Rr. 148. Freitag, 28. Juni 1881, eitr 5, Naturfreunde-Treften beim ll. Arbeiter-Bund«»- Sängersest am 28. Ium l. I. in Bodenbach . So­weit die einzelnen Teilnehmer noch nicht im Besitze der Teilnehmerkarten sind, wollen sich diese an di« Vereine oder Bezirksleitungen des Arbeiter-Sänger- bundes wenden. Der Fesilbeitrag beträgt 16 X und darin ist«inbezogen: Festlegitimation, berechtigend zur Inanspruchnahme der 38.33prozentigen Fahr­preisermäßigung, Festsührer und Abzeichen sowie Nächtigungen in Privat- oder Massenquartieren, ferner Eintritt zum Festplatz und;u allen Br- grüßungsveranstattllngen. Feftzug, Ausstellung. Ter Sammelplatz für die Naturfreunde ist di« L ess i n gst r o ß e. Die Naturfreunde mar­schieren als Sondergruppe im Feftzug; Trans­parente, Wimpel, und Sturmfahnen sowie Tafeln' sind im Feftzuge' mitizusühren. Wir erwarten, datz sich alle Ortsgruppen zahlreich beteiligen. Die Gau- leitungen Rovdwestböhmen und Nordböhmen . Übler NmläASNied wirk äbslohend. Hätzlich gefärbte Zähne entstellen das schönst« Antlitz.' Beide Schönhelmsehler werden oft schon durch«in- maliges Putzen mit der herrlich erfrischenden Zahnpaste Cblor<Mi«nt beseitigt. Die Zähne erhalle» schon noch kurzem Gebrauch einen wundervollen Elfenbeinglanz. Der suchen Sie es zunächst mit einer Tube zu XL. 4.. Graste Tube Ke. 6.. Ueberall zu hoben. Neu« günstig« ReiseanschlLff« hat die Staats- hahndirektion Prag-Nord in ihrem Bereich durch EingliÄ»erung dreier neuer Autobuslinien zwi­schen die einzelnen Eisenbahnstrecken hergestellt, u. Kv. durch die Antodnslinien^Prag La u n, Laun Po fiel bergSaaz und Libochowitz Raudnitz. Die Linie Prag Laun geht vom Altstädter Ring in Prag aus und ermöglicht eine rasche Verbindung insbeson­dere nach Schlau, Laun. Postekberg. Saaz , Dux und Teplitz-Schönau . Die Linie Lau»Postel- bergSaaz schafft günstige Verbindungen aus dem Gebiet« von Schlan , Libochawitz und Raud­nitz nach den westböhmischen Bädern. Die Linie LibochowitzRaudnitz erleichtert die Anschlüsse zur Hauptstrecke Prag Bodenbach. Auf den bei­den Verbindungslinien LibochowitzRaudnitz und LaunSaaz gelten deshalb auch direkte Eisen­bahnkarten, und zwar auf der Strecke Lrbocho- witzRaudnitz ohne Zuschlag und auf der Strecke LaunSaaz gegen«inen sehr niedrigen Zuschlag. Di« 38jährige Schauspielerin Mari« Riedl in Dien hat sich in ihrer Wohnung durch Ein­atmen von Leuchtgas vergiftet. Krankheit und ExwerbSlosig?eit durften sie in den Tod getrieben haben. Kinobraud. An einem Kino in Galatz entstand vorgestern durch Entzündung des Film­bandes ein Brand,- der«ine fürchterliche Pamt- stiimmung hervorrief. Zn wenigen Augenblicken stand die Projektionskabin« in Flammen. Dem Gehilfen gelang es, ans der Kabine zu ent­kommen, und unter gellenden Schreien stürzte er wie eine lebend« Feuerfackel mitten in die Znfchauermrnge. die in wilder Panik die Aus­gänge zu erreichen sucht«. Ter Operateur - wurde später mit der Hand an der Schalttafel als verkohlt« Leiche aufgefunden. Weitere Personen sind jedoch infolge des raschen Eingrei­fens der Feuerwehr nicht zu Schaden gekommen. Die Rektoratskanzlei der Deutschen Technischen Hochschul« in Prag ersucht aus Anlaß der lxvor- stehenden 12ö-Iahrs«ier dieser Hochschule all««he- maligen Hörer, ihre Awchrift dem zuständigen Dekanat« bekanntzu geben. Mit Kamera und«tttztteHt im Mage«. Mängel der bisherigen Untersuchung 8 Objektive nehmen die Magenwände auf. Die Erforschung von Magenleiden