Nr. 171Freitag. 24. Juli 1981.Seite S.Lindberghs fliegen»ach de» Fernen Oste«.Oberst Lindbergh und Frau haben bekauntgegeben,daß sie eine Flugexpedition nach dem Fernen Ostenunternehmen werden. Der Flug, den sie in dernächsten Woche antreten werden, führt über Kanada. Alaska, Sibirien und Japan nach China.Auf der Flugstrecke wurden elf Tankstellen errichtet.Die Flieger werden mit einem Gummiboot undeiner Radiostation ausgerüstet sein. Es wurde Vorsorge getroffen, daß die Flieger während des Flugeszwecks Austausches von Mitteilungen und Ueber-nahme von Wettermeldungen mit Schiffen in Verbindung treten können.31 Millionen Einwohner in Polen. Die letztepolnische Bevölkerungsaufnahme ergab eine Einwohnerzahl vyn 31 Millionen. Damit hat dieBevölkerung Polens in den letzten zehn Jahren umvier Millionen zugenommen.Xekko-Mel mit Ltzre«sch»slz«ad Licht».Als Waschen gesundheitsschädlich war.— Tas„heimliche Heer."— Verhaftet wegen zu großenGestanks.Aus der Höhe des Seifenverbrauchs soll mandie Kulturhöhe eines Menschen erraten können. Nun,wir modernen Menschen schneiden unter diesem Gesichtspunkt gemessen ganz gut ab. Nicht immer istdie Menschheit aber so reinigungswütig gewesen. Eshat im Gegenteil sogar Zeiten gegeben, in denenman die Reinlichkeit geradezu für gesunttheitSschäd-Ach hielt. So hatte das 17. und 18. Jahrhundert,bas Zeitalter des Barock und des Rokoko, eine förmliche Angst vor dem Wasser. Diese Zeit, die anäußerem Glanz und Prunk alles Erdenkliche leistet«,stand in Bezug auf Reinlichkeit auf beschämend niedriger Stufe. I« Mittelalter und noch in der Re-sormationSzeit gab es allenthalben große öffentlicheBabehäuser, di« auch relativ stark besucht wurde«.Sie verschwanden im 17. Jahrhundert vollständig.Bis in. die höchsten Krrise hinein begnügte man sichdamals mit der bekannten Katzenwäsche: Mantauchte die Finger in Ea« de Cologne und betupftesich damit— recht vorsichtig natürlich— das Gesicht. Daß man unter diesen Umständen mit suppen»tellevgroß«» Waschbecken auSkam, ist kein Wunder.Verschwenderischer Gebrauch von Puder, Schminke«nd Parfüm mußte di« fehlercke Reinlichkeit ersetzen.Am Versailler Hof gab es kein« einzig« Badegelegenheit.Di« von einigen hygienemütigen Leuten verfaßten AnstandSlehren lassen erkennen, wie erschreckendwasserscheu mar: damals war. So heißt es in einemBuche, das um 1840 verfaßt und im 18. Jahrhun-dert wieder gedrückt wurde:„Man sollte auchmanchmal i««ine Badeanstalt gehe«, um seinenKörper sauber zu erhalte«. Auch, sollt« man sich alleTage di« Müh« gehen, sich die Hände zu waschen.Aebrigens sollt« man sich beinah« ebersso oft dasGesicht waschen, di« Haare von den Wangen rasieren, und. sich ab und zu den Kopf waschen." Ineinem anderen Buch wird sogar der abenteuerlicheRat erteilt, sich di« Füße zu wasch««! Tas Wechselnder Unterwäsche war ein seltenes Fest, und nicht«in-«al der Sonnenkönig Ludwig der Vierzehnte konnteungestört von Wanzen urck anderem Ungezieferschlafen.Auch dem 18. Jahrhundert, dem Jahrhundertdes Rokoko, war Reinlichkeit nahezu unbekannt. I«einer AnstandSlehre aus dem Jahre 1782 wird vordem Gebrauch des Wassers direkt gewarnt: Mansoll sich daS Gesicht jeden Morgen nur mit einem»einen Linnen abreiben. Dagegen verlange der Anstand, daß man nicht zuviel Schmutz in seinen Ohren«»sammeln läßt, sondern si« vo« Zeit zu Zeit miteinem Instrument reinigt, das besonders zu diesemZweck erfunden ist. ES empfiehlt sich, die Nägel nichtvoll Schmutz