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Ernührungsaktion Milchaktion Produktive Arbeitslosen fürsorge Hilfsaktion J. arbeitslose Staatsbürger int Ausland..»' Hilfsaktion für selbständig«, in der Heimindustrie tätige Personen........ Hilfsaktion für die Arbeitslosen- ' fonds der Gewerkschaften.. Zusammen:...
l-- mit gefälltem Die beiden Parteien ihre Lokale zurückste-
Unterstützungsaktion für selbständige in der Seimnrbett fffttoe Der Minsstorrvt hat in seiner letzten Bor feriatöfrtzung einen Betrag von 2 Million-' Kvonon zur Durchführung einer Unterstützung.' aktion für in Not geratene selbständige in Heimaatbeit tätige Personen bewilligt. Mit der Durchführung dieser Aktion ivurtc das Ministerium für soziale Fürsorge betraut, dar bereits di« notwendigen Erhebungen Wer den Kreis der einzubeziehenden Personen eingeleitet hat. Nack? Abschluß der Erhebungen wird mit der Aktion begonnen werden.
Mt gefAttem Bajonett... Rene Zusammenstöße in Kindberg . Graz, 20. September. In Kindberg kam es heut« nachmittags nach Schluß einer von dem Abgeordneten Wallifch veranstalteten Versammlung auf der Strafte zwischen Versammlungsteilnehmern und Heimwehrmitgjliedern zu Hr-. sammenstößen. Da die Situation äufterft kritisch wurde, gab der Vertreter der BezirkIhauptmann- schaft Mürzzuschlag dem Kommandanten der in Kindberg noch liegenden Kmnpagnie des Bun> desheereS den Befehl, Bajonett vorzugeheu. wurden getrennt und in drängt. Später erhielten sowohl die"Sozialdemokraten als auch die Heimwehrleute freien Whug.
MWWIMWWWMMMWMlMMMAC An alle Arbeiter-Rad- md Krastsabrer! Sportgenofsen«. Sportge«offin»eu. Am' kommenden Sonntag werden in saft 70 Prozent der Gemeinden dieses Staates die Wahlen durchgeführt. Uns Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer kann es nicht gleichgültig sei«, wie di« Gemeindevertretungen politisch zusammengesetzt sind. Wir können di« Erfüllung unserer Fo derungen nach Schaffung von Radfahrwegen vernünftigen Verkehrsbesttmmnngen, Beiftellun von Sportplätzen und Schulturnhallen für unsere Radsportler, Vereinheitlichung der VerkehrSschil der usw. nicht von kommunalen Verwaltungen verlangen, in welchen Vertreter der bürgerlichen Parteien dominierend sind. Wir müssen trachten, Einfluß auf die Gc mrindevertretlmaen zu gewinnen, was nur dadurch geschehen kann, wen« wir rege Wahlhilfe für die sozialdemokratisch« Arbeiterpartei als der Vertreterin unserer Interessen leisten. Rur unser« Vertreter in den Gemeinde« werden wir für die Verwirklichung unserer Forderungen eintreten. Wir kämpfen für die sozialistisch« Verwaltung der Gemeinden. Deshalb gibt«S kür jeden Arbeiter-Rad. und Kraftfahrer nur ein« Parole, am 27. September 1931 sozlaldemokrattfch zu wählen! Für-en Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer-Bund LSR. Sitz: Tnrn-Teplitz. «. ProchaSka, I. Feistauer, Bundesschriftführer. Bundesobmann.
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Wi(L_ 449«Ritt. K Also nahezu 450 Millionen! Und mru fragen wir im Namen zehntausender Proletarier, denen die sozialpolitische Wirksamkeit der Sozialdemokratie das nackte Leben gerettet hat, null fragen wir die ganze Arbeiterschaft: Wieviel haben die Kommunisten für d«e Arbeitslosen erkämpft!
