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Sozialdemokrat
10.
Jahrgang.
Wahlen" unterm Säbel:
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.
Dienstag, 18. November 1930
Das Ende der polnischen Demokratie.
Absolute Mehrheit des Pilsudskiblockes/ Trotz schamlosen Wahlterrors erringt die Opposition noch 196 Mandate/ Offene
Abstimmung.
polnischen Staat kann es leicht das Leben
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kosten, wenn das Experiment einmal schief Industrielle?
geht. Polen hat nicht die Sicherheit Italiens ; es ist ein junger Staat, es birgt in seinem Schoße viele Millionen unterdrückter und mißvergnügter nationaler Minderheiten, es
Nr. 270.
Nein- Greisler!
Unsere Unternehmer gehaben sich gerne
ist von sozialen Konflikten zerwühlt und als die berufenen" Führer der Wirtschaft obendrein der Nachbar Rußlands . Es lebt in und kommt man mit ihnen bei Verhandlun Feindschaft mit Deutschland und Litauen , es gen zusammen, so gebärdet sich der Großteil Pilsudski hat sein Ziel erreicht. Der und eingeschüchterten Bürokratie, wird Pil- genießt in England und Amerika wenig An- 1º, als ob jeder einzelne von ihnen das Pulneue Sejm, nur noch die Karikatur eines sudski sich nun in Bälde zum unumschränkten sehen und Kredit. Das Abenteur des Josef aber keine Ahnung von dem habe, was der ver erfunden hätte, die gewöhnliche Plebs Parlaments, wird eine Mehrheit von joge- Diktator Polens machen, wozu diese Farce Pilsudski kann leicht einen Ausgang nehmen, Wirtschaft frommt. Da ist dann alles schlecht nannten„ revolutionären Sozialisten" und einer Volksvertretung ihren Segen geben der nicht nur dem Regime, das jetzt zur im Staate, die Minister taugen nichts und ähnlichem korrupten Gesindel haben, das sich wird. Wie lange freilich der verrückte Mar- Macht gelangt, sondern auch dem ohnehin zum Regierungsblock zusammengeschlossen hat. schall Volk und Staat unter der Säbeldiktatur an Elephantiasis leidenden polnischen Staat Rund 248 Regierungsleute stehen halten kann, das ist eine andere Frage. Dem ein jähes Ende bereitet!
einer arg zersplitterten Opposition gegenüber, die insgesamt 196 Size erobern fonnte. Die Restmandate werden zum größe ren Teil ebenfalls dem Regierungsblock zufallen, so daß sich an dem Mehrheitsverhältnis wenig ändern dürfte. Der neue Sejm wird alles apportieren, was Pilsudski und feine Handlanger fordern. Er wird die Verfassung ändern und eine scheinbar legale Präsidentschaftsdiktatur vorbereiten, für die sich dann Pilsudski selbst zur Verfügung stellen wird. Der neue Sejm wird das Heeresbudget weiter erhöhent und die Aufrüstung Polens nach den Wünschen eines verrückt gewordenen Feldwebels durchführen. Der kurze Traum einer polnischen Demokratie ist vorläufig zu Ende; schlimmer als unter dem Zaren wird das polnische Volk von seinem„ Befreier" Pilsudsti unterdrüdt werden. Aber
248 Pilsudski- Leute gegen 196 Oppositionelle. Warschau
, 17. November. Nach einer amtlichen Mitteilung ist die defi: nitive Mandatsverteilung einschließlich der Mandate der sogenannten Staats: Kandidatenliste folgende:
Regierungsblod 248( 123 im Jahre 1928), Zentrolinke 79( 156),
Nationaldemokraten 64( 37),
ukranisch- weißrussischer Wahlblock 21( 26),
Christliche Demokraten 14( 15),
Deutsche 5( 19),
Kleinpolnische Zionisten 4
Regiernugsfreundliche orthodoxe Juden 2 Kongreßpolnische Zionisten 1
( Jüdische Kolonisten 12),
Kommunisten 5( 7),
Bauernbund Stapinski 1 Mandat.
