Nr. 171 Freitag. 24. Juli 1981. Seite S. Lindberghs fliegen»ach de» Fernen Oste«. Oberst Lindbergh und Frau haben bekauntgegeben, daß sie eine Flugexpedition nach dem Fernen Osten unternehmen werden. Der Flug, den sie in der nächsten Woche antreten werden, führt über Ka­ nada  . Alaska  , Sibirien   und Japan   nach China  . Auf der Flugstrecke wurden elf Tankstellen errichtet. Die Flieger werden mit einem Gummiboot und einer Radiostation ausgerüstet sein. Es wurde Vor­sorge getroffen, daß die Flieger während des Fluges zwecks Austausches von Mitteilungen und Ueber- nahme von Wettermeldungen mit Schiffen in Ver­bindung treten können. 31 Millionen Einwohner in Polen  . Die letzte polnische Bevölkerungsaufnahme ergab eine Ein­wohnerzahl vyn 31 Millionen. Damit hat die Bevölkerung Polens   in den letzten zehn Jahren um vier Millionen zugenommen. Xekko-Mel mit Ltzre«sch»slz «ad Licht». Als Waschen gesundheitsschädlich war. Tas heimliche Heer." Verhaftet wegen zu großen Gestanks. Aus der Höhe des Seifenverbrauchs soll man die Kulturhöhe eines Menschen erraten können. Nun, wir modernen Menschen schneiden unter diesem Ge­sichtspunkt gemessen ganz gut ab. Nicht immer ist die Menschheit aber so reinigungswütig gewesen. Es hat im Gegenteil sogar Zeiten gegeben, in denen man die Reinlichkeit geradezu für gesunttheitSschäd- Ach hielt. So hatte das 17. und 18. Jahrhundert, bas Zeitalter des Barock und des Rokoko  , eine förm­liche Angst vor dem Wasser. Diese Zeit, die an äußerem Glanz und Prunk alles Erdenkliche leistet«, stand in Bezug auf Reinlichkeit auf beschämend nie­driger Stufe. I« Mittelalter und noch in der Re- sormationSzeit gab es allenthalben große öffentliche Babehäuser, di« auch relativ stark besucht wurde«. Sie verschwanden im 17. Jahrhundert vollständig. Bis in. die höchsten Krrise hinein begnügte man sich damals mit der bekannten Katzenwäsche: Man tauchte die Finger in Ea« de Cologne und betupfte sich damit recht vorsichtig natürlich das Ge­sicht. Daß man unter diesen Umständen mit suppen» tellevgroß«» Waschbecken auSkam, ist kein Wunder. Verschwenderischer Gebrauch von Puder, Schminke «nd Parfüm mußte di« fehlercke Reinlichkeit ersetzen. Am Versailler Hof gab es kein« einzig« Badegelegen­heit. Di« von einigen hygienemütigen Leuten verfaß­ten AnstandSlehren lassen erkennen, wie erschreckend wasserscheu mar: damals war. So heißt es in einem Buche, das um 1840 verfaßt und im 18. Jahrhun- dert wieder gedrückt wurde:Man sollte auch manchmal i««ine Badeanstalt gehe«, um seinen Körper sauber zu erhalte«. Auch, sollt« man sich alle Tage di« Müh« gehen, sich die Hände zu waschen. Aebrigens sollt« man sich beinah« ebersso oft das Gesicht waschen, di« Haare von den Wangen rasie­ren, und. sich ab und zu den Kopf waschen." In einem anderen Buch wird sogar der abenteuerliche Rat erteilt, sich di« Füße zu wasch««! Tas Wechseln der Unterwäsche war ein seltenes Fest, und nicht«in- «al der Sonnenkönig Ludwig   der Vierzehnte konnte ungestört von Wanzen urck anderem Ungeziefer schlafen. Auch dem 18. Jahrhundert, dem Jahrhundert des Rokoko  , war Reinlichkeit nahezu unbekannt. I« einer AnstandSlehre aus dem Jahre 1782 wird vor dem Gebrauch des Wassers direkt gewarnt: Man soll sich daS Gesicht jeden Morgen nur mit einem »einen Linnen abreiben. Dagegen verlange der An­stand, daß man nicht zuviel Schmutz in seinen Ohren «»sammeln läßt, sondern si« vo« Zeit zu Zeit mit einem Instrument reinigt, das besonders zu diesem Zweck erfunden ist. ES empfiehlt sich, die Nägel nicht voll Schmutz