Nr. 301. Mittwoch, 24. Dezember 1930. Sette 9. i Solidarität und' inneren Einigkeit. Wer sich hier im Ton vergreift, wird auf die Finger geklopft. Ganz ohne Aufsehen. Man ignoriert ihn einfach, und da steht er nun nackt und bloß und schämt sich. Wenn er wiederkommt, fügt er sich ein. „U Fleku" macht keine. Reklame. Kann sie gar nicht brauchen. Es kommen täglich Tausende. Mehr Platz hat man nicht, und um elf wird zugosperrt. Der es kennt, geht hin. Seine überzeugte und tiefe Freundschaft zum Fleck'hat keine lauten Worte. Fände sich ein. Zweifler an der Qualität dieses Institutes: der tägliche Pil- der zu diesem Quell stiller Freude geriete nicht, in Zorn. Er kniffe nur ein Auge zu, nickte fünfmal langsam und nachsichtig mit dem Kopfe und spräche milde:„Pane ...!" Das ist-das großartige Plädoyer, Mit diesem„Herr...!" tituliert der Prager in solchem Falle auch seinen Bruder, seine Frau. Es drückt eine Hofs-, nungSlose Distanz aus. Der größte Teil dieser Menschen hier sieht, keineswegs nach dem auS, was man im Oester- reichischen ettvas verächtlich als„Sumper" bezeichnet. Die Fugend ist stark' vertreten, und manch hübsches, ruhiges Mädcheng^sich^ fällt auf. Ein junger Monteur sitzt dP,J.^sr heute ein Motorrad ausprobicrt vprMAy, syin- Pachisch, mit Hellen Augen,. iÜ tzeyew noch daS Kilometerfieber sitzt, wenn er. erzählt, was der Motor hcrgcgehen hat; Soldaten, deren, sonnenverbrannte Gesichter nach dein endlosen Uebungsmarsch sich jetzt allmählich entspannen; Mütter, die hier nicht flicken. und. scheuern müssen; jüngere deutsche Angestellte, die sich unter diesen Leuten wohlfühlen. Die Kellnerinnen gleichen in mancher. Beziehung den bayerischen in dein oder jenem Bräu. Sie sind so tüchtig, flink.und resch. WaS ihnen an äußeren Reizen abgeht, ersetzen, sie durch Sachlichkeit, und ihr Hang zu bündigem Ausdruck ist durchaus liebenswert.' Denn.Dienst ist Dienst, und der hier ist kein Spaß,. 'Wie überall, wo das Volk en..mässe zu finden ist, kommen auch hier Hastsierer yiit den verschiedensten Dingen, frenMiche Mütterchen mit Körben voller Rettiche, eine Krone die Portion, das Salz ist umsonst,, ein Blinder mit Schokolodenplätzchen, Zcitungsverkaufer,.Frauen mit gerösteten Haselnußkernen und Salzbrezeln, ein Herr mit zwei Sammelbüchsen, ein Mann mit einem Clektrisierappa;at, der achtungsvoll bestaunt wird. Es bilden sich immer Gruppen um ihn, wenn er den Keinen Apparat ein», schaltet. Da ist einer, der tapfer dreißig Bolt' durch seinen Körper strömen läßt, vierzig rings wird schon Anerkennung gemurmelt; aber wenn der Jnduktionsmann auf fünfzig umschaltet, dann flammt ein grünes Licht auf, und der Held muß berichten, daß er genug hat.