5H. 196.Sonntag, SS. August 1931.Seite 8Vergessene GesiGter.FttmsOanspieler von gestern und vorgestern.Bon Fritz Rosenfeld.Kreuzorterplage. In den Wäldern deS Erzgebirges ist die Kreuzotter Heuer in bishernicht dagewesener Anzahl vertreten, so daß beimBetreten der Waldungen nach wie vor äußersteVorsicht geboten erscheint. In den letzten Tagenbrachte der Jagdpächter Hoche aus Teplitz ineiner Waldung bei Moldau im Laufe wenigerStunden nicht weniger als 19 Kreuzottern zurStrecke.Prinz Auwei geht in- Volk. Wilhelm-Söhnchen Auwi hat in Brüssow in der Markeinen nationalsozialistischen Aufmarsch veranstalte» Danach fühlte er sich gedrungen, seinePopularität noch mehr zu erhöhen. Er schickteden kleinen Jungen eine- Nationalsozialistenein Päckchen Bleisoldaten und dazu eineBegleitkarte mit der Mühle von Sanssouci mitder Ausschrift: ,-Lieber kleiner Kurt! Hier schickeich Dir Hitlersoldaten zur Erinnerungan den Aufmarsch in Brüssow. Dein OnkelNaziprinz August Wilhelm, Prinz vonPreußen." So macht man sich populär, aberwie tief ist er gesunken: Bleisoldaten, die schonnicht mehr Hohenzollernsoldaten, sondern Hitler-soldaten sind!- Er hat feine« Beruf als Propagandist für die Wiederherstellung der Bolksliebezum angestammten Herrscherhaus verfehlt!Unterm Schiffskessel verbrüht. Bier blinde Passagiere, die sich auf dem im Hamburger Hafen liegender^ Dampfer„Ostsee" der Reederei Schuchmanneingeschlichen und unter dem Schiffskessel verborgengehalten hatten, wurden durch das plötzliche Aufspringen eines Kesseldeckels von dem heißen Kesselwasser übergossen und verbrüht. Tic vier unglücklichen Männer wurden sofort ins Krankenhaustransportiert.Schwanzloses Flugzeug. Mit dem auf demStuttgarter Flughafen Böblingen konstruiertenschwanzlosen Soldenhoss-Flugzeug führte der FliegerEspenlaub einen Ueberlandflug von Stuttgart nachZürich durch, der trotz ungünstigster Witterung beieiner Turchschnittsgcschwindigkeit von 170 Stunden-Kilometern in hervorragender Weise glückte. DieMaximalgeschwindigkcit der mit einem 40 PS-Motor ausgerüsteten Maschine beträgt 200 Stundenkilometer.Volkswirtschaft und Sozialpolitik«tatet Absatz bet Röhteniatafttieim 3ntanb.Trotzdem nur etwa 60 Prozent betKapazität au-genutzt.Unter diesem Titel schreibt die„Wirtschaft":Wie alle Industriezweige, die in irgendeinemZusammenhang mit der. Bautätigkeit stehen, verzeichnet auch die Röhrenindustrie, und zwarnicht nur hinsichtlich der. schmiedeeisernen, sondernauch der gußeisernen Röhren, einen besserenAbsatz im Inland, wobei die erzielten Preisebefriedigend sind. Schmiedeeiserne Röhren werden von den ManneSmannwerken in Schönbrunnund Komotau, Witkowitz, Hahn und den staat-lichen Werken in Zolyombrezo, gußeiserne hauptsächlich von Witkowitz und der Prager Eisenin-dustriegesellschafl erzeugt. Trotz dem besserenJnlandsabsatz wird die Kapazität der Röhrenindustrie nur zu etwa 50 Prozent ausgenützt,weil der Export fast ganz darniederliegt. EineBesserung des Absatzes schmiedeeiserner Röhrenist nach Ansicht der Interessenten nur dann zuerwarten, wenn das Geschäft mit Rußland einengrößeren Umfang als bisher annähme. Abergerade, in dieser Beziehung sind die Aussichtennicht groß, weil das Gesetz über die Exportkreditversicherung und die staatlichen Garantien diedarauf gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hat unddie. zur Verfügung gestellten Beträge zu kleinsind.Statistik bet UebetFtnnbenarbeitfür bas Iaht 1930.In der Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember wurden in den der Zuständigkeit der Ge-werbeinfpektorate und der politischen Behördenunterliegenden