9h. 283. Mittwoch, 8. DezemLer 1883. Seite S. Zur Volkszählung in Prag . Alle Deutschen , die irgendwelche Beschwerden gegen Unzukömm­lichkeiten bei der Volkszählung geltend machen wollen, erhalten in der deutschen Bera- tungsstell e(Graben 26, Zimmer 16) fach­männischen Rat. Amtsstunden täglich 9 bis 12 und 15 bis 19 Uhr. Ein betrügerischer Pfandleiher. In Siuhl- weißenburg hat sich der Besitzer einer Pfandleih­anstalt Karl Halasz erschossen. Bei einer polizei­lichen Hausdurchsuchung in der Wohnung deS Selbstmörders wurden in einem Koffer Versatzzr't"! im Werte von 36.000 Pengö gefunden. Halasz hat, nämlich die ihm verpfändeten Gegenstände weiter versetzt. Bor einigen Tagen wollte ein pensio­nierter Major ein bei Halasz verpfändetes Schmuck­stück auslösen, das dieser jedoch nicht auSzufolgen vermochte. Der Major erstattete bei der Polizer Anzeige, worauf Hälasz den Selbstmord beging. Durch die Malversationen sind zahlreiche kleine Leute geschädigt worden. Das Matter der Leichlmetalle. Wie Duralumin entsteht. Bor ein paar Jahren schien eS, als ob die Leicht­metalle außerordentlich schnell die Schwermetalle verdrängen könnten, als ob»ran gar nicht mehr daraus zu warten brauchte, daß eines Tages die Vor­räte der Erde an Schwermetallen erschöpft sein wer­den. Zwar haben die Leichtmetalle sich heute schon eine außerordentliche Bedeutung im Wirtschaftsleben erworben; aber man darf doch nicht verkennen daß sie manche Erwartung, die man in sie gesetzt hat, vorläufig noch nicht erfüllt haben und dax es noch mancher Erfindungen und Verbesserungen bedürfen wird, bevor es gelingt, die Anwendung der t>lcht- metMe aus allen Gebieten so weit zu entwickeln, daß sie als ein Ersatz der Schwermetalle für die Zeit gelten können, in der der Dorrat der Erde an Schwermetallen erschöpft sein wird. Wir kennen das Aluminium schon rnnd 100 Jahre. Es wurde zum erstenmal im Jahre 1887 durch de« deutsche« Chemiker Wöhler gewonnen, der es durch Zersetzung von Aluminiumchlorid mit Ka­lium als ei» graues Pulver erhielt. Aber die Her­stellungskosten nach den damals bekannten Methoden waren doch sehr hoch, erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts gelang es, das Aluminium zu grö­ßeren Stücke» zusammenzuschmelzen. Ta-nalS war es vor alle« Dingen B u n s e n, der de« Weg zum Ziel wies, nämlich die elektrolytische Abscheidung des Aluminiums aus der Schmelze seiner Verbindung!«. Am beste« kennzeichnet die Steigerung der Weltpro­duktion des Aluminiums, wie das Metall an Be­deutung zugenommen hat. 1886 betrug die Weltproduktion nur 13 000 St.j Um daS Jahr 1800 herum hatte man bereits eine Welt Produktion von 7 Millionen Kg. erreicht 1928 betrug sie schon 200 Millionen Kq. Da das Alu­minium dal am weitesten aus der Erde verbreitere Metall ist, dürfte schon deshalb selni Bedeutung und große Verwendung sichern. Dazu kommen nun noch sei« Physikalischen Eigenschaften, die es immer mehr als unentbehrlichen Werkstoff erscheinen lassen. Am bedeutendsten ist die Anwendung der Leicht­metalle natürlich aus all den Gebieten der Technik, wo große Lasten ständig fortbewegt werden müssens also auf allen Derkehrsgebieten, aber auch aus be­weglichen Brücken und Kran««, bei Möbeln und Einrichtungsgegenstände«, Leitern, verlegbaren Roh­ren, Koffern etc. Auch im Hochbau verwendet man neuerdings Seichtmetall« gern als Baustoff, beson- ders bei der Ausbildung der HauSsassaden, sowie für Fenster, Türen, Treppengeländer und Dachkin- solen. Am bekanntesten ist die Anwendung des Alu­miniums beim