Beite 2 Donnerstag, 10. September 1931. At. 2i hüllt Freundin, Stütze und Förderi« des Militarismus. Und die deutsche Bourgeoi­sie? Deutschnationale und Haken- kreuzIer, die, wo sie politisch mitbestimmen wie in Deutschland , vom militaristischen Ge­danken geradezu leben, wirken natürlich bei uns als Hemmschuh in jedem aufrichtigen Kampf gegen den Militarismus, ihre nur nationalistischen Motiven entspringenden Phrasen gegen den tschechischen Militarismus wirken anreizend für den tschechischen Natio­nalismus und somit auch für den Militaris­mus. Die Agrarier aber und Christ- lichsozialcn sind deutscherseits als die Förderer des Militarismus anzusehen, als die Schuldtragendcn daran, daß in den Jahren der Bürgerblockregierung nicht nur tüchtig ausgerüstet, sondern auch die Aufrüstung in den folgenden Jahren nach Kräften gesichert wurde. Diese beiden Parteien haben mitge­stimmt fiir die Stabilisierung des Militärbudgets in der Höhe von 1400 Millionen jährlich, sie haben für den R ü- stungsfonds gestimmt, sie sind mitschuldig an der Vergrößerung, des Heeres- st a n d e s, an der Einführung der Ersatz- r e f e r v e, an der Bildung des Korps länger­dienender Unteroffiziere, an der Berschlechte- rung des militärischen Disziplinär­rechtes, an der Abschaffung des Solda­tenwahlrechtes und an der Verhin­derung der Herabsetzung der Dienstzeit. Fürwahr ein riesenhaftes Schuldkonto! So groß, daß Man meinen müßte, die Herren würden in der Wahlkampagne froh sein, wenn vom Militarismus möglichst wenig gesprochen würde. Aber da ereignet sich das Groteske, er­eignet sich etwas, das in einem anderen mittel­europäischen Land oder gar in Westeuropa schlechterdings unmöglich wäre: dieselben Chriftlichsozialen, die blind gehorsam Ge­horsam ist des Christen Schmuck das Volk alles für den Militarismus opfern ließen, was immer er verlangte, diese selben Christ­lichsozialen haben jetzt die Stirn, mit der Pa­role in den Wahlkampf zu gehen, daß wir So­zialdemokraten den Militarismus zu wenig bekämpfen! Ja unlängst bezichtigten sie uns sogar der Demagogie, behaupteten, daß wir den Wählern etwas über kommende Abstriche am Militärbudget und über den Kampf um die Herabsetzung der Dienstzeit vorflunkerten, währenh wir in Wirklichkeit gewissermaßen schon einen Pakt mit den anderen Koalitions­parteien geschlossen hätten, nach dem nach den Wahlen nicht nur alles beim Alten bleiben, sondern der Zustand noch verschlechtert werden soll! Eine feine Partei, diese Christlichsozia­len! Beim seligen Lueger und beim unseligen Seipel! S o schwarz in weiß und weiß in schwarz umlügen zu wollen das macht ihnen so rasch niemand nach! Da können nicht einmal die Kommun i st e n mit, die sich doch gewiß bemühen, hierzulande eine Berech­tigung für ihren angeblichen Antimilitaris- üius nachzuweisen, während die russische Auf­rüstung doch mitschuldig an der Verewigung des Militarismus ist. Die Art und Weise, wie die gerade in den Militärfragen mit schwerster Schuld bela­denen Chriftlichsozialen frech auf Stiminen- fang ausgehen, indem sie die Sozialdemo­kratie als zu wenig antimilitaristisch hinstcl- len, fordert, daß man ihnen überall schonungslos die Maske vom Ge­sicht reißt. Ueberall muß den Arbeitern vor Augen geführt werden, was diese Jesuiten in