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18 Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Samstag, 8. März 1930

Geburtstagskundgebung Masaryts.

leiten einer ausgiebigeren Unterstützung der Hoch­schulen, und besonders einzelner Fächer, an deren Ausgestaltung Industrie wie Landwirtschaft start intereffiert feien sowie einer Reform des Schul­

Er betont unsere Friedensliebe, die nicht im|

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Nr. 58.

Gegenſas dazu ſtehe, daß der Staat sehr freund. Wer hat demonstriert?

schaftliche Beziehungen zu seinen Verbündeten aus dem Krieg unterhalte; aber:

Besten Endes sagen wir uns, wir verlassen uns auf uns selbst."

Politik klug und ehrlich zu machen, ehrlich Das Leitmotiv aller Politik müsse sein, die gegen sich und alle übrigen. Der großen Be

Der

Die Polizei!

Bei der Festversammlung der Parlamentarier auf der Prager   Burg.  Prag, 7. März. Jm Saale des Alten Land­In fieberhaftem Tempo wird in Sowjet­tages auf der Prager   Burg, in dem einst die gesucht rußland die industrielle Produktion zu steigern Könige Böhmens   die Huldigung ihrer Unterta­- auf Kosten der Arbeiter, die sich nen entgegennahmen, beglückwünschten heute vor einem Ausbeutungssystem unterwerfen müs fammlung den ersten Präsidenten der RepubliRlagen über den Rüdgang der Moral und fand widmet Majaryt anerkennende Worte. mittags die beiden Rammern der Nationalver mefens und der Erziehung überhaupt, ftreifte die die demokratische und republikanische Politit len, das jedent fapitalistischen Ausbeuter das Wasser im Munde zusammenlaufen läßt. Wie au ſeinem 80. Geburtstag. Pünktlich um halb dann von Herzen kommende Worte über das weiteren Entwicklung fieht der Präsident mit die Istwestija" vom 19. Februar berichtet, zehn Uhr betrat der Präsident, von der Festver Schicksal der chronisch kranken Menschen; er stellt fammlung herzlichst atklamiert, den historischen wird in vielen Orten, während gleichzeitig die Saal und nahm an der Stirnseite des Raumes Aufstellung, wo noch ein Baldachin davon zeugt, Kommunisten bei uns davon faseln, in So­jetrußland sei der Siebenstundentag einge­daß dort einst der Thron der böhmischen Könige führt, Ueberarbeit geleistet. Unter anderm stand. Zu beiden Seiten die Regierung und die leisten die Arbeiter der Werke ,, Rote Profin­Präsidien, im Saal dicht gedrängt einige Sun­tern" um vier Arbeitsstunden täglich über den dert Parlamentarier.

Die Reden der beiden Kammerpräsidenten waren mit viel Erinnerungen an das Einst und mit viel politischem Beiwert verbrämt; die Vor­sehung wurde zitiert und in Zusammenhang mit einer philosophischen Geschichtsauffassung ge­bracht, die wohl nur als Stonzession dem feft lichen Augenblick und dem Präsidenten gegen­über gedeutet werden kann. Man hätte meinen sollen, daß gerade diese Reden, die in erster Linie gewiß den Befreier des tschechischen Vol­les von der Habsburgerherrschaft feiern follten, und auch gebührend feierten, doch auch in ent­sprechender Form die Tatsache berüdsichtigen würden, daß in dem Saal aus freien Stüden so und so viele Vertreter des deutschen   Volles sich eingefunden hatten, um dem Achtzigjährigen ihre Achtung zu bezeigen und ihre Glüdwünsche dar zubringen, obschon sie in ihm nicht ihren Be­freier aus nationaler Knechtschaft erblicken fönnen.

Nach dieser Seite hin enttäuschten beide Ne den; ob der Erinnerungen an die ruhmvoll ge staltete Vergangenheit der eigenen Nation ward die Tatsache, daß es Staatsbürger anderer Na tionalität gibt, und daß sie ebenfalls unter den Gratulanten zu finden sind, übersehen, trpßdem der Geist der Geschäftsordnung nicht über dieser Tagung schwebte, da die Verfassung derartige Festsibungen beider Kammern nicht fennt.

Die folgende Rede des Ministerpräsidenten Udržal war eine herzliche Glückwunschrede,

die dem Charakter der Feier sicher voll entsprach.

