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48.­

Sozialdemokrat_

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Dienstag, 16. September 1930.

Krisenwahlen in Deutschland  .

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find, ist schon weniger wahrscheinlich.

halbjährig.... 96.­

192.­

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Nr. 218.

Wahlen und Wirtschaftsnot.

Der 14. September: ein Ergebnis der politi­schen und wirtschaftlichen Krise Deutschlands  . Will man das Ergebnis der deutschen  Die Sozialdemokratie bei geringem Mandatsverluft unerschüttert. Konjunktursieg Wahlen werten, muß man sie im Zusammen­der Nationalsozialisten auf Koften des Bürgertums  .- Deutschnationale und Volks­hang mit dem geschichtlichen Schicksal Deutsch­ lands   und der Deutschen   betrachten. partei dezimiert, 3entrum gestärkt. Auch die Linksradifalen erfolgreich. Während die Engländer und Franzosen  Berlin  , 15. September  .( Eigenbericht.)| Boltes als Nation auf dem Spiele stünde, könnte, der Regierung sißen, nicht einlösen werden. ſeit Jahrzehnten ihr staatliches Leben beſtim­Die gestrigen Wahlen find zu einer Niederlage die Sozialdemokratie es ruhig den bürgerlichen Ob sich dann aber die Leute befriedigt fühlen, men, ist das deutsche Volt bis 1918 von einer des deutschen   Volles geworden. In feinem ande- Parteien überlassen, zusammen mit den Natio- die ihnen bei der jeßigen Wahl nachgelaufen feudalen Klasse, von Monarchen, Junkern ren Kulturlande wäre es möglich, daß der fünfte nalsozialisten die Regierungsgeschäfte zu führen. und adeligen Bürokraten regiert worden. Die Teil der Volksvertreter aus einer Partei besteht, Die Hakenkreuzler hatten ja schon vor der Wahl Jedoch ist die wirtschaftliche und politische staatliche Einigung Deutschlands   ist durch deren Führung sich aus politischen Abenteurern ihre Ansprüche angemeldet; fie verlangten da Lage des deutschen   Volkes viel zu ernst, als daß Blut und Eisen, durch die Revolution von und gewissenlosen Demagogen zusammenseßt. mals das Innen- und Wehrministerium und die Sozialdemokratie ein solches Experiment oben" vollzogen worden, der durchschnittliche Denn das ist das hervorstechendste Ereignis der nach ihrem großen Wahlerfolg werden sie zwei- wünschen könnte. Die Wirtschaftslage verschlech deutsche Bürger verließ sich darauf, daß eine Reichstagswahlen vom 14. September: das ra fellos noch weitere Forderungen aufstellen. Es tert sich zusehends, die Arbeitslosigkeit wird in fleine Raste sein Schicksal lenkte. Diese herr­pide Anschwellen der Stimmen, die wird gewiß der deutschen   Außenpolitit außer diesem Winter wahrscheinlich einen ungeheueren schende Kaste, welche im Volfe, soferne es nicht für die Satenfrenzler abgegeben ordentlich förderlich sein, wenn die Hakenkreuz- Umfang annehmen. Die Arbeiterklasse in solcher worden sind und sie zur zweitstärksten Par- ler in der Regierung den Versuch unternehmen Lage einem Experiment auszuseßen, daß mit sozialdemokratisch war, den Glauben zu erwef tei im Deutschen Reichstag gemacht haben. Das sollten, den Friedensvertrag von Versailles  , den Sicherheit mit einer Ratastrophe enden muß, das fen verstand, daß sie Deutschlands   Macht, bei verschwindet fast die politische Kata Young- Plan und manches andere noch zu zer hieße die Aufgabe der Sozialdemokratie ver- Größe und Reichtum begründet hatte, war es strophe des Bürgertums, der Berfall reißen", wie sie das ihren Wählern verkündet lennen. Die Reichstagswahl hat gezeigt, daß die auch, die Deutschland   in den Krieg führte und der Deutschnationalen  , das Verschwinden des hatten. Man lann sich auch vorstellen, wie sich breiten und verantwortungsbewußten Waffen erst die Enttäuschung der Bevölkerung über Liberalismus, das Sterben der bürgerlichen die deutsche   Wirtschaft beleben wird, wenn die des Proletariats hinter der Sozialdemokratie die Niederlage im Weltkriege hat die junker­Demokratie. Hakenkreuzler die Reparationsleistungen einstel stehen. Sie wird durch ihre weitere Arbeit auch liche Monarchie hinweggefegt und Deutschland  Die sozialdemokratische Partei len wollten, wie fie das gleichfalls tausendmal das Vertrauen derjenigen gewinnen müssen, die zur demokratischen Republik   gemacht. hat ihre Stellung als weitaus versprochen haben. Immerhin ist es wahrschein- diesmal politischen Quadsalbern und Abenten­stärkste Partei des Deutschen Reichs- lich, daß fie diese Bersprechungen, so bald sie in rern zum Opfer gefallen sind. tages behauptet, wenn sie auch den Ber Just einiger Mandate zu verzeichnen hat. Sie hat gewiß einen Grund zum Pessimis mus, so weit es sich um die Zukunft der eige­nen Bewegung handelt. Denn wenn in einer Zeit der schwersten Wirtschaftskrise, die die Bor­ausseßung für eine Verzweiflungsstimmung in den breiten Massen der Bevölkerung schafft, der sozialdemokratische Appell an das Berantwor tungsbewußtsein einen so weiten Widerhall in ben arbeitenden Massen findet, so darf man das nicht als einen Mißerfolg bezeichnen. Nichts­destoweniger wird die Sozialdemokratic, mit der größten Gewissenhaftigkeit und der schärfsten Selbstkritik den Ursachen nachzugehen haben, die zu einem so starken Anwachsen der Nationalso­zialisten und einer etwas schwächeren Steigerung der fommunistischen Stimmen geführt haben. Denn wenn die sozialdemokratische Fraktion auch zahlenmäßig fast in alter Stärke zurückfehrt, so ist fie doch infolge der größeren Wahlbeteiligung verhältnismäßig schwächer geworden.

