Mittwoch, 1. Jänner 1980.

Genoffen!

In

Genoffinnen!

Jeber Betriebsversammlung,

jeber Getverfichaftsversammlung,

Jeber Genossenschaftsversammlung

jeber Wählerbersammlung,

jeber Frauenversammlung, jeber volitifchen Verfammlung, jeber Beriammlung oder Sibung eine: proletarischen Organisation follt hr für die

fozialdemokratische Parteipreſſe

intensivite Werbearbeit leiften

Kleine Chronit.

Bom Nasenring zum Lippenstift.

SPD  . Uralt ist der Drang der Frauen, sich zu schmüden und der von der Natur begrenzten Schönheit ihrer Erscheinung mit allen möglichen Mitteln und Mittelchen nachzuhelfen. Wie die Stoketterie in ihrem flüchtigen Wechsel des Su neigens und Abwendens, des Gewährens und des Versagens, der Erlaubnis und des Verbotes, durch den Reiz des Verhüllens zu Enthüllen anlockt, so soll durch künstliche Verschönerungsmittel die Auf merksamkeit auf bestimmte, besonders schöne oder besonders schön gemachte Teile der Erscheinung hingelenkt werden. Wenn sich die Negerin einen Pflock durch die Lippen steckt, so ist das im Grunde genommen nichts anderes, als wenn sich eine abend­ländische Dame in irgendeiner Gesellschaft noch Rouge auflegt. Der ursprüngliche Trieb ist der gleiche, nur das angewandte Mittel ist durch die jeweilige Kulturhöhe verschieden.

Das Dorado der Kosmetik ist und war immer der Orient. Hier haben die Frauen in der Muße und im Gleichmaß ihres Daseins alle diese Mittel und Rezepte in seltener Vollendung erfunden. Von den Orientalinnen lernten es die Frauen der Griechen und Römer, und von diesen übernahmen es die allmählich zu höherer Kultur emporsteigenden anderen Völker des Abendlandes: zuerst die romani­sche Rasse, ihrent Naturell nach diesen Dingen mehr gewandter, später die Germanen.

Der auf niedriger Stulturstufe stehende Wilde tätowiert sein Gesicht und macht es mit greülen Farben schredhaft. Narben bringt er sich fünstlich bei, um den Ausdruck drohend und imponierend zu machen und seine männliche Stärke zu beweisen. Die Schmisse unserer Studenten gehören in die gleiche Linie. Das ist die derbste, primitivste Form. Die Frau dieses Mannes steckt sich einen Ring durch die Nase, einen Pfloc in die Lippen und bunte Drähte ins Ohr, um zu zeigen, was sie alles Schönes hat. Uralt ist auch der Brauch, die große Wirkung der Augen auf das ganze Gesicht zu unter­stützen. Schon drei Jahrtausende vor unserer Zeit rechnung brachten die Semiten nach Aegypten eine schwarze Augenschminke, die sich in ihrer Zusam­mensetzung kaum von der späteren der Römerinnen unterschied. In alten Gräbern, etwa aus der Zeit um 2500 vor Christi Geburt, fand man Schmink behälter aus Hols, Ton und Alabaster mit Resten von Schminken, die man chemisch ganz genau unter sucht hat. Vielfach bereiteien die Frauen, indem sie Antimon- oder Bleierz zwischen Brot oder einer Quitte auf Kohlen glühten, sich diese Mittel selbst. Später übernahm das mehr und mehr der Apotheker oder der Drogist.

gallige römische Satirifer Martial; babon er- 1 zählt auch in seiner Liebestunst" schon der beschauliche Ovid. Wenn heute also die Frauen des Bürgertums in allen Ländern sorgsam die Lippen mit Rot nachziehen und sich die Augen­brauen rasieren, um sie noch schöner malen zu1 können, so ist das nichts Neues. Das alles hat man vor Jahrtausenden schon getan; das wird man auch in Jahrtausenden noch tun, solange es Frauen gibt, und Männer, die ihren Reizen- gänglich sind. Mario Mohr.