Luftschiffbau. Hier handelt es sich um eine besonder« Art des Aluminiums, um das Duralumin. Dieser Werkstoff entsteht durch einen geringen Zusatz von Magnesium. Das Aluminium erreicht dadurch eine Festigkeit, die der des Fluß­eisens gleichkommt. ES behält aber dabei sein gerin- ges Gewicht. Interessant ist wohl die merkwürdig einfach/ Art dieser Herstellung des Duralumins. Aluminium wird mit Kupfer, Magnesiunr, Mangan und Sill- zium legiert, in einem Deredlungsverfahren mit Magnesium geglüht und abgeschreckt und bleibt dann mehrere Tage bei Zimmertemperatur sich'eilst überlassen. In dieser Ruheperiode nun entwickelt es ganz selbständig die Eigenarten, die man von ihm verlangt. Die chemischen Vorgänge, die sich dabei ab- fpielen, sind bis heute noch ziemlich ungrklärr und gerade dieser Mangel ist die Ursache dafür, daß man leider noch nicht planmäßig und zielsicher die»ei­tere Verwendungsmöglichkeit des Aluminiums ent­wickeln kann. Man ist dabei auf Experimente ange­wiesen, ohne deren Ergebnisse vorher für das ge­wünschte Ziel bestimmen zu können. Die Abwandlungen und Verbesserungen des Aluminiums sind heute fast unübersehbar. Durch Zusätze von Wolfram-Kupfer, Magnesium, Mangan entstehen die verschiedenartigsten Leichtmetalle, durch Zusätze vvn Silizium und Phosphor sucht man be­sondere chemische Eigenschaften des Aluminiums zu stärken oder neu herbeizuführen. Neuerdings ist es auch gelungen, Aluminium beim Bau von Eisen­bahnwagen zu verwenden. Hier ist seine Verwen­dung außerordentlich wichtig, da die Eisenbahnwagen eine verhältnismäßig groß« Totlast besitzen, die stän­dig mitgeschleppt werden muß und einen völlig nn. nützen Kraftverbrauch erfordert. Durch Legierung mit Silizium gelang es hier, mit Silumin«in Leichtmetall zu finden, das sich für diese Zwecke außerordentlich gut eignet. Der Automobilbau wird früher oder später gänzlich zu Leichtmetallen über­gehen. Im Flugzeugbau spielt das Aluminium ja heute schon eine herrschende Rolle. O. L. Der verhungerte Hungerkttnstter. «evwtnvr. Dtntcgo« tzSeeh. Der sogenannte HungerkünstlerBen- tego", der eigentlich Dr. Adolf GlückSmann heißt, hat sich in seiner in Berlin - Treptow gelegenen Wohnung aus Nah. rungssorgen vergiftet, Hungerkünstler! Ein Wort, das heute inso­fern wirklich seine Existenzberechtigung verloren hat, als Hunderttausende die Wirtschaftskrise mehr oder weniger zum Hungern zwingt. ES ist keine Kunst mchr, zu hungern. Et ist fast allgemeines Schicksal. Die geschmacklos« Methode der Hungerkünstlerei grassierte vor etwa vier Jahren. Die Epidemie be­gann in Berlin , schließlich wurde auch das Reich infiziert. Die zahllosen Skandalaffären, die sich de« Hungerkünstlern" wie ein Rattenschwanz anhef­teten, veranlaßten schließlich die Behörden, gegen die Hungerexperten mit demGroben Unfugs-Paragra­phen" vorzugehen und die Hungerschaustellpngen zu verbieten. Da- Geschäft imKrokodil". Den zweifelhaften Ruhm, derPionier" deS Hungergeschäftes" gewesen zu sein, kann-ein Jüng­ling namens,/Jolly" für sich in Anspruch nehmen, der als erster die Idee hatte und von ihr auch den denkbar rentabelsten Gebrauch machte. Solche Tricks ziehen nur anr Anfang, die Nachfahren haben mei­stens auch das Nachsehen und den Rahm schöpft der Primus ab. Jolly legte sich in d«m BierrestaurantKro­kodil" in der Friedrichstraße länger als eine Woche in einem Glaskasten zur Schau und hatte, trefflich unterstützt von einem reklamegtwaltigen Manager, auch reichlichen Zulauf. Es war. eine kleine S«i- sation für die Berliner , mit einer Bockwurst in der Hand und mehr oder weniger geniütliche Scherze machend, an den Glaskasten heran zu treten, hinter dessen Wänden ein.bleicher^ Jüngling im eleganten Pyjama. aus dem ,Divau"ruhte und unausgesetzt Zigaretcnenrauch in die Luft paffte. DieKunst", deren Betrachtung fünfzig Pfennig Eintritt kostete, wurde ein bedeutendes Geschäft. Die Rocht gehört dem Bouillonschmuggel! Immerhin, der Hungerrekord Jollys endete mit einer schrillen Dissonanz. Am Schluß der Vorfüh­rung stand ein Betrugsskandal, der Jolly schließlich noch mit der Polizei in Berührung brachte. Ein Mißvergnügter hatte nämlich verraten, daß Hunger- Jolly weit mehr Grund zum Vergnügtsein hatte, als seine Besucher anzunehmen pflegten. Nacht um Nacht war ihm von seinem Manager in kleinen Glasröhren eine angenehm stärkende Hühnerbouillon zug-rführt worden, die ihn stets wieder aufs Neue veranlaßte, seinen Kampf mit dem Hunger siegreich und ohne jede körperliche Schädigung zu bestehen. Die empör- ten Gläubige« aber machten, aüfs schwerste ent­täuscht, Miene, den Glaskasten mitsamt seinem be­trügerischen Inhalt zu stürmen. Aus dem gläsernen Gefängnis wanderte der Hungerschwindler in das solide« des Untersuchungsgerichtes Moabit . GlückSmann im vlaskäsig. Aber der Betriebsunfall Jolly schreckt« feine Epigonen nicht. In Berlin blühte das Gewerbe der Hungerkünstler auf wie Veilchen nach dem Regen. Ebenso schnell wie die Konjunktur gekommen war, ging sie jedoch vorüber. Di« Nachläufer gerieten in «ine Pechsträhne und schlossen häufig ihr« wenig appetitliche Hungerveranstaltung mit einem Defizit. Bon einem besonderen Pech verfolgt wurde der jetzt durch Freitod aus dem Leben geschiedeneBentego". Glücksmann, der sich kurz nach Jolly produzierte. Bentego war«in heruntergekommener Intellek­tueller, der sich in vielerlei Berufen versucht und immer wieder Schiffbruch erlitten batte. Nun hatte ihn Jolly zum Hungern angeregt. Ein paar Spar­pfennige steckte er in die Reklame, kümmerlich genug zog er den Betrieb in einem obskuren Vororts­restaurant auf. Ohne Notiz zu nehmen, gingen die Berliner an dem heroischen Experiment des entwur­zelten Dr. GlückSmann vorüber. Auch dir Presse blieb stumm. Und was das vielleicht Tragische an dem so kläglich gescheiterten Hungerkünstler war et, der sich ehrlich durchzuhungern versuchte, dem man keine Glasröhrchen mit Hühnerbrühe zusteckte, verlor da- Spiel haushoch. Vor Hunger und Ent­täuschung bekam er schließlich eine Art Tob'uchts- anfall, zertrümmerte die versiegelten Scheiden seines freiwilligen Kerkers und stürzte gänzlich enikräftet ins Freie. Das Ende. Nach diesem letzten mißglückten Versuch, sich «ine materielle Basis zu schaffen, ging es mit Ben­tego im rasenden Tempo abwärts. Eine rech' küm­merliche Praxis als Rechtskonsulent schei'erte nach eiüiger Zeit, seit einem Jähre etwa litl der-nnst freiwillige Hungermensch lehr ünfreiwillg grau­samen Hungert In gewissen Lokalen des Berliner Westens konnte man in den letzten Monaten einen Mann von Tisch zu Tisch gehen und Postkarten ver­kaufen sehen. Es war der letzte Lebensversuch eines Geschlagenen. Als Glücksmann ober nicht mehr aus noch ein wußte, öffnete er in seiner winzigen Woh­nung in der Defvrggerstraße 20 in Berlin-Treptow den Gashahn. Das ist die Geschichte des Hungerkünstlers Ben­tego, der eben aller andere als ein Künstler war... «WS ­machen jede» Antlitz ansprechend und schdn. Oft schon durch«ln> nialla« Putzen mit der herrlich erfrischend schmeckenden «liluraünot-Zahnpaste erzielen