Zu

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*

Der neue Reichstag. Berlin  

, 15. September. Nach den amtlichen Ausweisen wurden am Sonntag 36,098.511 Stimmen abgegeben( gegen 30,738.381 im Jahre 1928). Die Verteilung der Stimmen und Mandate auf die einzelnen Parteien gestaltet sich wie folgt:

Bezeichnung der Partei

Sozialdemokratische Partei Deutschnationale Boltspartei Christlich- sozialer Volksdienst

Landvolk

·

·

Konservative Volkspartei Zentrum Deutsche Volkspartei Kommunistische   Partei Demokratische Partei  Staatspartei. Bayerische Volkspartei Wirtschaftspartei Deutsche Bauernpartei

.

20. Mai 1928 14. September 1980 Stimmenzahl Mandate Stimmenzahl Mandate

73

4,380.196 ( neu): ( neu)

-

-

3

.

3

9,150.533 153 8,572.016 143 2.458.497 41 867.377 14 18 1,104.727 ( neu) 313.874 5 3,710.747 62 4,128,929 68 2,678.532 45 1.576.199 30 3,262.876 54 76 4,587.708 1,504.721 25 ( neu) 1.322.608 945.306 16 1,058.556 1,895.650 28 1,379.359 480.947 8 339.072 809.939 12 6,401.210 482.697 2 262.700 199.513

20 19 28

6

107

271.931

0

144 242

8

193.899

3

491

576

National- sozialistische Arbeiter- Partei Volksrechtpartei Deutsch- Hannoversche Partei Landbund