stößt häu­fig bei der Diagnose aus große Schwierigkeiten. Die üblichen Methoden der Untersuchung des Magensaftes, der Magendurchleuchtung oder der Röntgenaufnahmen sowie der sonstigen klinischen Methoden genügen manchmal nicht, um einwand­frei zu entscheiden, ob das vorhandene Magcn- leiden auf ein Magengeschwür oder auf rein ner­vöse Störungen zurückzuführen ist. Außerdem ist es häufig dringend notwendig, den genauen Sitz eines Geschwüres im Magen zu bestimmen, wobei dann manchmal diese Methoden versagen. Nun ist aber die sichere Diagnose gerade bei solchen Magen- Erkrankungen die wichtigste Voraussetzung für eine zweckmäßige Heilmethode, da es sich ja ost um Krebserkrankungen handeln kann, und da bei Krebs heute die möglichst frühzeitige genaue Fest­stellung der Krebserkrankung die wichtigste Vor­aussetzung der Heilung ist, so kann die moderne Medizin auf eine genaue Diagnose nicht verzich­tend So kam es, daß die Aerzte seit langem den Wunsch hegten, in den Magen hineinsehen zu können und die Technik beeilte sich, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln diesem Wunsch der Medizin nachzukommen. Es aalt, das Problem zu lösen, den Magen und vor allem sein Inneres, seine Schleimhäute und Wände, dem Arzte sicht­bar zu machen, ohne daß der komplizierte und im­mer gefährliche Weg der Operation gewählt wer­den muß. To hat man das Gastroskop konstruiert, das es dem Arzt ermöglicht, durch eine besonders konstruierte Optik durch die Speiseröhre hindurch und eine in diese eingeführte Röhre die elektrisch beleuchtete Magentvand zu betrachten. Man snhrr zu diesem Zwecke zunächst eine Art von Magen­schlauch in den Magen, durch diesen Magenschlauch wird dann die starke Röhre des Gastroskopes ge­schoben und durch diese,Röhre vermittelt dann die Optik den Einblick in den Magen. Aber diese Be­trachtung des Magens mit Hilfe des Gastroskopes ist erstens für den Patienten ein außerordentlich unangenehmes Verfahren und auch durchaus nicht immer harmlos und ungefährlich. Es besteht die Gefahr, daß das Instrument die Speiseröhre oder auch die Magenwand verletzt und viele Chirurgen ziehen deshalb die operative Freilegung des Ma­gens dieser Methode der Magenbetrachtung vor. Außerdem ist die Gastroskopie nicht einmal ein sehr vollkommenes Verfahren, denn das schwer beweg­liche Instrument gestattet keineswegs die Betrach­tung des Magens in allen seinen Winkeln und Ecken und es kann sich sehr wohl ereignen, daß irgendein Geschwür in einer Magenccke. oder -Biegung der Beobachtung entgeht. Es war deshalb ein gewaltiger Fortschritt der Beobachtung des.Magens, als es im vorigen Jahre dem Wiener Diplomingenieur Back' gelang, ge­meinsam mit den Aerzten Dr. H e i l p e r n und Professor Dr. P o r g e s einen photographischen Apparat zu konstruieren, den man in den Magen einführen kann. Es handelt sich um einen ge­wöhnlichen Magenschlauch, der durch die Speise­röhre in den Magen eingeführt wird und einen Durchmesser von elf Millimeter besitzt. Am un­teren Ende befindet sich der Photoapparat, der nicht länger ist als fünf Zentimeter. Diese Photo­kamera, die aus Metall besteht, zerfällt in zwei vierteilige Apparate. Mit ihrer Hilfe kann man die innere Magenwand in zwei Horrizontalebenen aufnehmen und die so erzielten Bilder können dann mit Hilfe eines Stereoskops zu plastischer Be- trachtung verwendet werden. Nun' kann man natürlich nicht im Dunkeln photographieren. Des­halb enthält die