nur

Die Frauen als Wählerinnen. Bei den Ge­meindewahlen in Berlin   wurde zu statistischen Sweden zwischen den männlichen und weiblichen Wählern durch verschiedenfarbige Stimmzettel unter­schieden. Die ersten Ergebnisse dieser Statistik find nun bekannt geworden. Im gangen waren in Ber­ lin   1,476.439 Männer und 1,812.494 Frauen wahl­berechtigt, d. h., daß auf 100 Wähler 122 bis 123 Wählerinnen entfielen. 15 Parteien erhielten mehr Stimmen von Frauen als von Männern, Stimmen auf. Verhältnismäßig die meisten weib­7 Parteien weisen mehr männliche als weibliche lichen Stimmen belam eine der fleinen Parteien, der Christliche Volksdienst", nämlich 20.749, woge­gen bloß 9338 Männer für sie stimmten. Nach die ſem erhielten verhältnismäßig die meisten weiblichen Stimmen die katholische Zentrumspartei und die ist das Verhältnis der weiblichen Stimmen zu den deutschnationale Partei. Bei den Sozialdemokraten männlichen 110 zu 100, bei den Rommunisten 83 zu Folgerungen ziehen kann, wäre es möglich, zu sagen, 100. Sofern man aus diesen Ziffern irgend welche daß sich die Frauen bei den Wahlen mehr von reli­mehr als die Männer zum Nationalismus hinnei­giösen Momenten leiten lassen und daß sie auch gen. Daß die Frauen bei den Wahlen auch weniger aufmerksam find als die Männer, beweist der Unt stand, daß auf 100 ungültige männliche Stimmen 130 ungültige weibliche entfallen. Dies alles gelte natürlich nur von den Berliner   Frauen.

Ein Krösus, der als Bettler stirbt. Der frühere Londoner   Advokat John Wilins, der, von frank­hafter Menschenscheu befallen, das Leben eines Sungerleiders führte, wurde fürglich im Keller des prunthaften Hauses, das er im vornehmsten Viertel Londons   bewohnte, tot aufgefunden. Sieben Jahre hatte er einsam und verlassen in dem Palast ge­hauft. Troß seinem ungeheuren Reichtum hatte er sich standhaft geweigert, Steuern und einlaufende technungen zu bezahlen, so daß im Gas, Wasser und elektrischer Strom gesperrt worden waren. Als er sich mehrere Tage nicht gezeigt hatte, schritt die Polizei zur gewaltsamen Deffining des Hauses. Tabei fand man den Alten tot auf einem Haufen alter Stleider liegen. Das Haus hatte fast keine Möbel; unter den Papieren des Verstorbenen fand man unter anderem einen Scheck über 2500 Pfund Sterling, den er seiner Bank nicht überwiesen hatte

RADION

Hollywood: Die Schuld der Prinzessin Selene." Macesta: Schwester Maria." W. Pittſchau. Rory: Ehemann wider Willen." Adria:" Die eiserne Maske." Dougl. Fairbanks  . Alja: Singing Fool." Al Jolson  . Avion: Die Dame vom Pflaster." W. Boyd, Gondal. Beranek: Lache Bajazzo...!" Lon Chaney  . Favorit: Der Schrecken von London  ." Fenig: Die weiße Hölle." Flora: Der Schreden von London  ." Hvězda: Pat und Patachon   in Afrika.  " Er hat Glück." Harold Lloyd. Julis: Es flüstert die Nacht." Lill Dagover. Romorni:" Schwester Maria." W. Pittschan. Stapitol: Die fliegende Flotte." Koruna: Der Schreden von London  ." Kotva: Der Zirkuspring." Louvre: Pat und Patachon in Afrika.  " Er hat Glück." Harold Lloyd. Lucerna: Der Patriot." Emil Janning. Metro: Die Kaviar- Prinzessin." A. Ondra. Olympic: Sohn und Roubitschek."