Sie einen wundervollen Afendetnalanz der Zähne. Perluchen Sie e» zunächb mit einer Tube zu Ei. 4.. Wrotze Tube B. Ueberall zu habe» Die Erde senkt sich. Einsturzkatastrophe und verwahrloste Häuser. Die große Lyoner Einsturzkatastrophe hat die Aufmerksamkeit wieder auf jene seltsamen Vorfälle in den obersten Erdschichten gelenkt, für die es bis­her' nur höchst ungenügende Erklärungen und erst recht nicht eine einigermaßen sichere Kontrolle gibt. Vorher hat es sich ereignet und nach Lyon wird es sich immer wieder ereignen, daß ein scheinbar an' Der schiefe Turm von St. Moritz im Neuschnee. Der alte Glückenturm ist durch Erdsenkungen gefährdet, festem Boden stehendes Hau - Plötzlich zusammeiilsackl, daß ein Abhang, dessen Festigkeit den genauesten Prüfungen standgehalten hat,'in einer Regennacht auftveicht und abrutscht, Menschenleben und Mate­rial zerstörend. Man gibt in Lyon einem kleinen Wasserlauf, der mitten durch den jetzt in Trümmer liegenden Stadtteil fließt, die Hauptschuld an der Katastrophe. Daß sie sich aber gerade jetzt ereig­nete, und nicht- in all den Jahren vorher daö betroffene Gebiet ist schon sehr lange bewohnt, wird wohl ein schwer zu entziffernde-Rätsel bleiben. Auch eine Großstadt, wie Berlin zum Bei­spiel, ist von Erdbewegungen nicht verschont. Stän­dig müssen in den verschiedenen Proketariervierieln Häuser geräumt werden, Vie dem Einsturz nahe sind. Teilweise liegt das an der Verwahrlosung der Häu­ser selbst» sür deren Instandhaltung die Hausbesitzer keinen Finger rühren, sind ihre Bewohner doch nur Arbeiter, teilweise an der Erschütterung des Bodens durch den gesteigerten Kraftwagenverkehr. Es gibt eine ganze Reihe von Bausachverständigen, die pro­phezeien, daß in Zukunft noch eine viel größere Zahl von Häusern wegen Einsturzgefahr geräumt werden muß. Sie erklären, daß der Verkehr die Fundamente zermürbe, die stützende« Etdschichlen' vcrlvgerc,'so daß sich gefährliche Senkungen überall bemerkbar machen Vielleicht gelingt--es-in der Tat mit' diesen beiden Gründen^ der Vernachlässigung und der stärkeren Abmessung durch den Verkehr, bte häufigen Einsturz- und Erdrutschkatastrophen zu er­klären. Aber es kommen noch andere Dinge hinzu, bei denen man jetzt bereits die Gründe für die Erd- 'chichtverlagermigen sucht. Das sind die Erdbeben­erscheinungen, wie wir sie auch in Europa in der letzten Zeit, wenn auch schwach; erlebt haben. Auch in Deutschland sind im vergangenen»Sommer von den Erbeben-Stationen eine Reihe von Erdbeben ausgezeichnet worden, von denen man im allgemei­nen lediglich durch die Zeitungen erfuhr. Neuer­dings zeigt sich auch an den Bauten, die infolge ihrer Konstruktionen von jeher stärker von Erschüt­terungen bedroht sind, eine überraschende Verfall­tendenz. Aus Pisa wird gemeldet, daß der schiefe Turm wieder einmal ernsthaft bedroht erscheint, da ' sich Senkungen der Fundamente bemerkbar gemacht haben- Auch der schiefe Turm von St. Moritz , jenem herrlichen Wintersportort,, ist vom Einsturz bedroht. MA« aalens Zeitgeschehen,. Regiment Reichstag ." Kampf um Berlin Januar 1A9. Bon Kurt Lamprecht. Fackel» reiter-Berlag, Hamburg-Bergedorf. Preis 4 Mk., gelb. 6 Mk. Die Ereignisse in jedem Lande waren bewegt genug, als daß es«täglich gewesen wäre, von den aufregenden Geschehnissen der Jännertage 1919, die mit der Ermordung Liebknechts und Rosa Luxemburg - ihren Höhepunkt erreichten, mehr al­bruchstückweise Kenntnis zu nehmen. Die schweren Känchfe um das Brandenburger Tor und daS Berliner Zeitungsviertel mit Spartakus