seine Parole für Gemeindewahlkämpfe zu beherzigen: daß die Gemeindeangelegenheiten nichts mit Politik zu tun haben. Als es i n der Gemeinde seine Interessen nicht mehr wahren konnte, weil der Gegner zu stark geworden war, benutzte es seine„p o l i- tische", seine parlamentarische Macht, um durch Gesetze seine Taschen vor der „Fürsorgeinflation" zu schützen. Und die versperrte Schulklinik, das nicht zu Ende gebaute Krankenhaus, das die Arbeiterin vielleicht auf ihrem AÄbeitsweg sieht, sind ausdrucksvolle Sinnbilder für di« Segnungen der Bürgerblockregierung, deren Mitglieder noch heute stolz darauf sind, daß sie mit der„Schleuderwirtschaft der Selbstverwaltungskörper Schluß gemacht haben". Denn die große Politik, von der so viele Frauen nichts wissen wollen, weil sie„eigene Sorgen haben", verschmäht es nicht, gegen Gebäranstalten und Mütterberatungsstellen zu Felde zu ziehen. Auf dem Kampfplatz der geschmähten Politik, mit der die Frauen angeblich nichts zu tun haben, wird darüber entschieden, ob ihre„eigenen Sorgen" größer oder kleiner werden. Davon, wem hunderttausend« Proletarierinnen politische Macht geben, hängt es ab, ob die Gemeinden ihre durch die Krise so angewachsenen Aufgaben, erfüllen können oder nicht; ob die Mittel der Gemeinde beschafft werden sollen aus den Abgaben, die auf dem Wasser, dem Fleisch, der Miete, ja selbst den Begräbniskosten der Proletarier lasten, oder aus den Taschen der Besitzenden.. In doppeltem Sinn können die Frauen bei der Wahl über die zukünftige Gemeindepolitik und damit auch über ihr eigenes Wohl entscheiden: einmal, indem sie die Zahl, der sozialdemokratischen Vertreter in der Gemeinde selbst vergrößern helfen, dann aber auch, in dem sie die politische Macht der Sozialdemokratie stärken, jener Partei, die das lÄcmeindefinanzgeseh erbittert bekämpft und die während ihrer Negierungsbeteiligung auch schon seine teilweise Reform durchgesetzt hat. Zur Fürsorge und. zum Kampf aber braucht man Macht. Und die Frauen sind eine getvaltige, eine ausschlaggebende Macht, der Bürgermeister von Wien , die Schöpfer der Wiener Gemeindepolitik sind von einer Mehrheit von Frauen gewählt. Die Frauen von Wien haben sich Hilfe und Fürsorge in ihren Nöten selbst erkämpft. An den deutschen Frauen der Tschechoslowakei liegt es, das Wie ner Beispiel nachzuahmen.
Eine kommunistische Wahl-Schurkerei. Eine agrarische Intrige gegen das rarsorgeminlsteclnm legen sie dem Genossen Dr. Czcdi zur Last! Die deutschen Organe der KP6 brachten Sonntag in größter Aufmachung mit einem vier spaltigen Katastrophentitel„Wir enthüllen den sozialsascistischen Schwindel mit den Arbeits losen" wohl die größte Wahl-Schur- k e r e i, die sich die im Lügen, Erfinden und Ver drehen bekanntlich sehr geübte Presse der Kom munisten bisher geleistet hat. Abgestumpft von der täglichen Lektüre der Reimann-Mattel «, schenken wir den kommunistischen Behauptungen sonst nicht allzu viel Raum, diesmal muß aber vor der ganzen proletarischen Oef- fentlichkeit aufgezeigt werden, mit welchen ordinären Roffefälschermethoden die Kommunisten die Sozialdemokratie und da natürlich in erster Linie wieder den Genossen Dr. Czech, in den Augen der Arbeitslosen zu verleumden trachten. Die kommunistischen Blätter veröffentlichen ein Rundschreiben, das die Landes- arbeitszentrale in Reichenberg an die Bezirksbehörden ihres Wirkungs gebietes herausgegeben hat, und in dem sie dar über Beschwerde führt, daß sich bei den einzel nen Bezirksarbeitsvermittlungsanstalten angeb lich auch zahlreiche„arbeitsscheue Ele mente" als arbeitslos melden, nur um in den Bezug der Lebensmittelanwei sungen zu gelangen, die das Ministerium für soziale Fürsorge ausgibt. Etwa so: „So haben wir in di« Statistik der vollstän dig Arbeitslosen auch hineinbekommen: Personen, die der Arbeit ausweichen, soweit sie nicht in die Bezirksarbeitsvermittlungsanstalt müssen, so daß ihnen keine Gefahr droht, daß ihnen Arbeit angeboten wich." Das sind Argumente aus dem Dunstkreis des„B e e e r", das sind Töne, die wir nur aus der agrarischen Presse kennen, die bekanntlich dem Genossen Dr. Czech ständig vorwirft, daß er Millionen zur Unterstützung von Arbeitslosen „vergeude". Was tut nun die kommunistische