zu hoben, und eS ist sehr häßlich, sichmit der bloßen Hand zu schnauben, oder die Nase«m Aermel abzuwischen. Zwei berühmte Aerzt«, dieBrüder Bordeu, veröffentlichten 1773 ein Werk überchronische Krankheiten, in dem sie die übertriebeneReinlichkeit als gesundheitsschädlich bekämpften!DaS Baden im Freien war überhaupt verpönt. Nochzu Goethes Zeiten hielt man Schwimme« für ein«Verrücktheit.Mit zierlichen Schritten trippelten die Rokokoschönen durch ihre Boudoirs, durch ihre verschnörkelten Gärten, hochgetürmte Frisuren auf den Kopf,die meistens nur alle ein bis zwei Wochen erneuertwurden und ein. Dorado für Ungeziefer waren, das„heimliche Heer", wie ein Satiriker diese Schmarotzer nannte, ,)das die elegante Frau auf eigeneKosten ernähren muß." Aber man wußte auch diesesUebel mit Anstand zu ertragen: Kratzen war nichterlaubt, höchstens im stillen Kämmerlein durftendie langen Kopfkratzer in Tätigkeit treten. Im übrigen begnügte man sich notgedrungen damit, die betreffende Stelle graziös mit dem Finger zu be-stopfen: Noblesse adlige! Schminken, Pudern undParfümieren gehörte nach wie vor einfach zumguten Ton, auch bei den Männern. Daß«S nichtimmer die Reinlichkeit vollauf ersetzte, zeigt einVorfall bei einem großen Gastmahl, das der Herzogdon EhaulneS in Rouen veranstaltete. Der Gast-geber sah sich auf Bitten einer Dame gezwungen,einen feiner Gäste verhaften und entfernen zu lassen, weil der betreffende Herr, wie es in einemLlliencronschen Gedicht so schön heißt, nicht gerade«nach Rosen" roch.Auch beim Essen war man in diesem Jahrhun-dert nicht sehr appetitlich. Bis gegen die Mitte des17. Jahrhunderts galt der Gebrauch der Gabel al-affektiert, die Finger oder im Notfall da- Messerwaren ja auch viel bequemer. Noch Ludwig derFüntzehnte aß aller mit den Fingern oder mit demLöffel. In Gesellschaft pflegte jeder mit dem Löffel,Mit dem er aß, seinen Nachbarn aufzutischen, undwenn schön« Frauen sich besonders hervortun wollten, so leckten sie den Löffel vorher ab. G. St.Parfum und Politik.Francois Spoturno, der Korse mit Bonapartenblut.— EinGeistesverwandter Strlbrnys.— Vom Nervi zum Zeitungsdirektor.— Cotys politische Aspirationen.Wer ist eigentlich dieser Coty, der den selt-sanien Beruf, Retter des Vaterlandes zu werden,in sich erwachen fühlte, nachdem er sich ausWässerlein, die allerdings bessere Gerüche verbreiten als jene, ans denen Bespasian Steuergroschen bezog, ein Millionen-Bermögen geschaffenhatte, von dem er nicht nur„non ölet", sondernobendrein behaupten kann, daß es sogar wohlparfümiert ist? In der Napoleons-Stadt Ajaccio stand die Wiege Cotys, dre gerade keine ver-goldete war. Unter Lumpen, aber in sehr stolzerKorsenbrust, trugen die Spoturnos— denn solautet der eigentliche Name des heutigen HerrnCoty— das stolze Bewußtsein, in ihren AdernBuonapartcn-Blut zu besitzen. Diese Behauptung,die Coty wiederholt in seinem„Ami du Peuple"aufftellte, blieb bis heute unkontrolliert; dafür istes aber gerichtsnotorisch, daß der fünfzehnjährigeFrancois Spoturno um 1890 nach Marseille kam,dort bis z«. seiner Militärzest der wenig ehrenwertenGilde der„Nervi",der geborenen Zuhälterkaste für Weiber-, Mord-und Wahlaffären angehörte und mit dem Gerichtzu verschiedenen Malen in Berührung kam.Seine Journalisten-Laufbahn begann sofortnach seiner Militärzeit und setzie damit ein, daßer vorläufig im„Figaro", als dessen Direktor erheute zeichnet, als Laufbursche eintrat. Es gabnur zwei Poste«, die