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bas Ergebnis dieser Wahl, voraussichtlich der Zusammenstöße am Wahltag.berlegte gefordert. In Pojen verhaftete die
man hört immer den Unterton Ja, wenn
wir..." Komischerweise hat sich aber auch da nichts geändert, wo Industrielle an maß gebender Stelle saßen. Der Grund dafür ist einfach genug: sie sehen die drängenden Probleme der Gegenwart nicht oder sie wollen sie nicht sehen und versuchen die kranke Welt mit den altertümlichsten Rezepten zu furieren. Fleißig verordnen sie nach alter Hausmütter Art immer noch Spinnenweben auf die kranken Augen, wahrscheinlich mit dem nicht eingestandenen Nebenzweck, sie auch weiterhin blind zu erhalten, dieweil die Wissenschaft es doch schon lange genug gelernt hat, den Star zu stechen.
Da liegt vor uns eine der Veröffentlichungen des Deutschen Hauptverbandes der Industrie. Sie betitelt sich ,, Warum verträgt die Industrie der Tschechoslowakei keine Er höhung der Erzeugungskosten?" Es ist eine Denkschrift zu den geplanten Steuervorlagen und nach alter Väter Sitte wird hier nun dargetan, daß die Industrie keinerlei Steuer Ießten auf lange Zeit hinaus, beweist doch, Polizei bei angeblichen oppositionellen Egzejjen belastungen ertrage. Man kennt diese Weise, daß die oppositionellen Sträfte an Zahl den Warschau , 16. November. Die Wahlbe- 30 Personen. In Thorn wurde das chemalige aber es ist einem auch nicht unbekannt, daß Gefolgsleuten Pilsudskis weit überlegen sind. teiligung in der Hauptstadt und in den größeren Mitglied des deutschen parlamentarischen Klubs viele Unternehmer erst zuletzt ans Steuerzah Denn wie ist es zu dem Wehlresultat Städten Polens erreichte in den Abendstunden Raumen wegen antistaatlicher Agitation ver- len denken, und sich lieber ausgleichen, als bom Sonntag gekommen? Es wurde zwar 80 Prozent. Die größte Wahlbeteiligung weisen haftet. ihrer Steuerpflicht zu, genügen. Die 4.5 Milauf Grund des allgemeinen Wahlrechts ge- die Wahlbezirke im Zentrum und im Westen des In den jüdischen Stadtvierteln von War- liarden Steuerrückstände stammen ja nicht gewählt. Aber eine ganze Reihe von Kandi- Staates auf, dagegen war die Wahlbeteiligung in schau, wo der Wahlkampf zwischen vier(!) rade von den Arbeitern, sondern eben von datenlisten sind ohne jede Berechtigung den östlichen Bezirken und in Kleinpolen infolge jüdischen Wahllisten am heftigsten ist, kam es zu denen, die so gefühlvoll über die Steuern zu vor der Wahl für ungültig erklärt des Regenwetters schwächer. Sie erreichte in schen Gegnern, denen von der Polizei ein den Zusammenstößen zwischen politi jammern verstehen und die weiteren Milliarworen. Die Opposition ist auf diese Weise manchen Wahlbezirken kaum 30 Pro- Ende gemacht werden mußte. An der Peripherie nur diesen Kreisen zugute gekommen. Doch an Steuerabschreibungen sind ebenfalls um mindestens eine Million Stimmen, um 60 Wandate geprellt worden, die allein zent der Wahlberechtigten. In man- und in den jüdischen Stadtvierteln Warschaus mögen sich mit diesem Teil der Denkschrift die ausreichen würden, die Mehrheit Pilsudskis chen Dorfbezirken war die Abstimmung schon in versuchten die Kommunisten antistaatliche Stra- Steuersachverständigen auseinandersetzen. Benkundgebungen zu veranstalten, wurden je= in eine Minderheit zu verwandeln. Den den Nachmittagsstunden beendet. Im Wahlbe- doch von der Polizei daran gehindert. Wahlen selbst sind terroristische