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10. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Mittwoch, 3. Dezember 1930.

Das Schicksal der Rotver Enders Kabinettsbildung gescheitert.

ordnungen.

Berlin  , 2. Dezember.  ( Eigenbericht.) Die morgen wieder beginnenden Reichstagsverhand lungen werden voraussichtlich nur von furzer Dauer jein. Man rechnet damit, daß lediglich die neuen Notverordnungen beraten werden und daß sich der Reichstag   dann bis Jänner vertagi. Bis zur Osterpause soll der Reichshaushalt er­ledigt werden.

Die Aeußerungen der Presse zur Rotver­ordnung ergeben feine leberraschungen. Die deutschnationalen, völlischen und kommunistischen Blätter, deren Parteien Gegner der Reichs­verfassung und des Reichstags sind, entrüsten sich heftig darüber, daß der Reichstag   ausgeschaltet werden soll. Sie verschweigen allerdings, daß es am Reichstag liegt, ob er den Verordnungen zu stimmen soll oder nicht.

Nach der Stimmung in der sozialdemokrati­schen Partei zu schließen, wird es teinen allge meinen Widerspruch geben, wenn die sozialdemo­fratische Fraktion, wie zu erwarten ist, die An­träge auf Aufhebung der Notverordnung ab. Lehnen wird. Es wird zwar lebhaftes Bedquern darüber geäußert, daß die Regierung den Weg­gewählt hat, der praktisch zur Ausschaltung des Reichstags führt, aber man würdigt doch die Alternative, vor der die Partei steht,

entweder zusammen mit den Feinden der Verfassung und des Parlaments die Notver ordnungen abzulehnen und damit den Weg zu einer Diftatur Hugenberg- Frid freign­legen oder die Verordnung des Kabinetts Brüning hinzunehmen und damit, vorläufig wenigstens, die Errichtung einer Gewalt herrschaft zu verhindern.

Die Entscheidung dürfte der Sozialdemokratie umt so leichter fallen, als in den Verordnungen eine ganze Reihe von 3ugeständnissen an die Sozialdemokratie enthalten sind und jetzt, nachdem immer wieder ein Abbau der Sozial­gesetzgebung erfolgte, zum erstenmal wieder ein Aufbau durchgeführt worden ist.

Ein neuer Sacco- Vanzetti- Fall.

In Kalifornien  .

San Francisco  , 1. Dezember. Der Oberste Gerichtshof   von Kalifornien   hat das Gnaden gesuch auch von Warren Billings abgelehnt. Der Gerichtshof hatte die Um stände zu untersuchen, unter denen Billings  und Mooney im Jahre 1916 wegen Auf zuhr& berurteilt worden waren. Von den jieben Richtern stimmten sechs gegen das Gesuch, mäh­rend einer sich für Begnadigung aussprach. Beide Männer sind seit 14 Jahren im Gefäng nis, und in amerikanischen Arbeiterfreisen wird der Fall als ein neuer Sacco- Vanzetti- Fall an gesehen.

Kampf gegen das Kabinett Zardieu.

Wien  , 2. Dezember.  ( Eigenbericht.) Die Verhandlungen über die Regierungsbildung sind am späten Abend gescheitert. Darüber wurde ein amtliches Kommuniquee ausgegeben, in dem es heißt:

Der mit der Regierungsbildung betraute Landeshauptmann Dr. Ender machte heute abends 6 Uhr den Vertretern des Schober- Blocks den endgültigen Vorschlag, einer Regierung beizutreten, in welcher die Wünsche des nationalen Wirtschaftsblocks und des Landbundes nach Zuieilung von Ministerien wie folgt Berücksichtigung finden würden:

1. Variante. Die Großdeutschen bekommen a) den Vizekanzler und das Äußere und b) das Ministerium für soziale Verwaltung, der Landbund das Innen­ministerium;

2. Bariante. Die Großdeutschen übernehmen a) die Stelle des Vizekanzlers und das Menzere sowie b) das Justizministerium, der Landbund das Innere;

3. Bariante. Die Großdeutschen übernehmen a) die Stelle des Vizekanzlers und das Justizministerium und b) das Aeußere oder das Ministerium für soziale Verwaltung, der Landbund das Innere.