zu hoben, und eS ist sehr häßlich, sich mit der bloßen Hand zu schnauben, oder die Nase «m Aermel abzuwischen. Zwei berühmte Aerzt«, die Brüder Bordeu, veröffentlichten 1773 ein Werk über chronische Krankheiten, in dem sie die übertriebene Reinlichkeit als gesundheitsschädlich bekämpften! DaS Baden im Freien war überhaupt verpönt. Noch zu Goethes Zeiten hielt man Schwimme« für ein« Verrücktheit. Mit zierlichen Schritten trippelten die Rokoko­schönen durch ihre Boudoirs, durch ihre verschnör­kelten Gärten, hochgetürmte Frisuren auf den Kopf, die meistens nur alle ein bis zwei Wochen erneuert wurden und ein. Dorado für Ungeziefer waren, das heimliche Heer", wie ein Satiriker diese Schma­rotzer nannte, ,)das die elegante Frau auf eigene Kosten ernähren muß." Aber man wußte auch dieses Uebel mit Anstand zu ertragen: Kratzen war nicht erlaubt, höchstens im stillen Kämmerlein durften die langen Kopfkratzer in Tätigkeit treten. Im übri­gen begnügte man sich notgedrungen damit, die be­treffende Stelle graziös mit dem Finger zu be- stopfen: Noblesse adlige! Schminken, Pudern und Parfümieren gehörte nach wie vor einfach zum guten Ton, auch bei den Männern. Daß«S nicht immer die Reinlichkeit vollauf ersetzte, zeigt ein Vorfall bei einem großen Gastmahl, das der Herzog don EhaulneS in Rouen   veranstaltete. Der Gast- geber sah sich auf Bitten einer Dame gezwungen, einen feiner Gäste verhaften und entfernen zu las­sen, weil der betreffende Herr, wie es in einem Llliencronschen Gedicht so schön heißt, nicht gerade «nach Rosen" roch. Auch beim Essen war man in diesem Jahrhun- dert nicht sehr appetitlich. Bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts galt der Gebrauch der Gabel al- affektiert, die Finger oder im Notfall da- Messer waren ja auch viel bequemer. Noch Ludwig der Füntzehnte aller mit den Fingern oder mit dem Löffel. In Gesellschaft pflegte jeder mit dem Löffel, Mit dem er, seinen Nachbarn aufzutischen, und wenn schön« Frauen sich besonders hervortun woll­ten, so leckten sie den Löffel vorher ab. G. St. Parfum und Politik. Francois Spoturno  , der Korse mit Bonapartenblut. Ein Geistesverwandter Strlbrnys. Vom Nervi zum Zeitungs­direktor. Cotys politische Aspirationen. Wer ist eigentlich dieser Coty  , der den selt- sanien Beruf, Retter des Vaterlandes zu werden, in sich erwachen fühlte, nachdem er sich aus Wässerlein, die allerdings bessere Gerüche ver­breiten als jene, ans denen Bespasian Steuer­groschen bezog, ein Millionen-Bermögen geschaffen hatte, von dem er nicht nurnon ölet", sondern obendrein behaupten kann, daß es sogar wohl­parfümiert ist? In der Napoleons  -Stadt Ajac­ cio   stand die Wiege Cotys, dre gerade keine ver- goldete war. Unter Lumpen, aber in sehr stolzer Korsenbrust, trugen die Spoturnos denn so lautet der eigentliche Name des heutigen Herrn Coty   das stolze Bewußtsein, in ihren Adern Buonapartcn-Blut zu besitzen. Diese Behauptung, die Coty   wiederholt in seinemAmi du Peuple  " aufftellte, blieb bis heute unkontrolliert; dafür ist es aber gerichtsnotorisch, daß der fünfzehnjährige Francois Spoturno   um 1890 nach Marseille   kam, dort bis z«. seiner Militärzest der wenig ehren­werten Gilde derNervi", der geborenen Zuhälterkaste für Weiber-, Mord- und Wahlaffären angehörte und mit dem Gericht zu verschiedenen Malen in Berührung kam. Seine Journalisten-Laufbahn begann sofort nach seiner Militärzeit und setzie damit ein, daß er vorläufig imFigaro", als dessen Direktor er heute zeichnet, als Laufbursche eintrat. Es gab nur zwei Poste«, die