Photokamera eine kleine Glüh­lampe. die in eine Quarzhülle eingebettet ist. Der Arzt führt zunächst den Magenschlauch in den Magen ein und mit Hilfe eines kleinen Gebläses wird nun der Magen mit Luft aufgeblasen, denn man muß die Magenwände ja in eine bestimmte Entfernung zum Objektiv bringen. Durch einen besonderen Mechanismus werden dann die acht Objektive der Magenkamera freigelegt. Jetzt wird der elektrische Strom eingeschaltet und der Wolfrnmfaden in der Quarzlampe verdampft nunmehr im Zeitraum von 1/100stel Sekunde. Dabei wirft er ein sehr starkes und an ultra­violetten Strahlen reiches Licht auf die Magen- wände. Die photographische Aufnahme ist be­endet. Die Objekive werden mit Hilfe des Schie­bers von außen her wieder geschlossen und die ganze Apparatur aus dem Magen wieder heraus­gezogen. Mit dieser Magcnphotographie bat man außerordentlich günstige Erfolge erzielt. Tie Bilder ermöglichen eine genaue Betrachtung der Magenwand. Dr. P. Becker. OnUlvlumenftoü" gratuliert. Bon A. Speer. OnkelBlumenstock" lebt in meiner Erin­nerung als verkörpertes Prinzip der Unveränder­lichkeit. Ich kann es heut« noch kaum glauben, daß.er jemals. jung, jemals.anders. gewejtzu sein soll, als-er sich, iu meinem empfänglichen' Äinder- gemüt dargestellt hat. Stets gleich und unverän­derlich wandelte er geschäftig in seinem kleinen Gärtchen zwischen seinen Rosen und Blumen­stöcken umher, den Hausrock an, das Käppchen auf, die Pfeife im Munde und die Gießkanne in der Hand. Und stets waren, es" dieselben Rosen und Blumenstöcke, die er liebevoll betreute, stets hatte er denselben grauen Hausrock mit den roten Schnüren an, dasselbe gestickte Käppchen auf, die­selbe braungerauchte Meerschaumpfeife im Mund und dieselbe grüne Gießkanne mit der großen Beule, in der Hand. Nie sah ich jf>tr anders, de>m ich kam nur im Sommer OnkelBlu­menstock" hinaus, wenn sein Gärtchen im schön­sten Flor stand. OnkelBlumenstocks" richtiger Name war saft in Vergessenheit geraien. Was von einer bösen Zunge einmal als Spottwort geprägt wor­den sein mochte, war im Lauf der Zeit untrenn­bar eins mit ihm geworden. Er blieb Onkel Blumenstock" und war es zufrieden.. Sein un­aufhörliches Bestreben, alle Menschen mit dem zu beglücken, was ihn selber glücklich machte, hat er niemals aufgegeben; und wenn er manchmal auch merfty mMte, daß er der Gegenstand spöt- tischen.- Lächelns war,-trug er es doch mit- philo­sophischer Geruhsamkeit, die den Menschen ihren Unverstand nicht übel nimmt. Er grub weiter einen schönen Blumenstock aus seinem Gärtchen, wenn em Festtag in der Verwandtschaft oder Bekanntschaft bevorstaud, setzte ihn in einen Topf, hüllte rosarotes Papier darum und machte sich auf de-n Weg zur Gratulation. Es ging immer auf die gleiche Weis« zu. Am Vortag schon hörte ich sagen: Morgen kommt OnkelBlumenstock"! Das war ein bedeutsames Wort. Rasch wur­den die Pelargonien weg und in die Dachkammer hinaufgeräumt, die Basen ihrer Bukette beraubt und alles fortgetragen und versteckt, was grün war und Blüten trieb. Nur der alte Gichtstock durfte auf seinem Fensterplatz bleiben, weil er zu l armselig war, in seiner Ehrwürdigkeit, um Onkel IBlumenstock" schcnkfreudiges Gemüt zu kränken. Dann kam der Augenblick, wo er an die Tür klopfte und hcrcintrat erzwungen würdevoll, vorsichtig und zugeknöpft, als habe er eine uner­hörte Ueberraschung zu verbergen. War dies ge­schehen, pflegte er seine Blicke, suchend übe: die Fenster und