hat nun ein Teilnehmer an ihnen, Kurt Lamprecht, in einem romanhaften Buche darzustellen unternommen und das Buch, richtig gelesen, wird viel zur Aufhellung der Verständnisses über die damaligen chaotischen, wildbewegten Ereignisse, die für die weitere Gestal­tung der Verhältnisse von größter Bedeutung waren, beitragen. Ein durch das Kriegsende aus daS Pflaster geschleuderter Leutnant, der Grund­lagen seiner Existenz beraubt, schlendert durch die Sttraßen. Der Zufall einer Begegnung reißt ihn mitten hinein in den Strudel der Begebenheiten. Mit ein paar hundert Männern besetzt er daS ReichStagSgebäude und hilft von hier aus mit bei der Riederringung dcS ÄpartakuSaufstandeS. Die Schilderungen find von dramatischer Wucht, in einem Tempo eqählt, tzdas mitreißt und packt. Manche der handelnden Personen in dem Roman sind frei erfunden, Kurt Lamprecht hat jedenfalls eine Reihe trefflich charakterisierter Typen und Gestalten gezeichnet; Gestalten, würdig des Höllen- breughels jener Tage. Der Eindruck, den das Buch hinterläßt, ist ein tiefer. Brandfackeln über Polen ." Bormarsch im Osten. Bon Konrad Seifert. Fackelreiter- Verlag, Hamburg-Bergedorf . Preis 3.20 Mk., geb. 5 Mk. Seitdem die Welt, der durch den Krieg der dauernde Friede zu bringen verheißen wurde, wie ­der ein ungeheueres Heerlager geworden ist, wird von'den geistigen Söldnern des Militarismus auch wieder an der Erweckung des KriegSgeistes ge­arbeitet wie einst. DaS Gedächtnis der Menschen ist kurz und insbesondere die, Jugend, die nicht da» Grauen des Krieges kennen zu lernen Gelegenheit hatte, kann von den patriotischen und nationalen Phrasen der Handlanger der Aufzüchter des Mili­tarismus leicht benebelt werden. Um so dringend notwendiger ist es, die Zeugen dergroßen Zeit" zu hören, an ihren Schilderungen der KriegSwirk- lichkeir das eigene- Gewissen zu schärfen. Wie, eS gibt Leute,' die sagen, der Kriegsbücher seien genug erschienen? Nie werden ihrer genug sein,-denn nur wenn in den Herzen und Hirnen aller, die sich da« Gefühl für Recht und Menschlichkeit bewahrt haben, der eiserne Wille entsteht, ein« nochmalige Krieg»- katastrophe zu verhindern, kann da- Untier Krieg, das wieder die Zähne fletscht, im Zaune gehalten werden.Brandfackeln über Polen" r» schildert den Vormarsch in Polen im Spnnner ISIS über Brest-Litowsk in die Rokitno-Sümpfe hinein und ist durch seine Wahrhaftigkeit und durch die Meisterhastigkeit seiner Darstellung geeignet, war­nend und aufklärend zu wirken. Die Morvbrennerei des Kriege- findet hier ihren beredten Ankläger. Die Wolga fällt in- Kaspische Meer." Roman von Bari - Pilnjak . Neuer Deutscher Berlag, Berlin . Karl Radek hat dem Buch ein Borwort vorangeleht. Fast zwanzig Seiten lang. Wenn Pilnjak frei ent­scheiden dürfte, hätte er sich sicher einen anderen Vorredner gewählt. Aber er ist, wie alle sowjet­russischen Schriftsteller nicht frei, wie in Rußland auch die Kunst nicht f«i ist. Für die Radeks ist da- natürlich ein« selbstverständliche Sache und er meint, daß es in den kapitalistischen Staaten doch ebenso gehalten wird. Rur eben, daß in Rußland die Kunst kaum den zehnten Teil der Freiheit genießt, wie etwa in Deutschland . So hat man denn das Erscheinen des Buche» Pilnjak » im AuS» V lande nicht gerade verböte», obwohl es nicht ganz politbüromäßig eingestellt ist, aber dafür wird e» wegen gewisserAbweichungen" von Karl Radek Im Vorwort abgekanzelt, stellenweise wohl auch belobt, doch nur dort, wo er sich zum Apologeten des FünfjahrptaneS hergibt, im übrigen