Seite 2 Dienstag, 14. Juli 1931. fit. 162. Gang zu hallen. Brüning und Curtius wuß- tot, wie es um Deutschland steht, wußten, daß sie um Stundung und Revision ansuchen müßten, und beschworen trotzdem einen Kampf herauf, in dem sie die Schwächeren bleiben mußten. Schon die Sanierung Oesterreichs wollte sich Frankreich mit dem Verzicht auf den Anschluß bezahlen lassen; da sprang England ein. Diesmal ist es die englische Presse, die Deutschland zu der verzichtenden Geste rät. Deutschland wird vor dem Schwert der Sieger ;u Kreuze kriechen müssen. Deutschland ist noch immer ein besiegter Staat. Der Jammer der neuen, seit deut Regierungsantritt Brünings mit Volldampf gesteuerten deutschen Außenpolitik liegt in ihrer Zwieschlächtigkeit, in ihrem kindischen Beinü? hen, Hitler den Rang abzulaufen ttnd doch nicht Hitlers Katastrophenpolitik initzumachen. Hitlers primitives Rezept„den Aoung-Plau i zu zerreißen", Hitlers Empfehlung, sich mit allen Gegnern Frankreichs zu Verbünden, Koalitionen gegen den Erbfeind zu schmieden, wagen die Herren in der Wilhelmstraße natürlich nicht zu befolgen. Aber sie sind den radikalen Schreiern doch so weit gefolgt, daß sie den Weg der unmittelbaren Verständigung mit Frankreich , den Weg S t r e s e m a n n s, den zuletzt Hermann Müller gegangen ist und der zur Befreiung der Rheinlande geführt hat, verlassen haben. Sic wollten es nicht Ivie Hitler mit Italien , aber sie wollten es mit England und Amerika versuchen. In diesen Tagen zeigt sich von neuem, daß dieser Weg nicht gangbar ist. England w r l l vor allem e i n Ziel erreichen: die Abrüstung Denn jeder Krieg gefährdet das britische Imperium. Die Abrüstung aber ist nur int Einvernehmen mit Frankreich z» machen. Wenn England sich heute. mit Deutschland gegen Frankreich verbündet, so wird man Frank reich keinen Franc abhandeln, aber man wird damit die Abrüstung verhindern. Das würde für England die schwersten Gefahren, für die Arbeiterregierung eine furchtbare Niederlage bedeuten. Tas Abirren der deutschen Außenpolitik vom Wege einer soliden Realpolitik in die Richtung Hitlerischer Phantasien hat sich als verhängnisvoll erwiesen. Nicht anders steht es mit der Militärpolitik. Dke dauernden Drohuttgrn Deutsch lands mit vertragswidriger Aufrüstung, das Militärspiel der Panzerkreuzerbautot, Reichswehrntanöver und Stahlheltntagungen, das Brüning dem Hiilerlager als Abzahlung und Berühigüngsmittel geboten hat, erweist sich als ein glänzendes Propagattdamittel des französischen Militarismus. Es täuscht aber auch dem deutschen Volke eitlen Zustand vor, der tatsächlich nicht besteht, es verschleiert die Tatsache der Wehrlosigkeit' Deutschlands itttb nährt damit die Politik Adolf Hitlers . Wenn Deittschland erklärt hätte: Wir reduzieren die Reichswehr auf eine Polizeitruppc von 50.000 Mann, wir denken nicht daran, jemals wieder zu rüsten uttd Krieg zu führen, und wenn es dann tagtäglich, ohne Drohung, ohne Schärfe, nüchtern und sachlich auf den Vertragsbruch der Andern hingewiesen hätte, die provokative Aufrüstung der französischen Vasallen, deren jeder ein Vielfaches der Rüstung besitzt, die der Versailler Vertrag den Deut-! schen bewilligt, die Verlogenheit des französi-| scheu„Pazifismus" ins Licht gestellt