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10. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.
Samstag, 18. Oktober 1930.
Josef Geliger.
Bum zehnjährigen Todestag.
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48.
96.
192.
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Nr. 246.
Zehn Jahre sind es her.. treibenden Kräfte des Machtkampfes zwischen| gung hatte, wie er, um nur ein einziges Bei- riesengroße gewachsen, wir alle wirken unter Aber noch zittert in uns die Erregung diejer Proletariat und Bourgeoisie weit besser durch- spiel anzuführen, Lagerhalter in Konsumver ganz anderen Verhältnissen wie diejenigen, Sterbestunde im Krankenhause in Teplit schaut als jene allerersten Pioniere des Sozia- einen über die zweckmäßige Lagerung von die etwa in den Neunzigerjahren Auge und Schönau nach, noch verspüren viele Hunderte lismus. Josef Seliger ist der Repräsentant Waren belehrte. Die dritte Generation der Mund der arbeitenden Klasse gewesen sind. unserer Vertrauensmänner den Donnerschlag jener zweiten Generation von Vorfämpfern Vertrauensmänner der Partei, die Menschen, Nur durch die Zusammenarbeit aller, durch des Schreckens, der sie traf. Wir glaubten, des Sozialismus, an die bereits ganz andere, die heute in der Vollkraft ihres Lebens stehen, die demokratische Beratung und Auseinanderes könnte nicht sein, glaubten nicht, daß das Schidfal mit uns und der Partei so grausamı umgehen könnte. Noch verspüren wir in uns die tiefe Niedergeschlagenheit, die uns er füllte, den reißenden Schmerz, den wir empfanden, die Lähmung von Körper und Geist, die über uns gekommen war...
Aber ist die Erinnerung an diesen Tag des Sterbens in uns lebendig, ist uns in dem Gedanken daran die furchtbare Nachricht so, als hätte sie uns gestern erreicht, sehen ivir Seliger noch heute vor uns, wie er in Versammlungen sein donnerndes Wort erschallen ließ, wie er uns in Sonferenzen mit feinem weisen Rat überzeugte, wie er in geselligen Streis einer der liebsten Menschen war, den wir je gefanntes sind volle zehn Jahre dahingegangen, in welcher die Welt eine andere geworden ist.
Wenn wir einen Augenblic uns selbst dazu zwingen, daß uns der Schmerz um den Berlust nicht übermanne, dann ist es uns, als sci Seliger eine Gestalt, welcher der Geschichte angehört und welcher seine große Leistung in einer Zeit vollbracht hat, die dahin ist und die eine abgeschlossene Epoche der Geschichte der europäischen Menschheit im allgemeinen und des Sudetendeutschtums im besonderen ist. Seliger ist uns heute, obwohl die Gedanken an ihn lebendig sind, obwohl unser Herz schlägt für den herrlichen Menschen, der er gewesen, obwohl seine Gestalt voll Glut und Leben noch vor uns steht, obwohl die Liebe für ihn uns ganz erfüllt, wenn wir seiner gedenken, obwohl der Schmerz uns zerwühlt am heutigen Tage, eine historische Persönlichkeit geworden, eine Gestalt, die wir einreihen können in die Geschichte des proletarischen Aufstieges dieses Landes, deren Bedeutung wir nunmehr voll erfassen können in dem dramatischen Ablauf des geschichtlichen Geschehens von 1890 bis 1920.
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„ Und wenn alle das Programm von Reichenberg akzeptieren, so bleibe ich allein übrig als Sozialdemokrat nur zu dem Zwecke, damit ein winziger Rest der alten Krait erhalten bleibe, zum Wiederaufbau der deutichen proletarischen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in diesem Lande."