Betrieben 2.015 Bewilligungenzur Ueberstundenarbeit in 2559 Betrieben für116.265 Ueberstundenarbeitende(d. f. 22 Prozentder Gesamtzahl von 523.548 in diesen BetriebenBeschäftigten) in der Dauer von 5,972.752 Arbeitsstunden erteilt. Die Symptome der Wirt-fchaflskrise im Jähre 1930 auf allen Gebietender Erzeugungstätigkeit lassen sich auch in derStatistik der Ueberstundenarbeit beobachten. Sosank die Zahl der erteilten Bewilligungen im Jahre 1930 um volle63,7 Prozent der Zahl der Bewilligungenvom Jahre 1929. Die Zahl der Betriebe, denenBewimgungen erteilt wurden, sank ebenfalls,u. zw. um fast dreitausend, d. s. 53.3 ProzentDie Gesamtzahl der bewilligten Ueberstunden erreichte nur 36.7 Prozent des vorjährigenStandes.Die Zahl der Ueberstundenarbeit LeistendenWar im Jahre 1930 um 59:5 Prozent niedriger<Ss im Jahre 1929. Es wurde also im Jahre1930 weit weniger gearbeitet als im Jahre 1929.Mit welchem Anteile di« wichtigeren Industrienan dieser Ueberstundenarbeit beteiligt waren,sowie viele andere interessante Einzelheiten überdi« Ueberstundenarbeit im Vergleiche mit denVorjahren(seit dem Jahre 1921) erfahren wiraus Mlimner 72 der„Mitteilungen des Statifti-fchen Staatsamtes". Di« Daten werden durch einDiagramm ergänzt. Die Mitteilungen sind durchsämtliche Buchhandlungen bei der Ja. Burssk&Kohout in Prag!>.. Böclavssv nämösts zumPreije von 1 K erhältlich.Unter dem Ansichtskartenvorrat im Schaufensterder Kleinstadtpapierhandlungen und der Dorfwarenhäuser findet man noch ost die schalkhaft lächelndenoder dämonisch-finster dreinblickenden Gesichter vonDarstellern und Darstellerinnen des Films,'bie un§heute kaum noch dem Namen nach bekannt sind.Lor zehn, vor zwanzig Jahren umspannte ihrRuhm den Erdball, auch die Geschäfte in den entlegensten Städtchen. mußten ihre Bilder auf Lagerhallen, weil die jüngeren und älteren Backfischemännlichen und weiblichen Geschlechts ihre einsameKammer mit denr Porträt des oder der heimlichAngebeteten schmücken wollten. Nun sind diese vonder Sonne verblaßten, von den Fliegen nicht immermit Ehrfurcht behandelten, zwischen Sardinenschachteln und Konservenbüchsen verstreuten Postkartendie letzten Zeugen vergangener Herrlichkeit, dieletzten Reste verschollenen Ruhms. Es ist ein StückGeschichte des FilmS in diesen Bildnissen vergessenerSchauspieler enthalten, sie repräsentieren die glanzvolle Ausstiegszelt der Filmkunst, den langen undmühsamen Weg von der Sensation der Jahrmarktbude, die der Film um 1895 gewesen, bis zu denAnfängen künstlerischer Filmproduktion, die man umdas Fahr 1910 ansetzen kann.Der Film galt damals als ein verachtetesPöbelvergnügen, und den bedeutenden Schauspielernder Bühne wurde es sehr verargt, daß sie umschnöden Geldes willen sich so tief entwürdigten, imFilm aufzutreten. Aber die weitsichtigeren unterchnen erkannten die ungeheuren Möglichkeiten derdamals noch stummen Filmkunst und wendeten sich,trotz dem Gezeter ihrer Kollegen, dem Film zu.(Bon den großen deutschen Schauspielern warenAlbert Bassermann und Paul Wegener die ersten,die Filmrollen übernahmen.) Die überwiegendeMehrzahl der Filmdarsteller allerdings kam nichtvon der Bühne her. Es waren ganz neue Namen,die da auftanchten und im Laufe weniger Jahreweltberühmt wurden. Der Ruhm der Stars von1910 unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem derStarS von 1930. Amerika spielte damals im Filmnoch keine überragende Rolle, die amerikanischenReklamemethoden förderten damals die Popularitätder Schauspieler noch nicht; Publikumsbeliebtheitmußte noch mit schauspielerischer Leistung erkauftwerden. Und