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Freitag, IS. Juni 1931.
Nr. 143.
Wie erging es nun aber den Direktoren und Berwaltungsräten dieser bankerott gewordenen Banken? Sie freilich wußten sich ins Trockene hinüberzuretten. Bon der Bcrkehrsbank wur­den die Direktoren wir folgen hier der Darstellung eines Artikels in denAdobe Noviny  " von der Bodenkreditanstalt über­nommen, sei es als leitende Direktoren oder als Pensionisten und nach dem Bankerott der Bodenkreditanstalt übernahm die Kreditanstalt die gesamte Blase. Jetzt nach dem Sturz der Kreditanstalt, just in dem Augenblick, da die Regierung das große Defizit im Staatshaushalte durch die höhere Besteuerung von Tee, Kaffee und der Tabakfabrikate zu decken suchte, ist es lehr­reich, das Einkommen etlicher dieser Herren Revue passieren zu lassen. Da ist der General­direktor Neurath   vor allem. Sein Einkom­men wird auf eine Million Schilling, das sind fünf Millionen Ke jährlich geschätzt. Er ist Präsident, Direktor beziehungsweise Berwal- tungsrat in 58 Unternehmungen und überall hat er sich die Tantiemen fest gesichert, ohne Rücksicht darauf, ob das Unternehmen prospe­riert oder passiv ist. In Oesterreich   erhalten die Verwaltungsräte nämlich unter allen Um­ständen ihre Tantiemen, auch dann, wenn das Unternehmen passiv ist und den Aktionären keiUe Dividende gezahlt wird. Als zweiter ist der vor kurzem nach Paris   hinübervoltigierte Direktor E h r e n f e st zu nennen. Er war bis zu seinem Abgang Tantiemenbezieher aus 59 Unternehmungen, er hat nicht, weniger als der Herr Neurath insVerdienen" ge­bracht. Der Direktor Deutsch   mußte mit 51 bezahlten Berwaltungsratsstellen sich be­scheiden und der Direktor S t r a n s k y mußte gar nur mit einem Hungeretat aus den Tan­tiemen, die ihm aus 32 Berwaltungsrats- stellen zuflossen, vorlieb nehmen. Beklagens­wert ist sicher auch das Los des Direktors H e i n s h e i m e r, der es bloß auf 32 Ber­waltungsratsstellen zu bringen vermocht hat. Doch ernst gesprochen: das sind die Herren, welche die aus den Geldern der Banken und Jndustrieunternehmungen bestochene Presse über die hohen sozialen Lasten Klagelieder an­stimmen ließen! Das sind die Raubritter der heutigen Gesellschaftsordnung und sie sind wahrhaftig nicht nur in Oesterreich   zu Hause! Mit ihrer Aufzählung ist aber die Liste dieser Parasiten am Wirtschaftskörper nicht erschöpft. Da ist z. B. die Donau  -Dampfschiff- fahrtsgesellschaft, eine der im Konzerne der Kreditanstalt stehende Unternehmung, die jahrelang zum Zwecke der Erpressung einer staatlichen Subvention Sabotage betrieb, bis es ihr gelang, die österreichische Regierung zu einem Vertrag zu zwingen, der ihr eine jähr­liche Subvention von 2,500.000 Schilling, das sind von ungefähr zwölf Millionen Ke sicherte. Diese angeblich notleidende Gesell­schaft hat einen Generaldirektor, der jährlich 288.000 Schilling als Gehalt bezieht, dann 12 Direktoren, jeder davon mit 60.000 Schil­ling, zusammen mit 720.000 Schilling jähr­lichem Einkommen und 12 Direktoren-Stell- vertreter mit je 42.000 Schilling Einkonnnen. Fünfundzwanzig Direktoren nicht di« größte Ozean-Schiffahrtsgesellschaft
kann sich einer solchen Fülle von Direktoren rühmen! Da sind schließlich noch die Steu­re r w e r k e, die seit Jahren passiv sind. Direktor ist ein Herr G a r r. Der nahm sei­nen Bruder, einen noch jungen Mann als Volontär in das Unternehmen; schon nach einem Jahre war der Jüngling Direktor und nach weiteren zwei Jahren ließ er sich pensio­nieren. Für die drei JahreArbeit" bezieht nun der junge Mann eine Pension von 400.000 Ke jährlich bis an sein Lebens­ende. Wenn man aber einen fürsorglichen Bruder in diesen Kreisen besitzt, braucht man nicht beschäftigungslos herumzulaufen und so wurde er, im vollen Besitz seiner Pension, Direktor der Steyerischen Magnesitwerke, mit