-... Auch Hunde gibt es'zuweilen'";« kaüfrN, im Hausflur. Leider erweisen sie sich manchmal nachträglich als gestohlen. Die Polizeistunde wird Pünktlich eingehal» ten. Da kommt die Polizei und schaut- nach,, ob auch alle fortqohen. Vorher aber geht sie erst mal in die Küche. Wenn man auf die Straße kommt, merkt man gleich, daß das Berweilen unter so viele« braven Leuten seine Wirkung hat. Man mag sich gar nicht über die dicken stinkenden Wolken ärgern, die hinter den Autos herquirlen. In Prag darf nämlich der Wagenlenker den Aus- puff offen lasten, soviel er Lust hat., Aber man schimpft nicht. Wozu wäre man sonst beim Fleck gewesen? L. B. Alkoholfreie Feftqelranke für Weihnachten und Silvester. Auch dis„Trockenen" wollen auf den Silvesterpunsch nicht verzichten. Aus den herrlichen, unvergorenen Obstsäften, wie Apfelsaft, Traubensaft, Orangeade, Zitronade, mit frischem oder Büchsen obst, brauen sie duftige, wohlschmeckende Festgetränke, di« auch den Kindern ohne Schaden gegeben werden köimen. Hier einige Rezepte:- Alkoholfreier Silvester-Punsch. 3 Orangen in Scheiben geschnitten und. der Saft von 2 Zitronen werden eine halbe Stunde«ingezuckert stehen ge» lassen, dann übergießt^man sie mit 1% bis 2 Liter dünnem, heißem Tee und gibt nach Geschmack etwas feingeschnittene Zitronen- oder Orangenschale und den nötigen Zucker hinzu. Dieser Punsch ist auch als, kaltes Getränk mit Zuguß von 1—2 Flaschen Mineral- oder Sodawasser(dies'besonders geeignet) recht wohlschmeckend. „Hurry Up", Aast Punsch. Echt amerikanisch. 1 Tasse Wasser, 1 Taste Zucker, einen halben Kaffeelöffel Gewürznelken, ein« halbe Stange Zimmt. Alles langsam kochen, di« Gewürze in Organtinsäck- chen, bis ein würziger Sirup ist, dann Gewürze herausnehmen Sirup kalt stellen. Dann Orangeade nach Geschmack dazugeben. Falls nötig, mit Master verdünnen. Etwas Zitrone und eine Taffe Kompottsaft. Am besten Pfirsichsaft. Eier-Punsch. 1 Rasche Traubensaft oder Apfelsaft, ein Achtel Kilo Zucker, Saft von 2 bis 3 Zitronen, etwas Tee, ein kleinwenig Muskatnuß' und einige Nelken, 6 frische Eier und ein halber Liter kochendes Wasser. Gewürze in kochendem Master aüs- zi«hen und auspressen, dann ins Wasser alles übrige und mit der Schneerute rasch über dem Feuer schlagen bis der Schaum sich hebt, ohne kochen zu lasten. Bom Feuer wegziehen und noch weiter schlagen unter Zusatz von etwas Fruchtfaft, wie Kirschen oder Preiselbeeren. Glühwein. 2 Teil« Traubensaft, 1 Teil Wasser, etwas Zimmt und Zucker, bis zuM Kochen erhitzen und in gewärmte Gläser füllen. Bei der Verwendung von Gewürzen, Orangeaden und Zitronaden entscheidet der Geschmack der Hausfrau,- deren Phantasie bei der Erfindung steuer Mischungen keine Grenzen gesetzt sind. „U Fleku.“ Das ist eine uralte Brauerei in Prag , mit Ausschank, verewigt im„Schwqk" und bestens beleumdet bei Kennern. Zu Deutsch :„Beim Fleck". Im Baedeker ist kein Hinweis aus diese altehrwürdige Prager Stätte zu finden. Sie ist in die Reihe der Sehenswürdigkeiten nicht ausgenommen. Hier sitzt nämlich nur. das Bolk nach seines Tages gleichförmigem Ablauf, läßt sich das dunkle Bier schmecken und den lieben Gott einen guten Mann sein. Durch em weites Tor betritt man das alte Haus, über dem der fromme Wunsch zu lesen ist:„Gebe Gott Glück!" Und eine U-hr hängt draußen, die eine Viertelstunde vorautzgeht, wie auch die andern in den mit schwerem Holz getäfelten Gastzimmern. Eine seltene Erscheinung in einem Wirtshaus. Gewiß war dieses geräumige Haüs. einst ein Kloster. Der Garten, von dicken Mauern be- grenzt, wird ein Klostergarten gewesen sein. Kastanienbäume