zum Unterschied von den Starr derGegenwart waren die Filmdarsteller der Vergangenheit auch wirkliche Schauspieler, wirkliche Künstler.ES genügt« damalr weder das süße Girlgesicht, nochder Sex appeal, noch gar«ine heisere Stimme.Der Filmschauspieler mußte«ine Persönlichkeit sein,um sein Publikum mitzureißen. Wenn man dieGesichter der Filmstar» von gestern mit denen vonheute vergleicht, so- wird man finden, daß die vergessenen Schauspieler jeder einen andern Typ darstellten, während die Starr von heute alle dasgleiche Durchschnittsgesicht zeigen. Der Film wareben noch nicht Fabritsware, er war noch jung,Ehrgeiz und Talent konnten sich noch gegen dieMacht der Geldgeber durchsetzen; erst Hollywood hatdie Uniformierung des Manuskripts, der Regie unddes Schauspielergesichts gebracht, di« Individualitätverdrängt und an ihre Stelle den angeblich einemallgemeinen Schönheitsideal entsprechenden picksüßenPuppentyp gesetzt.Es sind auffallend viele Skandinavier unterden ersten Filmschauspielern. Die Rordisk inKopenhagen und die SvenSka in Stockholm warendamals führende Filmgesellschaften; von ihren kleinen, unpraktischen Ateliers ging der Weltruhm damaliger Filmschauspieler aus. Der größte unterihnen, der scharmanteste Künstler, der je von derFilmleinwand herab das Publikum bezaubert hat.Waldemar Psylander, war ein Däne. Man kannaußer Charlie Chaplin keinen Schauspieler nennen,dessen Berühmtheit und Beliebtheit sich auch nurannähernd mit der Waldemar Psylanders vergleichen ließe. Psylander hat diesen Ruhm auchverdient; er war ein Künstler, ein großer Mimiker,nicht nur ein eleganter und liebenswürdiger Star.Süß lächeln können die Harry Liedtke, Willy Fritschund Maurice Chevalier auch; aber als Menschendarsteller war Psylander ihnen weit überlegen. Erist jung gestorben: während einer Filmaufnahmerafft« ein Herzschlag ihn hinweg/Ganz vergessen ist der Name Viggo Larsens,eines gewandten Darstellers aus der großen Zeilder Schwedenfilme. Auch Olaf Fönß, der ab undzu noch einmal eine kleine Rolle spielt, ist schonunbekannt. Zu Unrecht vergessen ist Gunnar Tol-näs, der Hauptdarsteller des zweimal gedrehtenFilms„Lieblingsfrau des Maharadscha", der einstmehrere Erdteile unter Tränenfluten gesetzt hat.Gunnar TolnäS hat sich vom Film abgewendet undist nur. noch auf dem skandinavischen Theater zusehen, dessen größter Charakterspieler er ist. Auchseine Partnerinnen, Lily Jacobsen, die erste, undKarina Bell, die liebreizende zweite„LieblingSfrau",sind verschollen, ebenso Helga Molander.Bon den deutschen Filmkünstlern, deren lebendiger Schatten eine Generation begeistert hat, istdi« begabteste, Dorrit Weixler, früh in das Reichder Schatten hinabgesunken. Dorrit Weixler watder lustigste Backfisch des deutschen Films, sie triebmit ihren Hängczöpfchcn im neckischen Matrosenkleidchen in Dutzenden von Filmlustspielen den tollsten Schabernack. Auch das dicke„Karlchen", das inWirklichkeit Viktor Plagge hieß und in hundertzweiaktigen Possen in hundert Verlegenheiten kam,ist bald gestorben; nur die ältesten Kinobesucherwerden sich noch des dicken Männlein» mit derspiegelnden Glatze erinnern. Tot ist auch Eva May,die schöne junge Tochter Mia Mays. An den NamenMia May knüpfen sich die Erinnerungen an diegrößten deutschen AuSstattungs- und Abenteuerfilme. an die„Herrin der Welt", das„IndischeGrabmal" und„Beritas vincit". Vergessen Ist dieblonde Hedda Vernon, Gertrud Welker, die dunkleWanda Treumann,«inst gefürchtete Verführerinaller ihrer Filmpartner, vergessen Lotte Reumann,Lu Shnd, Mazda Orlanda, Grete Lund, die graziöseTänzerin Rita Sacchetto, Erna