hätte, dann wäre die Revision wahrscheinlich in schnellerem Tempo vor sich gegangen. Die in Berlin regierenden Herren haben vergessen, daß man Katastrophenpolitik nur dann treiben darf, ivenn man bereit ist, das Risiko der Katastrophe in Kauf zu nehmen. Die Kommunisten, könnten das und Hitler könnte es. Was läge ihnen an dem Zusammenbruch der Mark, an dem Stillstand der Wirtschaft?! Brüning und Luther aber wollen keinen Währungskrach, wollen Kredite und Handelsverträge. Dazu fährt der Weg nicht über Militärspiel, Drohungen, und stolze Gesten. So bitter es sein mag, muß die M. Als. Nr. Nm W». der in dir Nacpt zum Sonntag, wie wir bereits ßeiii.’ito haben, einem schweren und tückischen Lei- Len. mit dem er seit Jahren gerungen hat— einem Tarnckrebu— erlogen ist, stand erst im 30. Lebensjahre. Als Kind einer Prager Biirgerfamilir stand ihm die Laufbahn, die er seiner Neigung gemäß wählte, von Änfang offen und er hat in kurzer Zeit eine überaus glänzende Karriere gemacht, in jun-gen Jahren die Stufenleiter akademischer Würden bis Hur höchsten, dem Rektorat, das ihm durch die letzte Rsktorslvahl zugefallen ist, erklommen. Kafka studiert« Jura in Prag , Heidelberg und Leipzig , seine Lehrer waren u. a. der bekannte Prager Rechtslchver Kvasnopolski und der berühmt« Romanist Miüteis. 1907 habilitierte sich Kafka in Prag für bürgerliches Recht, 1912 wurde er außerordentlicher, 1919 ordentlicher Professor, zweimal war«r Dekan seiner Fakultät und für das nächst« Studienjahr war er ginnt Rektor gewählt worden.. W'e sein Freund Ludwig Spiegel hat mich er den Antritt der ReAorswürde nicht mehr erlebt. Bor dem Umsturz gehört« Kafka der deutschen Fortschrittspartei an. Um ihr Erbe auch km tttvcit Staate verwalten zu können, gründet« «r mit'Ludwig Spiegel 1919 die Deutsch demokratische Freiheitspartei, die aber schon 1920 nur mit fremder Hilfe je zwei Mandate in Abgeordnetenhaus und Senat erringen konnte. Als 1925 die bürgerlichen Parteien den Antisemitismus z>ü ihren demagogischen Attacken gegen di« Sozial- demoirati« brauchten, erschien ihnen der Jude Kafla nicht mehr tragbar und sie ließen ihn und seine Partei fallen. Die Spaltung der Nationalpartei bot Kafka die Gelegenheit zum Wiedereintritt in die große Politik. Er bildete mit Tr. Rosche die ArbeitS- und Wirtschaftsgemeinschaft, die 1988 in die Lard«Svertre>ongen und 1929 mit den Land- bündlern gemeinsam in das Parlament kandidiert«. Sie crh'cit vier Mandat« von der gemeinsamen Liste. So kehrte Kafka in das AbgeordneteichauS zurück, zu dessen bestnnterrichtesten, gebildetsten und bekanntesten Männern«r gehörte. * Mit Kafka verläßt der letzte Liberale alten Stils die politische Bühne. Nur auf dem Boden Prags hat der österreichische Liberalismus noch mit einem bescheidenen Flämmchen weiterglühen können, als er in Wien durch die Revolution vollends erstickt worden war. Das liberale österreichische Bürgertum hatte seine Positionen 1867- 68 auf der Grundlage des PrivilegienwahlrechtS aufgebaut. In seinen Kurien schien es wie in uneinnehmbaren Schanzen gegen jeden Angriff gesichert. Tie Klassenherrschaft der Bourgeoisie und die politisch-geistige des Liberalismus waren ein-. Zu lange hat der Liberalismus, der sich noch 1907 init Händen und