stehen drin, Viole Fenster sehen in ihn hinein, ein gotisches Kapellengewölbe mit steilen Spitzbogen ist einem Gebäudsflügel, eingefügt. Heut« aber, wie schon vor Jahrzehnten, erfüllt summendes Leden alle Raume und den Garten. Tausendköpfiges Volk sitzt hinter den Tischen, tausend Gläser mit schwarzem, appetitlich weiß gesäumtem Bier sind, in Bewegung, werden gehoben, hingesetzt,, getragen, zugeschoben, tausend leere Glaser verschwinden im dunklen Schacht des Aufzuges, der in dort Keller führt.'. Die Bedenklichkeiten,.die einen beim Anblick einer so kompakten Maste trinkender Men-1 Weihnacht• Von Josef Hofbauer. Wunder von Bethlehem ! Ach, wie viel tausendmal Blühst du allstündlich aus bitterster Weibesqual! Stuben der Armut, Heime des Leides in aller Welt— Immer wieder werden sie holdesten Wunders Zelt: Leben entspringt aus wundwehem Mutterschoß, Menschensohn ringt sich aus Leide zum Leiden los, Menschentochter in Stund der Geburt erwirbt Kraft zu leidstarkem Leben, daß immer das Leben stirbt. Stern gütiger Liebe in vieltausend Herzen blinkt, Glüht im Herz jeder Mutter, die schmerzfroh aufs Lager sinkt. Malt glückhafter Hoffnung Bilder: daß ihrem Kind Weniger hart und rauh die Pfade des Lebens sind.... Aber den Kindern der Armut nie anderes Los geschah, Als daß ihr Weg sie führt nach Golgatha. Stunde des Wunders öffnet die Pforte zum Wundenweg— Leid zu Leid und Schmerz zu Schmerz gezimmert zum Steg! Heime der Armut, allmenschlichsten Wunders Zelt! Wenn ein neuer Stern euch in Werdenächten erhellt? Wenn nicht Hoffnungen nur, auch Trotz und Wille aufglühn? Nicht Liebe nur lächelt, auch Kräfte der Zukunft erblühn? Geheiligt die Stunde, geweiht jede Nacht, Da in Millionen Hütten Erlöser erwacht! Den ganzen Tag haben wir aus der Roca Dornen gejätet. Halb verkohlte Baumstämme liegen in der heißen Asche. Ein unerträglicher Gestank von Rauch und Verwesung liegt m der Luft. Fliegenschwärme kreisen über der Brandstätte. Und das.feine Singen der Moskitos ist die unaufhörliche Begleitmelodie dieses schweren Arbeitstages unter der mörderischen brasiliani - schen Sonne, der niemand entgehen kartn. Am Nachmittag pastiert ein Unglück. Willi wälzt einen Baumklotz um und wird dabei von einem Skorpion in die Hand gebissen. Wir brennen die Wunde zwar gleich aus und geben ihm reichlich Zuckerrohrschnaps zu trinken. Aber der Arm schwillt bald an. Willi bekommt Schüttelfrost. Der Herzschlag setzt aus. Wir legen ihn in den Schatten und decken ihn zu. Dann setze ich mich in Trab nach der nächsten Caboclo- Hütte, um Hilfe herbeizuholen. Beißender Qualm zieht durch die rissigen Wände einer erbärmlichen Schilfhütte. Vor der Tür wälzen sich zwei räudige Köter. im Staub. Eine- alte Indianerin rührt eine übelriechende Brühe über dem Herdfeuer zusammen. Gibt mir kaum Antwort. In der Ecke hocken zerlumpte Kinder, alle mit jeneri gelblichen Gesichtern, die das Erbteil dieser malariaverseuchten Raffe sind. Vergebens machte ich der Alten in meinem besten Portugiesisch klar, worum es sich handelt. Erst als ich ihr einen Milreis vor die Nase halte, wird sie lebendig. Sie holt Krauter und Zweige