der Bürgerblockzeit mit ihren Stimmen ge­macht, wie sie ohne mindeste Hemmung mitge­holfen haben, dem Militarismus mehr in den Rachen zu werfen, als alle voraufgegangenen rein nationaltschechischen Regierungen. Und es ist so selbstverständlich wie das Amen im Ge­bet, daß die Christlichsozialen, sollten sie je Das Budget des Landes Bödmen. Gesamtausgaben für 1932 747 Millionen. , Jrz der gestrigen Sitzung des Landesaus« schufst« für Böhmen legte der Finanzreferent den Voranschlag für das Jahr 1932 vor, der den Gesamtbedarf mit einem Betrag von 747,024.700 Kronen, di« Bedeckung mit einem Betrage von 650,787.300 Kronen festsetzt. Der Landesaus­schuß beschloß, das Elaborat zunächst der Budget­kommission zur Aeußerung vorzulegen. In den Vorberatungen zum Voranschlag waren durch Kürzungen der Ausgabeposten be­reits 5,225.500 Kronen erspart worden. Der restliche Bui«etabgang von 96,237.400 Kronen soll in der Weise gedeckt werden, daß ein Teil der Investitionen aus den Besitztverten im Be­trage von 18,770.000 Kronen, der Rest durch Darlehen im Betrage von 77,491.300 Kronen ge­deckt wird. Dadurch ist das Gleichgewicht im Landes­voranschlag unter der Voraussetzung hergestellt, wieder mitregieren, wiederum die willkom­mensten Partner der Militaristen, ihnen wie­derum blind alles apportieren würden. Jede christlichsoziale Stimme bedeutet an ihr übriges Sündenregister soll hier erst gar nicht gerührt werden erhöhte militaristische Ge­fahr, bedeutet erhöhtes Hinarbeiten auf einen neuen Krieg, den sie, ohne mit der Wimper zu zucken, durch ihre Pfaffen eben so segnen lie­ßen, wie sie es im Weltkrieg getan haben. Eine Gewähr dafür, daß es besser wird, liegt einzig und allein bei der Sozialdemo- kratie. daß erstens für die Zuschüsse an die Bezirke und Gemeinden nur der in der Novelle 169/30 vor­gesehene Minimalbetrag von 86,184.000 Kronen cmsgeworfen wird und daß alle administrativen Investitionen, die Ausgaben für die systematische Elektrifizierung und weiters die Erhöhung des Finanzanteiles der Länder an den Bauten des wafferwirtschaftlichen Fonds durch das oben er- ivähnte Darlehen von 77,491.300 Kronen gedeckt Weichen. lieber die Frage der Zuweisungen an die Bezirke und Gemeinden soll nach t>em Gut­achten oer Budgetkommission noch eingehend be­raten und beschlossen werden. Eine Erhöhung erfahren die Posten für Subventionen der Wasser­leitungen- und Meliorationen sowie der Siechen­häuser und für die Erweiterung der eigenen Wirtschaft sowie für Aufgaben, die bisher den Gemeinden und Bezirken zur Last gefallen sind. Der Latchesausschuß gab ferner seine grund­sätzliche Zustimmung mr Errichtung eines Landesstraßenfonos, dessen Organisation ebenfalls noch in den Kommissionen beraten wer­den soll. Abgelehnt wurde ein kommunistisch, Antrag, den Voranschlag in einer außerordciu lichen Sitzung der Landesvertretung sofort zu er­ledigen, da dadurch weder der Wirtschaft noch den notleidenden niederen Selbstverwaltungs- körpern geholfen werden könnte. Der Larchesausschuß hat weiter u. a. zuge­stimmt dem Beschluß der Stadtvertretung in Reichenberg über den Abschluß einer Anleihe von 12 Millionen Kronen zum Bau einer Schulturn­halle, eines städtischen Siechenhauses, einer Fort­bildungsschule und fiir Wasserbauten; weiter den