Um 8 Uhr abends wurde von den Bertretern des Schober- Blocs mitgeteilt, daß er sich für die zweite Variante entschieden habe, sie aber nur mit einer Abänderung annehmen könne, wonach die Großdeutschen erstens die Vizekanzlerschaft mit dem Aeußeren übernehmen; es sollen. jedoch vom Inneren alle Agenden des Sicherheitsdienstes losgelöst und dem Bizetanzler überwiesen werden, und zweitens das Justizministerium. Der Land­bund hätte dann das Innenministerium ohne die Agenden des Sicherheitsdienstes zu über­nehmen.

Diesen Vorschlag nahm Landeshauptmann Ender nicht an. Er erklärte, er würde über das Ergebnis seiner Bemühungen dem Bundeskanzler Bericht erstatten. Man muß unter diesen Umständen annehmen, daß alles gescheitert ist und Ender morgen die Kabinettsbildung zurüdlegen wird.

Im letzten Moment dem Widerstand feines eigenen Klubs erlegen! Wien  , 2. Dezember. In der Besprechung beim Präsidenten der Republit Miflas legte Dr. En der seine Mission zur Bildung des Kabinetts nieder, da der christlich soziale Klub seinem mit dem Schoberblod erzielten Uebereinkommen nicht zugestimmt haf.

Präsident Millas wird heute oder morgen einen anderen politischen Führer mit der Führung der Verhandlungen über die Bildung der neuen öfterreichischen Regierung und der Regierungsmehrheit betrauen.

Der neue österreichische Nationalrat.

Die Eröffnungssigung.

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Erscheint mit Ausnahm des Montag täglich frih.

Nr. 283.

Moloch Kapital.

Die Tragödie von Rothan.

Die Weltwirtschaft steht gegenwärtig nicht nur im Zeichen einer bedeutsamen tech­nischen Umgestaltung, die von den tiefgrei fendsten Folgen für die Arbeiterschaft begleitet ist, sondern auch einer unerhörten Zusam= menballung des Kapitals, die zur Folge die Entstehung von großen gewaltigen Kapitals- und Betriebsgebilden hat, wie sie noch keine Zeit gesehen hat. Immer mehr sehen wir, wie nicht nur Kleinbetriebe aufge= lassen werden, sondern wie große Industrie­unternehmungen mit noch größeren verschmol­zen werden. Dabei werden Tausende von Ar­beitern entlassen und vermehren noch das in­folge der augenblicklichen Weltwirtschaftskrise angewachsene Heer der Arbeitslosen.

Wir erleben gerade in der Tschechoslowa­  kei dies gegenwärtig an einem Beispiel, auf das wir bereits hingewiesen haben, über das man aber nicht genug eindringlich sprechen fann. Es ist dies die Verschmelzung der Eisen­werfe in Rothau   und Schindelwald mit dem Betriebe in Karlshütte, die über die beiden erstgenannten Orte geradezu eine Katastrophe gebracht hat. Dabei muß festgestellt werden, daß die Zusammenlegung der Betriebe nicht nur mit großer Rücksichtslosigkeit gegenüber der Arbeiterschaft erfolgt, sondern daß die Be triebszusammenlegung auch wirtschaft­lich gesehen nicht einmal notwendig gewesen wäre.

Es hat an Bemühungen, die Eisenwerke Rothau   konkurrenzfähig zu machen, nicht ge fehlt und diesen Bemühungen ist auch der Er­Nach der Angelobung sollte die Konstitu- folg nicht versagt geblieben. Während 1922 in ierung des Präsidiums erfolgen. In der dem Eisenwert 2350 Arbeiter und Angestellte Obmännerkonferenz hatte die sozialdemokratische 14.480 Tonnen Roheisen erzeugt haben, haben Fraktion Eldersch als ersten Präsidenten

