Beite 2
Freitag, 16. Oktober 1931
Nr. 241
einer festgefügten Klassenfront zu sammeln, die allein mächtig genug sein wird, über die Forde rungen und Notwendigkeiten des Tages hinaus durch die Ueberwindung des kapitalistischen Systems die Beseitigung aller Krisen zu erzwinger' ( Lebhafter Beifall.)
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früheren Vorrechte einzusetzen. Alle fanden sich ihnen gewünschten Umfange ständnisses und herzlichste Bruderfüsse gehier ein: die abgetakelten Generäle und Offi- Lohnsenkungen vorzunehmen. tauscht, Kann es nach diesem Aufmarsch der ziere, entthronte Hohenzollernprinzen und Und schließlich heißt es auf dem Wunschzettel vereinigten Konterrevolution, die zugleich die Führer der Schwerindustrie und die ihnen die der Schwerindustriellen: Beseitigung Revolution der Ausbeuter und VolksausplünStaffage machten, waren die- National der Kollektivverträge, dafür Ein- derer ist, außer ehrlosen Lumpen noch einen sozialisten. Das gemeinsame Ziel aber hieß: führung von„, individuellen" Arbeitsver Arbeiter geben, der in der Gefolgschaft der Verelendung und Verknechtung der Arbeiter- trägen! Nationalsozialisten bleibt? Im Namen der Die Debatte war am Vormittag durch Jung Classe! Weil die großen tapitalistischen Unternationalen Sammlung" sollen den Arbeitern( Nat.- Soz.) eröffnet worden, der die naive Frage Verelendung durch Inflation! Auch ohne nehmer selber bankerott sind, beschuldigen sie nicht nur die sozialen Rechte geraubt werden, stellte, was bisher überhaupt zur Behebung der die infame Rede Dr. Schachts, der mit der andere der Pleite und sie rufen zu ihrer Ret- sondern durch die verbrecherische Inflations serife getan worden sei, und ausgerechnet die SoLüge, die Reichsbank sei bankerott und fälsche tung nach neuer Lohnsenkung, nach Berschla politik jollen die kleinen Sparer um ihr müh- zialdemoratie beschuldigt, sie hätte wesentlich die thre allwöchentlich erscheinenden Berichte über gung von Tarifrecht und Sozialpolitik. Die sam Erspartes gebracht werden! Die Lehre heutige Entwicklung des Hochkapitalismus mit herGolddeckung und Notenumlauf, das kapitali - von ihnen ausgehaltenen fascistischen Horden von Harzburg , welche die Brüder vom Haken- beigeführt. Zum Schluß stellt er sogar die Beseiti stische Ausland geradezu aufforderte, Deutsch - aber sollen ihnen dabei helfen und tatsächlich kreuz aller Welt als Landsknechte der gewissen- gung des tapitalistischen Systems als Endziel seiner land in eine neue Inflation hineinzutreiben, haben sie mit deren Führern in Harzburg am losesten Kapitalsmächte sichtbar macht, muß Partei hin! auch ohne diese Rede hätte man Richtung und Sonntag Händedrücke des innigsten Einver- auch bei uns Beherzigung finden!
Ziel der Harzburger Tagung der ,, nationalen Opposition" gekannt. Einige Tage vorher schon haben ja die Schwerindustriellen und Großagrarier, also die eigentlichen Drahtzieher der Harzburger Tagung, ihre Absicht, eine
werden müssen.
Die Erklärung unserer Fraktion.
( Schluß von Seite 1.)
Světlit( tsch. Kler.) erklärt, die von udržal geforderte Entpolitisierung unseres Beamtenapparates wäre die größte Revolution in unserem staatspolitischen Leben; die Leute müßten direkt Wunder wirken, die dies zustande brächten. Er tritt für die Beibehaltung des französischen Kurses in der Außenpolitik ein, der sich gerade in der letzten Zeit sehr bewährt habe.