Beschluß der Stadwertretung in Aussig wegen Abschlusses einer Anleihe von elf Millionen zum Bau von Wichnhäusern und schließlich dem Be­schluß der Stadwertretung in Pilsen über den Abschluß einer Anleihe von sieben Millionen X zur Bedeckung des ungedeckten Budgetabganges aus dem Jechre 1930. Sisenbahudeiiztt, Berlehrsmonopoi und die bürgerlichen Parteien. Die Sorge um die Beseitigung der Defizit­wirtschaft bei den Staatsbahnen lenkte och Aufmerksamkeit nicht nur der staatlichen Behör­den, sondern auch der breiten Oeffentlichkeit auf das Problem des immer mehr wachsenden Autotransportes von Personen und Gütern. Bekanntlich klagen die Staatsbahnen darüber, daß ihnen in diesem neuen Verkehrs­mittel ein ernster Konkurrent entstanden sei, welcher stellenweise sogar eine Einschränkung des Zugsverkehres zur Folge habe. Das Eisen­bahnministerium, welches in erster Linie berufen wäre, Abhilfe gegen diese Schädigung eines öffentlichen Unternehmens durch private Kon­kurrenz in die Wege zu leiten, hat sich aus nahe­liegenden Gründen bisher zu keinem ernsten Schritt entschließen können.. Da an der Spitze dieses Ministeriums ein tschechischer Gewerbe- parteiler steht, welcher aus politischen Grün­den Rücksicht darauf nehmen muß, daß ihm nicht der Vorwurf einer Beschränkung des pri­vaten Unternehmertums gemacht wird, ist in absehbarer Zeit wohl auch nicht damit zu rechnen, daß die Eisenbahnverwaltung aus e'genem Antrieb den geänderten Verhältnisse« entsprechend zu neuen Methoden, wie dies ander­wärts geschieht, greift. Tie beiden tschechischen sozialistischen Parteien haben bereits vor Monaten den Gedanken eines st a a t l i ch e n Verkehrsmonopols in die Diskussion geworfen. Das einzige, wozu sich das Eisen­bahnministerium bisher hat entschließen können, ist ein Antrag auf Zentralisierung aller st a a t l i chi e n Berkehrsunternehmungen, welche bisher drei Ministerien unterstanden(die Post­autobusse dem Postministerium, das Flugwesen und der Verkehr zu Wasser dem Arbeitsmini; stdriüm und die Eisenbahnen dem Eisenbahn­ministerium) in einer einzigen Stelle, und zwav dem Eisenbahnministerium. Es ist bezeichnend für den Weitblick der bürgerlichen Parteien, daß bereits dieser wirklich nichtssagende Antrag die tschechischen Natio­naldemokraten in heftigste Opposition trieb. Ihr Hauptorgan, dieN a r o d n i L i st h", werfen dem Eisenbahnministerium vor, damit die Grundlagen zu dem staatlichen Berkehrsmonopol und zu einer wesentlichen Einschränkung der privaten Autotransportunter­nehmungen schaffen zu wollen. Der Vorsitzende der Gewerbepartei, Najman, hat in einer Rede auch schon erklärt, daß seine Partei, wenn es zu einem solchen Monopol kommen sollte, lieber das Eisendahnministerium aufgeben würde. Wie das Defizit, bei den Staatsbahnen beseitigt werden soll, darüber machen sich die Sie laufen vor der Verantwortung davon! Feiges Verhalten der khriftUchsozlalen! Den Christlichsozialen ist es sehr unange­nehm, daß anläßlich der Gemeindewahlen die Be­völkerung wieder daran erinnert wird, daß die Christlichsozialen die Totengräber der deutschen Selbstverwaltung gewesen sind, daß sie es waren, welche der Verwaltungs­reform und dem Gemeindefinanzgesetz zugestimmt haben, daß sie also schuld sind an der Knebelung der deutschen