In seiner Antwort betonte der Präsident, daß sie verfassungsgemäß nicht als Botschaft gel ten tönne und es auch nicht fein wolle; er habe

auch nicht die Absicht, ein politisches Vermächt nis borzutragen. Seine Ansichten über die Mis­fion seines Voltes und des Staates habe er bc­reits öfter ausgesprochen; er glaube nicht, daß zwischen seiner Theorie und Praxis in grundsäß­lichen Dingen Widersprüche bestünden.

Die Demokratie sei ihm Diskussion, sei somit auch Kompromiß, nicht nur eine parlamen tarische Wahltechnik, sondern gegenseitiges Gönnen der Freiheit und ihre verfassungs­mäßige Wahrung.

Sie dürfe nicht in Demagogie umschlagen und nicht mit Anarchie vertauscht werden. Auf die mannigfachen Surrogate der Demokratie müffe

man achtgeben.

Nach Dantesworten an die Versammlung und die Mitschöpfer des neuen Staates ging der Präsident des näheren auf die wirtschaftlichen und fulturellen Aufgaben von heute ein und knüpfte. dabei an die Budgetdebatte an, die zur Klärung der Lage beigetragen habe:

sollen.

Die Frage der Arbeitslosigkeit

Zuwendungen aus dem Jubiläumsfonds für ein Lupusinftitut in Brünn   und ein Krebs­forschungsinstitut in   Prag

in Aussicht. Er fährt dann fort:

,, Um fich der Stulturpolltit und-administra­

Ruhe und Vertrauen entgegen:

tive women zu können, müssen wir alle überflüschlerhaft iſt, und schaffen wir hauptsächlich Neues.

sigen und schädlichen Konflikte beilegen; ich bente hauptsächlich an den Nationalitäten, besonders die Sprachenkonflikte.

Was überhaupt das Minoritätenproblem be trifft, ift feine definitive Regelung unseren beiben gebildetesten und wirtschaftlich fortges, schrittensten Rationen vorbehalten. Ich bin mir deffen bewußt, daß die Verantwortung für eine gedeihliche Lösung dieses Problemes wie auch aller übrigen Probleme unseres neuen Staates in erster Reihe auf uns Tschehen und Slowaten fällt, weil toir fie in den Händen und in der Macht haben. Damit sage ich nicht, daß die Deutschen  und die übrigen Minoritäten feine Mitvers antwortung für die balbige Ueberwindung der alten Erbschaft hätten. Gerade auf diesem fig an uns allen ble Erziehung Bus bas e Regime. Die Sprachen- und Nationalitäten. frage überhaupt ist für den Staat teine Frage des Prestiges, sondern des abministrativen und praktischen Bedürfnisses. Wie in dieser, so über. laffen wir auch in anderen Fragen zu viel dem Staate; neben dem Staate sind es doch die Nationen, welche durch ihre Kultur­arbeit den Staat unterstüßen, vervollkommen Tönnen und sollen.

alte

bewegte sich Mafarht auf der Linie, die Dr. In der Besprechung der Außenpolitik Benes feit langent vertritt, und vergaß nicht zu bemerken, daß man in der Uebergangszeit dem with bau der Armee aufmerkſame Fürsorge Wir haben feine aggressiven Absichten, aber wir werden zur Verteidigung des Staates vor bereitet sein."

widme:

Die Rede des Präsidenten wurde an vielen Stellen durch Zustimmung und Beifall unter brochen; auch am Schluß der Stundgebung ertönte reicher Beifall. Masaryk   verweilte dann noch eine Zeit im Gespräch mit verschiedenen Persönlich feiten und hörte fich im benachbarten Bladislav­Saal einen Chor der mährischen Lehrer an.

Dann warteten seiner im Audienzfaal neue Deputationen, u. a. des Roten Kreuzes und der Mitglieder des diplomatischen Storps, in dessen Namen ihm der päpstliche Nuntius eine Adresse

überreichte.

