6 ttit 9«ttwsch, 18. MM.Nr. SIS.Mass« der kleinen Landwirte durch noch größeres Elend des städtischen Proletariats gebessert werden würde, ist freilich mehr alsfraglich.Nicht nur auf die Devastierung des Arbeiterschutzes haben es die Herren vom Bundeder Landwirte abgesehen, auch die politischenRechte der Arbeiter sollen daran glauben. Tersattsam bekannte Abgeordnete Windirsch, derals Inkarnation reaktionären agrarischenGeistes die besondere Befähigung besitzt, Dolmetsch der landbündlerischen Wünsche zu sein,hat es auf einer Tagung seiner Partei klarausgesprochen: das Gemeindewahlrecht soll andie Bezahlung von Gemeindeumlagen gebunden werden. Das heißt, alle, die nicht direkteSteuern zahlen und die bloß durch ihrerHände Arbeit dazu beitragen, daß die Anderendie Steuern auf das Steueramt tragen, sollenihres Mitbesttmmungsrechtes in den Gemeinden beraubt werden. Herrschen sollen in denGemeinden nur die Besitzenden, die'Reichen,die Protzenbauern wie ehedem, jene dagegen,die bloß in indirekter Form, seien es auchhunderte von Kronen im Jahve, Steuern entrichten, sollen rechtlos zusehen, sollen Staatsund Gemeindebürger allerletzter Klasse werden. Ein netter Beitrag fürwahr zu der landbündlerischen Phrase von der„einen Familieauf dem Dorfe"! Die einen in dieser„Familie" sollen herrschen, die anderen kuschen.Wähler, laßt die, die sich als von der Vorsehung bevorrechtet ansehen, bei den Gemeindewahlen siegen, das wäre die beste Art, euchbei allen Wahlen, bei allen Entscheidungen dieRolle stummer Hunde zu sichern! Im Handumdrehen könntet ihr dann auch eure übrigenpolitischen Rechte loSkriegen!Mancher mag der Ansicht sein, daß diesoziale und politische Versklavung der Arbeiterschaft, wie sie von den politischen Agrariernangestrebt wird, vorläufig ein frommer Herzenswunsch bleibt, doch einer der agrarischenForderungen wird niemand ihre Aktualitätund ihre unmittelbare Gefährlichkeit absprechen, das ist ihrem Verlangen nach Beseitigung des Mieterschutzes. Umihre unheilvolle Macht im Staate zu vermehren, angeln die tschechischen Agrarier seiteiniger Zeit auch nach statischen Stimmenund sie geben vor, neben der Rettung derBauern auch jene der Städter zu betreiben.Selbstverständlich nicht aller Städter, nurder hausbesitzenden, denn erst bei jenen- die esdurch gute Wahl ihrer Eltern oder durch sonstige glückliche Umstände zum Besitz eines Hauses gebracht haben, fängt für die Partei derRestgutbarone der Mensch an. Eine beispiellose Krise wütet im Lande, Hunderttausendesuchen vergeblich nach Arbeit und Millionenkönnen kaum notdürftig ihren Hunger stillen,aber die tschechischen Agrarier und in ihrerGefolgschaft die deutschen Landbündler machenwütende Angriffe gegen die Reste des Mieterschutzes, halten es in ihrer Habgier und Borniertheit für das Zeitgenräßeste, zu fordern,daß gerade jetzt in der Zeit der bittersten Not,da wir vor einem schreckensvollen Winterstehen, den armen Menschen das Wohnen verteuert werde in einem Maße, die viele direktobdachlos machen würde. Das ist ein Angriff auf das nackte Leben und ver-iDer TraumlenkerRoman von Hermynla Zur Mühlen.Erstes Kapitel.„Der Baumwollllttü ist aufs günstigstebeeinflußt".Die Oktobernacht schrie mit feurigen Zungen. Aus der trostlosen Herbstschwärze tauchtenFlammen auf» rote, blaue, gelbe, grüne. Siezuckten über den dunklen Himmel, sie schoflen vonhohen Gebäuden empor, liefen flackernd Häuserfronten entlang. Und verkündeten mit stummemBrüllen Weisheit und Prophezeiung unsererLage:„Weinbrand ein Feinbrand!"„Persil bleibt Persil!"„Lux Seifenflocken sind das Beste!"Sie stellten Gesetze auf:„Die elegante Dame kauft nur beiFromm und Hart."