der junge Francois Spo­ turno  , der zeitlebens mit Orthographie, Gram­matik und Syntax auf dem Kriegsfuß stand, be­kleiden konnte, stellte kürzlich Arthur Lafon in der von Henri Barbusse   geleitete«Monde  " fest: den Poste« eines Direktors oder eines Laufour-' fchen. Da ihm vorläufig die Geld-Qualitäten zur Elffüllung des ersten Postens fehlten, entschied er sich für den zweiten. Hat derFigaro  "-Laufbnrsche Francois Spoturno  in den Empfangssälen dieses aristokratischen Blattes die einträgliche Idee konzipiert, aus der Dustsucht der dort verkehrende« vornehmen Da­men Kapital zu schlagen und dies mit Hilfe einer mathematisch-kaufmännischen Formel, die ebenso einfach war, wie sie sich erfolgreich erwies? Der plötzlich, niemand weiß bis heute auf welche Weise, mit welchen Mitteln, auf welche Erfah­rung gestützt und mit welchen Patenten versehen, um 1904 vom Zeitungslaufburschen zum»Fabri­kanten" einer neuen Parfümmarke avancierte, bediente sich des Snobismus einer gewissen Klasse dadurch, daß.er billigste Wär« in vor­nehmster Aufmachung in teuerster Weise verkaufte. Der Gründer der Firma Coty   hatte die magische Formel gefunden, die jene desbillig verkaufen,«m viel zu verkaufen", noch übertrumpfte: er verkaufte sehr teuer, um noch weit mehr zu verkaufen. Spoturno- Coty  hatte den zeitlosen Dünkel der o'oern Zehatausend weiblichen Geschlechts erfaßt; sein Weg begann. Es war der fnst desspiellose Siegevweg einer Parfüm­industrie, die aus einem Nichts entstund, mit der Lancierung der berühmtenRose Jacqueminot" begann und die im Jahre 1980 nicht nur sechzig Prozent des gesamten Parfümeriewarenkonsums Frankreichs  für sich beschlagnahmt hatte, sondern auch im Ausland sich durchzusetzen und bedeutende Markte zu belegen verstand. 1906 schon begann Coch die Eroberung des amerikanischen   Marktes, um bald einer der Hauptexporteure Frankreichs   zu wer­den. Als bei Krieg kam, mußte sich ein derart international tätiger Mann, der seine Wohlge­rüche über alle Kontinente schweben ließ, natür­lichüber das Getümmel" stellen. Er ließ sich zeitweilig dienstunfähig^ schreiben und blieb eS bis zum Schluß des Krieges, bis ihn die Freude über den Waffensieg der Alliierten von den zahl- losen Krankheiten heilte, die seineMilitär"- Akten aufweisen. Da er wahrend dieser Kriegsjahre einige 'überflüssige Millionen gespart hatte, sah er sich nach einer sichern Anlage um. Er fand sie in der Polsterbank des Senats. Bon 1919 ab begann für Korsika die herrliche Zeit des Geldregens. Spo- turno-Coty   wollte Senator der Wunder-Insel werden. Bon Ajaccio bis Bastia   spendete er Un­summen, um alle Korsen wahlfähigen Alters da­von zu überzeugen, daß, wie er sich in einem allen Haarkünstlern Frankreichs   verschickten Pro­spekt ausdrückte, die Verwirklichung seiner Pro­gramms, aus Korsika den großen Blumengarten Frankreichs   zu schaffen, zahlreiche Schritte bei den Behörden nötig machen würden, ein Grund, und der einzige, weshalb er Senator werden wolle. Das war gedruckt zu lesen und war vielleicht die einzige Prosa, die Coty   in seinem Leben selbst verfaßte. Sie aber war von einer geradezu zynischen Offenheit. Mit zwei Stimme» nur wurde der Senats­kandidat Coty   geschlagen. Besiegt gab sich Coty  damit aber nicht. Er wollte unbedingt in die Politik" hinein, da ihn eine langjährige Praxis wohl gelehrt hatte, wo die Hauptgeschäfte abge­schlossen werd«:. Den Senatswahlkampf für 1923, wobei er erneut sein« Kandidatur in Korsika auf- stellte, leitete er gypßen Stils ein. Zuerst einmal erwarb er