Gemeinden. Sie sangen nun in der Deutschen Presse" davon zu erzählen an, daß die Finanzen der Gemeindennicht nur von einer Gesetzesnovelle, sondern auch von der allgemeinen Gestaltung der Wirtschaftslage" abhängen, daß also an der Finanzkrise der Selbstverwaltung die Wirtschaftskrise und nicht das Gemeindesinanz- gesetz schuld seien. Gewiß leiden die Gemeinden durch den Rückgang der Umlagen, aber die finan­zielle Situation der Gemeinden wäre trotz Wirt­schaftskrise nicht so arg, wenn nicht die Chriftlichsozialen im Jahre 1927 de« Selbstverwaltungskörpern den Strick um den Hals zngezogen hätten. Tie schwere Wirtschaftskrise hat erst ge­zeigt, welch Verbrechen die Christlichsozialen be- aangen haben, indem sie die finanzielle Selbstän­digkeit der Gemeinden rücksichtslos vernichtet haben. Tie Christlichsozialen fühlen auch die Schuld, die sie da auf sich geladen haben und erzählen in dem besagten Artikel derDeutschen Presse", der Finanzminister Tr. E n g l i s habe seinerzeit darauf bestanden, daß Steuerreform und Ge­meindefinanzgesetz als Ganzes angenommen wer ­den. Die deutschen Christlichsozialen hätten damals. Uebergangsbesttmmungen verlangt, umdie Här- ten der Neuregelung"(die alten Sünder beken­nen doch ihre Schuld!) zu mildern. Der Finanz­minister aber weigerte sich und so ist eszu dem Versagen des Systems EngliS" gekommen. Der Zusammenbruch der Gemeindesinanzeu ist nicht nur ein Versagen des Systems EngliZ, sondern ei« Versage« der chriftlichsozialen Politik, die dieses System Engliö unter dem Bürgerblock möglich gemacht haben. Noch emvörender ist es, wa8 dieDeutsche Presse" über die Berwaltungsreform sagt:Was die Durchführung und Praxis der Verwaltungs­reform betrifft", so wird geschrieben,stehen den Nachteilen ebenso viele Vorteile gegenüber." Wo sind denn die Vorteile der Berwal- tunasreform? Ist es vielleicht die Diktatur der Landespräsidenten und Bczirkshauptlcute? Ist es die Allmacht der Bürokratie? Ist es die Einflußlosigkeit der Vertreter der Bevölkerung in Ländern und Bezirken? Sind es die ernannten Mitglieder? Es würde uns interessieren auch nur einen Vorteil der Verwaltungsreform vom chrift­lichsozialen Hauptblatt zu erfahren. Die Bevölkerung seufzt unter den Folgen der Berwaltungsreform und das nennen die Christ­lichsozialenebenso viele Vorteile wie Nachteile". Die Bevölkerung wird aber der christlichsoztalen Partei zeigen, daß den frommen Herrschaften aus den Wahlen keine Vorteile und nur Nachteile er­wachsen werden! KaMIlsomr im hohe« Norden. Karla Schwelb. 1. Hafenstadt und Badeort. Dem hohen Norden gehört ja eigentlich auch schon die Sieben-Hüael-Stadt Bergen an, oder das in blühende Gärten gebettete Badeört­chen Molde ; denn sie liegen beide noch etwas nördlicher als die Südspitze von Grönland , und unser schnelles Motorschis, hat fast zwei Tage gebraucht, um uns von Hamburg hierher zu bringen. In schön geschwungenent Halbrund baut sich Bergen an den bewaldeten Hängen von sieben hohen Bergrücken auf, und erst dreihun­dert Meter über der Stadt, über malerischen Hansahäusern, über belebten Geschäftsstraßen, über einem von geschäftlichem Leben erfüllten Fischmarkt, über dem bunten Geivirr des Hafens chngt die Wildnis des Hochgebirge« an, mit Mooren, Seen, kahlem Fels und