Nr. 14. Freitag, 16. Jauner 1931. keile 3. Herzensaffekte" fehlen! Die Kirche gebietet Aufrechterhaltung der ehelichen, der geschlechtlichen Gemeinschaft, wo diese widernatürlich und vor dem Gewissen der Ehepartner unmoralisch ist. Die Kirche fragt ja gar nicht darnach, ob eine Ehe der Liebe entspringe, und der Papst findet kein Wort des sittlichen Tadels gegen die G e l d- ehe, die sogenannte„Vornunft"-Ehe, die Geschäfts-und Konventionsehe. Hat doch die Kirche immer die Verkuppelungen in aristokratischen Häusern gebilligt und sich oft den Kuppelpelz bei solch unsittlichem Schacher verdient! Die Kirche und der Papst sprechen di« verheirateten Eheleute von der Sünde der Unkeuschheit frei, auch wenn sie einander nicht lieben, aber sie bezeichnen den nicht kanonischen Verkehr Liebender als sündhaft! Die Ehe wird von der Kirche ohne Ansehung ihrer sittlichen Grundlagen als reiner Biehhandel betrachtet. Jeder sittlich empfindende Mensch wird zum einzigen Matzslab der Sittlichkeit eines geschlechtlichen Bandes eben die Stimme seines Gewissens machen, die Kirche aber kopuliert zum Großteil Leute, die kein« Liebe zueinander empfinden und sie hindert Leute, deren Eheband der sittlichen Grundlage entbehrt, sich zu trennen und ein sittlich einwandfreies Verhältnis einzugehen. Man komm« uns doch nicht mit der„Helligkeit" einer Ehe, bei deren Abschluß soundsooft finanzielle Erwägungen maßgebend find. Die Frau, die sich fürs Leben verkauft, die heiratet, um„sich zu versorgen", der Mann, der heiratet, um in den Besitz der Mitgift zu kommen, stehen sittlich um keine Stufe höher als die Prostituierte oder der Strichjunge, die sich für einen Abend verkaufen. In Oesterreich gibt es heute rund 50.008 „Dispensehen", denen die Kirche ihre Anerkennung verweigert. Und die Geistlichkeit bedient sich mit Hilfe der christlichsozialen Partei und der ihr hörigen Justiz aller, auch der schandbarsten, verfassungswidrigen Mittel, diesen Ehen die rechtliche Geltung auch vor dem Staat« zu nehmen. Zehntausende Kinder sollen ihrer Kin- desrechte verlustig, Zehntausend« Frauen vor der bürgerlichen Scheinmoral gedemutigt werden, weil die Ehen, die dem Gewissen entsprangen und sittlich gerechtfertigt sind, der Kirche nicht passen! Der Pichst findet ferner den Beifall der christlichsozialen Presse, weil er sich„gegen die künstliche Geburtenregelung und gegen den Mord am keimenden Leben" auS- e. Dabei ist es sehr durchsichtig, daß dieses _ den des Papstes ein Liebesdienst für den Faseismus ist, der ja wahnsinnig genug ist, in dem ohnehin übervölkerten und durch seine Uebevvölkerung furchtbar leidenden Italien noch die Geburtensteigerung zu betreiben. Es ist also moralrsch, den Fascisnius in s«inem Bestreben nach zahlreichen Geburten zu unterstützen, auch wenn jedermann weiß, daß der FascismuS nur deshalb soviele Geburten will, damit er einst genug Kanonenfutter habe! Es stünde dem Papst besser an, sich gegen den Mord nichts am keimenden, sondern am vorhandenen Leben, gegen den tausendfältigen Mord, oen der Kapitalismus an Armen, Kranken, Kindern, Arbeitslosen begeht, so pathetisch zu wehr««. Wenn di«„Deutsch « Press«" schließlich noch darauf verweist, daß gerade die Arbeiter und Angestellten sich Fruchtabtreibungen nicht leisten könnten, weil sie das Geld nicht haben,„das für solche Prozeduren gefordert wird, die von gewissen Aerzten