durch die Stube gehen zu lassen und zu sagen: Ihr seid traurige Menschen ohne Poesie und Freude: denn ihr habt ja keine Blumen hier!" Darauf mußte das Geburtstagskind augenblicklich rufen:Wir haben keine Blumen hier, lieber Onkel, aber wir möchten schon gern wftche haben und wollten dich einmal bitten.." Da lächelte er ein verschmitztes Lächeln, machte einen Kratzfuß und sprach mit gelindem Pathos:Liebe Suse, ich gratuliere, der Blumenstock steht vor der Türe!" mußte Suse, oder wer es gerade war, die Hände zusaminenschlagen und vor die Tür laufen, wo-an» auch wirklich der verhüllte Blumenstock stand. Feierlich Ivard er hineingetragen uno, um- standen von allen Anwesenden, ausgewickelt. Onkel Blumenstock" wandelte indes im Zimmer herum und besah die Bilder, als ginge es ihn nichts an. Aber man wußte doch, daß er dabei hetüverschielie, um sich an der Freude der Ueberraschten zu laben. So wär OnkelBlumenstock" zu.seinem Na­men gckomnien. Wehe, wenn man sich nicht richtig freute oder er einmal das Zimmer voll Blume» fand, die sein Geschenk verdunkelten. Da konnte er böse werden und den Blumenstock unversehens wieder mitnehmxn. Ich bin ein armer Mann", war sein Leit­spruch,ich gebe, was ich habe, aber das von Herzen!"- Seine freundliche Schwäche wirkte versöhn­lich und man hielt sich ganz an dir gewohnte Zere­monie, wenn man auch ohne sie sich seiner Blumen erfreut hätte. Eines Tages erfuhr die Welt seltsame Kund; von ihm. Es gab da ein hübsches Mädchen in der Nach­barschaft, in das auch ein jüngerer als Qnkcl Blumenstock" sich hätte verlieben können. Dieses Mädchen liebte Blumen sehr. Vielleicht ist es darum so gekommen. OnkelBlumenstock" hieli Beratung mit seinen Schwestern ab, mit dem Er­gebnis, daß er doch hinging, um das Mädchen zu werben. Er tat es nicht, ohne seinen schönsten Blumenstock, feinsäuberlich in Papier gehüllt, mit- Mnehmcn. Er stellte ihn, wie immer, vor die Türe, die gleich vom Gärten in die Wohnung führte, ging hinein, bekam' den Ehrenplatz am Sofa und redete dies und jenes, eiste Galgenfrist zu gewinnen. Tas Mädchen war vom Zweck feines Kommens unterrichtet und längst gefaßt, die Werbung mit schrecklichen Worten abzulehnen. Befangenheit lag über beiden.Richtig" rief On­kelBlumenstock", um eine peinliche Verlegen­heitspause zu beenden,ich habe auch etwas mit- gebrachft es"sieht vorder Türe!" Sie gingen hin­aus, gerade zur rechten Zeit, um Zeuge eines un- scligenCreignisieszuwerden.' Der Blumenstock hatte eine Ziege angelocki, die ohne Federlesen die zarte Hülle durchbrach und das saftige Futter zu verspeisen begann. Ter Tops lag zerbrochen auf der Türschwelle, die. Ziege hielt den Blumenstock, an dem noch die Wurzeln samt Erde hingen, im Maul und mahlte ihn mit Be­hagen hinunter. OnkelBlumenstock" stand zur Bildsäule erstarrt, das Mädchen aber brach über den Anblick in Helles Lachen ans. OnkelBlumenstock" hat seine Werbung nicht angebracht, sondern sich bald darauf empfohlen. Es war ein harter Schlag für ihn, den er niemals recht überwunden hat. Er begann zu kränkeln und starb an dem Tage, an dem sein Lieblingsrosen stock im Gärtchen zu blühen begann. Sora Barl, 8tzs»d«. Dorthin, auf die Veranda!" wies Dr. Los- soungh das braune Mädchen an, das den Tee hereintrug. Wir saßen unser drei in der Wohnung des englischen Arztes, der in La Valette , der Haupt­stadt Maltas , seine Praxis ausübte. Eine Inderin?" fragte ich überrascht, als das Mädchen gegangen war. Der