Atsirke Zips sind alle Stimmen auf die tionen der nationalistischen Verbände vor- Wahlliste des Regierungsblodes ab- Warschau , 17. November. In Pruszkow ausgegangen, Plünderungen sozialistischer gegeben worden. Einen erregten Verlauf nahm bei Warschau kam es gestern zu blutigen ZusamParteiheime, Ueberfälle und Attentate, deren die Wahl lediglich in dem Posener Gebiet und in Ergebnis die Einschüchterung der Bevölkerung Pommerellen , wo die oppositionellen Parteien weiter Gebiete ist. So muß man zugeben, eine starke Agitation entfalteten. In Bosen tam daß in den Landkreisen die Wahlbeteiligung vielfach nur 30 Prozent betrug, daß also jogar mehrmals im Laufe des Tages zu Ausschreitungen und antistaatlichen Kundgebungen mehr als zwei Drittel der Wähler doch schreitungen und wohl unter dem Drucke des Regierungs - der Opposition welche durch die Polizei liquidiert terrors den Urnen fernblieben. Wenn in wurden. In Graudenz haben sich die dortigen den Ostmarken", das heißt in den europa Deutschen der Abstimmung enthalten. Ju Kattowiß, 16. November.( Wolff.) Entgegen fernsten, am stärksten militarisierten Provin vielen Wahlbezirken verzichteten die Wähler auf allen Befürchtungen, die sich um so mehr steizen alle Wähler freiwillig" auf die geheime das Recht der geheimen Abstimmung und gaben gerten, als es in der Nacht vom Samstag zum Wahl verzichteten und ihre Stimme natür demonstrativ offen ihre Stimmen auf Sonntag zu schweren Zusammenstößen des lich für Pilsudski offen abgaben, wenn die einzelnen Wahllisten ab. In Polnisch- Ober- Selbstschutzes der Oppositionsparteien mit den die Deutschen der Stadt Graudenz Wahlentwurden
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Städten
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menstößen zwischen Agitatoren der regierungsfreundlichen Sozialisten, der revolutionären Fraktion und der oppositionellen Sosialisten, wobei sieben Personen teils schwer, teils leicht verleßt wurden. Von den Schwerverleßten sind im Laufe der Nacht zwei Personen ihren Verleßungen erlegen.
In Ober- Schlesien.
gebracht verlief der Wahlsonntag in GroßKattowis, Königshütte und auch in den übrigen Industrierevieren verhältnismäßig ruhig. Gegenwärtig weilen in Oftoberschlesien eine Anzahl von amerikanischen, englischen, französischen und italienischen Berichterstattern, die sich an Ort und Stelle darüber unterrichten wollen, ob Einfluß auf die Wähler ausgeübt wird.
haltung übten, wenn in der zum gut Teil schlesien verlief der Wahltag vollkommen ruhig. fieben Personen schwer verletzt ins Krankenhaus deutschen Proving Bommerellen die Deutschen Die Wahlbeteiligung betrug in den sämtliche Mandate verloren, so spricht das zirka 50 Prozent, auf dem flachen Lande zirka deutlich genug für das System, nach dem 35 Prozent. In dem unweit Warschau gelegenen Sonntag in Polen gewählt worden ist. Es Städtchen Pruszkow kam es in den späten waren fascistische Wahlen, die nur Abendstunden zu Zusammenstößen zwischen den einen Zweck hatten, den Machthabern Kommunisten und Sozialisten. Die Zusammen einen Schein von Legalität zu verleihen, wenn stöße in Warschau und in Pruszkow haben 51 sie sich zur Vernichtung der demokratischen Rechte anschicken. Für die Opposition aber hatten sie nur noch den Sinn, ihre Sträfte einmal unter dem äußersten terroristischen Drud zu mustern. Und von diesem Gesichtspunkt aus haben die Wahlen bewiesen, daß
Die Rechtswelle hält an.