„Der vornehme Herr kauft seineWintergarderobe bei Kramer undBlauer."Sie baten und beschworen:„Bürger sparet zur rechten Zeit,Nassauische Ban kl"„Gedenken Ste in der Iugend derGefahren des Alters, Madame PerasSchönheitssalon!"„Vergessen Sie nicht, Peter PanLigaretten sind die besten!".„Was verleihtder schijnen Frau nochgrößere Schönheit? Diamanten, Perlen, Rubine, Edelsteine aller Art,Schmidt und Sohn!"Und dann, bescheiden, um die Menschen,deiren nach dem Einkauf all dieser unbedingt notgcklich weichen die Agrarier zu seiner Recht-fertigung irgendwelche Interessen der Bauerngeltend machen können. Die große Masse derLandwirte hätte vom Gelingen dieses herzlosenPlanes nicht den mindesten Vorteil, vielmehrdagegen Nachteil, denn jede Verteuerung desWohnens der städtischen Bevölkerung hättenur deren verringerte Kauflrast zur Folge undsie wäre noch weniger als jetzt in der Lage,landwirtschaftliche Produkte in ausreichendemMaße zu konsumieren. Daß sich die Agrarierauf diese Forderung versteifen, obwohl sie mitder Förderung bäuerlicher Interessen nichtdas allermindeste zu tun hat, dafür ist die Begründung lediglich im schäbigsten Mandatshunger zu suchen. Um einiger tausend Hausbesitzerstimmen schlagen die Bauernretterebenso alle menschlichen Erwägungen in denWind, wie sie auch bedenkenlos die wirklichenInteressen der landwirtschaftlichen Bevölkerung preisgeben!Es geht um vieles und lebenswichttgesfür die arbeitenden Menschen bei diesen Wahlen! Und nicht grundlos richten sich die Angriffe aller arbeiterfeindlichen Parteien konzentrisch auf die Sozialdemokratie. Alleinlauf sie! Daran mögen die Arbeiter in Stadtj und Land erkennen, wen die Besitzenden ammeisten fürchten, wen sie in feinem Einflußschädigen wollen, um ihre Absichten verwirklichen zu können. Umso zäher und leidenschast-! kicher heißt es zu der Partei zu stehen und} für sie zu kämpfen, an der allein die volks-! feindlichen Pläne der als Bauernretter ver-! kleideten Reaktionäre und aller ihrer Hilfs-! truppen zerschellen können!Die BnrgerlKhcn und Her neimwelirpBiscn:Ehe der üahn zweimal gekräht hat,haben sie alle den Hahncnsdiwanz verraten!Wenn man Montag und DienStag diebürgerlichen Zeitungen Oesterreichs wie auch dieunserer fudetendeutschen Bürgerparteien las, somußte man glauben, daß die grünen, schwarzenund gelben Herrschaften, daß Nazi, Agrarier undKlerikale feit eh und je die geschworenen FeindedeS HeimwehrrummelS gewesen seien. Die„Volksbewegung" von einst wird nun als„Wahnsinn"und„Verbrechen" bezeichnet, man spottet oderschimpft, fällt harte Urteile und wer nicht jahrelang gelesen hätte, wie die Heimwehren in denselben Blättern verherrlicht, verteidigt und alsRetter des Vaterlandes begrüßt wurden, derkönnte wirklich glauben, daß die Krebs undHilgenreiner, die Spina und Horst h n k a niemals in ihrem Leben den Starhem-berg ernst genommen oder dem Pfrimer denbesten Erfolg gewünscht hätten.Die gauqe schäbige Gesinnung dieses Bürgertums, die Charakterlosigkeit seiner Parteien und seiner Presse wird offenbar, wenn mandiese Wendung durch Gottes Fügung, dieseSchwenkung um 180 Grad, diesen Ueberlauf mitfliegenden Fahnen, schwarz auf weiß fesfftellenkann. Die Christlichsozialen haben dieHeimwchren doch an ihrem keuschen Busen großgezogen, der Herr Seipel hat sich dessen gerühmt, daß er sie mit den Geldern der(inzwischenan ihnen verkrachten) Banken und der Industriellen aufgepäppelt hat, der jetzige MinisterV a u g o i n hat noch vor einem Jahr der Regierung vorgescffen, in der Starhemberg Innenminister. war, er hat die Lausbübereien dieses,famosen„Ministers" gedeckt und den Rechtsbruchgeduldet, den