der junge Francois Spoturno, der zeitlebens mit Orthographie, Grammatik und Syntax auf dem Kriegsfuß stand, bekleiden konnte, stellte kürzlich Arthur Lafon inder von Henri Barbusse geleitete«„Monde" fest:den Poste« eines Direktors oder eines Laufour-'fchen. Da ihm vorläufig die Geld-Qualitäten zurElffüllung des ersten Postens fehlten, entschied ersich für den zweiten. Hatder„Figaro"-Laufbnrsche Francois Spoturnoin den Empfangssälen dieses aristokratischenBlattes die einträgliche Idee konzipiert, aus derDustsucht der dort verkehrende« vornehmen Damen Kapital zu schlagen und dies mit Hilfe einermathematisch-kaufmännischen Formel, die ebensoeinfach war, wie sie sich erfolgreich erwies? Derplötzlich, niemand weiß bis heute auf welcheWeise, mit welchen Mitteln, auf welche Erfahrung gestützt und mit welchen Patenten versehen,um 1904 vom Zeitungslaufburschen zum»Fabrikanten" einer neuen Parfümmarke avancierte,bediente sich des Snobismus einer gewissen Klassedadurch, daß.er billigste Wär« in vornehmster Aufmachung in teuersterWeise verkaufte. Der Gründer der FirmaCoty hatte die magische Formel gefunden, diejene des„billig verkaufen,«m viel zu verkaufen",noch übertrumpfte: er verkaufte sehr teuer, umnoch weit mehr zu verkaufen. Spoturno- Cotyhatte den zeitlosen Dünkel der o'oern Zehatausendweiblichen Geschlechts erfaßt; sein Weg begann.Es warder fnst desspiellose Siegevweg einer Parfümindustrie,die aus einem Nichts entstund, mit der Lancierungder berühmten„Rose Jacqueminot" begann unddie im Jahre 1980 nicht nur sechzig Prozent desgesamten Parfümeriewarenkonsums Frankreichsfür sich beschlagnahmt hatte, sondern auch imAusland sich durchzusetzen und bedeutende Marktezu belegen verstand. 1906 schon begann Coch dieEroberung des amerikanischen Marktes, um baldeiner der Hauptexporteure Frankreichs zu werden. Als bei Krieg kam, mußte sich ein derartinternational tätiger Mann, der seine Wohlgerüche über alle Kontinente schweben ließ, natürlich„über das Getümmel" stellen. Er ließ sich„zeitweilig dienstunfähig^ schreiben und blieb eSbis zum Schluß des Krieges, bis ihn die Freudeüber den Waffensieg der Alliierten von den zahl-losen Krankheiten heilte, die seine„Militär"-Akten aufweisen.Da er wahrend dieser Kriegsjahre einige'überflüssige Millionen gespart hatte, sah er sichnach einer sichern Anlage um. Er fand sie in derPolsterbank des Senats. Bon 1919 ab begann fürKorsika die herrliche Zeit des Geldregens. Spo-turno-Coty wollteSenator der Wunder-Inselwerden. Bon Ajaccio bis Bastia spendete er Unsummen, um alle Korsen wahlfähigen Alters davon zu überzeugen, daß, wie er sich in einemallen Haarkünstlern Frankreichs verschickten Prospekt ausdrückte, die Verwirklichung seiner Programms, aus Korsika den großen BlumengartenFrankreichs zu schaffen, zahlreiche Schritte bei denBehörden nötig machen würden, ein Grund, undder einzige, weshalb er Senator werden wolle.Das war gedruckt zu lesen und war vielleicht dieeinzige Prosa, die Coty in seinem Leben selbstverfaßte. Sie aber war von einer geradezuzynischen Offenheit.Mit zwei Stimme» nur wurde der Senatskandidat Coty geschlagen. Besiegt gab sich Cotydamit aber nicht. Er wollte unbedingt in die„Politik" hinein, da ihn eine langjährige Praxiswohl gelehrt hatte, wo die Hauptgeschäfte abgeschlossen werd«:. DenSenatswahlkampf für 1923,wobei er erneut sein« Kandidatur in Korsika auf-stellte, leitete er gypßen Stils ein. Zuerst einmalerwarb er den„Figaro", um