Presse mit diesem Rundschreiben, das unserer Meinung nach eine perfide Verhöhnung der Not Zehntausender verzweifelter Men schen darstellt? Sie macht für dieses Doku- mentbonrgeoiser Herzlosigkeit nie manden anderen verantwortlich als— den Genossen Dr. Czech! Um das ganze Aus maß dieser bolschewikischen Büberei anprangern zu können, müssen wir wieder wörtlich zitieren: .Mas heute bereits unter der Verwaltung dr< Fürsorgeministeriums durch den Sozialdemo kraten Dr. Czech vorbereitet wird Dieses Rundschreiben des... Landesinspek torates und der.... Landeszentrale, die dem Sozialfürsorgeministerium, also Herrn Dr. Czech, direkt unterstehen.... Dieses Dokument einer Behörde, die dem Hoheitsbereich des Ministers Dr. Czech angehört.... Jedermann, der die Verhältnisse kennt, weiß, daß die Arbeitsvermittlungsanstalten in Böhmen und die Landesarbeits-Zentralen nicht dem Fiir- sorgeministerinm unterstehen, sondern der Landesbehörd« und damit dem Innenministe rium, an dessen Spitze«in Agrarier steht. Es ist einfach eine faustdicke Lüge, daß die Reichenberger Landes-ArbeitS-Zentrale dem „Hoheitsbereich des Ministers Dr. Czech" ange hört. Es handelt sich um eine Landesein ri ch t ü n g, der auf dem Schriftstück unterfer
tigte Inspektor Janecky ist ein L a n d e s a n g e- st e l l t e r und untersteht in feiner Amtsführung einzig und allein dem Innenministerium. Wenn das der Herr Reimann nicht weiß, wenn ihm nicht bekannt ist, in wessen Händen sich eine für die Arbeiterschaft so wichtige Jnststution wie die Arbeitsvermittlung befindet, zeugt das nur für die vollkommene Ignoranz dieser„Arbeiterführer" in den elementarsten Fragen, die den Arbeiter angehen. Und«S zeugt nur für di« beispiellose Gewissenlosigkeit, mit der di? Kommunisten verleumden, obwohl ihnen die Feststellung des wahren Sachverhalts keine Schwierigkeiten bereiten kann. Klagt der Herr Reimann aber mit dem der Moskowiterpresse eigenen üblen Pathos den Genossen Dr. Czech wider besseres Wissen an, dann ist die Lumperei— man kann hier wirklich keinen anderen Ausdruck gebrauchen— doppelt so groß! Der Umstand, daß das„Rude PrLvo", das in seinem gestrigen„Beöernik" gleichfalls über die Sache berichtet, nicht mit einem Wort das Fürsorgeministerium und den Genossen Dr. Czech mit dem ominösen Zirkular in Verbindung bringt, spricht dafür, daß den Kommunisten der wahre Tatbestand bekannt ist, daß aber„Vorwärts" und.Internationale" noch nm eine Portion unanständiger sind als das bolschewikische Zentralorgan. Und daS will schon etwas heißen! Im übrigen hat natürlich weder das Ministerium für soziale Fürsorge noch der Genosse Dr. Czech etwas von der HerausgAbe des Rundschreibens gewußt und es ist der Verdacht nicht unbegruiwet, daß es sich da um eine agrarische Quertreiberei gegen die Maßnahmen des Für- orgeministeriumS hcmdelt. Denn der Herr Jn- rektor Janecky schreibt in dem Zirkular— vorausgesetzt, daß der von den Kommunisten veröffentlichte Text richtig ist—, daß er vom Für- sorgeministerium nicht solche Richtlinien zur! Durchführung der Ernährungsaktion erhalten! könne, wie er sich sie wahrscheinlich zur Ausführung seiner Plane wünscht. Der gesunde Men- schenverftand, der freilich in kommunistischen Redaktionen nicht anzutreffen ist, muß einem doch schon sagen, daß dieLandeS-ArbeitS- zentrale, die das Fürsorgemini st e- r i u m bei den Bezirksbehördendenun- ziert, unmöglich ein Organ deS Fürsorgemini st eriums sein kann! Den Kommunssten wird es also kaum gelingen, durch soche alberne Mätzchen die Arbeitslosen zu tmtschen und so die gewaltigen Summen hinwegzudisputieren, die der sozialdemokratische Minister für soziale Fürsorge der bürgerlich- kapitalistsschen Kabinettsmehrheit in hartem Kampfe abgerungen hat. In unserem Wahlaufruf haben wir einen Betrag von 410 Millionen Kronen errechnet, die durch sozialdemokratische Initiative in den letzten' 20 Monaten für Zwecke der Arbeitslosenfürsorge flüssig gemacht wurde. Seitdem hat sich diese Zahl beträchtlich erhöht und wir verzeichnen heute folgende Summen: Staatsbeitrag zur Arbeitslosen unterstützung 1930.... Staatsbeitrag zur Arbeitslosen- unterstützuug 1931 bis Mitte September....... Außerordentliche Unterstützungs aktion..........