Starhemberg sich durch den^Diebstahl von Waffen des Schutzbundes leistete. Die„Deutsche Presse" der Herren Hilgenreinerund Mahr-Harting hat gegen unsere Prefle vornicht allzulanger Zeit einen Prozeß geführt, weilwir sie, und zwar mit gutem Grunde und vollemRecht, in ihrer Parteinahme für die.Heimwehrender Unwahrheit geziehen hatten. Die Deutschnationalen haben vor Jahr und Tag den„Hemi-wehrjochwind" besungen, der in die Straßen deSroten Wien fegen urck> den Marxismus Hinwegblasen würde. Die Nazi gar haben doch jahrelang in den Heimwehren ihr eigen Fleisch undBlut gesehen und sind erst von ihnen abgerückt,als sich die nationalsozialistische Konkurrenzpartei in Oesterreich von den Heimwehren bedroht fühlte. Immer aber haben die Nazi dieZiele der Hrimwehr gutgeheißen, ihre Methodenaus vollen Herzen gebilligt und der Starhemberg,der doch die hohe Schule Adolfs des Trommlersbesucht hat, erschien ihnen als„Führer" ohneFehl und Tadel. Run wenden auch sie sich entrüstet von den„Abenteuer", von der„Putschromantik"(als ob Adolf niemals geputscht hätte)und spielen sich auf die verfassungstreuen Demokraten auf. Unter dem Eindruck der österreichischen Blamage deS Fascismus hält eS der„Tag"für angebracht, das Legalitätsbekenntnis desHerrn Krebs, abgelegt in einer Wählerversammlung in Türmitz(„Wir haben eS nicht nöttg, mitillegalen Mitteln zn kämpfen") in großer Aufmachung zu bringen. Sie alle ziehen jetzt denTrennungsstrich, beflagen da» arme Oesterreichund verdammen die wahnsinnigen Putschisten.Man lasse, sich durch dieses Pharisäertumnur ja nicht irreführen. Die armseligen Heimwehrschächer waren doch nur Puppen in derHand der Industriellen, Bankiers, Bischöfe undbürgerlichen Politiker. Der ganze Verlauf desPutscheS zeigt, wie gleichgültig den Mannen vonder„Volksbewegung" im Grunde der Spaß war.Sie erfüllten ihren Auftrag, setzten sich mit demSolde zum Bier oder Wein und als die Gendarmen kamen, zogen sie Leine. Hätten das Kapitalsie nicht besoldet und uniformiert, hätten Deutsch-nationale und Klerikale sie nicht aufgepäppelt, siewären nie dazugekommen, ihren verbrecherisckenWahnsinn in Taten umzusetzen. Will man Gefahren vermeiden, wie sie der Hsirnwehrfascismusseit Jahren über Oesterreich herausbeschwört,chann muß Man die Hintermänner des Fascismustreffen!Hätte Pfrimer Glück gehabt, wäre der Putschgelungen, dann würden die Nazi, die Klerikalen,die Krebs und Jung und Mahr-Harttnq ihn alsden großen Mann, den Vetter Mussolinis undHitlers feiern. Da es schief ging, kennen sie ihnnicht mehr. Die Hahnenschwänze. die ihnen ebennoch ein Symbol ihrer eigenen Wünsche waren,werden zum Narrenschmuck und der Patriotismus zum„Wahnsinn". Wer zu diesem Bürgertum, zu diesen Parteien Vertrauen hat, der gebeihnen seine Stimme: sie werden auch bei unsMittel und Wege finden, Unordnung, Korruption, Gewalt und was dec Fascismus sonst anSauereien anrichtet, zur Grundlage des öffentlichen Lebens zu machen!Der Atrrreichiiche Jammerund seine Ursachen.Während, sich die CH ristlich sozial eujetzt, um die Genfer Anleihe zu retten und n-ichiihre Parteipfriurde auf dem Altar der GläubigerOesterreichs opfern zu müssen, den Anscheinstrengster Legalität und des nobelsten Antifasris-mus geben, zeigt der Verlauf des Butsches.sehrdeutlich, wer die Hauptschuld an dem Elendder österreichischen Jmmnerstaatlichkeit"trägt.In Steiermark haben Gerichte, Be-Hörden und Gendarmerie unter demProtektorate des christlichsozialen Landeshaupt-uuumS Rintelen den Heimwehrputschvorbereiten Helsen. Er wäre, hätte derHerr Rintelen sich so verfassungstreu und anständig benommen wie der oberöstsrreichischeLandeshauptmann