denFigaro", um seine Presse ju haben. Dann bezifferten sich seM Spenden glicht mehr nach Zehntausenden, sondern diesmal nach Hunderttausenden: 800.000 Franken als Subven­tion für eine Autogesellschaft; 900.000 Franken für die Schaffung einer elektrischen Zentrale in Ajaccio  ; 600.000 Franken für Blumenanbau; 200.000 Franken zum Studium der Verkehrs­und Hotelorganisation, um nur einige der Wahl­propagandasummen Cotys zu nennen. Der Räu­berhauptmann Romanetti, der letzte Vertreter der korsischen Räuberromantik, diente ihm als Stimmenzutreiber. Im Bericht des Senators Henri Cosnier über diese Wahl finden sich An­gaben, denen zufolge für einzelne Stimmen drei- bis zwanzigtausend Franken von den Wahlagenten Cotys bezahlt wurden. Am 28. Juli 1923 wurde Francois Coty   mit einer Mehrheit von sechs Stimmen zum Senator von Korsika gewählt; der französische   Senat, dem anscheinend der Skandal aber doch zu himmelschreiend war, annullierte die Wahl ku« darauf, so daß dem Parfümfabrikanten Coty   auch dieses zweite Mal das Tor zur Politik vor der Nase zugefchlagen wurde. Mit jeder Niederlage aber wuchs Cochs politische Großmannssucht um einige Meter. MS er sich daS Parlament trotz aller finanziellen An­strengungen so verschlossen sah, änderte er seine Taktik. Er setzte mit seiner antiparlamentari­schen Propaganda ein, die heute in Frankreich  Verheerungen angerichtet hat, wie sie dreseSLand seit der Boulanger-Aera nicht mehr kannte. Coch gründete den Ami du Peuple  ", die billigste Zeitung der Welt. Für zehn Centimes in Paris  , für fünfzehn Cen­times in der Provinz erhält der französische  Zeitungsleser, der 25 Centimes für alle anderen Blätter, fürPopulaire" und ,^«manttö" sogar 80 Centimes auSgeben muß, morgens und abends dieses Blatt, dessen Papiermasse an jene der großen Boulevaropreffe heranreicht. Mehr noch: an allen Ecken und Enden von Pari- stößt man auf unbeaufsichtigte Stöße dieses Mattes, die dort friedlich«eben einer alte« Zigarrenkiste der ehr­lichen Käufer warte«. Die Masse der Kieselsteine Immer«eile Zähne SMSy MMNMM^MMMM^MUM^WMM» schm, vk>. U J-hrk die Zahnpatzk THIorodonl benutze«. Roch nie Hai sie uns cttfe läulchl l Wir hatten immer weihe LSHne und einen angenehmen Geschmack im Munde, unisvmeyr, da wir schon längere Zeil das Thlorodont-Mundwasser benutz«. Auch denn« die ganze Kamille nur ilhlorodoni.Zahnbürsten." gez.T.Shndoba, Mr... Man»erlange nur die echte Chlorodonl-Zahnpafte, Tube 4 K& und S K&, und weise(eben Ersatz dafür zurück. und Hosenknöpfe, die in jeder dieser improvisier­ten Kassen zu finden sind, zeigen, daß dre unehr­lichen Käufer in der Mehrzahl sind. So funktio­niert die Austeilung der GratiSauSgabe desAmi du Peuple  ", dessen jährliches Defizit von durch­schnittlich zehn Millionen Franke» Coty   deckt und in dem sich der große Parfumeur zum Ziel gesetzt hat, durch seine bisher eingehaltene Methode, täg­lich einen Skandalaufzudecken", das Parlament, das ihn nicht wollte, lotzuschlage.« Mit bol- sihewistisch-hitlerischem Stil wendet sich dieses Blatt mit der verheuchelten Larve des Bolks- mannes an den einfache» Arbeiter, der die Prosa der Södlinge des Multimillionärs Coch als den ehrlichen Erguß irgend eines revolutionär Ge­stimmte« verschluckt. Man gebe sich keiner Illu­sion hin: wen» im vollbesetzte« Pariser Metro  zehn Arbeiter eine Zeitung lesen, haben acht von ihnen denAmi du Peuple  ",das billigste Blatt", in der Hand. So versucht heute Coch nicht mehr einzig Stimmung auf Korsika, sonder» Stimmung nn ganzen Land z« erzeugen. Diktatoren-Pläne