Die ruhige politische Entwicklung der Republit ist um so wertvoller, weil wir in der durch den Strieg verursachten Erregung begonnen haben. Wir werden uns allerdings nicht verhehlen, daß noch nicht alles in Ordnung ist; verbessern wir, was Normalarbeitstag hinaus mehr. In einer gan­ist nicht ändern und besonders nicht über- zen Reihe von Werken wurde der Zehnstun­stürzt und ohne Ueberlegung ändern. Sofern mir dentag eingeführt und die Belegschaft der Fa es vom Schidjal vergönnt sein wird, werde ich wie brik Rabotschi" arbeitet zwei Schichten, bisher vorgehen, und es ist nicht unbescheidenheit, wenn ich mit der Versicherung schließe, daß ich in manchmal 16 Stunden hintereinander. Zur der sofort während des Krieges reiflich erwogenen selben Zeit gibt es in Rußland   weit über eine und, wie ich glaube, durch die Praxis erprobten Million Arbeitsloser. Selbstverständlich wird Richtung schreiten werde. Ich war und bin mir diese Mehrarbeit durchwegs, freiwillig" gelei­meiner Verantwortung voll bewußt." stet, freiwillig" verzichten die Arbeiter man­cher Betriebe auf ihre arbeitsfreien Tage, nur wäre keinem der Arbeiter anzuraten, sich von dieser Freiwilligkeit" auszuschließen. Es gibt in Sowjetrußland noch manch anderes. Kürz­lich wurden die Lebensmittelrationen herab­gesetzt: auf täglich 400 Gramm Schwarzbrot für den Kopf und Tag, auf 100 Gramm Brei an 17 Tagen pro Kopf im Monat, auf 200 Gramm Butter pro Kopf im Monat, auf ein Liter Spiritus für Stochzwede im Monat uſw. Eier, Milch, Reis und Mehl werden nur sol­chen Familien gewährt, die Kinder unter zwölf Jahren haben. Die Arbeiter müssen un­ter Affordlöhnen arbeiten. Das Geld zur Am Nachmittag fand ein großer Huldi- Durchführung des Fünfjahrplanes müssen die gungszug der Prager   Bevölkerung statt, der sich unter der Führung der Prager   Arbeiter durch Zwangsanleihen   aufbringen. Stadtvertretung durch die Hauptstraßen der Die Arbeitslosenversicherung wurde gedrosselt. Stadt auf die Burg bewegte. Den Zug eröff So hat sich die wirtschaftliche und soziale neten die tschechischen Sozialdemokraten, denen die Lage der russischen Arbeiter unter der Herr­Nationalsozialisten, die bürgerlichen Parteien und schaft des Fünfjahrplanes und der wirtschaft­den Sofoln folgten. Zahlreche Turner, Legionäre staltet. Die Bauern sind verarmt, ihre Wirt­schließlich die unpolitischen Vereinigungen mit lichen Lage der Sowjetunion   verzweifelt ge­und Schüßen in Uniform sowie zahlreiche schaften zerstört, ihre Betriebsmittel verloren. Trachtengruppen belebten das Bild. Der Umzug, Damit nun die ausgebeuteten russischen Ar­deſſen Vorbeimarsch zwei Stunden dauerte, zählte beiter den Mut nicht ſinken laſſen, soll ihnen an 50.000 Personen. Der Präsident sah von einem Fenster der Burg dem Vorbeimarsch über durch die westeuropäische Arbeiterschaft Trost den ersten Burghof zu und empfing dann De- und Ermutigung zuteil werden. Sie sollen den putationen der einzelnen Gruppen. Eindrud empfangen, daß die Weltrevolution nunmehr ernstlich bevorstehe. Ihnen soll glau­ben gemacht werden, daß die großen Arbeiter­massen jenseits der russischen Grenze sich in gärender Ungeduld befinden und darauf bren nen, den bazierenden kommunistischen   Difta­toren, als der bei uns etwa der Herr Gott­wald in Betracht käme, zum Siege zu verhel­Frei- fen. Ist erst einmal der Bolschewismus Herr in ganz Europa  , dann hat alle Not, die jetzt Jm Reichstag erklärte Finanzminister der russische   Prolet bei Strafe der Erschießung Moldenhauer, daß die Regierung auf erdulden muß, ein Ende. Das sollen sie glau Schacht keinen Drud ausgeübt habe; er persön- ben. Darum hat die Leitung der Stommunisti­lich halte ihn zwar geeignet als Reichsbautpräschen Internationale die Weisung zur großen sident, über seine politischen Fähigkeiten habe er sich jedoch ein anderes Urteil gebildet.

Schacht will endlich gehen!