Schlegl, wahrscheinlich nieausgebrochen. Die„Arbeiter-Zeitung"schreibt in ihrem Leitartikel vom Dienstag überdi« Zustände in Steiermark:,Wenn sich selbst einige R i ch t e r am Sonntag nicht als Richter, sondern als Funktionäre derPutschorgamsotion benommen haben, was kannman dann von den Offizieren der steirischen G e N-d a r m« r ie und von den politischen Beamten dersteirischen Bezirkshauptmannschaftenerwarten?Die Eigenart der steirischen Gendarmerie tftftit mehr als zehn Jahren bekannt. Die HamenPeinlich. Zellburg, Meißner sind mden Reden der sttzialdemokratischeu Abgeordnetenhundertemal genannt worden. Das Grazer Gev-darmeviekommando hat schon 1919 die verdächtigsten Beziehungen zu der monarchistischen Verschwörung, die sich damals in Gleichenberg niedergelassen hatte, unterhalten. Es stand wahve»u> derBurgenlandkampfe in freundschaftlichster Beziehung zu den Horthh-Banditen, mit denen dicRepublik im Kampf stand. Unter seinen Augensind di« falschen Banknoten in Wetzclshorf gedrucktworden. Als dann die Heimwehrslut begann,haben sich sofort die allerengsten Beziehuugenzwischen dem Grazer Gendarnreriekoinmando undder Heiurwehrsüh-rnng entwickelt. Im Jahr« 1927hat der Grazer Geudarmeriekomurandant Pc i n-lich den st«rrsch«n Heimatschutz Pfrimcrs— dieselbe Organisation, die am Sonntag den Putschunternommen hat!— durch einen Erlaß für ein:öffentliche Sicherheitseinrichtung erklärt; aufGrund dieses Erlasses sind dann Heimatschütz.er.di« angeklagt waren, well sie Arbeiter gewaltsamfestgenomnten und entführt hatten, von steirischenGerichten fteigefprochcn worden, tveil der Heimatschutz nach dem Peinlich-Erlaß eine öffentlicheSrcherheitseinvichtung sei und seine Mitgliederdaher berechtmt seien, Verhaftungen vorzuneh-:men! Dieser Erlaß ist-auch jetzt noch nicht aufgehoben! MS immer häusigxr im Parlament dar-über Beschwerde geführt wurde, daß die führendenMänner der steirischen Gendarmerie mit derHeimwehrleitung eng versippt sind, an Schießübungen der Heinrwehr teilnehmen, Heimwebr-waff«n verwahren, hat das Ministerium lesInnern einigemal versucht, die skandalösesten Mißstände bei der steirischen Gendarmerie abzustellen.Es war alles umsonst. Rintelen hielt überdie Gendarmeriefascisten schützend seine Hand-..Die Folge« haben sich Sonntag ge^igt. DieterPutsch tvar feit Tagen vorbereitet; di« steirischeGendarmerie hat nichts davon gemerkt. Sie bat,als er schon ausgebrochen war. erstaunlich fvätfeinen Ausbruch der Regierung gemeldet. Nehat sich in einigen Orten stundenlanq auch gegensehr schwach« Heimwehrkraftr. die Bürgermeisterabsetzten und Gemeindeämter besetzten, ganz passivwendigen Dinge noch ein paar überflüssige Markin der Tasche geblieben waren, an em« langweilige Pflicht zu mahnen:„Gedenkt der Erwerbslosenfürsorge."Peter Brenn stellte daS Glas Kognak aufden KaffeehauStisch zurück und blickte durchsFenster.„Paßt auf", sagte er zu seinen beiden Ge-.führten. ,^Jetzt reißt die Nacht ihr Riesenmaulauf und schreit für mich."An der gegenüber gelegenen Hausfrontwaren für einen Augenblick die leuchtenden Buchstaben erloschen. Run flammten sie von neuemauf ,grellblau, zitternd, und fragten mit mütterlicher Besorgtheit:„Hat Ihnen der Tag Enttäuschungen gebracht? Leiden Sie unter einemKummer? Drücken Sie finanziell«Mißerfolge? Können Sie auch desNachts im Traum daS Elend des Lebensnicht vergessen? Dann kommen Sie zumir! Ich werde Ihre Träume lenken.Die Nacht wird Ihnen geben, was derTag versagt. Gestärkt und ermutigtdurch glücklich« Träume werden Sie amfolgenden Tag an die Arbeit zurückkehren und Erfolg erringen. Schöne^Träume garantiert Ihnen PeterBrenn, Kaiser st raße 7. Sprechstundenvon h—10. Preis nach Vereinbarung.Kommt alle zu mir, die Ihr Mühseligund beladen seid."Hans Bauer schüttelte mißbilligend denblonden Kopf, und seine guten blauen Augenblickten bekümmert drein:^»Dieser letzte Satz, Peter, ist eine Blasphemie!"Peter lachte spöttisch:„Weshalb?"Hans wurde ei« wenig verwirrt.