Herkulaneum   wird freigelegt. Die Namen der beiden durch einen Vesuvausbruch im Jahre 79 ver schütteten antiken römischen Städte Pompeji  und Serfulaneum sind zu einem festen Begriff geworden. Pompeji   wurde schon vor längerer Zeit ausgegraben, Herkulaneum   dagegen war bisher nur dem Namen nach bekannt. Erst in neuester Zeit hat man einzelne Teile dieser Stadt freigelegt und ihren Besuch gestattet. Die letzten Grabungen an dieser Stelle waren besonders schwierig. Durch Auf­wendung besonderer Mittel mußte der dort dicht bevölkert liegende Ort Resina entschädigt und mußten die Bewohner zur Räumung veranlaßt werden. Bis jetzt kann man deshalb nur einige, Auf alten Bildwerken steht man Schminkszenen, jedoch recht interessante Einzelheiten der Ausgra­und später singen die Dichter von denen, die bungen zeigen. So hat man ein ganzes Hans fast wissen, künstlich der Brauen haarlose Grenze zu vollständig wiederherstellen können: sogar 15 Holy­stufen der Treppe haben sich erhalten. Dieses Haus füllen"( Ovid  ). Schon um alten Rom   war es Mode, die Augenbrauen ineinander übergehen zu besteht aus zwei Stodwerken mit insgesamt zwanzig lassen. Die Araberinnen benutzten für diesen Zwed Räumen. Im Schlafzimmer fand man noch die Tusche; die Russinnen liebten es, eine Haselnuß Rejte zweier Betten, in anderen Räumen außerdem noch einen kleinen Altar, einen weißen Marmor­oder Mandel anzukohlen; die Frauen in Turkestan  tisch  , cine Solzplaftif, Bronzestatuetten, fleine Glas färbten sich mit Indigo, das sie sich aus einer Pflanze bereiten; die Tartarinnen träufelten sich vasen und Küchengeräte. Ein anderes Haus ent­eine Stupferanreibung ins Auge, um ihm ben puppte sich als ein Gasthof. Darin waren drei blauen Glanz zu verleihen. Daß man auch bei uns Räume mit Marmorfußboden für Badezwecke be vielfach Belladonna( Tollkirsche) verivandt hat, da stimmt. Interessant ist schließlich noch, daß etliche mit die Pupille sich erweitert, ist bekannt. Ater aufgefundene Wandmalereien nicht wie in Pom­nicht nur die Augen, auch das ganze Gesicht schmink  - pejt vornehmlich auf Rot und Schwarz gestimmt, ten sich schon die alten Orientalinnen. Darüber sondern viel bunter sind, wobei die Farbe Grün hinaus färbte man die Nägel und Zähne mit mit Vorliebe angewandt worden ist. Es ist anzu­Henna rot oder silbern, golden und in allen Farben. nehmen, daß die weiteren Grabungen noch man­Mit Salben des Körpers, Baden und Waschungen herlei Intereſſantes und Wichtiges zur Vervoll­verbrachte man die Mehrzahl der Stunden des tommmung unserer Kenntnis der altrömischen D. V. Tages. Je mehr ein Volf vom Stulminationspuntie Stultur zutage fördern werden. seiner Stultur erschlaffend und verweichlichend wieder zurückfällt, eine desto größere Rolle spielen Stemetif and Störperpflege, und desto mehr beginnt auch der Mann sich dafür zu interessieren und daran teil­zunehmen. Nur der auch in dieser Hinsicht rätsel­Brogramm der ng ipielbühnen. fohlen werden. hafte Orient hat sich stetig auf gleicher unerschütter- Urania( deutsches) Stino: Marquis d'Eon, der licher Bajis gehalten.

Der Film.

Spion der Pompadour."

Lido: Der rote Gentleman." Die Sekretärin des Herrn Chef."

-

Passage: ilde Orchideen." Greta Garbo  . Praha  : tid und Fredy auf Brautschau. Tom Mig: Der Zirtusheld."

Radio: Die Silvesternacht." Mary Astor  . Stant: Lache Bajazzo...!" Lon Chaney  . Svetozor: Lache Bajazzo...!" Lon Chaney  .

Seite 11.

Prosit Neujahr!

1930

RADION

| bücher, die in letzter Zeit erschienen sind, haben das Los, die Erlebnisse und die Nöte der Männer an den Fronten und im Hinterland geschildert, hier erzählt eine Frau zum erstenmal vom Erleben ihrer Geschlechts und Schicksalsgenossinnen, von den jittlichen, leiblichen und seelischen Gefahren, von Last, Schmer; und Not, von allem Traurigen und Enijeglichen, das, da die driegsfurie Europa   durch­raste, auf Willionen Frauen und Kinder einstürmte. Bis nun hat niemand dieser Heldinnen und Dil­derinnen gedacht, niemand hat ihnen, den Namen­losen und still Leidenden der großen Zeit", ein dichterisches Dentmal geseßt, und wenn auch das Buch Meta Scheeles den ganzen Umfang dieser Massentragödie nicht zeigt, so veranschaulicht es doch in fraftvoller Darstellung an einem Ausschnitt das ungeheuerliche Drama, an Einzelnichicksalen das Schicksal der vielen. Es will, daß die Welt nicht allein mehr von den Männern bestimmt werde, sondern daß auch die Frauen um ihre Meinung gefragt werden, und es wäre an der Zeit, daß die Franen diesen aus dem Buche hervorklingenden

Kampfruf zur Ergreifung ihrer Rechte beachten.

1.