seine Presse juhaben. Dann bezifferten sich seM Spenden glichtmehr nach Zehntausenden, sondern diesmal nachHunderttausenden: 800.000 Franken als Subvention für eine Autogesellschaft; 900.000 Frankenfür die Schaffung einer elektrischen Zentrale inAjaccio; 600.000 Franken für Blumenanbau;200.000 Franken zum Studium der Verkehrsund Hotelorganisation, um nur einige der Wahlpropagandasummen Cotys zu nennen. Der Räuberhauptmann Romanetti, der letzte Vertreterder korsischen Räuberromantik, diente ihm alsStimmenzutreiber. Im Bericht des SenatorsHenri Cosnier über diese Wahl finden sich Angaben, denen zufolge für einzelne Stimmen drei-bis zwanzigtausend Franken von den WahlagentenCotys bezahlt wurden. Am 28. Juli 1923 wurdeFrancois Coty mit einer Mehrheit von sechsStimmen zum Senator von Korsika gewählt; derfranzösische Senat, dem anscheinend der Skandalaber doch zu himmelschreiend war, annullierte dieWahl ku« darauf, so daß dem ParfümfabrikantenCoty auch dieses zweite Mal das Tor zur Politikvor der Nase zugefchlagen wurde.Mit jeder Niederlage aber wuchs Cochspolitische Großmannssucht um einige Meter. MSer sich daS Parlament trotz aller finanziellen Anstrengungen so verschlossen sah, änderte er seineTaktik. Er setzte mit seiner antiparlamentarischen Propaganda ein, die heute in FrankreichVerheerungen angerichtet hat, wie sie dreseSLandseit der Boulanger-Aera nicht mehr kannte. Cochgründete den„Ami du Peuple", die billigste Zeitung der Welt.Für zehn Centimes in Paris, für fünfzehn Centimes in der Provinz erhält der französischeZeitungsleser, der 25 Centimes für alle anderenBlätter, für„Populaire" und ,^«manttö" sogar80 Centimes auSgeben muß, morgens und abendsdieses Blatt, dessen Papiermasse an jene dergroßen Boulevaropreffe heranreicht. Mehr noch:an allen Ecken und Enden von Pari- stößt manauf unbeaufsichtigte Stöße dieses Mattes, die dortfriedlich«eben einer alte« Zigarrenkiste der ehrlichen Käufer warte«. Die Masse der KieselsteineImmer«eile Zähne SMSyMMNMM^MMMM^MUM^WMM» schm, vk>. U J-hrkdie Zahnpatzk THIorodonl benutze«. Roch nie Hai sie uns cttfeläulchl l Wir hatten immer weihe LSHne und einen angenehmenGeschmack im Munde, unisvmeyr, da wir schon längere Zeil dasThlorodont-Mundwasser benutz«. Auch denn« die ganzeKamille nur ilhlorodoni.Zahnbürsten." gez.T.Shndoba, Mr...Man»erlange nur die echte Chlorodonl-Zahnpafte, Tube 4 K&und S K&, und weise(eben Ersatz dafür zurück.und Hosenknöpfe, die in jeder dieser improvisierten Kassen zu finden sind, zeigen, daß dre unehrlichen Käufer in der Mehrzahl sind. So funktioniert die Austeilung der GratiSauSgabe des„Amidu Peuple", dessen jährliches Defizit von durchschnittlich zehn Millionen Franke» Coty deckt undin dem sich der große Parfumeur zum Ziel gesetzthat, durch seine bisher eingehaltene Methode, täglich einen Skandal„aufzudecken", das Parlament,das ihn nicht wollte, lotzuschlage.« Mit bol-sihewistisch-hitlerischem Stil wendet sich diesesBlatt mit der verheuchelten Larve des Bolks-mannes an den einfache» Arbeiter, der die Prosader Södlinge des Multimillionärs Coch als denehrlichen Erguß irgend eines revolutionär Gestimmte« verschluckt. Man gebe sich keiner Illusion hin: wen» im vollbesetzte« Pariser Metrozehn Arbeiter eine Zeitung lesen, haben acht vonihnen den„Ami du Peuple",„das billigste Blatt",in der Hand.So versucht heute Coch nicht mehr einzigStimmung auf Korsika, sonder» Stimmung nnganzen Land z« erzeugen.Diktatoren-Plänewerde» ihm