ausschließlich als Geschäft-fach« betrachtet werden", so muß sie ihre Leser schon für sehr dumm halten. Die Abtreibungen sind natürlich so teuer, weil sie verboten find, sie werden zum Privileg der Bourgeoisie durch den 8 144 und jede Verschärfung des Verbotes macht sie teuerer. Das nicht zu kapieren oder nicht kapieren zu wclllen, heißt die Berechtigung verlier«», in sozialen und sozialerhischen Frage« mitzusprechen. Dem Papst und seinen Klerikalen fehlen, wie Exempel beweisen, die geistigen und moralischen Voraussetzungen in so wesentlichen sozialen Fragen Autorität zu spielen. Rm nicht nervös werden! Die»^Präger Presse" und die„vollständig korrekte" Volkszählung. Die Redaktion der„Prager Pr«sse" hängt diese Meldung über BerhlrnS Beantwortung der Interpellation Pakots über di« tschechoslowakisch« Volkszählung folgenden Kommentar an: Von kompetentester Seite wurde bereits wiederholt nachgewiesen, daß di« tschecho- slovakische Volkszählung vollständig korrekt und auf Grund rein objektiver Maßstäbe»orgenomme» wurde. Dir Jnter- pellation des Abg. PokotS ist eine Einmengung in tschechoflovakische Verhältnisse, die mit aller Schärfe zuriickgewiesen werden muß. Die magyarisch« Minderheit im Osten der Republik konnte sich ebenso frei zu ihrer Nationalität bekennen wir jeder andere Staatsbürger der Tschechoslovakri. Die vorsichtig« Antwort deS MinisterprSsidrnt«« Veth- le«, der fichrrlich di« wirlliche Sechsage am besten kennt, beweist, wie aussichtslos der von Abg. PakotS unternommen« Versuch ist, die tschechoflovakische BollSzählung, die es mit der magyarischen an Sa-uberkeit der Durchführung zumindest aufnehme» kann, vor dem internationalen Forum herabzufeße«. Da hat sich die„Prager Presse" in ihrer begreiflichen Nervosität«in wenig im Ausdruck übernommen. So richtig es ist, daß ünsere Volks- zählung„es mit der magyarischen an Sauberkeit der Durchführung zumindest aufnehmen kann", so wenig schmeichelhaft ist das für die Tschechoslowakei , die doch, zum Unterschied von Ungarn , ein demokratischer Staat ist! Wenn die „Prager Presse" sich schon auf das Beispiel Un garns berufen mutz, dann sieht es um die „korrekte Volkszählung" windig aus. Im übrigen wäre es zweckdienlich, der kindischen Spiegelfechterei ein Ende zu machen, deren sich das statistische Staatsaml und seine Presse bedienen: immer zur Kontrolle der Zählung? aufzufordern. Es ist niemanden eingefallen, das statistische Staatsaml der Fälschung oder Entstellung zu bezichtigen. Es verarbeitet ohne Zweifel ganz korrekt das eingelangte Material. Wie das aber zustandekam— darüber sind wir nun doch an einer Reihe konkreter Fälle orientiert worden. Und über diese Fälle und di« darin erkennbaren Praktiken werden sich di. Herren Offiziös! wohl oder übel unterhalten müssen! Kommunistische Solidarität. Im Neudeker Bezirk hat die Arbeiterschaft der Neudeker Wollkämmerei, die von der Krise verschont geblieben ist, einen schönen Akt der Solidarität gesetzt, indem sie den Beschluß faßte, von jedem Wochenlohn eine Krone zu opfern, wenn auch das Unternehmen den gleic^n Betrag leiste. Die Leitung der Firma hat der Aktion ihre Zustimmung gegeben, was bedeutet, daß allmonatlich 28.000 Kronen für die Unterstützung Arbeitsloser flüssig werden. Nun hat sich fetzt etwas zugetrogen, was nur zu begreifen ist, wenn man sich vor Augen hält, daß in den Arbeitern, die der