Förderung des Außenhandels. Das Bewußtsein, daß unsere Handespolitik veraltet ist und daß der Staat gerade in den letzten Jahren seiner Aufgabe, die Ausfuhr mit allen Mitteln zu fördern, nicht in genügendem Maße nachgekommen ist, ist allgemein. Um so mehr ist es zu begrüßen, wenn endlich der An­fang zu einer tatkräftigeren Unterstützung un­serer auswärtigen Handelspolitik gemacht wird, wie dies durch denGesetzentwurf über die Un­terstützung des auswärtigen Handels" geschieht, der gestern dem Abgeordnetenhaus vorgelegt worden ist. Der Gesetzentwurf enthält zweierlei: staat­liche Förderung der Kreditversicherung und eine staatliche Garantie sür Exportkredite. Was zu­nächst die Kreditversicherung betrifft, wird ein staatlicher Fonds geschaffen, der bei Versicherung von Exportkrediten gegen Ver­luste mitwirkt, welche den Versicherungsanstal­ten dadurch entstehen, daß tschechoslowakische Forderungen an das Ausland nicht eingetrieben werden können. Diesem Fonds gewährt der Staat jährliche Zuschüsse und zwar im er­sten Jahre eine Million Kronen, in den weite­ren Jahren fünf Promille der versicherten Werte und zwar mindestens 250.000 Kronen höchstens aber eine Million. Solange das Ver­mögen des Fonds nicht die Höhe von hundert Millionen erreicht, garantiert der Staat fiir Verpflichtungen des Fonds bis zu diesem Be­trage, Die Agenden des Fonds werden von einer Kommission besorgt, in der Vertreter des Staates und verschiedener wirtschaftlicher Kör­perschaften sitzen. Bisher tvar die Kreditversicherung in der Tschechoslowakei   eine private Einrichtung, wie es auch in allen übrigen Ländern bis vor wenigen Jayren gewesen ist. Die Versicherung von Kre­diten wurde um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ausgenommen, hat sich aber nur langsam durchsetzen können. Die Versuche, die im alten Oesterreich noch vor dem Weltkriege ge­macht wurden, waren bedeutungslos, erst seit 1927 befassen sich in der Tschechoslowakei   Ver­sicherungsgesellschaften mit derartigen Geschäf­ten. Es hat sich aber gezeigt, daß die Bersiche- rungsanstalten diese Aufgabe nicht lösen können, und so ist schon als erstes Land England im Jahre 1919 mit staallichen Mitteln den Privat­gesellschaften beigesprungen, es folgten dann Dänemark   und Schweden  , Belgien  , Finnland  und Holland  , Deutschland  , Italien  , Frankreich  , Spanien  , Oesterreich, Polen   und Japan  . In die­sen Ländern wurden zu diesem Zwecke entweder eigene Versicherungsgesellschaften gegründet oder übernahm der Staat die Haftung für das Defi-
einem Jahreseinkommen von 100.000 Schwei­ zer Franken  , das sind etwa 655.000 Ke! Ins­gesamt schröpft dieser junge Mann den von der Arbeiterschaft geschaffenen Mehrwert in der Höhe von über einer Million jährlich ab! So sehen sie aus, die Herren Antimarxi­sten und Förderer des Fascismus! Man be­greift,. daß sie an der Festigung des kapitali­ stischen   Systems, sei es auch durch einen Bür­gerkrieg, das' größte Interesse haben. Umso deutlicher muß die Arbeiterschaft erkennen, welchem Ziele der Fascismus, wie immer er sich verkleidet, zustrebt und welchen Zwecken das Geld dienen soll, mit dem er von den Bri­ganten der kapitalistischen   Wirtschaft soute- niert wird.