vorgeschlagen, während die Christlichsozialen für 1928 600 Arbeiter weniger 31.680 Tonnen, Ramet eintraten. Da teine Einigung zustande also mehr als das doppelte erzeugt. Finanziell  Wien, 2. Dezember. Der neugewählte fam, beantragten die Großdeutschen die Verwirkt sich diese erhöhte Produktivität darin Nationalrat ist heute um 3 Uhr nachmittags su tagung auf übermorgen. Dagegen aus, daß die Werke im Jahre 1923 53 Mit­seiner Eröffnungssigung zusammengetreten. Die stimmten Christlichsoziale und Heimwehrblod, lionen Kronen an Bankschulden zu verzeichnen Tribünen waren überfüllt, die Abgeordneten blieben aber gegen die Stimmen der Sozialdemo- hatten, während sie vier Jahre später ein vollzählig erschienen. Die christlichlozialen Ab- kraten und des Schoberblocks in der Min- Bankguthaben von 25 Millionen Kronen hat­gebeten trugen weiße, die jozialdemokratischen ber heit. rote Nellen im Knopfloch. Als letzte Gruppe Gleich die erste Abstimmung brachte alio ten. In vier Jahren haben sie demnach einen zogen die Abgeordneten des Heimatblods eine Riederlage der Chriftlichsozi- Gewinn von 66 Millionen Stronen erzielt. forporatio in ihren Uniformen( graugrüne alen im offenen hans. Windjacke und Hut mit Hahnenfeder) in den Sizungssaal ein, wo ihnen auf der äußersten Rechten Platz angewiesen wurde.  

Wien, 2. Dezeptber. Wie die Pressestelle der Bundesführung der österreichischen Heimatwehr Den Vorsis führte in Verhinderung des meldet, hat die Bundesführung angeordnet, daß die Bräsidenten des früheren Nationalrates Dr. Abgeordneten des Heimatblodes zur offiziellen Gürtler der zweite Borsitzende Eldersch  , Sigung des Nationalrates und bei anderen beson der zunächst die Angelobung der Abgeordneten deren Anlässen der Heimatwehr in Uniform vornahm, die sich in voller Ruhe vollzog.

zu erscheinen haben.

Politischer Mord in Sofia  .

Ein Gegner Michailows von Kugeln durchlöchert.

020 Sofia  

, 2. Dezember. Einer der Führer der Freundes Badscharom hielt. In dieser Rede hatte

Man fann also nicht behaupten, daß die Be­triebe Rothan- Schindelwald nicht prosperieren und daß sie nicht konkurrenzfähig sind.

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Merfipürdig ist, daß die kapitalistischen  Betriebe nicht immer so genau rechnen, ivie sie uns manchmal einreden wollen. Während das Werf in Rothau   angeblich aus technischen und finanziellen Gründen mit Karlshütte ner­einigt werden muß eine Behauptung die, wie wir soeben gesehen haben, absolut nicht zutrifft hat die Betriebsgemeinschaft, die sich da gebildet hat, nämlich Rothau zusam­men mit der Berg- und Hüttenwerks- Gesell­schaft in   Prag ein Repräsentationsgebäude aufgeführt, dessen Gesamtkosten 43 Millionen

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Ministerpräsident Lardieu sollen, dessen Aufwand sich aber tai­Paris, 2. Dezember. Die Beratungen, die und abends mit zahlreichen Kabinettsmitgliedern der erbittertsten Gegner des Führers der Revolut digt, daß sie sich mit auffallender Nachsichtigkeit jächlich auf 80 Millionen Kronen beläuft. pflog, gaben Veranlassung, zu dem Gericht tionäre Jwan Michailows, Toma leisti, gegen die Mörder aus dem Lager Michailows Man sieht also, die Herren rechnent

binetts Tardieu.