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setzung können wir uns eine gemeinsame Meinung erarbeiten, können wir zu Forde rungen und Stellungnahmen gelangen, welche dem Interesse der Arbeiterklasse entsprechen. In der Vielgestaltigkeit und immer größerent Unübersichtlichkeit der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklung wird es immer schwerer, den Kompaß zu finden, der uns den richtigen Weg zeigt, um aus dem Didicht wirtschaftlicher Ausbeutung und poli tischer Unterdrückung des Proletariats her auszufommen. Um so notwendiger ist, diesen Kompaß richtig zu stellen und alles was wir tun im Hinblick auf unser Endziel zu tun: der Sozialismus muß uns durch das Gestrüpp der Augenblicspolitik der Wegweiser bleiben sowie Josef Seliger und allen unseren Altvorderen der Sozialismus der Stern war, dem fie Zeit ihres Lebens gefolgt sind. Josef Seliger
hat das Glück gehabt, drei große Aufschwungszeiten der Arbeiterbewegung mitzumachen. Die Anfänge seiner Tätigkeit fallen in die Zeit nach Hainfeld, da durch die Einigung des Proletariats die Ueberwindung der unseligen Spaltung der. Achtzigerjahre und dank der raschen industriellen Entwidlung jener Zeit, der Gedanke des Sozialismus von Jahr zu Jahr at Werbefraft gewann und die Zahl seiner Befenner ununterbrochen wuchs. Er hat das Glück gehabt, ein führender Politiker seines Heimatlandes zu sein, als zu Beginn des neuen Jahrhunderts die große Welle der Wahlrechtsbewegung die Massen erfaßte und die Arbeiter zu heldenmütigen Kämpfen, zu großen Demonstrationen und Kundgebungen, die uns allen ein teueres Kleinod unserer Erinnerung sind, anfeuerte, er ist beim herrlichen Wahlsieg von 1907 zum ersten Mal Abgeord neter geworden. Er ist Führer des deutschen Proletariats und Führer seines Volkes ge wesen, als das Ende des Krieges an ihn AufDas tschechische Wolf nennt eine Reihe gaben von höchster Verantwortlichfeit steffic von Gestalten aus seiner Geschichte in den und er auf das Denfen der sudetendeutschen letzten hundert Jahren, Stolar und Safarit, Arbeiter entscheidenden Einfluß gewann, er Jungmann und Palacky. Havliček und schließerlebte die Freude, den beispiellosen Auflich Masaryk buditele, die Erweder. Auch die schwung der Sozialdemokratic nach dem Kriege proletarische Bewegung aller Länder hat ihre mitzumachen, wo der Sozialismus gleich einem Erwecker und der bedeutendste von ihnen ist größere, umfassendere Aufgaben herangetreten haben nicht die Möglichkeit gehabt, so gründ großen Strom die Schiffe der Völfer trieb. für Deutschböhmen zweifellos Josef Seliger find, einer Generation, welche mit weit mehr lich alle Zweige der Arbeiterbewegung kennen Aber die großen Siege, die er in vorderster Es hat vor ihm solche gegeben, die die Saat Verantwortung für das Schicksal des Prole zu lernen. Wir sind in die Partei zu einer Kampfreihe miterfechten half, haben ihn niedes Sozialismus ausgeworfen haben, als der tariats vor der Geschichte beladen worden ist, 3eit gekommen, da schon alle die großen mals übermütig gemacht und wenn Zeiten Boden noch steiniger war: Josef Krosch in als die Menschen, die vor ihm das Proletariat Organisationen, welche die Fundamente un des Stillstandes kamen wir vergessen heate den siebziger Jahren, Josef Schiller ein Jahr aufgerüttelt und in den Kampf geführt haben serer deutschen Arbeiterbewegung in diesem nur allzuleicht, daß es in der sozialdemokro. zehnt später. Aber erst in Josef Seliger , der Um was wir Jüngeren die Generation Lande sind, bestanden haben, wir haben jeder tischen Vergangenheit nicht nur