zit, welches Privatversicherungsgesellschaften bei diesen Geschäften entstanden ist. Der zweite Teil des Gesetzes enthält nnn eine andere Form der Förderung des Außenhan­dels und zwar eine staatliche Garantie für Exportkredite. Der Staat übernimmt oa die Garantie für einen Teil der Verluste, die tschechoslowakische Exporteure an ihren For­derungen, die aus der Lieferung von tschechoslo­wakischen Waren entstanden sind, erleiden. Hie­bei muß der Exporteur mindestens 25 Prozent des Verlustes selber tragen und die Gesamt­summe, für die die Garantie übernommen wird, beträgt 1500 Millionen Kronen. Diese Einrich­tung, die mm auch bei uns getroffen wird, ist gleichfalls zuerst in Großbritannien  , welches un­ter der Verminderung seiner Ausfuhr seit dem Ende des Weltkrieges besonders leidet, einge­führt worden und Deutschland   ist dann nachge­folgt. Ebenso wurde dieses System in Frankreich  , Belgien   und Italien   eingeführt. Für Gewährung dieser Garantie wird überall eine sogenannte Garantieprovision eingehoben. Die beiden neuen, Einrichtungen haben den Zweck, die Folgen der Wirtschaftskrise durch Belebung der tschechoslowakischen Ausfuhr zu mildern und den Arbeitern in der Exportindustrie Arbeit zu schaffen. Gerade jetzt zeigt es sich, daß die Ausfuhr in einer Reihe von Ändern Europas  , in die die Tschechoslowa- kei seit Jahren ausführte, zurückgegangen ist und daß dafür in Kolonialländern Ersatz gefunden werden muß. Das wird naturgemäß dadurch er­leichtert, daß der Staat die Garantie für den Teil der Verluste übernimmt und daß er die Kreditversicherung, welche für den Exporteur das Risiko vermindert, leichter möglich macht. Es ist allerdings daran zu zweifeln, ob es nicht besser gewesen wäre, eine staatliche Kreditver- fticherungsanstalt zu schaffen, als den Privatgesellschaften das Geschäft leichter zu machen. In dem Motivenbericht, welcher dem Gesetzentwurf beigeschlossen ist, wird das damit begründet, daß die Kreditversicherungsanstalten schon einen fertigen Apparat haben und daß die Errichtung einer eigenen staatlichen Anstalt, kostspreliger wäre, als wenn man diesen Privat­apparat in den Dienst öffentlicher Interessen stellt. Das Gesetz hätte schon längst vorgelcgt wer­den sollen, aber die sich dagegen am meisten ge­sträubt haben, waren die Nalionaldemo-! k r a t e n, die politischen Vertreter der Indu­striellen! Die Opposition der nationaldemokrati- schen Partei gegen den Gesetzentwurf rührt da­her, weil der Herr Kramak es nicht zulässen wollte, daß der Staat den Außenhandel auch mit Sowjetrußland fördere. Im Gesetzentwurf steht natürlich darüber, ob der Export nach Sowjet-
I rußland die neuen Begünstigungen gleichfalls 'genießen soll, nichts, aber das ist naturgemäß selbstverständlich. Die Exportindüstrie wird wenig Lust haben, die romantischen Schrullen des Herrn Kramak zn bezahlen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß eine gute und vernünftige Durchführung des Gesetzes, das zweifellos vom Abgeordnetenhaus angenommen werden wird, mancher Ex Portindustrie eine kleine Hilft bringen kann. Es zeigt sich auch hier wieder, daß die alten Mittel der Privat­wirtschaft versagen und daß nur durch ein Eingreifen des Staates und der öffentlichen Körperschaf tcn die Folgen der schweren Welt Wirtschaftskrise gemildert wer­de» können.
Mährisch-schlesische Landesvertreiuug Gen. Pipal znm Rechnungsabschluß. Perso­nalfragen. Brün», 18. Juni.  (Eigenbericht.) Gegen Ende der gestrigen Sitzung der Landesvertre­tung kam namens unserer Fraktion Genosse Pipal zu Wort, um an dem vorliegenden Rechnungsab­schluß Kritik zu üben. Wir werden darüber noch berichten. Nach dem Schlußwort des Finanzrefercnten wurde in der heutigen Sitzung jut Abstimmung über den Rechnungsabschluß geschritten, der zur Kenntnis genommen wurde. Die Landesvertre­tung befaßte sich hierauf mit einer großen Zahl verhältnismäßig weniger wichtigen Vorlagen, kleineren Finanzoperationen, Regulierungsange- legenheiten und Adaptierungen bei Landcsanstal- ten, die alle ohne größere Debatte zur Kenntnis genonrmen wurden. Schließlich wurde auch die Debatte über die zahlreichen vom Landesaus­schuß beantragten Resystomifierungen von Lan­desangestellten eröffnet, doch mußte die Abstim­mung wegen mangelnder Präsenz auf inorgen vertagt werden. Nachmittag begaben sich d'e Mit­glieder der Landesvertretung nach Frain zur Besichtigung des Baues der Talsperre. Die 11. Tagung der Landesvertretung dürfte morgen geschloffen werden. Beratimsen der Wirlschastsminister. Prag  , 18. Juni. Heute nachmittags fand eine Sitzung der Wirtschaftsminister statt, in der über die schwebenden Handelsvertragsvcrhand- lungen mit Ungarn   und mit Polen   bera­ten und Direktiven fiir die Unterhändler festge- legt wurden. Ueber di« mit der Regelung der Getreidewirtschaft zufammeichängenden Fragen wurde in diesem Kreise nicht Verhandelr. Dies« Angelegenheit bildet in den letzten Tagen viel­mehr Gegenstand eines fortlaufenden Meinungs­austausches der beiden Ressortminister für Land, wirtschaft und Ernährung. Morgen nachmittags ragt der Ministerrat, dem eine Sitzung der Pcrsonalnttnister voran­geht.