„Well, nun ja, schließlich hat doch rin...ein Größerer diese Worte gesprochen und..."Dr. Albert Baer unterbrach ihn:'„Du bist ein Narr, Peter. Glaubst du wirklich, daß dir die Leute auf diesen Schwindel hereinfallen?"„Es gibt keinen Schwindel, auf den di«Leute nicht hereinfallen. Außerdem ist es keiner;du weißt doch, daß ich wirklich die Träume derMenschen beeinflussen kann."„Nur der Schwächlinge, Peter."„Es gibt nur Schwächlinge", entgegnetePeter ungeduldig.„Alle Menschen haben eineverwundbare Stell«, und an der sind sieSchi: nge."„Und du glaubst wirklich, daß sie für einensolchen Blödsinn Geld auSgeben werden?"Peter lachte.„Wetten, Albert, daß schon morgen Kunden,Patienten, wie immer du sie nennen willst, inmeinem Wartezimmer sitzen werden?"Dr. Albert Baer zuckte die Achseln. Erkannte die Leichtgläubigkeit der Menschen undlachte darüber. Seinen übermütigen braunenAugen war anzumerken, daß er über die meistenDinge im Leben lachte.Hans Bauer trank sein« Orangeade ausund fragt« etwas schüchtern:„Seit wann besitzt du die Fähigkeit, Träumezu beeinflussen, Peter?"„Seit meinem achtzehnten Jahr", erwidertePeter kurz. DaS spöttische Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden, ein Schatten lag aufseinen Zügen, die grauen Augen mit den dunklenPupillen blickten starr, als sähen sie etwas inweiter Ferne. Peter Brenn dachte an die Zeitzurück, da er zum ersten Mal seine seltsameFähigkeit erprobt hatte.Die Flammenzungen der Nacht verschwanden vor seinen Augen. Herbstneocl brodeltenüber trostlose, schlecht erhellte Straßen, durchdie traurige Menschen schritten. Er selbst, einachtzehnjähriger, magerer, unterernährter, hochaufgeschossener Bursche, stand im dunllen Flurder Keinen Wohnung und sprach flüsternd mitdem alten Dr. Heinrich Baer, dem Vater seinesSchulkameraden und besten Freundes.„Mit deinem Vater kann ich nicht reden,Pete?', sagte der freundlich« alt« Mann, ,/derist toll vor Patriotismus, ein echter Gymnasialprofessor. Aber dir muß ich die Wahrheit sagen:wenn wir deiner Mutter nicht ein paar ruhigeNächte verschaffen können, wird sie den Verstandverlieren." Der alte Mann stockte, schluckte einpaar Mal heftig, sagte dann mit nicht äanz festerStimme.„ES ist ja b^reiflich; da» Wunder istvielmehr, daß wir nicht all« vor Grauen denVerstand verlieren, dieser verfluchte Krieg."Und Peter Brenn sah die Mutter vor sich,wie sie tagsüber durch die Wohnung huschte, einkleiner grauer Schatten, selbst das schwarzeTrauerkleid schien grau, grau war daS schüttere,zu einem festen Knoten gewundepe Haar imNacken, grau waren die mageren, abgearbeitetenHände, grau und tot war daS schmale Gesichtmit den farblosen, fest zusammeng«pr«ßten Lippen. Nur di« blauen Augen lebten in dem totenGesicht, sie glühten fiebng und schrien:„MeinKind, mein kleiner Kurt, waS hast ihr ihm getan? Meinem schönen starken, gesunden Jungen. Eine Granate hat ihn zerfetzt. Mein Kind,mein Kind!"Tagsüber schwieg die kleine graue Frau.Aber nacht», wenn alles stumm war und derSchlaf sie ihrer Willenskraft beraubte, brach ihrJammer aus. Nacht um Nacht fuhr Peterschaudernd auS dem Schlaf, aufgeschreckt von demSchrei, der vom Schlafzimmer der Eltern zu ihmherüberdrang, dem Brüllen eines wildert Tier-weibchenS, vor dessen Augen sein Junges getötet wird.Fortsetzung folgt.)