Aber die deutsche Demokratie war nicht in der Lage, die Sünden des alten Deutschland   gutzuma chen. Weder politisch noch wirtschaftlich. Wohl war der Krieg gegen Deutschland   im Namen der Demokratic geführt worden, wohl sollte der Friede nach der Auffassung des amerikanischen   Staatspräsidenten die Völker zu Selbstbestimmung und Selbstregierung bringen, aber die Siegerstaaten das wird für immer die geschichtliche Schuld der Cle menceau und Lloyd George   bleiben- haben Deutschland   einen Frieden aufgezwungen, in welchem nicht seiner herrschenden Klassen jon­dern dem ganzen deutschen   Volk der siegreiche Soldatenstiefel auf den Nacken gesetzt wurde. Die Demokratie des Westens hat beim Frie densschluß versagt, si hat nicht den Großmut des Siegers gezeigt, den insbesondere das deutsche   Proletariat von ihr rwartet hatte, sie hat einen demütigen Frieden dem deutschen  Volke diktiert, einen Friedensschluß, der ein­Woher sind die Stimmen der Na gegeben ward vom Gefühle der Rache, von tionalsozialisten gekommen? dem Wunsche, Deutschland   dauernd niederzu­einem erheblichen Teil gewiß aus dem deutsch  nationalen Lager, dem beinahe die Hälfte der bis­halten. Sie hat Deutschland   erniedrigt, hat es herigen Wähler davongelaufen sind. In der jahrelang nicht in den Völferbund aufgenom Hauptsache stammt der Zuwachs der Halenkreuz­men, hat das deutsche   Volk gedemütigt und men, hat in t ler aber aus den Reihen der bisherigen hat ihm die unerhörtesten Lasten aufgelegt. Nicht wähler, also von denen, die jeßt das welche die Weltgeschichte fennt. Noch nie ist zwanzigste Lebensjahr erreicht hatten und von einem Volfe eine solche Kriegsentschädigung den proletarisierten Mittelschichten, die sich bis­auferlegt worden wie dem deutschen   und daß her mit Politif noch nicht beschäftigt hatten. dies heuchlerischer Weise unter dem Namen Den Nationalsozialisten scheint auch leider ein Reparationen geschehen ist, hat die Sieger Einbruch in die industrielle Arbeiterschaft gelun nicht sympathischer gemacht. Die deutsche   De­gen zu sein. Den Kommunisten ist es nicht mofratic trifft feine Schuld an dieser Entwick­geglüdt, die Sozialdemokratie ernstlich zu schwä­chen. Man darf aber auch nicht die Augen vor bald wieder in einen Niedergang ver- Bildung weiter, insbesondere kleinbürgerlicher der Tatsache verschließen, daß ihre hemmungs- Die Stellung der Sozialdemokratie hinter sich haben und daß sich voraussichtlich ihr lung der Dinge. Aber die geringe realpolitische Aufstieg loje Agitation gleichfalls eine größere Anzie Kreise des deutschen   Volkes hat es mit sich ge­hungskraft auf die jüngeren und auf die politisch der Reichstagswahl sind noch folgende Einzelhei Berlin  , 15. September  .( Eigenbericht.) Bon wandeln wird. Der Vorwärts" verlangt, daß die Var bracht, daß man nicht in den Verbrechen der noch nicht gefeftigten Schichten der Wähler austen bemerkenswert: Die Sozialdemokratie hat teien, die zur republikanischen Berfassung stehen, monarchistisch- adeligen Vorkriegspolitiker die geübt hat. Die sozialdemokratische Partei wird 580.000 Stimmen eingebüßt; fie erhielt 8,572.016 die Lösung der jetzigen Kriſe übernehmen und Ursache sah, sondern in jenen, welche in der Politik und der Agitation der jeht unterbrochene gegenüber 9,151.059 Stimmen im Mai 1928. daß dabei die Sozialdemokratic als die stärkste Ursache sah, sondern in jenen, welche in der Dieser Rüdgang vollzieht sich aber nicht gleich Macht in der Republik   nicht ausgeschaltet wer Erfüllung jener Verpflichtungen, die Deutsch­Aufstieg der Partei fortgesept werden kann. Die schwierigste Aufgabe liegt auf dem Gemäßig. Er ist am stärksten im rheinisch- westfäli- den dürfe. Tas Samburger Echo" fagt, land aufgezwungen wurden und nur