26 hinter englischem Stacheldraht. Bo« A«g«st Woft«patsch. ttluhdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalte». Die Beschäftigten in der Küche, alle zur Hilfeleistung der Kranken angestellten Wärter, die auch die Reinhaltung des Gebäudes besorgen, sind Internierte. Unter ihnen hat es Spitzel, die den englischen Aufsichtsorganen dienstbeflissen den armen Teufel denunzieren, der etwas verstecken will und sich vertrauensvoll bei chnen Ratschläge holt. Solch ein Landsmann besorgt gegen gute Bezahlung alles; der sichs leisten kann, futtert jeden Abend seineEier mit Schinken, ein zart gebratenes Steak" oder einenRostbraten". Hat er kein Geld, so begnügt sich der Hilfsbereite mitSchiffsmodellen, mit in Flaschen gebauten Schiffen, geschnitzten Kassetten" und anderen Sachen, die der Veräußerer in die Heimat als Andenken nehmen wollte. Das? Mein lieber Freund, das nehmen dir die Engländer bestimmt weg; ist schon besser, du läßt dir dafür einige Beefsteaks braten", und eingeschüchtert durch den drohenden Verlust, wird das herrlich gebaute Kriegsschiffmodell in ein paar Stück Fleisch umgesetzt und erst wenn die anderen mit ihren nicht konfiszierten Modellen das Auto besteigen, wird ihnen klar, daß sic einem Bauern­fänger aufgesessen sind. Eitler der fünf Zurückgebliebenen wohnt auf meinem Zimmer; er ist gebürtiger Mcmeler und fuhr alsPantry Stuart" jahrelang auf einem Hull-Boot" zur See. Ter informierte mich gleich am zweiten Tag über die Gefährlichkeit eines allzu offenen Wortes. Es sind ja seelensgute Kerle unter ihnen, die einem mit ihrern Herzblut helfen wollen; die können natürlich nicht fiir die paar Halunken, die ihr eigen Blut habgierig ans Meffer liefern."
In vorsichtigem Hin und Her rücke ich mit den in meinem Ledergürtel versteckten Briefen heraus.Wem könnte ich den Gürtel am Tage der leiblichen Untersuchung anvertrauen und wie kriege ich sie durch?"Den gibst du mir und du besorgst dir Hosenträger; komm, wir gehetl sofort nach dem Store welche holen." Hatte ich eine Dummheit gemacht, so war es zu spät; dieser Schaden ließ sich nicht mehr reparieren. Die Hosenträger des Mcmeler riffen wir mitten auseinander und ohne viel zu ftagen, er­hielt ich ein paar neue; Mittelstätt trug nun den Gürtel, aber die quäleitde Ungewißheit blieb und vergällte mir jede Stunde. Morgen fahren wir; der Mcmeler war ehrlich und es war gut, daß ich ihm folgte. Ein Einziger sollte von unserem Transport Zurückbleiben, einer, der versicherte, er würde sich sofort nach Ueber- schreitung der Grenze freiwillig an die Front melden. Nur einer der dienstbaren Geister konnte den Angeber gemacht und diese Lumperei begangen haben und wenn der Unvorsichtige nicht gar so ein jämmerlich körperliches Wrack gewesen wäre, hätte ihm diese kindische Aeußerung die Heimkehr gekostet. Könnte man nur solch einem schuftigen Subjekt die dreckige Schnauze zerklopfen!" Aber von den Kranken ist's keiner imstande und schließ­lich erfährt einer niemals den Namen, den der Engländer auch nur verachten wird. Ich sitze, das Kinn in der Rechten vergraben, am Fenster; in breiten, langgezogene» Reihen fliegen die Totengräber der Felder»ach ihren in den Pappeln liegenden Horsten. Schwerfällig und mit einem Gekrächz, das jeden anderen von drau­ßen kommenden Laut erstickt, umkreisen sie die Gipfel der Bäume und bäumen immer wieder von den Arsten hoch, auf die sie sich kurz zuvor niedcrgelaffen haben. Ich bin unfähig, ruhig zu denken: nur Bruch­teile ans der Erinnerung tauchen aus, blitzschnell