aus einem Reisighaufen, stopfte alles in einen Sack und humpelte dann mit mir los. Sie ächzte und hustet, spuckt unermüdlich. Raucht aber mit größtem Vergnügen chre Kalkpfeife. Die Sonne brennt. Die Moskitos stechen. In den Spitzen der Akazien hocken verlauste Aasgeier und warten auf den fälligen Braten. Und, ich verfluche innerlich das ganze Brasilien , dieses gefährliche Land, dessen Sonne einem daS Herz aus dem L«ibe brennt und die Augen blind macht für alles andere in der West. Willi fantasiert schon. Aber die Alte flößt ihm einen dunklen Trank ein und umwickelt den geschwollenen Arm mit einem breiartigen Gemisch von zerkauten Kräutern. Und richtig. Bald bricht ihm der Schweiß am ganzen. Leibe aus. Er fällt in tiefen Schlaf. Wir wiffen, daß er jetzt gerettet ist. Nachher sitzen wir alle um ein kleines Feuer. Der Mate kreist. Keiner sagt ein Wort. Noch steht die Sonne hoch am Hitnmel. Aber es ist schon spät. Gleich wird sie untergehen und dann kommt die Nacht mit ihrem großen Schweigen, das alte Erinnerungen und- die SeNrsircht nach dem fernen, ästen.Deutschland Plötzlich sagt er:„Kinder, wißt Ihr, was heute für ein Tag ist!" Keiner antwortet ihm. Wozu auch, wir sind gar nicht neugierig. Doch er läßt nicht locker.„Heute ist Weihnachten, das muß gefeiert werden." Jetzt heben wir alle die Kopfe. Der Gedanke an Weihnachten inter- effiert uns doch. Schließlich meint Adolf— er ist der Jüngste von uns und deshalb noch reichlich optimistisch—„Kinder, wir wollen gemütlich Weihnachten feiern mit Tannenbüum und Lichtern!' Und natürlich auch mit Kuchen und einer Weihnachtsgans." Er velliert sich in ausschweifende Träume über die kulinarischen Herrlichkeiten, die auf der Weihnachtstäfel seiner guteffenden Hamburger Heimat zu stehen pflegen. Ernst übernimmt die Organisation dieser Weihnachtsfeier.„Du. Adolf, gehst an, den Fluß und fängst Fische. Laß Dich aber nicht von den Alligatoren schnappen. Ich gehr auf die Jagd und Du"— diese Aufforderung gilt mir— „bleibst hier bei Willi, kochst Kaffee, besorgst einen Tannenbaum und deckst den Tisch." „Soll ich den Damast und das alte Silber auch nehmen", frage ich freundlich,/ bekomme aber nur ein liebreiches„Alter Düffel" an den Kopf geworfen. Die beiden ziehen, ab. Ich decke Willi mit dem Moskitonetz zu. Dann hole ich ein paar alte Margarinekisten und baue aus ihnen einen kunstgerechten Weihnachtstisch. Als Tischdecke dient ein großes, rotkarikrtes Taschentuch. das Ernst im Rotterdamer Seemannsheim einmal billig erstanden hat und auf das er ungeheuer stolz ist. Auch unsere einzige heile Taffe kommt auf den Ehrenplatz. Dazu unsere vier Blechteller, zwei abgebrochene Gabeln, em schartiges Meffer. In die Mitte als Tafelaufsatz kommt unsere alte Petroleumlampe. Dann lege ich noch die gelben Blüten des Tulpenbaums ais Tafelschmuck daneben. Direkt nett sieht der Weihnachtstisch jetzt aus— in Berlin würde er einen expressionistischen Preis bekommen. Auch einen Tannenbaum finde ich: eine'kleine Akazie wird gefällt, ihrer schärfsten Dornen beraubt und mit. einem gelben Zigarettenband, das bislang als Schnüvoand diente, stimmungsvoll geschmückt. Wir