Den letzten Mitteilungen zufolge ist es gegen

einer geplanten Demission des Rt a wurde heute beim Berlassen seiner Wohnung von verhalten. Er hat jedoch spät zwei Emissären der Michailow- Anhänger ermor­abends diese Gerüchte selbst widerlegt. Er det. Die Emisjäre hatten sich gegenüber dem Abend der Polizei gelungen, die beiden Atten- 1 habe vielmehr, wie er erklärte, dem Vorsitzenden Eingang des Hauses, in dem Tomalewsti wohnte, täter auf Tomalewski zu verhaften. der Untersuchungskommission Louis Marin sämt- versteckt und seit Morgen den ganzen Tag ge­wartet, bis ihr Opfer die Wohnung verließ. liche Dokumente aus dem Innenministerium zur Berfügung gestellt, die heute einer sechsgliedrigen Untersuchungskommission vorgelegt werden.

eine

In dem Augenblicke, als sich Tomalewski in der Tür zeigte, gaben die beiden Angreifer gleichzeitig eine ganze Serie von Schüssen aus ihren Repetier- Gewehren ab. Toma­lewski sank tödlich verwundet auf der Stelle zu Boden und verschied nach wenigen Augen­blicken.

Ir, wenn es ihnen paßt.

Interessant ist auch die nationale Seite der erfolgten Betriebszusammenlegung. Alle Umstände sprechen für die Vermutung. Der Zentraldirektor der Rothauer Werke war daß der Mord eine weitere Etappe in den in der Ingenieur Doderer, noch bis vor, fur neren Streitigkeiten unter den mazedonischen

Revolutionären darstellt. Die bisherige Unterer Zeit eine Säule der deutschen National­juchung hat ergeben, daß der eine der Mörder partei, der für diese Partei auch in verschie­Georgijem heißt und aus Stip in Wazedonien dene Veriretungskörperschaften kandidiert hat stammt. Der Name des zweiten erschossenen Mör- und der in vielen Reden seine Liebe zur deut­ders ist nicht bekannt. Wian nannte ihn allgemeinichen Nation nicht genug verkünden konnte.

Anure".

Für Donnerstag ist im Senat große Interpellation des radikalen Se­nators Hery angekündigt, dem sich wahrschein Tich noch andere Senatoren der Linten anschließen Dieser Mann war es, der den Betrieb in werden. Allgemein wird ein sehr scharfer Rothau  - Neudef an das tschechisch- französische Kampf erwartet. Bei der lesten Abstimmung Die Attentäter richteten dann die Waffen gegen Kapital verschachert hat, nämlich an den mit im Senat, knapp bevor das Parlament in die den ihn begleitenden Beschüßer, den sie durch Kabinett Glawet gesichert. der Zivnostenská Banka verbündeten Herrn Sommerferien ging, verfügte die Regierung bei einige Schüsse schwer verleßten. Hierauf warfen Warschau  , 2. Dezember. Der designierte Wi­der Interpellation über die Schulpolitik bloß fie die Gewehre weg, ergriffen die Flucht, wobei einmal das goldene Herz unserer Kapitalisten über eine Mehrheit von dret Stim sie auf den Wachmann, der ihre Berfolgung auf- nisterpräsident Oberst Slawek hat heute seine Schneider aus Creuzot. Man hat da wieder über Regierungsbildung fortge­men. Es ist noch nicht bekannt, welchen Stand nahm, ununterbrochen Revolverschüsse abgaben. setzt. Die Unterzeichnung der neuen Kabinetts- gesehen. Sie sprechen von der Liebe zur Na­

punkt die Linksklubs im Senat einnehmen wer­

Tomalewiti wurde

den, ob sie sich der Abstimmung enthalten oder hange mit dem letzten Prozeß gegen Weichailow liste wird für morgen oder spätestens überutorgen tion, um die Arbeiter von ihren Stlasseninter­accint gegen die Reaierung stimmen werden. ermordet und am Borabende der Urteilsverfün- eripartet. Heute nachts wird ein Dekret des Prä essen abzulenken, sobald sie aber höheren Pro­Rebenfalls wird Tardieu, so schreibt der a dung in dem Prozesse, der gegen, Tomalesti fidenten der Republik erscheinen, mit welchem fit schnuppern, da verbinden sie sich gerade tin", nicht vor Beendigung des Stampfes von wegen einer Rede geführt wurde, welche dieser die neue Parlamentssession für den 9. Dezember mit ienen Mächten, deren Bekämpfung angeb am Grabe seines gleichfalls fürzlich ermordeten einberufen wird. lich ihre Lebensaufgabe ist. Der ganze feinem Plage weichen.