Arzt nickte: Aus Bengalen. Zwanzig Jahre und Witwe." Ah!" Mein Freund scherzte:Ich denke, die wer­den drüben verbrannt..." Aber unser Gastgeber blieb seltsam ernst. Er reichte uns Zigaretten und schlug umständlich Feuer mit Hilfe eines tunesischen Feuerzeugs. Nach einer Pause sagte er langsam:Indien ist Ueber- gang. Ritualexzessc kommen immer noch vor. Auch die beste Kolonialherrschaft könnte sie in diesem riesigen Lande, das eigentlich ein ganzer Erdteil ist, nicht völlig verhindern." ,Mun ja", warf ich ein,aber in Tiqgen wie Witwenverbrennung wird das Verständnis für die Unmenschlichkeit doch auch in Indien allmäh­lich Mgemeingut geworden sein?" Lossough zirckie die Achsel:Europäische Emp- sindungen! Sitten der Väter, in der Religion be­gründet. sind jedem Volke heilig, auch dann noch, wenn es sich notgedrungen von ihnen abgewandt bat. Zudem bekommt in Indien alles leich: eine Spitz« gegen den fremden Eroberer: Was er ver­bietet, steigt schon um dieses Verbotes willen im Werte, Aber auch gemeine Geldgier spielt, neben religiösem Fanatismus, eine Rolle in den Tra­gödien, die von Zeit zu Zeit unsre Gerichte dort beschäftigen. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen «ine Geschichte erzögen, die ich selbst erlebt habe, und dre für das heutige Indien charakteristisch-ft." Wir baten darum, und er begann:Vor fünf Jahren war ich in Bengalen, als Distriktarzt in einem Bezirk östlich von Patna . Man kann das Gebiet nicht abgelegen nennen; der Einfluß der Bahnlinien von Kalkutta nach Darjeeling und Benares und die Nähe des Ganges waren im letz­ten Dorfe spürbar. Doch war, wie kn ganz In­ dien , in den kleineren Städten wenig zuverlässige Polizeimacht vorhanden, von Militär ganz zu schweigen; und die lokalen Hüter der Ordnung sind, wie Sie sehen werden, unter gewiffen Um- ständen wertlos. Eines Tages-(ich befand mich auf einer Dienstreise) stürzte mein Diener zu mir und be­richtete aufgeregt, in einem»benachbarten Städt­chen seien die Bewohner mit den Vorbereitungen zu einersuttee" beschäftigt. Der Ort lag am Gangesufer, das fast überall seht dicht bevölkert ist. Die Alarmnachricht(suttee" bedeutet Witwen­verbrennung) erschien mir daher zuerst übertrie­ben; der Diener wußte jedoch so viele Einzelheiten zu erzählen, daß ich mich mit ihm und ein paar weiteren Leuten auf den Weg machte. Unterwegs erfuhr ich, daß einige Tempelpriester und die Mit­glieder der Familie eines Verstorbenen mittlerer Kaste die Witwe überredet hatten, sich mit der Leiche ihres verstorbenen Mannes verbrennen zu lasten. Sora Barh Chonda, so hieß die noch sehr junge Frau, hatte ihre Zustimmung gegeben, nach­dem ihr versichert worden war, daß keine Men­schenhand den Scheiterhaufen anzünden, vielmehr eine wundertätige Flamme vom Himmel fahren würde. In aller Stille wurden die Anordnungen getroffen, während die Veranstalter gleichzeitig bei den Hindugläubigen eine Kollekte abhieltcn, die eine Art Eintrittsgeld darstellte. Als wir ankamen, hatte die Tücke des Ob­jekt« den fein eingesädelten Plan über den Hau­fen geworfen: die Frau(vielmehr das Kind) war gefluchtet... Unter der Maske einer religiösen Zeremonie hatten die Leute vorher das Gewand des Opfers untersucht und in den Falten leicht brennbare Stoffe angebracht, die mit einer primi­tiven, aber ausreichenden Zeitzündungsvorrichtung vorgesehen worden wareu. Nach feierlichem Um­zuge bestiegen einige mit dem Opfer den Scheiter­haufen, wiesen ihm