Füßen gegen das allgemeine Wahlrecht wehrte, an dieser Grundlage seiner Po- deutsche Politik sich doch als Leitsatz vor Augen halten, daß Deutschland ein besiegter Staat ist; die Geste des wiedererstarkten, des drohenden, auftrumpfenden Partners, zu der sich die deutschen Politiker verleiten ließen, war es nicht zuletzt, die auch den Raubrittern der Wirtschaft den Mut zu Abenteuern und riskanten Manövern gegeben hat. Nun wird das deutsche Volk all das mit der demütigenden Geste des hilfesuchenden Besiegten bezahlen müssen. Und ein millionenstimmiger Chor fanatisierter Narren wird obendrein die„Er- fiillungspolitik" dafür verantwortlich machen. litik. festgehalten. Als dann die Welle des allgemeinen Wahlrechts kam, hat sie die liberalen Bastion«« weggespült und nur Trümmer blieben zurück. Der Liberalismus hatte keine Fühlung mit dem Volke, wußte keine Wählermasse um sein Banner zu scharen. Der kleinbürgerliche Nationalismus, die christlichsoziale und die sozialistische Bewegung gingen über ihn zur Tagesordnung über. Auf Prager Boden aber, in dieser sonderbaren Stadt, die unter 40.000 Deutschen gute 30.000 selbständig« Bürger und höher« Beamte, die also zu guten drei Vierteln ihrer Deutschen eben deutsche Bourgeois zählt, die obendrein zum großen Teil wieder konfessionelle Juden, oder doch Nachkommen von Juden sind, hier mußte der Liberalismus als die typische Denkform dieser deutschjüdischen Bourgeoisie noch Lebenskraft bewahren. Sie war freilich nicht groß genug, um ihm politische Mandate zu bringen, aber da die politische Macht nicht nur auf Stimmen, sondern auch auf ökonomische Machtmittel und auf geistige Fundamente gegründet ist, konnte die sudctendcutsche Bourgeoisie auf die Dauer nicht ohne ein Kompromiß mit Prag auskommen. Die im wesentlichen auf Prag basierende deutschdemokratische Partei, das waren eben nicht nur 10 bis 15.000 Stimmen und ein paar tausend in der Provinz dazu, das war die Geldmacht des deutschen Finanzkapitals, das waren führende Industriekapitäne, das war die„große" Presse und waren ein paar Namen von Rang tust» Ansehen. Der Versuch, sich dieser Genossen im Klaffen- und im nationalen Kampf zu entledigen, endete mit der Spaltung der Nationalpartei durch die nordböhmischen Fabrikanten, die zu Kafka näher haben als zu Lodgman, und mit dem grotesken Wahlbündnis zwischen Bauern und Börscanern, das 1929 die landbündlerische Buße dafür darstellte, daß man sich 1925 auf eigene Füße gestellt und sich 1926 mit seinen Bauernstiefeln ohne die sichere Führung gewandter Freunde auf das glatte Parkett der Re- gicrungssalons begeben hatte. Dieser dirrch besondere Umstände am Sterben gehinderte, aber zu selbständigem Eigenleben zu schwache Prager Liberalismus war das politische Milieu BrunoKafkas. Aus den Widersprüchen dieses Milieus erklären sich zum Teil die persönlichen Widersprüche Kafkas. Er, der Jude und Weltmann, wurde zu Wahlzeiten einer der enragiertesten Wortführer der be- rühniten„nationalen Einheitsfronten", denn diese tvaren ja das einzige Mittel, dem Prager Liberalismus zu Mandaten und Geltung zu helfen. Er, der akademische Lebrer, der Jurist von Sachkenntnis und scharfem Urteil, gab sich dann mehr als einmal dazu her, die ersten Attacken gegen die