Gemeindewahlen in Baden und Mecklenburg. Berlin , 17. November.( Eigenbericht.) Die
nahme des Zentrums Stimmenverluste. Die Sozialdemokratie hat gegenüber den vorigen Ge meindewahlen etwas zugenommen, doch konnte sie die hohe Stimmenzahl der letzten Reichstagsbehaupten.
Bolen nicht hinter Pilsudski steht, daß die gefirigen Gemeindewahlen in Baden und Medienwahlen, wo Baden eines der besten Bezirke war, Opposition die große Mehrheit burg haben gezeigt, daß die Stimmung in der Be
der Bevölkerung hinter sich hat.
Was den Gewerkschafter interessiert, das ist der geistige Ausflug, den die Herren auf das Gebiet der allgemeinen Volkswirtschaft unternehmen. Und da sagen sie nun:
In diesem Zusammenhang sind auch einige Worte über die Löhne amt Plazze. Die Indu strie legt hier auf die Feststellung besonderen Wert, daß sie sich der Verpflichtungen gegenüber thren Mitarbeitern voll bewußt ist. Sie ist aber ebenso überzeugt, daß unter den gegenwärtigen außerordentlichen Verhältnissen eine Erhöhung der Erzeugungskosten, soweit die Löhne in Betracht Yommen, schwere wirtschaftliche Gefahren zur Folge hätte. Vielfach wird zwar die Ansicht vertreten, daß die Steigerung der Löhne notwendig sei, um die inländische Verkaufstraft zu erhöhen. Man übersicht dabei aber, daß der Lohn nicht nur ein Faktor der Kaufkraft, sondern auch der Gestehungskosten ist. Eine wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Erhöhung der Löhne also ohne tatsächliche Vermehrung des Sozialproduktes der Volkswirtschaft- fann feine wirkliche Steigerung der Kaufkraft zur Folge haben, da im gleichen Augenblicke die Lohnsteigerungen als erhöhte Kftoen der einzelnen erzeugenden Kräfte aus. wirken. Werden dennoch Löhne, welche den durch die Kostenkalkulation gegebenen Rahmen übersteigen, durchgesezt oder in einzelnen Fällen no 1- wendig gewordene 2ohnsenkungen hintangehalten, so müssen die wirtschaftlichen Kräfte automatisch auf diesen von außen tommenden Zwang mit einer teilweisen Betriebsstillegung reagieren."
Worauf eine ebenso geschmalzene Darlegung darüber folgt, daß eine weitere Erhö
hung der sozialen Lasten", wie die Herren völkerung sich seit der Reichsratswahl noch nicht In Mecklenburg war das Bild im allge- die Fürsorge zu benennen belieben, nicht tragDie Rolle des neuen Sejm wird die sein, geändert hat. Starke Erfolge der National- meinen dasselbe. Die Sozialdemokratie behaup bar wäre. Man müsse auch den Mut haben, fozialisten, geringere bei den Kommunisten, tete im allgemeinen ihre Stellung, die Nationalwelche das letzte italienische Parlament ge- augenblicklicher Stillstand bei der Sozialdemofra sozialisten gewinnen auf Kosten der anderen bür- bei den Versicherten unpopulär zu werden, spielt hat, das Mussolini auf ähnliche Weise tie und starte Verluste der bürgerlichen Parteien gerlichen Parteien. Sparsamkeit üben, keine Einrichtungen schaf,, wählen" ließ und das bald nach der Wahl an die Hakenkrenzler ennzeichnen diese Wahlen. Das Bemerkenswerteste an beiden Wahlen fen, die weniger dem Wohle der Versicherten, zerfiel. Gestützt auf den Säbel, auf die Macht In Baden war die Wahlbeteiligung mit 50 Pro- ist die Tatsache, daß die Arbeiterfront dem unge- als vielmehr den Prestigeerwägungen dienen der Armee und der Offiziersflique, seiner sent viel schwächer als bei den Reichsratswahlen. heueren Ansturm der deutschen Fascisten standge-( ohne daß klar gesagt würde, welcher. Art fascistischen Schützenvereine und der korrupten infolgedessen erlitten alle Parteien mit Aus- halten hat. denn diese geheimnisvollen Einrichtungen