langsam Die schwierigste Aufgabe liegt auf dem Geſchen Industriegebiet, wo wegen der großen Ar- daß jetzt Sozialdemokratie und Zentrum die abgebaut werden konnten, den Ausweg sehen, neuen Reichstages jeßt sich aus beitslosigkeit und der ständigen Angriffe der Un- Führung an sich reißen und eine starke Regie auf dem das Reich wieder zu einen Lenten zusammen, die die parla ternehmer auf den Arbeitslohn sich unter den ung bilden müßten. In anderen Parteitreisen politischen Faktor in Europa  Erbitte- iſt Arbeitern und Angestellten ungeheuere Erbitte- ist man jedoch der Meinung, daß man jetzt die und zu gleichberechtigten Mit­Völkerfamilie werden mentarische Demokratic zerstören einen eine Diktatur nach russischem, die anderen Schlesien   und Ostpreußen  , wo ähnliche Ursachen lassen solle wie es vor ihnen die Deutsch  - kann. Zu all dem kam noch die katastro­es Dienstag vormittags hält der Vorstand der beispielsweise in Sachsen  . In vier Wahlkrei­ten wollen. Sind sie sich auch noch über ihr Ziel sen hat die Sozialdemokratie einen Stimmenzu Borstand der Reichstagsfraktion eine Sigung feit einem Jahre eingetreten iſt. Die Welle im Untlaren, so begegnen sie sich doch in dem Stimmenzu- zialdemokratischen Partei zusammen mit dem schaftlichen Verhältnisse, wie sie Wunsche, die Arbeitsmöglichkeiten des Parla in den süddeutschen Ländern Hessen  , würt der Partei beraten werden wird. Die Stellung land hinweggegangen, drei Millionen Arbeiter würtab, in der über die fünftige taktische Haltung der Weltwirtschaftskrise ist auch über Deutsch­ments zu zerschlagen. Das kann umso furchtba- temberg nahme der Sozialdemokratie wird selbstverständ- finden keine Arbeit, es besteht auch wenig rere Folgen haben, als ja alles darauf antommt, temberg und Baden. Das Urteil der Parteipresse geht dahin, daß lich in erster Linie abhängig sein von dem Ver- Hoffnung, daß es in den nächsten Wochen und Finanzen zu fanieren und eine Wiedergefundung sich in anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen halten des Zentrums, das aber wiederum Monaten besser wird. Die Tatsache monate­der Wirtschaft herbeizuführen. Wie das möglich Situation in den Stimmenzahlen das A n wa ch- auf die andern bürgerlichen Parteien größte lang ohne Arbeit zu sein, die Hoffnungslosig­gemacht werden soll, ist vorläufig noch gänzlich sen der Verzweiflungsstimmung Rücksicht zu nehmen scheint. Die Zentrumspreffe teit, in der nächsten Zeit Arbeit zu erhalten, untlar. Denn die erste Folge der Wahl vom breiter Massen der Bevölkerung bemerkbar macht verhält sich noch zurückhaltend. Die Führer der treibt auch sonst ruhige, nüchtern erwägende 14. September wird eine weitere Verschlechte und daß sich daraus die Erfolge der Katastro- Wirtschaftspartei und der Landvolkspartei, ohne rung der Wirtschaftslage und damit eine bedroh phenparteien erklären lassen. Allerdings hat der die eine Regierung der großen Stoalition nicht Menschen zur Verzweiflung. Wo ist die Ab­liche Zuspißung der finanzpolitischen Berhält große Erfolg der Nationalsozialisten überall gebildet werden kann, erklären bereits, daß fie bilfe gegen die wirtschaftliche Katastrophe, wo niffe fein. Ueberraschungen hervorgerufen. Es wird aber auf keinen Fall mit der Sozialdemokratie, son- ist der Ausweg aus der Sphäre außenpoliti­Wenn nicht das Schicksal der deutschen   Ar- darauf hingewiesen, daß die Hakenkreuzler dern lieber mit den Nationalsozialisten zusam- schen Drudes, unter dem Deutschland   laſtet? In einer Zeit, wo Millionen nichts zu essen beiterklasse, wenn nicht die Zukunft des deutschen   teine fest geschlossene Wählerschaft men regieren wollen.

unter Schonung der Vollsmassen die öffentlichen

nationalen getan haben.

cinem

phale Verschlechterung der wirt­