Morena, Gri:Hegesa, Sascha Gura, gestorben Manja Tschatschewa,das wehrlose Opfer der schlimmen Mädchenhäudlerin den ersten deutschen Aufklärungssilmen(„Verlorene Töchter"!), gestorben Anita Berber, der Starder erfolgreichen Sittenfilme Richard Oswalds. Damals gab es auch im Film ein Ensemble; Oswaldbesetzte alle Hauptrollen seiner Filme mit der Berber, mit Konrad Veidt und Reinhold Schünzel.Der Ruhm Schünzels ist verblaßt, auch der KonradBeidtS ist im Schwinden begriffen. An Fern Andra,die mutige Hauptdarstellerin halsbrecherischer Sensationsfilme, erinnert sich heut« nieniand mehr; auchnicht an Klara Kimball-Aoung, die erste„Kameliendame" des Films, an Ernst Reicher, den DetektivTutzender Stuart-Wevbs-Filme.Aber man muß nicht zehn und zwanzig Jahrezurückgehen, um vergessene Gesichter zu finden. Auchdie StarS, di« noch vor fünf Jahren beliebt waren,sind heut« verschwunden. Lha de Putti, die Affärenreiche, die schon aus der Zeit stammt, in der dieamerikanischen Reklamemechoden das Talent zu ersetzen begannen, lebt nur noch als Erinnerungsbildin der Phantasie fleißiger Kinobesucher. Einst hatteItalien eine große Filmindustrie; die Schauspielerinnen von damalr, die massive Rina Liguoro, Francesca Bertim, die pathetische Almirante Manziniund die nicht weniger opernhaft agierende ItaliaAlmirante sind vergessen, auch Maria Jacobini, diebegabteste unter ihnen. Ihre Bilder finden keineKäufer mehr, ihre Autogramme, einst Heiligtumleidenschaftlicher Sammler, sind längst wertlos geworden. An BiScot, den französischen Komiker,dessen slaunend-dummes Clowngesicht unsere Väterin vielen Filmen zu Lachsalven hingerissen hat, erinnert sich niemand mehr; eher noch an Ma; Linder,den elegantesten Spaßmacher des Films, der imLeben ein unglücklicher Mensch gewesen ist und eintragisches Ende gefunden Hal. Selbst Schauspieler,die erst vor wenigen Jahren starben, wie LonChaney und Albert Steinrück, sind schon aus demBewußtsein der schnellebigen Kinomenschheit geschwunden. Pietät und Dankbarkeit kennt das Kinopublikum nicht, eS spendet nur dem Beifall, dereben auf der Leinwand seine komischen oder traurigen Grimassen schneidet.Unvergeßlich aber, wenn auch zu Unrecht nichtmehr beschäftigt, ist di« größte Darstellerin de»stummen FilmS, die Dänin Asta Nielsen. Wer sieauch nur einmal gesehen hat, wird di« Glut ihrerbrennenden Augen, wird di« unsäglich erschütternd«Herrlichkeit ihres Spiels nie wieder aus dem Gedächtnis verlieren. Leopold Jeßner, der mit AstaNielsen den„Erdgeist" verfilmt hat, sagte von ihr:„Asta Nielsen ist wie wenige jener höchsten schauspielerischen Gnade teilhaft: mit sparsamsten Mit-teln auszudrücken. wofür andre ein ganzer Aufgebotvon greller Deutlichkeit brauchen. Sie war und istdie größte Schauspielerin, die auf der Leinwandsichtbar wurde." Asta Nielsen war der entfesselt«Dämon hemmungsloser Sinnlichkeit, lange bevorda» Schlagwort vom„Sex appeal" aufianchte. Siehat nie Ihre Bein« enthüllen und die Augen rollenmüssen, um verführerisch und leidenschaftlich zu erscheine»'. Ein Zucken ihrer Mundwinkel,«in Blinzeln ihrer Augen peitschte dar Blut ihrer Partnerheißer auf als alle Künste der patentierten Filmvampire von haute, Asta Nielsen entdeckte demFilm einen neuen schauspielerischen Stil; sie hatdie von D. W. Griffith in Amerika zum erstenmalangewendete Großaufnahme benutzt, um alle Feinheiten mimischen Spiel» dem Publikum sichtbar zumachen und auf die gröberen Essekte des von deralten Pantomime übernommenen Körperspiels verzichten zu können. Asta Nielsen hat den ,Hamlet"gespielt und Stutndbergs„Fräulein