Der junge Maimond." Roman von Martha Ostenso  . F. G. Speidelsche Verlagshandlung, Wien  . Die junge Dichterin ist, man fann sagen, mit einem Schlage durch eine blendend schöne Dichtung Der Ruf der Wildgäuse" berühmt geworden und nit Recht wurde dieses Werf mit einem Literaturpreis

Die gesperrt gedruckten Filme können emp- bedacht. Ihr neues Wert, Der junge Maimond" steht

Literatur.

wohl nicht auf derselben dichterischen Höhe, aber es zeigt, daß die Dichterin an feiner Seelenschilderungs­funst, Beobachtungsgabe und Fähigkeit zu plastischer Serausarbeitung der Charaktere gewonnen hat. Der Titel des Buches könnte zu der Annahme ver­Frauen im Krieg." Roman von Meta Scheele  . leiten, daß dahinter eine süßlich- lyrische Erzählung Alma: Detektiv Dan's schwerster Fall." Lo Chaney. Leopold- Stlog- Verlag, Gotha  . Alle werden schuldig, - Das Königsliebchen." G. O'Brien, W. Valli. die in dieser Zeit stehen, ob sie sich nun entscheiden stedt, aber es ist alles cher als das sanfte Licht des Belvedere  : Marquis d'Eon, der Spion der Wa- und handeln, ob sie sich zurückziehen oder untätig fungen, milden Maimonds darüber ausgegossen. verharren. Alle werden schuldig und entgehen der Marcia, die Heldin des Romans, durchlebt im ge­Verfeitung nicht. Darin sind sie ein Volt, sie mögen meinsamen Hause mit der zänkischen, herrschsich­es wollen oder nicht, sie mögen es eingestehen oder tigen und bigotten Mutter des von ihr geliebten nicht. Je cher aber, je bälder sie dieses begreifen Mannes qualvolle Jahre und in der Dumpfheit werden, je cher werden sie den Sinn der Zeit e dieses frendlosen Heims verkümmert die Blüte ihrer Die fassen." Das sind die Schlußworte dieses Romans, Liebe. Boshafter, hämischer Tratsch der lieben Nach der ein wahrhaft gutes Frauenbuch ist, und man barn und Bewohner der Spießerstadt besorgt das Ein heißer fönnte sie ihm auch als Motto vorausseßen. In übrige. Der Tod ihres Mannes steigert ihre äußeren den Schreckenszeiten des Strieges und in allen wie ihre Seelenqualen bis an die Grenze der Er­,, Adieu Jahren der Not und Stämpfe seither hat sich die träglichkeit, aus aller Pein geht sie aber schließlich enge Verknüpfung des Schicksals aller, nicht zulest gestählt hervor und findet im reiferen Alter fchlich­

Von den in Ueppigfeit und Luxus schwelgenden Römerinnen, denen sie als Sklavinnen dienten, und denen sie ihr in Rom   modisch gewordenes, langes, blondes Haar opfern mußten, lernten die Ger­maninnen die ersten Anfangsgründe dieser geheim­nisvollen Seunst kennen Als dann durch die Streuz- dame Pompadour." züge der Orient in Deutschland   Mode wurde, drangen mehr und mehr orientalische Schönheits- promittiert sich. mittel auch bei unseren Urahninnen ein. Später übernahm dann die Französin die Rolle der Lehr­meisterin und sie hat sie auch geute noch so ziem lich in Händen. Dadurch sind alle die französischen  Worte und Bezeichnungen dieses Gebietes in unsere Sprache eingedrungen und haben sich in ihr er halten. Von Zeit zu Zeit tauchen immer wieder

Beseda: Der rote Gentleman." Madame fom­allusion: Die vier Teufel."- Oh diese Blondinen." Karlin: Die Heilige und ihr Narr." Glocken von Loretto."

Monvitt: Die vier Teufel." Tag in Humboldt." Tom Mix  . Mascotte."

11

einige alte, vergeffene Mittel neuentbedt auf der du: inter Stlostermauern."

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berühmte Schönheitspflästerchen des siebzehnten und American: Die Hölle von Montmartre  ." auch noch späterer Jahrhunderte zum Beispiel, die Frigo"

Mouche, geißelte und verspottete schon der alte, Bajtal: Ehemann wider Willen."

-

des Schicksals der Frauen, mit dem Geschehen der Zeit auf das evidenteste gezeigt, niemand konnte dieser Verkettung entrinnen. Bahlreiche Striegs­

lich das vergeblich gesuchte Lebensglück, den: leiben­schaftlich ersehnten Liebesfrühling. Ein Buch voll Innigkeit, Kraft und Schönheit.

t.