« Der Traumlenker Roman vun Harmynia Zur MUhlan. „Sehen Sic, ich erinnere mich in den letzten zwanzig Jahren an einen einzigen schönen Tag. ES war vor ungefähr siebzehn Jahren. Ich fuhr in Geschäften nach Wien. Es waren äußerst wichtige und auch sehr schwierige Geschäfte; es handelte sich um Millionen . Hinter Salzburg, auf offener Strecke, hielt Plötzlich der Zug. Ich weiß nicht mehr, was geschehen war. Jedenfalls wurde den Reifenden mitgeteilt, daß die Fahrt erst nach zwei Stunden wieder ausgenommen werden könne. Tie meisten Passagiere blieben sitzen. Aber ich war nervös, beunruhigt von der Verzögerung, die mich ein Vermögen kosten konnte; ich stieg aus und schlenderte durch das Tal. Und plötzlich mexkte ich, daß die Bäume grün waren, daß auf den Wiesen Blumen blühten, daß irgendwo in der Näh« ein kleiner Bach rauschte. Ich setzte mich auf einen Stein. Die Sonne schien so warm. Und dann begann hoch oben auf einem Baumwipfel rin Bogel zu singen... Mötzlich verfaß ich alles. Dien. daS komplizierte, äußerst wichriae Geschäft, die Millionen, die dakei verloren oder gewonnen werden konnten. Ich duckte überhaupt nichts mehr. Ich fühlte nur, fühlte die Sönsss und den Geruch der Blumen und hörte den Vogel singen. Am liebsten hätte ich mich nackt anige- zogen und wäre so auf der Wiese gelegen. Ich streckte mich, mir war zumute, als seufze mein ganzes Ich ein befriedigtes Ah. ES gab keinen Stahl mehr, keine Aktien, keine Dividenden, es gab nur Luft und Erde,.grne Bäume und Blumen, und Sonne und einen singenden Vogel und mich, mitten darunter; ein harmloses, glückliches Tier, das sich über den Sommer freut..." Er verstummte, wurde plötzlich verlegen und lackte krächzend.
„Komisch, wie? Uebrigens kam ich dennoch rechtzeitig nach Wien, und mein Coup glückte." Nach der erfolgreichen„Behandlung" verlangte Peter hundert Mark und der berühmt geizige Millionär zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ich werde wiederkommen"- sagte er beim Abschied.„In einem Monat. Morgen schiffe ich mich nach New Jork ein. Ich danke Ihnen, ich fühle mich frischer als seit langer Zeit." Peter blieb mit einem unangenehmen Gefühl zurück. Frischer, wozu? Beging er nicht ein Unrecht, indem er die Kräfte dieses Mächtigen steigerte? Würden diese Kräfte nicht Unheil über die Welt bringen? Dann aber siegte der Egoismus und er freute sich, einen so reichen Patienten gewonnen zu haben. Er mußte ja Geld machen, viel Geld, um Liane all das geben zu können, was sie brauchte, Behagen, Schönheit, Harmonie....... Der einzige Fall, bei dem Peter keinen Erfolg)u verzeichnen hatte, war Fran; KieS, der Polizist. Der dicke Mann war noch dreimal gekommen, Peter hatte noch dreimal mit dem Aufwand aller seiner Kräfte gegen das grauenhafte Gesichl des Raubmörders Hack gekämpft. Vergeblich. Als der dicke Mann am Samstag nach einer Stunde währende„Behandlung" wieder wach auf der Chaiselongue saß, weinte er. Dicke Kindcrtränen rannen über lein fettes Gesicht und er schluckste hilflos: „Ich halt's nicht mehr aus. Herr Doktor, ick bring mick um. Oder ich bring den nm, der uns den Befehl gegeben bat. Der bat keine bösen Träume.. Dem geht's gut. Warum denn gerade ich, Herr Doktor? Das ist ungerecht." Beter beruhigte ihn, schob die auf den Tisch gelegten drei Mark zurück, erklärte, der Fall interessiere ihn. er werde Herrn KieS so lange unentgeltlich behandeln, bis er einen Erfolg erzielt■ habe. Die ersparten drei Mark trösteten den