vo« manchen unterschoben. Das istwohl zu viel gesagt, aber ganz unmöglich nicht.Coch hat es fertig gebracht, nach der schnellen Zersetzung der fascistischen Legionen des„Faisceau"Georges Valois^ seine» eigenen stark fascrstischangehauchten Frontkämpferverband, die„Croixdu Feu" zu gründen und allen nationalistischenJugend- und Studentenorganisationen finanziellunter die Arme zu greifen. Er liebäugelt heuteoffen mit den Royalisten, di« ihm zwar die kalteSchulter zeige», da sie illoyale Konkurrenz befürchten. Vielleicht erfährt die Oeffentlichkeit einesTages, weshalb er so heftig gegen Briand vomLeder zieht. Urbain-C o h t e r, der einstige Pressechef Cotys, hat in der„Volontö" Enthüllungenveröffentlicht, die sehr interessant sind: vor einigenanderthalb Jahren wurdeCohier im Auftrage Cotys nach dem Ouaid'Orsay geschickt,um Briand eine Verständigung und eine Einigung vorzuschlagen. Jener Berständigunhsversüchzerschlug sich aus Gründen, die vielleicht nurBriand und Coty selbst kennen und bei denenPolitik und Geschäft eng verknüpft sein dürften.Heute will der Parfümeur, mit den Daudet-Banden im gleichen Haß vereint,„eine Dynamitpatrone in den Hintern Briands stecken." Er, dereinst bereit war, für Briands FriedenspolitikPropaganda zu entfalten, wenn gewisse unbekannte Bedingungen erfüllt worden waren, behaut heute die gefährlichste nationalistische Trommel. Das Coty-Parfiim der Polittk ist ein unsichtbares Gas geworden, das die republikanische,demokratische und sozialistische Gesinnung zu meucheln versucht.„Toth in Frankreich" ist heute einepolitische Zeitfrage für die französische Republik,vor der als vor einer siinpeln Presseangelegenheitdie Augen zu verschließen auf die Dauer gefährsich werden könnte.Kleine ChronikDie abgeMlftev Hundstage.Ein verregneter Hochsommer.Kalendermäßig sollen die Hundstage mit dem23. Kuli beginnen. Davon kann aber offenbar indiesem Jahre nicht die Rede sein. Deutschland wardie letzten Wochen recht regengesegnet, die trübePeriode ist nach Ansicht der Wettersachverständigenauch noch nicht vorbei.Das Anfangsdatum für die Hundstage hatnatürlich nur Gültigkeit für die nördliche Erdhälste,da die Bewohner der südlichen Erdhälfte umgekehrteJahreszeiten haben. Aber auch mit dieser Einschränkung ist es nicht ganz richtig, daß die HundS-tage allgemein die heißeste Zeit umschließen. Aufdie meisten Gebiete von Norddeusschland trifft eszum Beispiel nicht zu, daß die Hundstage dieheißesten des Jahres wären. In Deutschland setztnormalerweise die Zeit mit den höchsten Hitzegrade»schon im zweiten Drittel des Juli ein, und siedauert nur bis zum Beginn des August, die heißesteZeit fällt also im Durchschnitt nur auf einen Teilder Hundstage. Dafür gibt es allerdings auchGegenden, wo die Hundstage mehr mit der wärmsten Zeit deS Jahres zufammenfallen.Für den Hundsstern und für die Hundstagezeigte man schon bei den alten Völkern ein großesInteresse. Daß man bei dem ältesten Kulturvolk,den Aegyptern, dem Hundssterne schon sehr frühzeitig ein reges Interesse züwandte, beruhte auseiner ganz natürlichen Erscheinung. Wenn derHundsstern sichtbar wnrde, begann nämlich inAegypten die Flut im Nil zu steigen. Diese Beobachtung hatte für Aegypten und sein« Boden--bebauung ein sehr hohes Interesse, da nach dem.Erscheinen des Hundssternes immer die größte Hitzekam, war eS auch gar nicht verwunderlich, daß beiden verschiedenen Böllern allerlei Erklärungen gegeben wurden, die