Julie"; Wedekinds„Erdgeist" und Ibsens„Hedda Gabler"; siewar im„Engelein" ein lustiger Backfisch mit langenHaaren und in der„Schmetl«rling»schlacht" das sechzehnjährige Aschenbrödel. Sie war die„Maria Magdalena" des Jesus-Films und di« Hauptdarstellerinder Michaelis-Verfilmung„Da» gefährliche Alter".Nie hat«in« Schauspielerin«In weiteres Rollen-gebiet umspannt. Ihr stärkster Erfolg war derFilm„Abgrund", den Urban Gad inszenierte.Er war einer der wichtigsten Wendepunkte inder Geschichte der Filmkunst, er bewies, daß manim Film nicht nur äußere» Geschehen, sondern auchseelische Vorgänge darstellen kann, daß da» ungeheuere Reich der Empfindungen dem FUmdichterofsensteht, wenn nur die Filmschauspieler Empfindungen auch darzustellen vermögen. Asta Nielsenist nie in einem schlechten Film cufgetreten; welcherKünstler der Leinwand, welcher Schauspieler derBühne könnte sich dessen rühmen? Sie hat Dutzeiü»«Anträge abgelehnt, weil di« Drehbücher der Filmezu kitschig waren. Ihre letzten Rollen waren in„Laster",„Dirnentragödie" und.Meinstadtsünder".Wenn e» eine Schauspielerin gibt, die ihr nahekommt, so ist das Greta Garbo.Zwei Schauspieler aus der Anfangszeit desFilms haben sich di« Gunst des Publikums zu bewahren verstanden: Charlie Chaplin und HennyPorten. Henny Porten führt allerdings einen hartenKampf, um sich ihren Filmrus und Filmruhm zuerhalten, Charlie Chaplin aber wird trotz Sprechfilm, Farbenfilm, plastischem Film und was dieTechniker sonst noch alles erfinden mögen, als derewige Vagabund der Erd« weiter über die Leinwandder Kinotheater wandern. Und wenn einmal seinGesicht vergessen sein wird, di« tausendmal nachgeahmte und in allen Materialien nachgebildeteGestalt mit den großen, zerrissenen Schuhen, denausgedrehten Beinen, dem Spazierstöckchen und demzerbeulten, schwarzen Hut«rbt sich wie eineMärchenfigur kommenden Generationen fort.Vom Prager RundfunkIndem diese Berichte nach sommerlicher Pausewieder ausgenommen werden, drängt sich gleichanfangs die Unzulänglichkeit menschlicher Einrichtungen aus: die Sonntagssendung(Maria B u-dratzka, Arien aus slawischen Opern) ging imKnattern und Grollen der Gewitterböen unter.Hingegen fuhr in die Vorlesung aus eigenen Werken des H. Dr. Franz Rebiezek nur hie und daein mürrisches Knurren der Atmosphäre, so daßman wohl ein Bild des Gebotenen gewinnen konnte.Die drei„Gedichte"(„Am Straßenrand",„DasHerz",„Heute schritt ich im milden Sonnenschein....") erwiesen sich als Prosaphantasien,beredte Auseinanderfaltung ganz persönlicher Angelegenheiten, denen zum Gedicht gerade die i«Wortsinn gelegene Verdichtung des Erlebnisses zurgeprägten Form und zur Allgemeingültigkeit fehlte.Der Abschnitt aus dem Zukunftsroman„Menschheit"(Untergang Europas durch die Kämpfe diktatorischer Gewalten von links und von rechts) litt ander gemeinsamen Schwäche solcher ZukunftSgcstal-tungen: Da die Voraussetzungen, wenn auch ausGegenwartsderhältnissen abgeleitet, doch erfundensind, so fehlt auch den aus ihnen abgeleitetenSchlüssen das Zwingende der Notwendigkeit, dasunS in der Kunst auch das Tragische tragbar macht.Verstärkt ward dieser Eindruck durch eine oft rechtschablonenhafte, an Zeitungsleitartikel gemahnendeAusdrucksweise.— Lehrreich war der Vortrag Dr.Hans K l e m e n t über Hygiene der Frau, besondersihrer Pubertatsjahre. Wir begrüßen ihn dankbar alsFortsetzung der medizinischen Reihe. Hier wird eSimmer Gutes und Nützliches zu sagen geben.