werde» ihm vo« manchen unterschoben. Das ist wohl zu viel gesagt, aber ganz unmöglich nicht. Coch hat es fertig gebracht, nach der schnellen Zer­setzung der fascistischen Legionen desFaisceau" Georges Valois  ^ seine» eigenen stark fascrstisch angehauchten Frontkämpferverband, dieCroix du Feu" zu gründen und allen nationalistischen Jugend- und Studentenorganisationen finanziell unter die Arme zu greifen. Er liebäugelt heute offen mit den Royalisten, di« ihm zwar die kalte Schulter zeige», da sie illoyale Konkurrenz be­fürchten. Vielleicht erfährt die Oeffentlichkeit eines Tages, weshalb er so heftig gegen Briand   vom Leder zieht. Urbain-C o h t e r, der einstige Presse­chef Cotys, hat in derVolontö" Enthüllungen veröffentlicht, die sehr interessant sind: vor einigen anderthalb Jahren wurde Cohier im Auftrage Cotys nach dem Ouai d'Orsay geschickt, um Briand   eine Verständigung und eine Eini­gung vorzuschlagen. Jener Berständigunhsversüch zerschlug sich aus Gründen, die vielleicht nur Briand und Coty   selbst kennen und bei denen Politik und Geschäft eng verknüpft sein dürften. Heute will der Parfümeur, mit den Daudet- Banden im gleichen Haß vereint,eine Dynamit­patrone in den Hintern Briands stecken." Er, der einst bereit war, für Briands Friedenspolitik Propaganda zu entfalten, wenn gewisse unbe­kannte Bedingungen erfüllt worden waren, be­haut heute die gefährlichste nationalistische Trom­mel. Das Coty  -Parfiim der Polittk ist ein un­sichtbares Gas geworden, das die republikanische, demokratische und sozialistische Gesinnung zu meu­cheln versucht.Toth in Frankreich  " ist heute eine politische Zeitfrage für die französische Republik  , vor der als vor einer siinpeln Presseangelegenheit die Augen zu verschließen auf die Dauer gefähr sich werden könnte. Kleine Chronik Die abgeMlftev Hundstage. Ein verregneter Hochsommer. Kalendermäßig sollen die Hundstage mit dem 23. Kuli beginnen. Davon kann aber offenbar in diesem Jahre nicht die Rede sein. Deutschland   war die letzten Wochen recht regengesegnet, die trübe Periode ist nach Ansicht der Wettersachverständigen auch noch nicht vorbei. Das Anfangsdatum für die Hundstage hat natürlich nur Gültigkeit für die nördliche Erdhälste, da die Bewohner der südlichen Erdhälfte umgekehrte Jahreszeiten haben. Aber auch mit dieser Ein­schränkung ist es nicht ganz richtig, daß die HundS- tage allgemein die heißeste Zeit umschließen. Auf die meisten Gebiete von Norddeusschland trifft es zum Beispiel nicht zu, daß die Hundstage die heißesten des Jahres wären. In Deutschland   setzt normalerweise die Zeit mit den höchsten Hitzegrade» schon im zweiten Drittel des Juli ein, und sie dauert nur bis zum Beginn des August, die heißeste Zeit fällt also im Durchschnitt nur auf einen Teil der Hundstage. Dafür gibt es allerdings auch Gegenden, wo die Hundstage mehr mit der wärm­sten Zeit deS Jahres zufammenfallen. Für den Hundsstern und für die Hundstage zeigte man schon bei den alten Völkern ein großes Interesse. Daß man bei dem ältesten Kulturvolk, den Aegyptern, dem Hundssterne schon sehr früh­zeitig ein reges Interesse züwandte, beruhte aus einer ganz natürlichen Erscheinung. Wenn der Hundsstern sichtbar wnrde, begann nämlich in Aegypten   die Flut im Nil zu steigen. Diese Be­obachtung hatte für Aegypten   und sein« Boden-- bebauung ein sehr hohes Interesse, da nach dem. Erscheinen des Hundssternes immer die größte Hitze kam, war eS auch gar nicht verwunderlich, daß bei den verschiedenen Böllern allerlei Erklärungen ge­geben