Sozialdemokratie zu reiten und dabei nicht immer die nobelsten Waffen zu führen, denn der Prager ^Liberalismus konnte nicht anders, wollte er seinen provinziellen Freunden beweisen, wie„verläßlich" er war. Dabei haftete auch Kafka immer an, was den alten Liberalismus zum' Sterben verurteilt hatte: volksfremdes Theoretisieren, ein Spielen mit Worten, die nicht mehr zündeten, Verständnislosigkeit für die großen sozialen Probleme und für die enge Verbundenheit nationaler und sozialer Politik. Er war ein brillanter Redner im Stil der liberalen Rhetoren, die gern, viel und mit großem Aufwand an Phrase sprachen, aber wenig sagten; er war ein witziger und schlagfertiger De- batter, aber sein Witz blieb an der Oberfläche der Erscheinungen, oft am Worte haften und seine schlagfertigen Argumente waren nicht immer ganz fair, nicht immer ganz logisch. Unter den bürgerlichen Politikern der Sudetendentichen war er an Wissen eine Kapazität, an Vornehmheit ein sonst kaum erreichtes Muster. Verglichen mit den Demokraten., die ihm Reiche Politik machen, mit den englischen Liberalen oder französischen Radikalen, war auch Kafla ein oft gehässiger oder noch kleinlicher, dem Klaffcngegner ohne Verständnis gegenüberstehender Politiker von Provinzformat. Da die Prager Liberalen nach Spiegel auch ihn verlieren, bleibt ihnen kein Mann mehr, der so mit der alten liberalen Tradition verwachsen wäre, keiner, der das geistige Niveau Kafkas noch hielte, einen Namen von gleichem Klang hatte. Für die in der AWG. beinahe ausgegangene deutschdemokratische Partei ist der frühe Tod Kafkas ein geradezu unersetzlicher Verlust, für die Prager Bourgeoisie auch im lokalen Rahmen ein so schwerer Schlag, daß sie ihn viele Jahre nicht verschmerzen wird. Die sudetendeutsche Politik verliert in ihm einen der wenigen Männer, deren Stimme noch jenseits der Grenzen gehört wurden, die so hoch über den Durchschnitt ragten, daß man sie weithin sah und beachtete. Der Liberalismus verliert mit Bruno Kafla schlechthin seinen letzten Mann. Major- acht Monate GefSngnis. Die Strafe unbedingt.— Kein Verlust des Wahlrechtes. P r c ß b u r g, 13. Juli. Das Kreisgericht hat heut« um 9 Uhr früh im Prozeß gegen den kommunistischen Abgeordneten Major das Urteil gefällt. Abg. Major wird im Sinne des 8 4 des Gesetzartikels 40 vom Jahre 1914 der gewaltsamen Verhinderung der Gendarmerie bei Ausübung ihres Dienstes schuldig erkannt und zu acht Monaten Gefängnis als Hauptftraf« und 2000 Kronen Geldstrafe als Nebenstrafr. und zwar unbedingt verurteilt. Die Haft vom 25. Mai wird dem Abg. Major in die Strafe eingerechnet, eine bedingte Verschiebung der Straf« jedoch nicht bewilligt, von dem vergehen nach Verordnung Nummer 7430/13 des gewesenen ungarischen Innenmini steriums wird der Angeklagte freigesprocheg. Unehrenhafte und niedrige Beweggründe hat das Gericht nicht erkannt. Major behält somit das Wahlrecht und sein Mandat. Abg. Major hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Staatsanwalt hat in allen Punkten, soweit seinem Anträge nicht entsprochen wurde» ebenfalls Berufung eingelegt. Das Ansuchen der Verteidigung, daß Abg. Major bis zur definitive« Erledigung seines Prozesses freigrlas- sen werd«, hat das Gericht abgelehnt. Major bleibt somit weiterhin in Haft. Rach der Urteilsfällung versucht« Senator Haken im Gerichtssaal einen Exzeß hervorzurufen; er wurde aber sofort hinausgesiihrt. 