—Außerordentlich interessant war ein gewisser innererZusammenhang zwischen der Mittwochsendung, inder Sekr. Adolf Schmidt, Teplitz, über die Land-Wirtschaftskrise, ihre Ursachen und ihre Beseitigungsprach, und den Ausführungen des Dr. Jng. E.G. D o e r e l I am Donnerstag über Gedanken zumHerbstanbau. Der erstere zählte als Ursachen derLandwirtschaftskrise auf: die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion in den letzten. Jahrzehnten den verhältnismäßigen Minderverbrauch anGetreide, das Alkoholverbot in U. S. A.(!), Ersatzvon Zugtieren durch Motore(geringerer Futterverbrauch), Sowjetrußland als Weltlieferant und dieArbeitslosigkeit in den Industriestaaten, durch dieetwa 80 Millionen Menschen ihre Bedürfnisse nurmehr zum geringsten Teil befiiedigen können. AlsMittel dagegen nannte er innere Maßnahmen derStaaten(Subventionen, Einfuhrscheine, Exportprämien,' Zölle, Monopol); dann Selbsthilfe derLandwirtschaft: genossenschaftliche Durchorgani-sierung, Qualitätsverbesserung und Standardisierungder Erzeugnisse,— aber von alledem erwartetex höchstens Linderung,— Behebung der Krisejedoch nur von überstaatlicher Planwirtschaft, wozuer freilich die politischen Voraussetzungen noch nichtgegeben sieht. Nur wenn man den überlieferten Zustand der Gesellschaft und der Wirtschaft nicht mehrals unantastbar hütet, nur wenn durch Arbeiter undBauern gemeinsam planmäßiger Neuaufbau erfolgt,— nur dann wird diese Krise überwunden undkünftige, immer schlimmere werden vermieden werden..So weit geht natürlich der Sprecher der landwirtschaftlichen Sendung nicht, aber wenn er dielandwirtschaftlichen Schutzzölle als gefährlichesHilfsmittel kennzeichnet, das durch die Rückwirkungauf die Industrie und die Kaufkraft der Arbeiterschaft die Bauern selbst indirekt schädigt, indem erdem Schlagwort von der Autarkie(der Selbstver-sorgung des Staatsgebietes) die Pflicht gegenüberstellt, durch Hebung und Verbesserung der Produktion die Einfuhr überflüssig zu machen, bei erschwinglichen Preisen den Ansprüchen der Käufer entgegenzukommen,— so hören wir Töne, die in der Musikder Landwirtschaft bisher nicht lautgeworden sind.Bei solchen Anschauungen müßte die Verständigungvon Stadt und Land erreichbar seinlieber Verständigung der Völker oder doch eineswichtigen Teils derselben ward berichtet von derInformationsabteilung des Völkerbundes: Gelehrte,Künstler, Dichter aus allen Ländern sind in Genfzusammengekommcn und haben über geistige Zusammenarbeit gesprochen. Methodischer Briefwechsel der geistigen Führer aller Länder soll diesweiterspinnen— hoffentlich ensteht hier eine geistigeMacht, die einen Zerfall wie 1911 nicht mehr erdulden wird.Jnternationalität im schönste» Sinne war dieDienstagsendung: die Aufführung von Wagner»Tristan und Isolde" in Bayreuth unter Furtwänglers Leitung. Da war wirklich nicht nur dasGefühl oder die Einbildung, Bayreuth zu hören,sondern tatsächlich ein außerordentliches Kunsterlebnis. Das Einzelne wirkte, die wunderbaren Sänger(besonders Gotthelf Pistors warme, männlicheStimme und prachtvoll« Wortbildung), der reicheund unnachahmlich abgestimmte Orchesterklang,während freilich die Vollendung des Gesamtkunstwerks, Szenenbild und dramatisches Spiel, fehlten.Dafür aber empfing man al» Ganzes ein in gewaltigen Rhythmen hinrauschendes symphonisches Gemälde von hinreißender Leuchtkraft und genialerKomposition.— Nahezu 200 Sender in aller Weltübernahmen und sendeten dieses Werk, Menschen allerZungen und Farben hörten und genossen rineinziges, an einem Ort wiedergeschaffenes Kunstwerk,— gibt e» ein überwältigenderes Zeugnisdafür, daß die konventionellen Grenzen der Staaten, die übertriebenen Unterschiede der Nationen undRassen nichtig sind vor dem großen Geist* derMenschheit?! Fürstenau.