabei tat, als verschluckie er feinen angezündeten Zigarrenstummel, der gleich wie der zmn Vorschein tam. Wie er sich nur den Während er betete, zeigten die Rangen einer Mund nicht verbrannte? Stein Sterblicher hat ander seine Kraushaare, seine diden Lippen, das, je begreifen können. Ein reines Wunder! seine schwarzen Ohren und seine weißen Zähne. Was für ein Erfolg denn auch auf den Brettern! Komische Sache so ein Neger! Und was für Aber nur auf den Brettern. Am Tage, in eine Nase er hat! Er ist wohl einmal darauf­den Staffeehäusern, erging es Massa nicht gut. gefallen, wie er klein war! Oder nein: Seine Keinen Schritt fonnte er machen, ohne daß man Mutter wird's gewesen sein, die sie ihm platt­ihm nachlief. Einmal mußte sogar die Polizei gedrückt hat, wie er auf die Welt kam... Es in das Handgemenge eingreifen es setzte das heißt, daß das alle Negerinnen ihren scleinen mals einen richtigen Skandal ab wegen einer tun. Seh, he, he! Schar von Gassenjungen. Glücklicherweise hatte

Als er die Stirche verließ, bemerkte er, daß er sich im Zaum zu halten vermocht, sonst hätte die Leute ihn anschauten und mit Bezug auf ihn er einem der verdammten Schlingel die Gurgel leise Gespräche führten, die er nicht aufzufangen abgedreht. Und dann wären die Erwachsenen an vermochte. die Reihe gekommen. Er sah das Lachen der

,, Was hast du denn?" fragte John. Aber nichts, gar nichts!"

"

" Dann lösch doch aus; ich bin müde.. Die Lippen des Negers zudten nervös, allein schwieg.

John war ungeduldig, gab Zeichen von

Unruhe.

Na, heraus damit, Alter!"

,, Sönntest du dir vorstellen, daß Gott " dann, nach einigem Zögern ,, ia, ich weiß schon, daß du lachen wirst, ich kenne dich gut - daß Gott mir ähnlich sieht?"

Wiassa hatte in der Tat richtig vorhergesagt. was geschehen würde: John hielt sich die Seiten vor Lachen. Und als er sich beruhigt hatte, brach es aus ihm heraus:

,, Was für ein toller Spaß! Das mußt du heute abend auf den Brettern ausnüßen."

Ja, du hast gut lachen, aber ich frage dich noch einmal: Wie stellst du dir Gott vor?"

,, Was redest du denn da herum? Im Grunde habe ich immer gesehen, daß man den lieben Gott als einen chrwürdigen Greis mit weißem Bart darstellte. Das ist doch sonnen­flar.".

"

,, Als einen Weißen also?" fragte Massa mit aufgerissenen Augen und wütend zuckender Unter­lippe.

Wie? Dir wär's ant Ende lieber gewe sen.?" und John lachte von neuem.

•

"

Mach nur deine besoffenen Wite," sagte

Der Reger fing, ohne den Kopf zu heben, der Neger, die Augen auf die Kerze geheftet; erregt zu erzählen an:

Ich war in der Kirche..." " Das weiß ich doch."

"

Und da geht mir jest etivas durch den Stopf... ein sonderbarer Gedanke, den ich nicht recht festpaden fann Was denn, Maffa?" fragte John gähnend. Der finnliche Negerschädel neigte sich näher zu der Kerze hin; Silberfäden glänzten inmitten Bei Morgengrauen tam er nach Hause. Der der dichten, schwarzen Haarfülle, und langsam, Frauen; was die Männer anbetraf, so wendeten Tag war im Anbrechen, als er in seiner Woh- sögernd, fragte er mit zitternder Stimme: Sag. John, wie stellst du dir das Gesicht diese den Blick zur Seite, wenn er vorüberging. nung anlangte. Die zwinkernde Sterze beleuch Am Samstag vor Weihnachten hatte er schon tete das zornige Gesicht des Negers. Seine Haut vom lieben Gott bor?" Der Kopf des Weißen hob sich plößlich aus unangenehme Auseinandersetzung in einem hatte einen bläulichen Schimmer, und die" Ge­den Decken. Artistenkaffeehaus gehabt, wo doch eigentlich so fichtsmustelu traten start herbor. etwas nicht hätte vorkommen sollen. Sie hatten dort nichts Besseres zu tun gewußt, als ihm mit den Fingern übers Gesicht zu fahren und dann

John, der sich nach einer ausgiebigen Star­tenpartie zu Bett gelegt hatte, war tief unter die Decke vergraben.

jetzt zu schlafen!"

Hör einmal, Alter; es wär schon besser, Aber der Neger ließ nicht loder.

, aber, wenn dein Gott dir absolut nicht schwarz erscheinen tann, so tann es mir wieder gar nicht in den Sinn kommen, daß er weiß sein sollte... Was willst du? So ist's cben."

"

,, Gar nicht so dumm," antwortete John, gerührt durch die strikte Logit seines Freundes. Gewiß, ich kann mir ihn gar nicht schwarz den­tenha ha! Und verstehe auch, daß er dir absolut nicht weiß vorkommen kann. Es ist mirklich fomisch für den einen wie für den ana deren. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so habe ich über so eine ernste Sache noch nic nach gedacht." Der Neger midte mit dem Kopf, soweit be­friedigt. Sie blieben noch einen langen Augen­blick schweigsam, ein jeder in seine Gedanken versunken, ein jeder in seinem Bett.

Nun frage ich mich eben immer," begann