haben nur noch eine einzige Kerze. D>e kommt oben auf die Spitze. Das wird direkt 'n« Sensation, wenn die nachher brennt. Nach einer Stunde kommen Ernst und Adolf von der Ja^> zurück. Adolf hat in einer Reuse zwei karpfenähnliche dicke Fische gefangen. Während Ernst mit gut gespielter Gleichgültigkeit eine mächtige Trappe auf den Boden wirft. ^Der schmeckt wie'n Fasan, am Vesten mit Weinkraut", erzählt er mir, gerade so, als ob wir bei Kempinski säßen. Und dann geht es an die Zubereitung des Festmahls. Die Fische werben geschuppt und ausgenommen mit Kräutern gefüllt. Dann spießen wir sie an Holzstäbchen auf und rösten sie über einem schwachen Bier, um einen kräftigen Erinnerungsschluck zu, unausgesprochenen tun. Das war das Allerschlimmste. Wir wollten uns gerade in unsere Hütte zurückziehen, da hören wir in der Dunkelheit jemanden nicht schön, aber laut:„Vom Him mel hoch, da komm' ich her" singen. Im ersten Augenblick denken wir an eine Halluzination. Mer dann hören wir den Gesang ganz deutlich. Und gleich darauf tauchen an der Wegkreuzung Fackeln aus der Nacht hervor. Wir brüllen im Chor:„Hollo, Landsmann." Ein lautes Echo und einen Augenblick später schütteln wir die Hände mit ein paar großen, blonden Männern, die unverkennbar Landsleute und sogar aus der engeren Heimat sind. Es waren Kolonisten aus Curityba, die neue Ländereien im Busch gekauft hatten und jetzt auf dem Heimwege waren, um Weihnachten noch zu Hause zu feiern. Als sie sahen, in welch trübseliger Verfassung wir da saßen, nahinen sie uns einfach alle mit. Es ging ganz gut. Wir saßen eben immer zu zweien auf einem Maultier. Willi aber nahm ein hühnenhafter Farmer einfach vor sich aufs Pferd. So ritten wir singend und rauchend durch die Tropennacht, bis wir an einer großen Pflanzung landeten, wo Hundegebell und fröh liches Lachen die Nähe von Menschen verkün dete. Dann saßen wir noch lange auf der Ve- randa, tranken Punsch und rauchten«.-köstliche Brasilzigarren. Die Hausfrau aber setzte sich'ans Klavier und spielte ganz leise und verhalten noch einmal die alten Weihnachtslieder für,-uns alle. Adolf brach als erster das feierliche Schweigen: „Nächsten Weihnachten feiern Sie alle bei mir, das wird noch viel schöner." Der Hausherr dankte für die freundliche Einladung. Aber dann mußten wir Adälf leider zu Bett bringen, er hatte nämlich noch mehr getrunken als wir. Roch im Bett sang er„O Tannenbaum". Dann entschlief er endlich„selig lächelnd wie ein sattes Säugling", wie Ernst bemerkte, der gerne mit.seiner klassischen Bildung kokettierte.:;, Feuer. Die Trappe bereitet Ernst selber. Nur das Rupfen hat er mir gnädig st überlasten. Dann hole ich noch einen Büschel wilde Bananen und frisches Zuckerrohr. Auch der. letzte Rest unseres Kaffees wird aufgebrüht: Es ist nur einmal Weihnachten im Jahr. Das Essen war gut und reichlich, nur schmeckte die Trappe nach Knoblauch und die Fische nach Tran. Auch hatte Wolf aus Versehen etwas Petroleum in den Kaffee geschüttet, 'der dadurch einen besonders pikanten Geschmack bekam. Als wir jedenfalls auch Willi eine Taffe Mokka einlöffelten, wurde er überraschend munter und