einen Platz in sitzender Hal­tung an und legten den Kops des toten Mannes auf den Schoß der Frau. Kaum hatten sich die Begleiter in Sicherheit gebracht, da schlugen be­reits aus den Gewändern Stichflammen hervor. Die heftigen Schmerzen waren größer als die Ent- schlostenheit: bevor die Menge der Zuschauer recht erfaßte, was vorging, sprang die Frau hinab, rannte mit brennenden Kleider» zum fünfzig Schritt entfernten Flußuser und stürzte sich in oeu Ganges , der die Flammen dämpfte. Etwa.in die­sem. Augenblick trafen>vir auf dem Tempelplatz ei». Ein furchtbarer Tumult hatte sich erhöhen. Ich sah, wie die Leiche des Mannes der Frau in den Fluß nachgeworfen wurde; erbitterte Ge­sellen schrien der im Wasser um ihr Leben Flehen­den zu, sie möge sich jetzt wenigstens ertränken... Man wird in Indien an manches gewöhnt, aber hier sträubten sich mir doch die Haare. Polizei! Wo war Polizei zu finden? Sie erschien in der Tat; etwa ein halbes Dutzend Angehörige der örtlichen Wache machten Miene, gegen die Ver­anstalter vorzugehen. Ta aber offenbarte sich erst die ganze Furchtbarkeit der Situation: sie wurden von den Priestern und auch von der Menge, die sich um ihr Geld geprellt fühlte, mit Drohungen und Verwünschungen empfangen und ließen sich dadurch einschüchtern. Es regten sich weder Mit­leid noch Angst; feindselig starrten Hundette dunk­ler Augenpaare. Mit Gewalt war also nichts auszurichten. Ich trat vor und bat, man möge mir, nachdem die Ver­brennung nun.doch einmal mißglückt sei, als Arzt die Untersuchung der Brandwunden gestatten. Die einzige Antwort war ein verbiffenesNein!" Alles, was ich erreichte, war, daß man die Er­schöpfte, nachdem sie wiederholt mit Steinen und Stöcken zurückgetrieben worden war, endlich das Ufer erreichen ließ. Tie verbrannten Kleider hin­gen ihr in Fetzen vom Leibe; nach meiner Schät­zung mußten bedeutende Brandwunden vorhan­den sein. Wie ein gehetztes Wild, todmüde, legte sic sich unter einen Baum vor dem Tempel. Sahib", flüsterte da eine Stimme an mei­nem Ohr,es ist telephoniert worden, iu einer Stunde wird Militärpolizei hier sein." Ich fuhr herum. Neben mir stand einer der eben zuritckge- wichenen Ortswächtcr. Ohne eine Erwiderung ab­zuwarten, verschwand er. Augenscheinlich aus Angst, cs könnte jemand seine Worte aufgefangen haben. Nach einer haben Stunde versuchte ich mein Glück von neuem. Tas junge Ding wimmerte zum Erbarmen; man muß Indien kennen, um fanatische Grausamkeit zu verstehen. Endlich ließ man mich zu ihr.. Die Wunden waren schmerz­haft und schwer, aber nicht, lebensgefährlich und bei guter Pflege heilbar. Während ich Verbände anlegte, begann sich die Menge zu zerstreuen. Bald darauf rückte Provinzialpolizei in die Stadt ein, und es gelang ihr noch im Laufe des Abends der Rädelsführer habhaft zu werden. Sie sind später zu langen Strafen verurteilt worden.. Er schwieg und sah über den Garten hinweg auf die weißen Häuser der Stadt. Ganz in der Ferne hob sich das Grau eines vor Anker liegen­den englischen Kreuzers vom Blau des Mittel meeres ab. Und die Frau?" fragten wir, von der Er­zählung gefeffclt. Er schob die Taste zurück und klingelteWie heißt du?" fragte er, mit einem Zwinkern in den Augen, das cintretende Mädchen. Eine dunkle, wohltuende Stimme antwortete:Sora Barh Chonda, Sahqb." Dabei huschte ein feines, etlvaS verlegenes Lächeln über das braune Gesicht, als erriete die junge Frau, daß eben ihre Geschichte erzählt worden war.