schwindende Gedanke»!, und dazwischen summt eine Melodie:Wemr der Frühling kommt, e§ blüht der Flieder..." Hellweiß steht am Himmel die stärker gewor­dene Mondsichel, während auf der anderen Seite der Blutkreis der untergehenden Sonne immer größer wird. Vom Fußboden und Fensterbrett ist das hellglänzende Gelb verschwunden und rot, wie mit Blut überspritzt, ist das dunkle Laub des an der Mauer hochkriechenden Epheus. Unten im Erdgeschoß bimmelt eine Glocke; ich bleibe am Fenster sitzen und schaue nach dem Gezweig der Pappeln, denen es von Krähen wimmelt, und die noch immer ftischen Zuzug er­halten. Gerne verzichte ich auf das letzte, von den Engländern spendierte Abendbrot; dafür soll mir aber morgen die Rote Kreuz-Schwester auf der Prinzeß Julianne" die Anerkennung ob meines guten Magens nicht versagen. Nur ein kleiner Teil der Sonne guckt noch über die Ebene hinweg und die eng beisammen­stehenden Pappeln verschwimmen zu einem großen, schwarzen Klumpen; dichter wird die Dunkelheit im Zimmer und mit leichtem Gemüt wie noch nie, krieche ich unter die Decken. Noch liegt ein totes Grau auf der Erde und unbeweglich, als ob in ihnen kein Leben existiere, stehen die Pappeln. Schon angekleidet stehe ich am Fenster und schiebe meine beiden Hände in den Ledergürtel, in dem die mir anvcrtrauten Briefe noch stecken. MeinenSleipher" hat Mittelstätt erhalten, und zwar freiwillig für seine Unterstützung. Wie durch ein umgekehrtes Fernrohr sehe ich die in der Gefangenschaft verbrachten Jahre, merke nicht, wie der grauende Morgeir herauf­zieht und die Pappeln lebeitdig werden. Und lebertdig wird's auch in dem alten Gebäude, von dem ich außer einigen verwitterten Grabsteinen im Hofe nichts weiter sah.
Die Sterne am Himmel find matthell ge­worden, puffey wie eine im Verlöschen begriffene Lampe noch paarmal blinzelnd auf. D<w feine Gelb wird dunkel, nimmt eine rosa Färbung an. Breakfast!  " Ich wende mich vom Fenster und schreite zur Tür, hinter der schon das Klap­pern von Krückstöcken auf dem Steinfließen hör­bar ist. Wieder sitzen wir in dem gewölbten Speise­raum und nervös zitternde Hände greifen nach den blanken Blechtaffen, stecken hastig das Brot in die Taschen.   Man hat das Gefühl, als ob die Wände näher rücken, einen festhalten wollten. Wie eine Schnecke, die schleimige Spuren zurückläßt, kriecht, die Zeit dahin. Endlich; viel zu lange für unsere rastlose Ungeduld kommt der feierliche Moment. Mit dem leichteren Gepäck in der Hand, treten wir aus dem Gebäude. Ich schaue herauf und sehe ein blitzschnell zurückweichendes Gesicht; war es Mittelstätt oder ein anderer der Unglücklichen, die kleinliches Denken, engstirniger Bürokratismus in letzter Stunde von dem Betreten des Schiffes zurückriß und jetzt festhält? Verstohlen schaue ich noch ein paarmal nach oben; doch das Fenster bleibt leer, niemand ist mehr zu sehen. Die Kranken, nicht Marschfähigen werden in ein Auto verladen und wir übrigen marschieren unter ObhutBajonett auf" tragender Soldaten durch die noch schlafende Stadt. In den geräumigen Dockanlagen ist es still; auffallend die große Zahl vonblue boys", die mit der Knarre in der Hand Posten stehen, uns kaum beachten. Immer nur Einer darf den Aufgang zum Dampfer passieren und jeder muß an dem Offizier vorbei, der das Namensverzeichnis in der Rechten hält, strenge kontrolliert und bei Einzelnen Stich- proben macht, um sich von der Richfigkeit der passierenden Personen zu überzeugen. (Schluß folgt.)