kommunistischen Propaganda verfallen sind, jedes Gefühl der Gemeinsamkeit und des Klassenstolzes ertötet wird. Am Donnerstag erschienen nämlich die kommunistischen Betriebsvertrauensmänner in der Direktion der Neudeker Wollkämmerei, um im Sinne eines Beschlusses der kommunistischen Arbeiter mitzuteilen, daß diese mit dem Lohnabzug nicht einverstanden sind und die Auszahlung des vollen Lohnes begehren. Das bedeutet, daß die oben erwähnte Summe-eine— wenn auch nicht erhebliche— Verminderung erfährt, daß für die Unterstützung der Arbeitslosen in Hinkunft ein kleinerer Betrag zur Verfügung stehen wird, als bisher. Dieses Vorgehen hat aber auch zur Folge, daß der reichen Wollkämmerei von den Kommunisten ein Geschenk gemacht wird, weil das Unternehmen der freiwillig übernommenen Verpflichtung enthoben wird, den auf di« kommunistischen Arbeiter entfallenden Anteil zu zahlen. Einem großen Unternehmen auf Kosten der hungernden Kinder Arbeitsloser ein Geschenk zu machen, ist der Ausdruck echt kommunsstischer Solidarität! Reue Antichristen über die Reifeprüfung. Im Anzeiger des Unterrichtsministeriums werden die neuen Vorschriften über die Reife- prüfungenanMittelschulen veröffentlicht. Di« Bedeutung der Maturitätsprüfung wird, was den Inhalt der Prüfungen betrifft, verstärkt. Es wird die Formel„reif mit Stimmenmehrheit" beseitigt und statt dessen Noten für alle Gegenstände eingetragen. Die Vorschriften beinhalten gleichzeitig eine Reihe von Maßnahmen, durch die ermöglicht werden soll, daß der Schüler feine besonderen Neigungen und Begabungen sowie Spezialkenntnisse zur Geltung bringt. Bei der Reifeprüfung ist das Hauptgewicht auf das allgemeine Nivea« des Kandidaten zu legen, das vor allem danach beurteilt wird, welchen Gesamtüberblick über die zeitge- nössische Kultur er besitzt und wie er seine Kenntnisse praktisch anzuwenden versteht. Namentlich soll seine Fähigkeit festaestellt werden, selbständig geistig zu urteilen, geistig zu arbeiten und sich gewandt auszudrücken. Die mündliche Reifeprüfung wird entweder, aus jenen Gegenständen abgehalten, die gesetzlich festgesetzt werden oder oie die Prüfungskommission festsetzt. Bei Gegenständen, die die Prüfungskommission festsetzt, wir» der Kandidat die Prüfung aus jenem Gegenstand ablegen, aus dem er die bessere Note hat, so daß er dadurch di« Möglichkeit erhält, seine Kennt- n'i f f e und nicht seine Mängel nachzuweisen. Je nach dieser Prüfung wird der Kandidat entweder als„reif mit Auszeichnung" oder einfach als „reif" bezeichnet, eventuell wird er reprobiert. Ein Kandidat, der bei der Reifeprüfung in einem Gegenstand nicht entspricht, erhält auS diesem Gegenstand eine Reparaturprüfung zum nächsten Prüfungstermin; wenn er in zwei Prüfungsgegenständen nicht entspricht, legt er die Reparaturprüfung nach einem halben Jahr ab. Die neuen Vorschriften gelten bereits für dieses Frühjahr. Dienftinstruklilmen für die Lander« schullnspettoee«. Durch die eben publizierten neuen Dienst- instruktionen für die, Landesschulinspektoren werden die bisherigen Instruktionen, die 81 Jahre in Geltung waren, ersetzt. Die neue Dienstinstruktion betrifft«in« Reihe wesentlicher Verbesserungen. In grundsätzlichen Angelegenheiten und bei wichtigen strittigen Fragen verhandeln die Lan- deSschulinspektoren stets vor einer Kollegialsitzung der Landesschulräte mit einem Vorsitzenden. In ihrer