Das Haager Abkommen als Borwand. Berlin  , 7. März. Halbamtlich wird be- die Blätter von einem neuen lannt gegeben, daß der Präsident der Reichsbant tag" sprechen. Dr. Schacht in der Sißung des Zentralausschus­ses der Reichsbank seine Absicht mitgeteilt hat, von der Leitung der Reichsbank zu rüd zutreten. Er habe diese seine Absicht bereits der Regierung mitgeteilt und bleibe nur ſolange im Amte, bis es möglich sein werde, sei­nen Nachfolger zu ernennen.

schwarzen

Kampfaktion" am 6. März an ihre Sektionen ergehen lassen, der die aktiven Sturmtrupps des Bolschewismus in allen Ländern auf den Plan treten lassen und für die Kapitalisten­Klasse ein furchtbares Memento werden sollte. Nun haben wir ihn also erlebt, diesen internationalen Stampftag"! Hat sein Ver­pompös und drohend angekündigten neuen auf die Bourgeoisie zittern gemacht? Er hat

,, Wenn die einzelnen Parteien ihre wirtschafts Gleichfalls halbamtlich wird bestätigt, daß Die sozialdemokratische Partei hat schon seit lichen Forderungen betonen, ist das richtig, aber die heutige Sigung des Zentralausschusses der Monaten seine Entfernung vom Amt gefordert, gerade hier ist ein Rompromis notwendig. Um Reichsbank sich mit der Frage der Gehälter und seitdem er es zu politischen Zweden mißbrauchi alle auf Dem aleiden Schiffe, es handelt sich um mitglieder der Reichsbank befaßte, die in der halten, weil er nach ihrer Anschauung von der eine englische Nebensart anzuwenden: Wir find Tantiemen des Präsidenten und der Direktions- hatte. Die bürgerlichen Parteien wollten ihn die Rettung und Die Sicherung unseres Schiffes, Presse Gegenstand der Stritit waren. Den Blät- Großfinanz geſtützt wird, mit der man es sich wenn wir alle gerettet und in Sicherheit sein tern zufolge ist es dabei sehr lebhaft zugegangen; nicht verderben will. In Wirklichkeit genießt bei ihr, wie nicht anders zu erwarten war, nur die Debatte habe entgegen aller Erwartung aber Schacht in der internationalen Bankenwelt einige Stunden gedauert. Die Vertreter schon längst nicht mehr den Ruf, der dem Präsi höllisches Gelächter und Freude erweckt. Stein größerer Gefallen würde ihr erwiesen, als hat in großen und reichen Ländern drohende Aus- der Privatbanken hätten, wie die Vossische Zei- denten der Reichsbank zustehen sollte. Als Grund seines Rücktrittes gibt er an, durch noch einige solcher revolutionärer" maße angenommen. Wir müssen auf der Sut sein, tung" zu melden weiß, gleichfalls ihre Unzufrie­das erfordert die wirtschaftliche Gegenseitigkeit der denheit über die allzuhohen Gehälter der führen- daß er mit den Abmachungen im Saag nicht Tage, die eklatant nicht nur die gänzliche At­Staaten und Völker. Und die wirtschaftlichen und den Direktoren der Reichsbank zum Ausdruck einverstanden sei; dabei hat er als Vertreter tionsfähigkeit der kommunistischen   Bartei be­jozialen Fragen find so kompliziert, daß zu ihrer gebracht und dies sei die Veranlassung zu dem Deutschlands   selbst an der Schaffung des Young- weisen, die auch das Selbst- und Sicherheits­leberlegung und eine tatkräftige Entschließungsion einzureichen. Wie die Rechtsblätter melden, Haager Abkommen   bildet. Wenn Schacht seine Grund zur Ausrede, die Aktion sei unvorbe gedeihlichen Lösung eine sehr ernsthafte Entschluß Dr. Schachts gewesen, seine Dentis- Plans mitgewirkt, der die Grundlage für die gefühl der Kapitalistenklasse stärken müssen. nicht seinen Rüdtritt, sondern eher eine Dro- Ursache darin liegen, daß er sich durch sein hoch wahr macht, so dürfte die wirkliche hung(!) und Demonstration gegen fahrendes Wesen selbst viele seiner Freunde ent Die Regierung(!), damit sie ihre bisherige fremdet hat und seiner Wiederwahl Ende März Finanz- und Außenpolitik ändere. nicht sicher ist. Auf die Sicherheit der deutschen  Ueberrascht waren die wirtschaftlichen Währung hat sein Rücktritt keinen Einfluß. Streise; die Börse war direkt konsterniert, sodaß

notwendig ist.

Wir haben die Wohnungsfrage, und zwar nicht nur in der Hauptstadt. Anständiges, ge not fundes Wohnen ist für jeden Menschen wendig wie das tägliche Brot." Weiters besprach er im Detail die Notwendig

viele Wochen suchten die Feldwebel der kom­ munistischen   Partei die Massen, voran die Ar­beitslosen, aufzurufen. Täglich wurde erzählt, wie durch Massenaufmärsche" der Kampftag vorbereitet werde, wie sich allerorten die Ein­