wird vor ihm alt vor einem haltlosen, schwankenden vorläufi­gen Mitläufer geradezu gewarnt und aufmerksam gemacht, ihn nicht sehr ernst zu nehmen. Liest min dann da- Buch, so merkt man bald, daß er bei der Darstellung der Menschen und Dinge, die im Rah­men des Fünfjahrplaneß darzustellen versprochen wird, so trefflich manches geschildert wird, nur so gewissermaßen einer ihm aufgezwungenen Pflicht nachkommt, daß ihm zu dem Werke aber all« inner­lichen Beziehungen fehlen. Was Bedeutendes und Interessanter an dem Buche ist, dos liegt auf einem anderen Gebiete, es ist die Aufrollung des Pro­blems des Verhältnisses der Geschlechter zuein­ander. Vieles hat sich in diesem Verhältnis in Rußland geändert und ob die Lage der Frauen dadurch eim bessere geworden ist, das untersucht Pilnjak. Wie diese Prüfung ausfällt, daS verdient in dem Buche nachgelesen zu werden. Sicher ist, daß ein Neues hier im Werden ist. Pilnjak ist ein großer Künstler, Bildner und Schöpfer, darum ver. dient das Buch volle Beachtung. Der rate Napoleon ." Von Floyd Gib» bon 8. Ernst Rowohlt Berlag, Berlin . Dieser Buch eilt unserem Zeitgeschehen weit voraus, e- ist gewissermaßen eine Utopie, aber diese Utopie hat ihre Wurzeln in unseren Zeltverhältnissen und darum verdient et in dieser Buchreihe besprochen zu werden. Der Gedanke de« Buche- ist dieser: Wie, wenn eS eines Tage- dem russischen Kommu­nismus gelingt, die ungehwleren Millionenmassen Asiens unter der Führung einet neuen militärischen Genies gegen das in seiner Kraft geschwächte und von Eifersüchteleien zerrissene Europa zu. mobili­sieren! Floyd Gibbons läßt in seiner Zukunfts ­phantasie diesenroten Napoleon " bereits geboren sein, er nennt ihn Karakhan von Kasan ; au- eine«: kleinen Dörfchen an den Abhängen des Ural stam­mend, d«n er die Eigenschaften unv Kräfte eine- unermüdlichen Dynamo» in Menschengestalt" ver­leiht und läßt ihn seinen Namen mit blutigen Lettern in die Liste der grüßten Soldateneroberer an die erste Stelle schreiben. Karakhan von Kasan wird der künftige Weltbiktatvr, gestützt vonver stärksten, brutalsten und grausamsten Heerrsmacht, die jemals unter einem einzigen Banner vereint war". Nach den ersten grandiosen Erfolgen Karak» hanS auf asiatischem Boden gehen der Reihe nach die Armeen Japan », Chinas und anderer Staaten zu den Roten über, ein neuer Weltkrieg bricht au». Am 8. November 1932 wird Josef Stalin von der Revolverkugel eines schwachsinnigen Judenjungrn erschossen und Karakhan wird nach einem furcht­baren Judenmassaker und zahllosen Todesurteilen gegen seine Widersacher aus eigener Machtvoll» kommenheit Diktator. Am 2. Jänner 1938 betritt Karakhan an der Spitze seines Millionenheeres den Boden Polens und damit beginnt unter dem Schlag­wortUnterwerfung der bis jetzt erobernden weißen Rasse" die Unterwerfung Europa -. Zum Glück ist Floyd Gibbon- Amerikaner und al- solcher kommt er natürlich zu dem Schlüsse, daß der Stieges­zug de- roten Napoleons schließlich, wenn auch erst nach verzweifelten Anstrengungen, an dem Wider­stände der Bereinigten Staaten zerbricht. Karakhan wird gefangen genommen und wie einst Napoleon auf einer Insel interniert. ES ist keine große Dich­tung, die Floyd Gibbon- hier darbietet, aber eine flotte, temperamentvolle Reportage, ein schrecken­voller ZukunftStraum, lebendig und packend erzählt. Ob er im Bereiche der Möglichkeit liegt? Nie­mand wirb die- mit Gewißheit-beantworten können. Voraussetzungen bestehen dafür sicher. Jedenfalls «in Buch, das zum Nachdenken zwingt. R.