den Zusammenhang des Sternesmit der Sommerhitze deuten sollten. Plinius derAeltere meinte einmal, der Hundsstern habe dieEigenschaft, die Sonne noch mchr zu erhitzen, beiden Griechen, die den Hundsstern auch noch Hitze-bringer nannten, waren Erzählungen im Umlauf,wonach auf dem Hundsstern gewalttge Krieger mitHundsköpfen hause», die die Gluten immer wiedervon neuem anfachen. Auch der Sonnensüch, eineErkrankung, die besonders in den südliche« LändernEuropas und in Aegypten hervortrat, wurde demHundsstern zugeschri^eu.In Deutschland fallen die Hundstage zum größten Teil iu die Erntezeit. Dabei sind Trockenheitund Wärme erwünscht, aber die Arbeit draußen imFreien ist bei großer Hitze doch ost recht beschwerlich. Etwas von dem Geheimnisvollen, das manden HundStagen der alten Römer zuschrieb, ist auchin den deutschen BollSglauben übergegangen. Merkwürdig ist der über das ganze deutsche Sprachgebietverbreitete Glaube, daß Ehen, die in den Hundstagen eingegangen sind, unglücklich verlaufen. Nachdem BollSglauben mancher Gegenden werden dieHundstage-Ehemänner bald trunksüchtig und liederlich, in anderen Gegenden heißt es allgemein, daßbeide Ehegatten durch eine Hundstagsheirat unglücklich werden, und wiederum in anderen Bezirkensagt man, aus solchen Ehen gingen nur ungerateneKinder hervor. Ein alter in ganz Deutschland verbreitetes Sprichwort heißt:Am Hundstag gefreit,hat schon manchen gereut,und ein altes Berschen, daS noch aus der mittel«alterlichen Zeit stammt, lautet:In den HundStagen herzen und lieben,Wird im Ehestarw euch oft bettüben;Drum rat ich euch Burschen und MägdeleinLaßt in diesen Tagen das Freien sein.Zur Zeit, als noch Aderlässen als ein Mittelgegen allerlei Krankheiten und körperliche Beschwerden galt, hieß es auch in den Medizinbücher»,daß man dar Aderlässen in den HundStagen unterlassen müsse. Erst am Tage Aegidius, am 1. September, waren Aderlässe wieder gestattet. In manchen deutschen Gegenden hieß eS sogar, man dürfewährend der HundStagSzeit nicht in offene» Gewässern baden, weil man sich sonst die Blattern zu-ziehen könne. Um den Hundsstern zu versöhne«,opferten die alten Böller in den HundStagen ostHunde. Der Brauch läßt sich auch bei mittel- undnordeuropäischen Böllern feststellen. In Deutschland war er im 16. und 17. Aahrhundett in vitteuStädte« Vorschrift, daß Hunde während der Hundstage an der Kette gehalten werden müssen. Bürger,die ihre Hunde in dieser Zeit umherlaufen ließe«,wurden mit Geldstrafen belegt. Diese Vorschriftbestand, weil man große Fuäht vor der Tollwuthatte, die besonders an heißen Tagen ausbricht. I«den größeren Städten gab eS auch besondere Hundefänger. Aus den Strafen für frei umherkaufendeHunde in den Hundstagen entstanden dann auch di«Hundesteuern. Vielfach hängen auch Wetterregelnmit dieser Zeit zusammen. Es heißt:„We«n dieHundstage Regen bereiten, so kommen nicht diebesten Zeiten",„Hundstage, Regen, bringt keinenSegen",„Hundstage hell und klar, bedeuten auch ei»gutes Jahr",„Was die Hundstage gießen, muß dieTraube büßen",„Treten die Hundstage gut ein,wird vier Wochen schönes Wetter sein".Die Zeit der Hundstage ist auch zugleich dieHauptreisezeit. Die Reisenden, die aus den StädtenhinauSziehen an die See, in das Gebirge oder sonstige Erholungsorte, wünschen sich natürlich erstrecht eine gute und schöne HundStagSzeit. Daherkann man den Erholungsbedürftigen nicht nur zurufen:„Gute Reise!" sondern auch: ,-Gute Hundstage!" Ludwig Adams,