18 tNachdrucl verboten.) Pfeile aus dem Jenseits. Von Hans-Herbert Varlen. ikopyrlght Kleiner& Go., Berlin NW. 6. Dann wandte er sich ab. Er ging nur wenige Schritte, dann drebte er sich noch einmal um und spie uns vor die Füße:.,_ „Räuber! Mörder...!" Tas waren die letzten Worte, die wir von ihm hörten. Ohne Eile, ohne Hast und ohne sich «mzusehen, schritt er auf die nächsten Büsche zu und war auf einmal spurlos verschwunden. Erst in diesem Motnent wich die Lähmuttg von unS. „Ein Da-ri-hag!" schrien die Offiziere. Irgendjemand kommandierte„Feuer" und ein Kugelregen schlug in das Gebüsch, wo der Schwarze vcrschwuttden war. . Er iprach wie ein Weißer!" gurgelte Hauptmann Upwarden. Leutnant Stechlin kam mit eingeknicktcn Knien auf unS zu. Sein Gesicht war schneeweiß. „War das der Satan selbst?" *„Vielleicht das Schicksal selbst?" mnrntelte Commander de Frigho vor sich hin. Soviel das Gebüsch atich abgcsucht wurde, von dem seltsamen Da-ri-lwg wa- keine Spur zu finden. VII. reufelsmale. ES war der letzte Tag im Dschungel. Wir waren kurz vor der Grenze. Der Alp auf unserer Brust lockerte sich. Und Leutnant Sbirrow brachte zur allgemeinen Erheiterung einen großen Affen aus einem Dschungelversteck herbei. Der Tag hatte eine drückende Hitze gebracht itttb als wir an einen kleinen See kamen, an den, wir lagerten, erfaßte uns Offiziere der plötzliche Wunsch nach einem Bade. Der See war kristallklar. Silberne Fische schoflen hindurch, und am Uferrand kreischte eine Versammlung kleiner Zwergaffen. Papageien von ungewöhnlicher Buntheit flatterten durch die Bäume, die den Strand säumten. Von irgendwelchem Raubzeug schien der See nicht bevölkert. Commander de Frigho warf sich als erster ins Waffer. Er war em vorzüglicher Schwimmer und schon riffen wir anderen Offiziere uns die Kleider vom Leibe, um ihin im Scherz seinen Vorsprung abzugewinnen. Aber wir waren nur wenige Schritte im Waffer, als wir einen Schrei hörten. Einen Schrei, den der Commander ausgestoßcn hatte. Wir sahen ihn im Wasser stehen und starr an sich herunterblicken. Der Teufel! Hatte ihn irgendein Tier angenommen? Wir sahen aber kein Tier! Wir sahen de Frigho nur immer noch unbeweglich stehen. Die Augen starr auf etwas gerichtet,- was wir nicht erkennen konnten. „Vorwärts! Da ist irgend etwas mit de Frigho los!" schrie Hauptmann Upwarden und warf sich vorwärts. Wir hatten de Frigho schnell erreicht und umringten ihn. Und nun sahen wir auch, wohin seine Augen so starr blickten. De Frigho blickte auf seine Brust. Dann blickte er uns mit Augen an, die irr von Erregung zu sein schienen. Wir sahen etwas Entsetzliches. Auf der Brust de Friahos war eine furchtbare Fratze zu sehen. Eine Teufelsfratze, deren Mund zu einem furchtbaren Grinsen verzerrt zu sein schien. Aus dem Munde der Fratze aber ringelte sich die Zeichunüg einer züngelnden schwarzen Schlange heraus. Tas Ganze war eine meisterhafte Tätowierung. „Wer tat dies? Wer tat dies?" stammelte de-Frigho und rieb mit irren Fingern über die unauslöschliche Tätowierung. Aber auf einmal fiel sein Blick auf Leutnant Sbirrow. Es"war