verkrüppelten Kiefern. Und Molde : es liegt tief drinnen im Moldefjord, in dessen klarem Wasser sich ver­gletscherte Berggipfel spiegeln. Obwohl es noch fast eine Tagereise nördlicher liegt als Bergen, sind die Gärten bunt von blühenden Rosen­sträuchern, von hohen Fingerhutstauden, van Goldlack und großblütigen Anemonen; und Helle Föhrenwälder und blumige Almwiesen steigen hinter den vornehmen stillen Billen reicher Ge­schäftsleute an den Bergrücken hinan. Auch dies hier die geschäftige Hafenstadt und der fashio- nable Badeort sind schon.Kapitalismus im hohen Norden"; nur läßt einen das Wunder der üppigett Vegetation von der Einwirkung des Golfstroms hervorgezaubert, die geogra­phische Breite vergessen. 2. Am Polarkreis. Aber auf der Weiterfahrt wird das Bild bald anders. Schon der südlichere Teil der nor­wegischen Küste ist in seinem Wirtschaftsleben stark vom Fisch beeinflußt. Nun kommen wir in ein Gebiet, das fast ganz vom Meer undd seinem Reichtum abhängig ist. Nur etwa drei Prozent der Gesamtoberfläche Norwegens sind landwirt­schaftlich nutzbar, ein Viertel ist von Wäldern bedeckt aber Felder und Wälder mit den von ihnen abhängigen Erwerbszweigen finden sich vorwiegend int südlichen, dichter besiedelten Teile des Landes. Hier oben, in der Nähe und jen­seits des Polarkreises scheint dem Beschauer schon Geltung zu haben, was meinFührer durch Norwegen " erst für die Provinz nordwärts von Hamnterfest sagt: Wild, zerklüftet, kahl, in bizarren Formen ragt hier das Gebirge aus der Wasserfläche: an !der Festlandsküste Kette um Kette, ineinander, durcheinander, übereinander geschoben und ge­türmt; gewaltiger Felsblock. Nur an wenigen Stellen schiebt sich im Halbrund eine kleine ebene Fläche in das Felsengewirr; und da sieht man dann ein paar winzige kahle, blutrot ange­strichene Holzhänschen in ärmlichen Gärten oder Wiesen stehen, eine Holzkirche, ettte Schule. Wo sich die Häuser zu einer größeren Sied­lung verdichten, da ist auch immer ein riesiges Krankenhaus da, und ein überraschend großes Schulgebäude. Die Kranketchäuser, besonders die Tuberkulosepavillons, haben guten Zuspruch; denn hier wütet die Tuberkulose ärger als in den ärgsten Elendsvierteln der europäischen Großstädte . Die Schulen neben Volks­schulen, auch Spezialschulen und Erwachsenen­schulen sind außerordentlich zahlreich; in dem winzigen Oertchen G i b o st a d, eine Tagereise jenseits des Polarkreises, steht ein weißes Pracht­gebäude aus Stein die Landwirtschaftsschule. Das Volksschulwesen ist, wenn man die geogra­phischen Schwierigkeiten in Betracht zieht, vor­bildlich ausgebaut; angeblich gibt es auch in die­sem dünn besiedelten Gebiet 3 bis 4 Men­schen pro Quadratkilometer kein Schulkind, das weiter als fünf Kilometer zur nächsten 'Schule zu gehen oder mit dem Boot zu fahren hätte. Wo wie etwa im nördlichsten Teil, in Finnmarken, mit seiner noch dünneren Besied­lung die 5 Kilometer-Zone nicht, eingehalten werden kann, erhalten die Eltern vom Staate Zuschüsse für die Beförderung des Kindes zur Schule oder seine Unterbringung am Schulort. 