administrativen Tätigkeit sind die Landesschulinspektoren zur Mitwirkung bei der Regelung von Fragen berufen, welche Aemter, Schulen oder unter ihrer Aufsicht stehende Personen betreffen, auch wenn es sich indirekt um pädagogisch- didaktische oder Personalfragen handelt. Neu ist die Schaffung von Konferenzen der Landerschulinspektoren über wichtig« gemeinsam« Fragen,, wodurch Einheitlichkeit iu der Amtstätigkeit der einzelnen Landesschulinspektoren erreich', werden soll. Landesschulinspektionen sind an derselben Schule in größeren Zeitabständen zu wiederholen, wobei der Grundsatz einzuhplten ist, daß der Lairdesjhulinspettor in einer vierjähri- gen Amtsperiode in allen ihm zugeteilten Bezirken eine angemessene Zahl von Schulen inspiziert. Bei den Mittelschulen soll der Landesschulinspektor mindestens einmal in sechs Jahren eine durchgehende Inspektion vorgenommen haben. Mouftreprozeb in der Türkei . Ankara , 15. Jänner. Vor dem Staatsgerichtshof beginnt heute in Menemen der Prozeß gegen 165 der Teilnahme an der kürzlichen antistaatlichen Verschwörung beschuldigten Per» sonen. „Rottonale Ehre" and nationale Unvildung. Remarque -Film in Falkenau. In der Falkenauer Stadtratssitzung am 18. Dezember, an der acht Stadtratsmitglieder teilnahmen, wurde über Antrag des Stadtrates der Nationalpartei des Lehrers Lill beschlossen, dem Kinopächter nahezulegen, von der Vorführung des Filmes„Im Westen nichts Neues" Aostand zu nehmen. DaS sozialdemokratische StadtratSmitglied Bartl stimmte in Unkenntnis der Dinge(waS gewiß kein« Entschuldigung ist) für diesen Antrag. Gen. Olbert führte als Bizebürgermeister den Vorsitz und hat sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Stadtrat Gen. Zinner nahm an dieser Sitzung nicht teil, da er beruflich in St. Joachimsthal tätig war. Die Hakenkreuzblätter und«in Teil der übrigen bürgerlichen Zeitungen, vor allem der„große" Bot« aus dem Egertah gehen nun mit diesem Beschluß hausieren und plakatieren ihn als ein« besonders rühmende Tat und wer die Falkenauer Stadträte K nicht weiter kennt, könnt« einen höllischen ekt vor so viel Mannhaftigkeit und nationaler Ehre bekommen. In besonder- geistreichen Ausführungen läßt sich der„Bote aus dem Egertal" in einem Leitartikel wie folgt aus: „Mr konnten unlängst berichten, daß der Stadtrat von Falkenau den sehr gesunden und für andere Städte empfehlenswerten Beschluß gefaßt hat, dem Kinoinhaber nahezulegen, von der Aufführung des amerikanischen HetzfilmeS„Im Westen nicht- Neues" aus gewiß berücksichtigungs- werten Gründen abzustchen. Besonders bemerkenswert ist, daß der von deutschnationaler Seit« im Stadtrat« eingebrachte Antrag einstimmig angenommen wurde und daß für dies« Annahme, im Bewußtsein, das eigen« Volk vor einer ihm zugedachtcn Schmach zu schützen, auch die deutschen Sozialdemokraten stimmten. Der gesunde Menschenverstand der sozialdemokratischen Stadt- ratsmitglieder und ihr Ehrgefühl haben hier das Richtig« getroffen, ihr Entschluß, der von der starren Parreidogmatik unbeeinflußi war. ist anzuerkennen. Doch haben die sozialdemokratischen Vertreter ihr« Rechnung ohne dem Wirt gemacht, denn in dieser Sitzung hat der sozialdemokratisch« Parteisekretär gefehlt, der erst nach der Sitzung von idcm„crimen laesa« majestatis", von der „Sünde wider den Geist", den seine Genossen begangen haben, erfahren har. Und nun war der Teufel los." Gen. Zinner stellt« in der Stadtratssitzung am 8. Jänner mit Recht die Anfrage, warum Herr Litt ausgerechnet den Antrag bezüglich des Filmverbotes in der StadtrarSfitzung stellte, wo Gen. Zinner nicht anwesend war. Auf die Anfrage des Gen. Zinner, wer von den Stadträten das Buch„Im Westen nichts Neues" gelesen und den Film„Im Westen nichts Neues" gesehen hatte, stellte sich heraus, daß außer dem Lehrer Lill(?) von den übrigen Stadträten das Buch keiner gelesen und den Film„Im Westen nichts Neues" überhaupt keiner gesehen' hatte. Als Gen. Zinner den Inhalt des Buches und den Inhalt des Filmes kurz wieder- gab und eine Reihe von Aeußerungen hervorragender Kritiker über das Buch und den Film vorlas, und besonders auf die Aeußerung des Nobelpreisträgers Sinclair Lewis hinwies, zeigte der früher« k. k. Hauptmann, Vizebürger- meister Steidl, seine Belesenheit dadurch, daß er den Einwurf machte, daß Sinclair Lewis sicherlich ein Jude sei. Als stärkstes Argument für die Deutschfeindlichkeit dieses Filmes wurde der Titel„Im Westen nichts Neues" bezeichnet, weil dies« Bezeichnung ein« Verhöhnung der Kriegsberichtmeldung darstelle. Ja, der nationale Stcwt- rat gab. in die Enge getrieben, zu, an dem Film außer der deutschen Uniform nichts Anstößiges zu finden. Im Stadtrar Falkenau wurde der Beschluß, den Film nicht vorzuführen, also gefaßt, ohne daß die Mitglieder das Buch und den Film kennen. Der Lehrer Lill stellte den Antrag namens der Nationalpartei und entnahm die, Begründung aus einer bürgerlichen Zeitung, deren Berichterstatter den Film ebenfalls nicht kennt. Wo bleibt also die Freizügigkeit der Stadtvertreter, wenn der Lehrer Lill den Antrag offensichtlich über Auftrag seiner Partei stellte? Und wo bleibt die unbeeinflußte Meinung durch das Parteiblatt, wenn der Lehrer Lill seine armselige Begründung aus einem Parteiblattr vorlesen mußte? Nach fast einstündiger Diskussion, in der Gen. Zinner ganz richtig darstellte, daß der Stadtrat von Falkenau der dadurch den Hakenkreuzlern.einen Liebesdienst erweisen wollt«, sich lächerlich gemacht und nicht wie sich einzeln« einbilden, eine große Tat begangen hat, stellte Gen. Bartl den Antrag, den Beschluß des Filmverbotes aufzuheben. Die Stadtratsmitglieder der sreisozialen Partei stellten den Antrag auf Vertagung dieser Beschlußfassung, weil sie darüber, wie sie sich zu dem Filme„Im Westen nichts Neues" zu stellen haben, erst mit ihrer Fraktion Rücksprache pflegen müssen. Der Vertreter der Gewerbepartei enthielt sich der Abstimmung mit der Begrütw düng, daß ihm das Buch und der Film unbekannt sind. Von dem großen Geschrei der bürgerlichen Zeitungen und von der großen Tat des„Pädagogen Lill" blieben lediglich die zwei Stadträte der Nationalpartei und der christlichsoziale Stadtrat Preisler übrig, die für die Aufrechterhaltung des Verbotes stimmten. Bürgermeister Glener als Vertreter der Nationalsozialisten beteiligte sich an der Diskussion nicht. Inzwischen hat nun, nach den Zeitungsmeldungen, di« Vorführung des Filmes vor den deutschen Kinobesitzern und vor der Stadtvertretung der Stadt Teplitz stattgefunden und es hat sowohl der deutsche Kinobesiververband, als auch die Stadt Teplitz gegen die Vorführung des Filmes wahrscheinlich nichts einzuwenden. Hätten die Stadtratsmitgli«der von Falkenau, so wie es bei einer Beschlußfassung von ernsten Männern vorausgesetzt wird, sich erst mit der Materie des Falle- bekannt gemacht, das Buch gelesen oder die Vorführung des Filmes abgewartet, hätten sie sich eine Blamage ersparen können. Wird der 150«Millionensond bald verwendet? Die Pilsner„Rovä Doba" schreibt unter dem Titel:„Was ist mit dem von der Nationalversammlung bewilligten 150 Millionen?" folgendes: „In einem Leitartikel zu Ende des vorigen Jahres haben wir die Befürchtung ausgesprochen, daß, wie wir die Verhältnisse hei unS kennen, jene 150 Millionen, die von der Nationalversammlung zur Linderung der Folgen der Wirtschaftskrise bewilligt wurden, gerade in der ärgsten Zeit monatelang unbenützt liegen bleiben werden und daß man sie erst einmal im Sommer ausgeben wird, bis die Arbeitslosen doch schon wieder irgendwie Arbeit und Unterhalt finden können. Es scheint, daß sich unsere Befürchtungen bis zum letzten i-Punkt erfüllen werden. Wir gehen schon in die zweite Jännerhälfte, aber mit dem Ermächtigungsgesetz nt überhaupt noch nichts geschehen, obwohl es schon vor einem Monat angenommen wurde. Die hohe Regierung ist auf Weihnachtsferien gegangen und kann bisher nicht wieder zusammenkommen, weil zwei ihrer Mitglieder krank sind. Diese Ausflucht erscheint uns mit Rücksicht auf die schlimme Situation der Arbeitslosen unangebracht. Den Finanzminister EngliL kann doch irgendein hoher Beamter dieses Ministeriums vertreten, für den kranken Minister Bradaö kann auch aus dem Landwirtschaftsministerium irgendein Beamter geschickt werden und die Beratungen könnten ruhig stattfinden. Was denkt sich eigentlich unsere hohe Regierung? Die Arbeitslosigkeit wächst, das Elend in den Familien der Arbeitslosen wird mit jedem Tag größer, die private und öffentliche Wohltätigkeit reicht bei weitem nicht hin, die Folgen der Wirtschaftskrise wüten in voller Stärke— aber die Regierung schweigt; sie hat ein Gesetz, nach dem sie 150 Millionen aufwenden kann, aber sie macht nichts um) niemand rührt an diesen Fragen auch nur mit einem Wort. Wegen der Krankheit zweier Minister— bei einem ist es wahrscheinlich«ine politische Krankheit"— sollen Tausende und Tausende Arbeitsloser weiter leiden. Und doch wurde schon unzählige Male betont, daß in der heutigen schweren Zeit nichts verschleppt werden darf, was zur Milderung der Arbeitslosigkeit beitragen könnt«, sondern daß derartige Sachen sofort erledigt werden sollen. Die gestrigen Zeitungen berichten, daß die erste Sitzung einer Ministerkommiffion nach den Weihnachtsferien stattgefunden hat, welche sich mit der Ernennung hoher Staatsbeamter befaßte. Es ist richtig, auch diese Dinge müssen einmal erledigt werden, aber wir glauben, daß heute vor allem die Sorge um die Arbeitslosen in Betracht kommt, weil irgendwelche Beförderungen in die erste bis dritte Besoldungsgruppe den Arbeitslosen nichts helfen und die Folgen der Wirtschaftskrise nicht lindern können. Wir verlangen daher, daß die Regierung nun endlich schon einmal erkläre, waS sie mit jenen 150 Millionen anfangen will, und daß die Verhandlungen über die Verwendung dieses Betrages sobald als möglich auf die Tagesordnung kommen, weil wir befurchten, daß sonst inzwischen die Sommerferien kommen und dann wieder nicht darüber verhandelt werden könnte.
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11 (16.1.1931) 14
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