ein Blick, wie ich ihn nie vergessen werde. Leutnant Sbirrow zitterte unter diesem Blick. Da warf sich plötzlich der Commander vorwärts und Packte Leutnant Sbirrow bei den Schultern: „Sbirrow!... Sbirrow!" schrie der Commander de Frigho und wir sahen, wie sich die Nägel des Commanders in Sbirrows Brust verkrampften. Was Ivar mit Sbirrow? War Sbirrow ein Verräter? Aber Sbirrow stotterte nur: „Zu Befehl! Jawohl Commander!" „Sbirrow!" Jetzt war der Ausruf des Commanders ein Schrei. Sbirrow schwankte und wir mußten ihn stützen. Aber da sahen wir, was den Commander mit Entsetzen erfüllt hatte. Nicht daß Sbirrow ein Verräter war. O, nein! Auf der Brust des Sbirrow war dieselbe Zeichnung eingeätzt mit der TodeSschlange wie bei dem Commander de Frigho. Ganz unwillkürlich sahen wir andkrcn auf unsere eigene Brust, und Entsetzen erfaßte uns. Wir waren alle gezeichnet. Jeder einzelne von uns trug das Tovesmal auf seiner Brust. Hauptmann Upwarden trug das Todesmal so gut wie Leutnant Ribiera. Major Stechlin war so gut vom Tode gezeichnet wie ich. Jeder... jeder.,. trug dies Mal des Todes... „Wir sind verloren!..." sagte der Frigho mit dlaffen Lippen und starrte in die Ferne. Ich wußte, das de Frigho in der Ferne sah. Er sah da- gleiche wie wir alle. Er sah die brennende Menschenfackel der Nacht. Er sah jenen Höllen bäum, der die brennende Menschen in die Nacht des Todes spie... Vlll. Wie dar genfeltr den kammander hott Wir hatten die Geschichte fast vergessen. Ein Jahr war vergangen. Ein Jahr ist eine lange Zeit im Lande der Abenteuer, des Kampfes, der unaufhörlichen Erlebnisse. Da kam jener Tag, als der Commander de Frigho Abschied von uns nahm, um nach Europa zuruckzukehren. Wenn wir aber auch fast alle wohl jene furchtbare Nacht im Urwald vergeffen hatten, Commander de Frigho, glaube ich, hat sie nie vergeffen. Er war seit lenem Tage, wo er die furchtbare Zeichnung des Todes auf seiner Brust entdeckt hatte, ein anderer. Er war wie ein Baum, den ein Blitz in der Nacht traf. Seine Energie, die sprichwörtlich war, war erloschen. Seine Augen waren stets mit einer dünnen, grauen Haut bedeckt, als müßten sie etwas ver- schleiern. Vielleicht war es das Entsetzen, was sie verbergen wollten. Jenes Entsetzen, waS seit jener Nacht nicht mehr aus ihnen Weichen wollte. Seine Leute verwilderten, denn er strafte nicht mehr. Die straffe Disziplin» die nirgends so notwendig ist, wie in einer Kolonialtruppe, schien zu zerbröckeln. Es kam vor, daß er mitten im Vortrag ganz plötzlich abbrach und irgendwohin starrte. Sein energisches Gesicht zerriß dann, die Augen flak- kerten und wir sahen einen furchtbaren seelischen Kampf in seinem Gesicht toben. Wenn er wieder zu sich kam, war er schwcißbedeckt und fiel auf den nächstbesten Stuhl, wo er dann sein Gesicht in den Händen vergrub. Wie ich später hörte, hatte er gleich nach jener entsetzlichen Nacht sein Abschiedsgesuch eingereicht. Aber es lief lange. Der Staat wollte den tüchtige» Offizier nicht verlieren. Man ntachtc ihm Vorstellungen, bot ihm Urlaub an, aber nichts konnte den Entschlitß de Frighos umstoßen. (Fortp-tzung folgt.)
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11 (14.7.1931) 162
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