wurden, die den Zusammenhang des Sternes mit der Sommerhitze deuten sollten. Plinius der Aeltere meinte einmal, der Hundsstern habe die Eigenschaft, die Sonne noch mchr zu erhitzen, bei den Griechen, die den Hundsstern auch noch Hitze- bringer nannten, waren Erzählungen im Umlauf, wonach auf dem Hundsstern gewalttge Krieger mit Hundsköpfen hause», die die Gluten immer wieder von neuem anfachen. Auch der Sonnensüch, eine Erkrankung, die besonders in den südliche« Ländern Europas   und in Aegypten   hervortrat, wurde dem Hundsstern zugeschri^eu. In Deutschland   fallen die Hundstage zum größ­ten Teil iu die Erntezeit. Dabei sind Trockenheit und Wärme erwünscht, aber die Arbeit draußen im Freien ist bei großer Hitze doch ost recht beschwer­lich. Etwas von dem Geheimnisvollen, das man den HundStagen der alten Römer zuschrieb, ist auch in den deutschen   BollSglauben übergegangen. Merk­würdig ist der über das ganze deutsche Sprachgebiet verbreitete Glaube, daß Ehen, die in den Hunds­tagen eingegangen sind, unglücklich verlaufen. Nach dem BollSglauben mancher Gegenden werden die Hundstage-Ehemänner bald trunksüchtig und lieder­lich, in anderen Gegenden heißt es allgemein, daß beide Ehegatten durch eine Hundstagsheirat unglück­lich werden, und wiederum in anderen Bezirken sagt man, aus solchen Ehen gingen nur ungeratene Kinder hervor. Ein alter in ganz Deutschland   ver­breitetes Sprichwort heißt: Am Hundstag gefreit, hat schon manchen gereut, und ein altes Berschen, daS noch aus der mittel« alterlichen Zeit stammt, lautet: In den HundStagen herzen und lieben, Wird im Ehestarw euch oft bettüben; Drum rat ich euch Burschen und Mägdelein Laßt in diesen Tagen das Freien sein. Zur Zeit, als noch Aderlässen als ein Mittel gegen allerlei Krankheiten und körperliche Be­schwerden galt, hieß es auch in den Medizinbücher», daß man dar Aderlässen in den HundStagen unter­lassen müsse. Erst am Tage Aegidius, am 1. Sep­tember, waren Aderlässe wieder gestattet. In man­chen deutschen   Gegenden hieß eS sogar, man dürfe während der HundStagSzeit nicht in offene» Ge­wässern baden, weil man sich sonst die Blattern zu- ziehen könne. Um den Hundsstern zu versöhne«, opferten die alten Böller in den HundStagen ost Hunde. Der Brauch läßt sich auch bei mittel- und nordeuropäischen Böllern feststellen. In Deutsch­ land   war er im 16. und 17. Aahrhundett in vitteu Städte« Vorschrift, daß Hunde während der Hunds­tage an der Kette gehalten werden müssen. Bürger, die ihre Hunde in dieser Zeit umherlaufen ließe«, wurden mit Geldstrafen belegt. Diese Vorschrift bestand, weil man große Fuäht vor der Tollwut hatte, die besonders an heißen Tagen ausbricht. I« den größeren Städten gab eS auch besondere Hunde­fänger. Aus den Strafen für frei umherkaufende Hunde in den Hundstagen entstanden dann auch di« Hundesteuern. Vielfach hängen auch Wetterregeln mit dieser Zeit zusammen. Es heißt:We«n die Hundstage Regen bereiten, so kommen nicht die besten Zeiten",Hundstage, Regen, bringt keinen Segen",Hundstage hell und klar, bedeuten auch ei» gutes Jahr",Was die Hundstage gießen, muß die Traube büßen",Treten die Hundstage gut ein, wird vier Wochen schönes Wetter sein". Die Zeit der Hundstage ist auch zugleich die Hauptreisezeit. Die Reisenden, die aus den Städten hinauSziehen an die See, in das Gebirge oder son­stige Erholungsorte, wünschen sich natürlich erst recht eine gute und schöne HundStagSzeit. Daher kann man den Erholungsbedürftigen nicht nur zu­rufen:Gute Reise!" sondern auch: ,-Gute Hunds­tage!" Ludwig Adams,