dicken Mann ein wenig; er steckte sie wieder«in und lächelte hilflos,.. Der Sonntag war schön. Peter, der bis zum Mittag geschlafen hatte, aß in einem Restaurant und schlenderte dann ziellos durch die Stadt. Er war müde, wollte einen illachmittag lang nur sehen und nicht denken. Jetzt merkte er, wie anstrengend sein seltsamer Beruf war. In der herbstlichen Beleuchtung schienen die Häufer und Straßen ganz nahe zu einander zu rücken, als wollten sie sich, die nahende Winterkälte ahnend, wärmesuchend an einander schmiegen. Alles erschien kleiner, heimeliger, liebebedürftig. Wie Schafe oder Kühe, dachte Peter, die auf der kalten Weide, km Sturm bei einander Zuflucht suchen. Im grauen Herbstlicht versprachen die Kinos leuchtend Abenteuer und Lüft, das Vergessen deS Alltags. Träume, dachte Peter, Tagträume, Flucht von der Wirklichkeit. Ist es recht, die Wirklichkeit zu fliehen? Aber wo fängt die Wirklichkeit an, wo hört der Traum auf? Blasse Straßenlaternen glühten im Dämmerlicht, kämpften gegen die letzte Tageshelle. AnS dem feinen Nebcldunst des nahenden Abends hoben sich scharf umrissen dunkel die Menschengestalten, verblaßten im Weitergehen, wurden schattenhaft, gespenstisch. Schatten, die über eine schattenhafte Erde huschten, kein Mensch wußte, weSbalb. Sie selbst am allerwenigsten. Peter kam zu der großen Eisenbahnbrücke, die über den Fluß flihrte. Die trägen bleigrauen Wellen hauchten Traurigkeit aus.. Der Nebel wurde dichter. Lichter rasten über die Brücke, blau, rot, grün, die Straßenbahn ratterte, die Autos tuteten, laute Stimmen im Nebel. Peter lebnte sich an die Brüstung und blickte auf di« Wellen hinunter. Eine unerklärliche Empfindung der Anast bemächtigte sich seiner. Er kühlte die Anziehungskraft des bleigrauen Wassers, der Tiefe, aber nicht für sich selbst, für einen andern. Hastig drehte er den Kops. Neben
ihm stand reglos ein Schatten, klein, grau in der grauen Dämmerung. Und auf der Brüstung lagen fahl leuchtend zwei Hände... Im letzten Augenblick schoß PeterS Arm vor und riß den Schatten zurück. Der taumelte, seufzte tief auf und sank gegen Peters Schulter. Peter ließ ihn nicht los. Den Arm deS Schattens umklammernd, winkte er einem Auto, gab dem Chauffeur feine Adresse an, schob den Schatten ins Auto, drückte ihn neben sich auf den Sitz. Das Auto setzte sich tutend in Bewegung. Im Dunkel konnte Peter die Züge deS Schattens nicht unterscheiden. Etwas Klägliches, Zusammengebrochenes hockte neben ihm, seufzte tief, Wach aber kein Wort. Und auch beim AuSsteigen und während er die Treppen zum dritten Stock emporklomm, schwieg der Schatten. Peter knipste im Wohnzimmer das Licht an. Dann erst ließ er den Schatten los und wandte sich ihm zu. Er sah einen etwa fünfzigjährigen Mann, einfach, aber ordentlich gekleidet, mit farblosem Gesicht und blaffen leeren Augen. Der Mann schwieg noch immer und starrte Peter wie betäubt an. Eigentlich müßte ich mich entschuldigen, dachte Peter. Mit welchem Recht habe ich diesen Mann in ein Leben zurückgezerrt, dem er entfliehen wollte? Aber ich kann doch nicht sagen: „Verzeihung,— bedaure," als ob ich ihm in der Straßenbahn auf den Fuß getreten wäre. Der Mann schien auS seiner Betäubung zu erwachen. Ein Ruck ging durch seinen Körper, er stellte sich gerade: „Gestatten, daß ich mich vorstelle, mein Name ist Müller, Friedrich Müller, Schreiber." Und Peter, der alles andere als diese Worte erwartet hatte, erwiderte benommen: „Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Herr Müller, sehr erfreut." (Fortsetzung folgt.)