3. Lofotenfischer. Durch Wochen, ja durch Monate leben die Bewohner NordnorwegenS im Halbdunkel ihres harten Winters, der so hart ist, daß eine Familie 24 bis 30 Führest Holz aus den Wäldern des Hinterlandes einfahren muß, um ein Zimmer und eine Küche zu beheizen. Ein paar Schafe oder Ziegen und ein Kartoffelacker bieten ihnen kärgliche Zuschüsse«zu den Erträgnissen ihres Hauptberufes, der Fischerei. Und die ist ein schwerer Beruf: Im Frühjahr ziehen die Fischer zu Hunderten zum Lofotenfang aus; und haben sie die Bente- eingebracht, so geht es wieder hin­aus, an die finnmärkische Küste, zum zweiten Fischzug. Sie müssen schnell, geschickt, schlau und Überaus fleißig arbeiten, denn auch von der englischen Küste treffen um diese Zeit die Fischer­flotten ein, die dem norwegischen Küstenbewoh­ner die Beute streitig machen wollen. Die Müh­sal und die Gefahren dieser Züge weit ins nörd­liche Eismeer hinaus, oder an der klippenrei­chen Schärenküste kann man sich ausmalen. Und der Ertrag ist ganz gering: War die Beute klein, so ist nichts zum Verkaufen da; war sie groß, so wird der Preis von den profitgierigen Händ­lern, denen die Fischer schutzlos ausgeliefert sind, auf einen lächerlichen Betrag herabgedrückt. Bar­geld ist selten bei diesen Menschen; sie tauschen Fische oder Tran vielfach noch in Primitivem Naturalhandel gegen die wenigen Jndustriepro- dukte ein, derer sie bedürfen. Sind sie von ihren Fischfahrten zurück­gekehrt, so haben sie gerade noch Zeit, den Kar­toffelacker zu bestellen, das wenige Heu einzu­bringen, das Segelschiff zu reparieren dann setzt wieder der erbarmungslose, lichtlose Winter ein. 4. Der Lebertrantrnst. Es gibt da, mitten in diesem für das Auge des Touristen so herrlichen, für die Lebens­bedürfnisse seiner Bewohnen so harten Lande eine große Stadt, T r o m s 5, dasParis des Nordens". Hier erinnern Bankhäuser, große Ladengeschäfte, Industrieanlagen, gewaltige Koh­lenbunker, dahinrasende Autos und geschäfts­tüchtige Hotels daran, daß auch dieses Land dem armen Fischer an der Felsküste kaum be­wußt in das Getriebe der kapitalistischen Welt verstrickt ist. Aus dem Ertrag der unmenschlich barten Arbeit der Lofotenfischer, der Walfisch­fänger, die sich noch weiter nach dem Norden in das Meer hinauswagen, ziehen die großen Fisch­handelsfirmen und der norwegische Lebertran­trust in wütendem Konkurrenzkampf mit den Unternehmungen anderer Länder ihre über­reichen Profite. 40 Prozent Dividende soll der Lebertrantrust trotz der durch Kapitalmangel, Absatzstockung und die kanadische Konkurrenz her- dorgcrufenen Krise im Jahre 1930 seinen Aktionären ausgezahlt haben. Die Politik Nor­ wegens ist bestimmt vom Bedürfnis dieser Un­ternehmungen nach ausländischem Kapital; eine Regierung stürzte, weil sie das fremde Geld nicht ins Land lassen wollte, und die neue Regie­rung kann sich doch auch des Drucks der geld­gierigen Kapitalisten nicht erwehren. Ganz oben im Norden liegt Hammerfest , die nördlichste Stadt der Welt: Holzhäuser an kahlem Fels, kaum ein Dutzend Bäume, und die stehen in den Gärten der paar eleganten Billen. Aber auch vier lassen einen die großen Schuppen und Lagerhäuser am Hafen, die langen Rechen von Transiedereien, die ausgedehnten Fischtrocken­anlagen nicht vergessen, daß der Kapitalismus es verstanden hat, die unwirtlichsten Felsenküsten, die eisgekrönten Fjorde, dieses ganze, Europa Iso ferne scheinende Land seinen Zwecken nutzbar I zu machen (Fortsetzung folg«.)