protestierte mit beträchtlicher Energie gegen das„Deubelszeug". Aber Adolf versöhnte alle durch einen Solovortrag von„O Tannenbaum" auf seiner Mundharmonika. Gereizt durch unseren Beifall gab er dann noch „Stille Nacht, heilige Nacht" zum Besten. Wir sangen alle mit. Selbst Willi summte leise das altvertraute Li«d. Die einsame Kerze auf unserem Baum brannte langsam nieder. Nur manchmal zuckte die kleine goldene Flamme, wenn ein großer Taumelkäfer oder eine jener grün-giftigen geflügelten Eidechsen in ihr Licht stieß. Der ferne dunkle Himmel mit einem unerhörten Ge- funkel seiner unzähligen Sterne hing wie ein ungeheuerer Theäterhorizont mit Bühnenlichtern über uns. Dunkel und schweigend' stand der Wald:„A grande calma do Brasil — die große Stille Brasiliens ", sagt« Ernst'Mehr zu sich als zu uns andern. Das Gespräch stockte. Wir dachten alle an dasselbe: An Jugendglück, an ein Weihnachten mit Eis und Schnee und Kinderjubel und reich geschmückt« Gabentische— wie unwiderbringlich das alles jetzt dahin war. Und dabei hatten wir nicht einmal ein Glas uiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiHiuiiiNHiiiitiiiimiiiiiiiiiiuiiuniiiiniiiiiiiinHHiiHiuiiMiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiitiiiiuiiiiiiniiiniiinHiHiiiHiiHiiHiiiiiiiniiiiiiHiiiiiNiiHiiiMiiiiiiiiiihiiHmnrHniiiiiHmii schen überkommen, machen freundlichersn Gefühlen Platz, wenn man sich ein halbes Stündchen umgesehen' hat. Wohl bleibt die Masse, aber die Individuen wechseln ziemlich rasch. Es gibt keine Betrunkenen. Niemals wird einer unangenehm, ausdringlich oder abstoßend. Auch wird man so um elf herum nicht patriotisch und macht keine Politik. Wenn schon vom Bürgermeister oder von den Deutschen geredet wird, so meint man es gut, und der andere nickt freundlich dazu.„Fröhlich sei mein Abendessen!" nimmt sich der Stammgast vor, wenn er seine Atzung aus der Tasche zieht: herrlich rosa schimmerndes Rauchfleisch, saure Gurken und duftendes Brot. Wenn es hoch kommt, werden vom jungen Volk in der ehemaligen Kapelle Volkslieder gesungen, nicht gerade con sordino, aber auch nicht so, daß einer sich ärgern könnte, denn die Lieder sind sehr schön, melodiös und Volksgut. Auch klingen selten Gläser aneinander. Man stößt hier nicht gern an. Man pokuliert für sich, bedächtig, andächtig und sehr friedlich. Man sagt„Euer Ehren" zueinander und„Mit Erlaubnis", und auch beim vierten Glos« tut man mit dem Sitznachbark weder familiär noch sonst verwandt. Der„richtig geborene Prager" ist Kleinstädter, und als solcher wird er am Abend besinnlich. Er will bei sich sein, was das Vorhandensein vieler Gleichgesinnter nicht ausschließt. Während sein großstädtischer Mitbürger am Abend lebendig, angeregt und empfänmich für Anregungen und fremden Geist Gespräche sucht, Betrieb, Musik, Theater, Zeitschriften. Gerüchte, Sensationen, will dieser nur den Mühen seines Tages den ruhigen Abschluß geben, den bescheidenen Lohn. Darum liegt auch über dem Ge- woge der Leiber und Stimmen die Luft einer Weihnachten unter Palmen. Bon Hans Wesemann .
Ausgabe
10 (24.12.1930) 301
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten