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Freitag, 5. Juni 1831.

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nung unter den Geist des Klerikalismus be­treiben. Als wichtigste Mittel zur Vertiefung katholischer Arbeiterbildung wird neben der Unterstützung der katholischen Gewerkschafts­und Arbeiterbildungsbestrebungen die Errich­tung von Heimvolksschulen für die Industrie­bevölkerung(Abendheimvolkshochschulen für' die im Beruf stehende und Hetmvolkshoch- schulen für die arbeitslose Jugend) empfohlen. Die Katholische Aktion will damit aber ihr Wirken nicht erschöpft sehen, sie will in allem und jedem die geistige Betätigung der breite­sten katholischen Volksschichten unter ihre Kon­trolle stellen, rüst zu einer stärkeren Beteili­gung am Theater auf, natürlich nur in kleri­kalem Sinne und so weit es nicht gelungen ist, die Jugend durch die Schule zu drillen, soll dies ausgiebigst bei den jugendlichen Arbeitern nachgeholt werden. Die Katho­lische Aktion bejaht ja auch die durch Film und Radio für die Erziehung zu klerikalem Denken gegebenen Möglichkeiten, ja sie erkennt sogar an,daß die Pflege des Tanzes als eines künstlerischen Ausdrucksmittels für den einzelnen und in volkstümlicher Richtung für die Volkskultur von großem Wert ist". Was so viel heißt, als daß auch das Tanzen, das früher von der Kirche als unsitt­lich urck als ein Lockmittel des Satans ver­schrien wurde, im Rahmen der klerikalen Ver­anstaltungen erlaubt sein soll, allesumdie Jugend anzulocken. Der auf weit schwächeren Füßen als er glauben machen möchtende stehende Fascismus muß natürlich die Tätigkeit der Katholischen Aktion nicht nur als einen Eingriff in seine Sphäre, sondern auch direkt als eine Bedro­hung seiner Herrschaft ansehen. Wäre die ita­lienische Bevölkerung wirklich ihrer Mehrheit nach fascistisch gesinnt, so brauchte der Fascis­mus nicht in ständiger Angst um die Behaup­tung seiner Position mit allen Mitteln brutal­ster Gewalt gegen jede andere Meinungsäuße­rung losgehen, aber eben weil er weiß, daß die Schichte, von der er getragen wird, eine verhältnismäßig dünne ist, muß er und so glaubt er sich behaupten zu können die leiseste, seinen Zielen zuwiderlaufende Aeuße- rung unterdrücken. Der Fascismus will keine denkenden Bürger des Staates erziehen, er darf dies nicht wollen, will er nicht die Grund­lagen seiner Riacht untergraben, er kann nur Marionetten, willfährige Werkzeuge, auf Kadavergehorsam eingedrillte Menschen brau­chen. Darum sucht er den ganzen Menschen zu erfassen, nur für die Religion will er ein Plätzchen übrig lassen. Darum hat er durch das mit dem Vatikan abgeschlossene Konkordat der Kirche gewisse Rechte eingeräumt, aber daß die Katholische Aktion über das rein Reli­giöse hinausgeht und neben der religiösen Er­ziehung der Jugend auch ihre geisttge und poli­tische Entwicklung zu beeinflussen sucht, geht ihm wider den Strich, denn sie droht ihm die Seelen abspensttg zu machen. Auch die Kirche ist durchaus reaktionär, aber freundlich steht sie dem Fascismus doch nicht gegenüber und auch sie will sich nicht mit Halbheiten begnü­gen und stellt den Erziehungsgrundsätzen des Fascismus ihre eigenen entgegen. Mussolini hat nun auf die Proteste des Vatikans gegen die an Katholiken und katho-'

lischen Institutionen verübten Gewalttaten zu j einem entscheidenden Schlage ausgeholt und j alle katholischen Verbände aufgelöst. Er hat, dessen wird er bald gewahr werden, damit i n ein Wespenne st gestochen. Auf den ersten Blick mag sein Getvaltstreich wie ein Sieg aussehen, aber daß ihm selber davor zu bangen beginnt, geht daraus hervor, daß er auf Verhandlungen zur Beilegung des Kon-

Freiheit die sie meinen! Die Herrn Agrarier nennen sich bekanntlich republikanische Partei "; wie dieser republikani­sche Geist aussieht, kann man demVeöer" vom 4. Juni wieder einmal ganz klar ent­nehmen; zu vorerst machen sich die Herrn Bor­reklame für die Gemeindewahlen, indem sie der deutschen Sozialdemokratte vorwerfen, sie gönnen einem Tschechen wegen seiner Natton keinen Bissen Brot und erhärten diese Entdeckung aus ihrer Geistes-Stratosphäre mit einer Statistik, daß in der BÄirer Revierbruderlade die Mehrzahl der Beamten Deutsche sind. Abgesehen davon, daß dieStattstik" aus agrarischer Garküche stammt, wissen natürlich die Herrn von der staats­erhaltenden Gerechtigkeit nichts davon zu künden, wie so das allgemeine Verhältnis der deutschen zu den tschechischen Staatsbeamten aussieht, etwa in dem so geheiligten sakrosankten Gebiet des Boden- a m te s! Gleich nebenan fällt der Blick auf den fett­gedruckten Schrei nach Auflösung der Liga für Menschenrechte! Man muß die wahrlich naive Ignoranz dieser Blättermacher eigentlich bewundern: die Liga für Menschenrechte ist eine Organisation, deren Unparteilichkeit natürlich auch über dem ,MeLer" steht, eine Ver­bindung steisinniger Menschen, auf deren Inter­pellationen etwa die Regierungen des erlauchten Bundesgenossen Frankreich mit mehr Sorgfalt antworten, als viele agrarische Berteidigungs- minsster. Diese Liga will derVeoer" auSge- rottet sehen, weil sie es wagte, nach Koffuth drei Juristen zu entsenden die mit dem Kommu­nismus noch weniger gemeinsam haben, der der Se&t*, um die in vielen Details wider­baten Angaben des amllichen Berichtes zu über­prüfen. Man hat sie nicht an de« Ort des Blut­vergießens gelassen, man hat ihnen nicht erlaubt, mit den Zeugen der verwerflichen Gendarmerie­schießübung zu sprechen und damst der Wahrheit allerdings unamtlich näher zu kommen; das alles ist denRepublikanern", die mit Hilfe von Bombenflugzeugen die Republik in einen Blumen­hain wandeln wollen zu wenig, sie verlangen Auflösung" und bekunden damit nur neuerlich eine Ignoranz der Gesetze, die unserer Ansicht nach als Wahlreklame nur bei eingefleischten Rest-' gutbaronen gelten kann: sie wissen nichts davon, daß das Dereinsgesetz eine Auflösung einmal be­willigter Vereine nicht auf bloße Hetzerei von Staatserhaltern tschechoslowakischen Patents zu­läßt und wenn man den Herrn auch eine gute Portion fascistischen Muts, der auch gekühlt wer­den muß, zubilligt, so tapse p wird wohl nicht ein­mal ein agrarischer Berwaltungsbeantter sein, eine Organisation deshalb auftulosen, weil ihre Mitglieder, mit Vollmacht legitimiert, als Vertei­diger der Verhafteten, gegen den klaren Wortlaut des Strafprozesses und der Verfassung in ihrer persönlichen Freiheit beeinträchtigt und in ihrer vom Gesetz nicht nur erlaubten, sondern stvÄ- prozessual den Anwälten sogar als beeidete Pflicht auferlegten Tättgkeit gehemmt wurden. Sehr beachtlich ist auch die Bemerkung,daß

fliktes,eingegangen ist. Ob dieser nun vor- läufig geschlichtet werden möge der Gegen­satz blerbt und er wird früher oder später mit verstärkter Gewalt wieder hervorbrechen. Kle- rikalisnnrs und Fascismus, oder wie es die Arbeiter-Zeitung " treffend ausdrückt: zwei Hunde ranfen um. denselben Knochen. Wer schließlich obenauf bleiben wird, kann kaum zweifelhaft sein.

die Versammlungen der Liga in rassischer Hin­sicht beachtlich sind"; das dürste wahrscheinlich die Sympathiekundgebung des Organs unseres Mini­sterpräsidenten für die Arbeit Masaryks etwa im Hilsnerprozeß sein. Jedenfalls sind derartige Wahlschlager zur Enthüllung des wahren Charak­ters derrepublikanischen Bolkspartei" sehr wert­voll. W. Lg.'

Dummheit oder böser Willen? Der Leipziger Parteitag der SPD. hat die Schmocke, die sonst nur die Schlafzimmergeheim­nisse zu lüften haben, auf die Politik losgelassen und, was dabei herauskommt, ist dementspre­chend. Die deussche Sozialdemokratie stand vor der Entscheidung, ob sie durch den Sturz des Kabinetts Brüning der Entwicklung zum Fascis­mus den entscheidenden Antrieb geben, oder ob sie durch die Unterstützung des Kabinetts ihre bisherige Taktik der Verzögerung der akuten Ge­fahren die Entscheidung ms zur Ueberwindung der Krsse hinausschieben solle. Denn es kann keine Frage sein: wenn die Sozialdemokratie Brüning stürzt, dann kommt entweder ein Kabi­nett von Brüning bis Httler, in dem die radi­kalen Fascisten von allem Anfang die Oberhand hätten und das in Diktatur enden würde, oder es kommt unmittelbar die Diktatur. Die deutsche Arbeiterklasse hat dabei alles an sozialen und politischen Rechten, an sozialem und politischem Einfluß zu verlieren, was sie in zwei Menschen­altern erkämpft hat. So schwer die Unterstützung des Kabinetts Brüning zu ertragen sein mag, die große Mehrheit des Parteitags hat sich für diese Taktik entschieden, weil sie allein Aussicht auf eine Ueberwindung der politischen Krise Deutschlands ohne ernste Bedrohung der Demo­kratie bietet. Die Sozialdemokratie hatte sich ferner zu fragen, ob sie die Beseitigung der kapitalistischen Ordnung oder die Katastrophe der Wirtschaft anzustreben habe. Wenn diese mit jener gleich- bedeukend wäre, dann hätte Deutschland schon 1223 das Ende des Kapitalismus erlebt. Leider ist dem nicht so; der Zusammenbruch der Wirt­schaft eines Landes ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende der kapitalistischen Aera. Darum muß die Sozialdemokratie bemüht sein, aus der Wirt­schaftsnot einen Ausweg zu- finden; nicht die Steigerung, die Ueberwindung der Krise bringt uns dem Ziele näher. Diese Probleme, die in Leipzig zur Dis­kussion standen, versteht die bürgerliche Jour- nalistik nicht. Ohne eine Ahnung von Wirt- schaststheorie überhaupt, geschweige denn vom Manismus, zu haben, bespricht sie die Leipziger Beschlüsse und kommt zu dem Ergebnis: Bürgerliche Sozialdemokratie SPD. stützt den Kapitalismus ... die größte bürgerliche Partei Deutschlands ... Bon Theodor Wolff bis zumPr. Tagblatt" schlagen sie in die gleiche Kerbe und man ist ge­neigt, es eher ihrer Unbildung zugute zu halten, als es auf das Konto ihres bösen Willens zu

Keine Fronleichnamsumzügem Italien . lieber Auftrag der päpstliche» Kurie. Berlin , 4. Juni. Wie die Berliner Blätter aus Rom berichten, fanden heute auf ausdrück­liche Weisung des Hl. Stuhles in ganz Italien nirgends Fronleichnamsfeiern mit den üblichen Umzügen außerhalb der Kirchen statt. Diese Maßnahme der päpstlichen Kurie ist eines der Mittel des moralischen Druckes, durch welchen dem antikatholischen Kurs der italienischen Regierung in letzter Zeit entgcgen- getrcten werden soll. Die Maßnahme machte auf die katholische Bevölkerung Italiens einen mächtigen Eindtuck, da unter den Um­zügen, die heute nicht stattfanden, sehr viele Feierlichkeiten mit Jahrhunderte alter Tradition sind.

schreiben. Sie schreiben so, wie sie's verstehen, und sie verstehen eben von den Pro­blemen der Arbeiterbewegung nichts. Die richtige Erkenntnis wird sich schon im Herbst bei den Gemeindewahlen mit Elementargewalt durchsetzen. Denn in kritischen Situationen tritt der gesunde Klasseninstinkt an die Stelle des fehlenden Intellekts und sie wisse« aus einmal, daß die Sozialdemokraten keine bürgerliche Partei ist. Wetten wir, daß sich dann alle, die jetzt von der bürgerlichen Sozial­demokratie reden, darin einig sein werden, daß ein Sieg der Kommunisten und Hakenkteuzler einem Sieg der Sozialdemokraten bei weitem vorzuziehen sei?!

Internationaler Agrarkongreß in Prag . Heute Eröffnung. Im Sitztmgssaal des Abgeordnetenhauses wird heute um 10 Uhr vormittag der XV. In­ternationale landwirtschaftliche Kongreß eröffnet, dessen Beratungen bis zum 8. Juni dauern wer­ben. Auf der Tagesordnung befinden sich Refe­rate bekannter Agrarfachleute. Der schweizerische Bauernführer Prof. Dr. Ernst L a u r spricht über die Weltsituation der Laudwirt-- schäft. Der Franzose Gautier wird über die Bestrebungen der internationalen Agrarorgani­sationen zum Zwecke der Bekämpfung der Landwirtschaftskrise referieren. Rcichs- minister a. D. Hermes soll ein Referat über landwirtschaftliche Selb st Hilfe in der internattonalen Zusammenarbeit zur Ueberwin­dung der Agrarkrise erstatten..Der Pole Fuda- k o w s k i wird die Möglichkeit eines gemeinsanrcn Vorgehens der Agrarländer Mittel- und Ost­ europas zur Lösung des landwirtschaft­lichen Absatzpröble m s behandeln. Ein weiteres Referat erstattet Prof. Dr. Brdlik über die Stell» na derTschechdslowakei als landwirtschaftlich-industrieller Staat Mittel­ europas in der Weltkrise der Landwirtschaft. Weitere Themen werden in einer Reihe von Sektionen behandelt werden, darunter Agrar- prüittk und Landwirtschaftslehre, landwirtschaft­licher Unterricht und Propaganda, landwirtschaftliches Genossenschafts­wesen, landwirtschaftliche Industrie und die Frau aus dem Lande. Unter den Bericht­erstattern zu diesen agrarfachlichen Spezialthemen fehlen leider die anerkannten retchsdeutschen Fachautoritäten. Mit dem Agrarkongreß werden auch eine Reihe von Besichtigungen und offiziellen Empfän­ge« verbunden sein.

1b Sinter malischem Stacheldraht. Bo« August Wostupotsch. Kachvruck verboten. Alle Rechte vorbehalte«. Die Insel mit ihrer steten Feuchtigkeit, daS wochenlange in der dumpfen Hütte sitzen, zehrte an seiner schwachen Lunge und Wochen lag er im Spital, immer noch hoffend seine Heide wieder­zusehen und auf ihr ganz gesund zu werden. Der Himmel ist feit langer Zeit rein und wolkenlos, scharf stoßen die Konturen der Ruine in das klare Blau. Kleine, im Sonnenlicht grell­weiße Flecke schweben um daS verfallene Ge­mäuer, ziehen in immer größer werdenden Krei­sen über daS Meer, hinüber zur irischen Küste. Der roh mit schwarzer Farbe gestrichene Sarg, wird aus der mit Stacheldrccht umzogenen Hütte getragen. Neben dem Wagen schreiten mit aufgepflanzten Gewehr" Soldaten; sie gehen auch neben den wenigen Kameraden, die dem Sarge folgen und die Sonnenstrahlen spiegeln sich rn den. Bajonetten, die den Abschluß des 'Zuges bilden- Die Gesichter, der an den Draht­zaun Stehenden zeigten stumpfe Gleichgültigkeit; der Kranken find ihrer genug und vielen von chnen der Tod erwünscht. Die Straße führt, zu beiden Seiten von Wiesen umsäumt, langsam bergab und von wei­tem sicht man schon den kleinen Friedhof, auf dem auch die Bewohner Peels beerdigt werden. Links sind zwei lange Rechen grasloser Hügel; am Kopfende eines jeden steckt eine Holz­latte, auf ihr ist eine kleine Tafel befestigt, auf der der Name des unten Liegenden steht. Kösters Grab schließt die zweite Reihe ab; wer von uns PrisonerS of war" wird mit der dritten beginnen? Scheußlich das Empfinden, mit dem man das dumpfe Aufprallen der Erdschollen hört. Auf dem Rückweg ist jeder stumm und in sich gekehrt;

die Gedanken gleichen häßlichen, furchterregenden Nachtvögeln, bte trotz der hellen Sonne rmmer wieder kommen, sich nicht abschütteln lassen. WaS sind wir und was bedeuten ein paar Tote, wenn drüben jeden Tag Taufende fallen: tausende unter den Messern der Aerzte sterben; noch Lebende in die ausgehobenen Massengräber ge­worfen werden?" Wie mag man mit den Gefangenen in Deutschland und Oesterreich umgehen", und ich denke an die eigenen Wahrnehmungen, die ich auf heimischen Exerzierplätzen gemacht, wie Offiziere und Unteroffiziere chr eigen Volk schimpften und prügelten. Helden? Ist dieses langsame Dahin ­siechen nicht furchtbarer und nervenbelastender als der eventuell schnelle Tod im Ansturm? Zermürbt und hoffnungslos wartet man von Monat zu Monat auf ein Ende, das nicht kom­men will. Hier in den Spitälern sägen die Aerzte keine Knochen durch, schneiden kein Glied ab; aber die mit gelbblassen, spitzen Gesichtern in den Betten liegen, leiden seelisch mehr als die, denen man eineisern Kreuz" als Ersatz für ein verpfuschtes Leben gibt. Wrenzeichen? Für die da hinten gibt es keine; die fielen auch nicht auf demFeld der Ehre". Und doch weint um jeden eine Mutter, weinen Menschen, und wieder zwingt Erinnerung an polternde Erdschollen den Blick zurück und ich sehe die im Sonnenglanz schwimmenden Baum­kronen, di« buntgesprenkelten Wiesen, aus denen schon hoch daS Gras steht. Jeder Camp hat sein« Hütte, die als Thea­ter eingerichtet und benützt wird. Künstlerisch Begabte gibt es genug, die von Berufsschauspir- lern geschult wecken. Es wird jeden Tag Ten­nis und Fußball gespielt, in vielen Compounds rollen bis spät am Abend die Kugel» auf der Kegelbahn und jede Woche ist Pveisschieben, Wick em Match zwischen de» Mannschaften der ein­zelnen Camps ausgetrage n.

Der Tscheche Mrnasek wandert mit dem Schachbrett unter dem Arm von Hütte zu Hütte; doch er findet keinen gleichwerttgen Gegner mehr und wie die ganz Großen spielt er blind, spielt gegen mehrere Gegner zugleich. Mrnasek fit Mit­telgroß, hat pechschwarzes Haar und in dem kalkweißen Gesicht sitzt eine kurze, spitze Nase. Erst kurz vor Kriegsausbruch kam er nach Eng­land und war Geschirrwäscher in einem Speist- restauvarrt. Der an allem schon verzwoiftlnde Hypochonder muß lachen, weim Mrnasek den Mund öffnet und in seinem Esperanto, das aus englischen, deutschen und tschechischen Wörtern besteht, zu erzählen beginnt. Und er hat sich Gro­ßes vorgenommen; er will Schachmeister, will reich und berühmt werden. Doch vergebens suche ist unter den Meistern der Nachkriegszeit den Gefangenen mit der Num­mer19.376"; möglich, daß Mrnasek in England blieb und in dem Reinigen der Schüsseln und Pfannen eine reellere Grundlage für die Zukunft sieht. Auf einem mit Stacheldraht umsäumten schmalen Weg marschieren Hunderte nach dem großen Sportplatz, aus dem ein Wettspiel ausye- tragen Wick. Es ist wie jedes Ereignis, dem auch die Offiziere beitvohnen und ost stiften die Camp- Kormmmdanten Preise und sind stolz, wenn Ge­fangen« der ihnen unterstehenden Lager, Sieger im Wettspiel bleiben. Die Gewinner können dann nicht nur mit Bestimmtheit auf eine Ver­besserung ihrer Menage, sondern auch mit ande­ren Erleichterungen rechnen. Der Weg führt knapp an einer kleinen Farm vorüber. Ueber den morschen Lattenzaun häkelt die zum Trocknen aufgehängte Wäsche und Hüh­ner schoren am Woge, zwängen sich gackernd bei unserem Heraukourmcn durch den Zaun. Um zwei alte, im Absberben begriffene Weiden flie­gen Schwalben; bald schnellen sie hoch gcgu den klaren Himmel, dann stürzen sie jäh nach unten, 'fliegen dicht über unsere Köpfe nach der kurzge­mähten Wiese. In einem links liegenden Coral

sind Schafe mit Leinen Lämmern und der schlanke, bvamrweiß gezeichnete Schäferhund folgt uns- bis an das mide der Umzäunung; bleibt dann stehen, sieht uns achtsam noch. Bor dem Mst Kalk gestrichenen und mit Stroh«deckten Haus steht ein alter Äruuenkastm und neben die­sen liegt«in halbzer brochenes Hol z rad. ,Mo sind die Menschen, die Eigentümer der Farm?" Go one." Nur schwer reißt sich der Blick von diesem, feit Jahren nicht mehr«sie' henen Bilde los. Arbeiten; dort auf der Wiese mit dem Rechen das Gras wenden, auf den um Peel liegenden Feldern dar reif« Getreide mähen, es in Garben oucken und mit dem ,MiPp-klapp" der fallenden Dreschflegel im Ohr, siehe ich dann aus dem Sportplatz und sehe gleichgulttg der Auf­stellung und dem folgenden Anstoß des Balls zu. Die besten Mannschaften des Lagers messen heute ihre Kräfte.Hurrah"-Brüllen, wenn die Grün-weißen" den Angriff nach vorwärts tra­gen und an feuernde, lobetwe Zurufe, wenn der Tormann derRoten " den Ball mit kräftigem Stoß weit in das Feld zurückschießt. Das Stehen in der flimmernden Sonnen­hitze macht müde und gut liegt es sich absests im Gras. Ueber mir der blaßblaue, rerne Himmel und ich schließe die Augen. Diese nicht mehr niederzuzwingende Sehnsucht nach unbeschränk­ter Freiheit, die man schon drei Jahre entbehrt. Wie sieht überhaupt ein Schiff aus?" und ich versuche, mir die aus- itnd ab tanzenden Kol­ben der Maschine denken. Gleichmäßig ar­beiten die Pumpen; immer auf ab auf ab. Da schrillt der Zeiger des Telegraphen auf^Haft!" und ich will nach dem Hebel fasst«, greife rmmer wieder in die leere Lust und fahre erschrocken hoch. Nichts; int sonnigen Blau schwebende Möven und drüben ein Schreien, als ginge es jemandem ans Leben .Goal Goal."/ (Fortsetzung folgt.)