Sonne, sonseine Wirksamkeit im Anfang der Neunziger Josef Seligers beneiden, ist, daß es ihr das in irgend einer dieser Organisationen zu dern auch Schatten gegeben hat, war er nicht jahre begann, entfalteten sich harmonisch die Schicksal möglich gemacht hat, alle Zweige arbeiten begonnen, haben in einer von ihr kleinmütig, half die Verzweifelnden aufrichpsychologischen, moralischen und geistigen und Einrichtungen der Arbeiterbewegung seit Erfahrungen im proletarischen Stampfe ge- ten, er, der sich selbst gegenüber großen Kräfte, die im deutschböhmischen Proletariat ihrem Entstehen auf das genaueste kennen zu wonnen, wir sind alle mehr oder weniger Schwierigkeiten seines persönlichen Lebens stecken. Seine sozusagen klassischen Vorgänger, lernen und sich so eine Vielseitigkeit anzu- Spezialisten geworden und die harmonische und Erlebens mit der Kraft seines Geistes Vorbilder und Lehrer haben mit den größten eignen, die uns verwehrt ist. Seliger war Zusammenarbeit der Funktionäre in Partei, und Willens durchgesetzt hat. Er hat Schwierigkeiten gefämpft, sich jenes Maß von noch in den alten Bildungsvereinen tätig, er Gewertschaft, Genossenschaft, Sozialversiche denfen wir immer daran auch in der Einsicht anzucignen, das notwendig ist, um war ein führender Funktionär seiner Gewerk- rung, in den Organisationen für förperliche Frage, die viele Parteien der sozialistischen dem proletarischen Befreiungskampf Sieltlar- schaft, er stand an der Wiege der Genossen und geistige Ertüchtigung der Arbeiterschaft, internationale nicht unmittelbar beschäftigt, heit und Richtungssicherheit zu geben. Josef schaftsbewegung, er war einer derjenigen, die in Gemeinde, Bezirk, Land und Parlament in der Stellung der Sozialdemokratic im Seliger hat, obzwar er nur eine zweiklassige unsere Krankenkassen aufgebaut haben, er hat muß zu jener Auffassung gelangen, die sich Kampfe der Nationen, eine Auffassung tradiVolksschule besuchen fonnte, auf den Schultern die modernen Organisationsformen der poli- früher ein einzelner, der gleich Josef Seliger tionell gemacht, welche den schärfsten einer Generation von Vertrauensmännern lischen Partei mitgeschaffen, er war wahr alle Fäden in der Hand hielt, erarbeitet hat. Stampf gegen die Unterdrückung anderer Bötvor ihm stehend, in zäher, unermüdlicher haftig überall zu Hause, er fannte die Bedürf Selbst in den einzelnen dieser Organisationen, fer mit der zähesten und energischeſten erArbeit eine weit größere Bildung sich ange- nisse der Partei, der Gewerkschaft, der Ge- ebenso wie in den öffentlichen Körperschaften, tretung der Rechte des eigenen Boltes vereignet die vor ihm, er hat die fonkreten nossenschaft, der Krankenversicherungsanstalten tritt eine Arbeitsteilung dort ein, wo mehrere bindet: noch heute können wir uns stolz beTatsachen des proletarischen Kampfes inner- auf das genaueste. Die mit ihm gearbeitet Genossen tätig sind, werden die zu beharufen auf seine Aussprüche und Reden, in halb der bürgerlichen Gesellschaft viel besser haben, waren immer wieder überrascht von delnden Aufgaben von verschiedenen Fach denen er sich gegen die nationale Unterdritferfannt, er hat die Umwelt, in der die Arbei- den Fachkenntnissen und der Erfahrung, die leuten behandelt. Unsere Arbeit ist zu viel- fung der Tschechen im alten Desterreich mit terschaft ringt, viel fiefer erfaßt, er hat die Seliger auf allen Gebieten der Arbeiterbewe gestaltig geworden, unser Arbeitsfeld ist ins der ganzen Glut seines sozialistischen, für die
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