neue, im großzügigsten Stile durchzuführende Gleichgewichtes, vor allem zur Sicherung der unbeVerwaltungsreform. Aber nicht nur die Reform der Finanzverwal- ein detailliertes Programm und verwirft unsere Schollich( D. Nat.) verlangt von der Regieruatg Ausplünderung des deutschen Volkes, fund- dingt notwendigen fozialpolitischen Einrichtungen gegeben. Im teuersten Hotel von Berlin Regierung wird dabei an der Tatsache nicht vor- Reform der Verwaltung überhaupt ist zur brennen- Landwirtschaft schädlich sei. neue Einnahmsquellen zu erschließen. Die tung der autonomen Körperschaften, sondern die Außenpolitit, die für die Industrie wie für die ivaren sie zu einer Unterredung mit dem übergehen können, daß unser Unternehmertum im ben Notwendigkeit geworden. Die auf die Spize Reichskanzler Dr. Brüning zusammenge- Gegensatz zu fast allen anderen Industriestaaten für getriebene Bürokratisierung der Verwaltung hat den Position hervor, ist aber der Auffassung, daß wir Genosse Dr. Winter hebt unsere fefte finanzielle kommen, in derem Mittelpunkt die Frage die Opfer des tapitalistischen Systems, für die Opfer Staat nicht nur mit einem angeheuren, fostspieligen für den Winter mit einer Verschlechterung der wirtstand: Wie entledigen sich Schwerindustrie und ihrer Wirtschaftsordnung nicht das Mind este und schwerfälligen bürokratischen Apparat belastet, schaftlichen Situation rechnen müssen. Er verlangt Großgrundbesit ihrer Schulden? Dem Reichs- beiträgt. sie hemmt und hindert auch die rasche, von eng daher die Durchführung eines großen Investitionsfanzler wurden von den Vertretern der Es wird daher das von uns geforderte Not- berzigen Formalismus freie, den Bedürfnissen des programms. Die Mittel für die Arbeitslosenunter theinisch- westphälischen Schwerindustrie die gesetz für die Arbeitslosen nicht nur durch Bei- herrschenden Notstandes entsprechende Durchfühſtützung müssen durch weitere Einsparun Inflationspläne vorgetragen und als Brüning träge des Staates, sondern auch durch entspre- rung der wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnah- gen aufgebracht werden; auch eine Erhöhung die Frage stellte, was aus den kleinen Sparern chende Heranziehung der Unternehmer finanziert men zur Bekämpfung der Krise. Nur eine freie, ber biretten Steuern, zuerst der Ginkomwerden würde, gaben die Industrievertreter auf demokratischen Grundsägen aufgebaute von mensteuer, werde notwendig sein. Gedanken ant die schamlose Antwort: Die Sparer Wir können dabei nicht unausgesprochen lassen, Selbstverwaltung vermag die Beweglichkeit und dem Kopf schlagen. Es geht nicht an, in der Konbürokratischer Bevormundung nicht eingeschränkte Lohmherabjegungen sollen sich die Unternehmer_aus müssen wieder bon born an- daß die Steuerreform des Jahres 1927 und Lebendigkeit aufzubringen, das rasche und zwed- junkturzeit alle Gewinne einzusteden, in der Krise fangen!" das damit im Zusammenhang stehende Gesetz übermäßige Handeln zu gewährleisten, das unter den aber alle Basten auf die öffentliche Hand abzuSo also soll das Dritte Reich beginnen! die Stabilisierungsbilanzen bei gleich heutigen Verhältnissen nötiger ist als je. zeitiger Steigerung der Wassenbelastung den bewälzen. Es muß jetzt zu einer staatlichen EinflußZuerst Zusammenbruch des Geldwesens, damit sigenden Klassen so wesentliche und durchaus unge. Freie kulturelle Entwicklung. nahme auf die Wirtschaft kommen. Wenn der Staat die Bankerotteure der Großindustrie und rechtfertigte Begünstigungen gewährt hat, daß Die Gedanken, die hier entwickelt werden, er- helfend eingreift, dann muß er sich einen entspre Großlandwirtschaft mit dem entwerteten Gelde daraus die wesentliche Ursache unserer heutigen schöpfen unsere Forderungen durchaus nicht. Wir hender Einfluß auf die Organisation der Erzeugung leicht ihre Schulden abzahlen können. Auf finanspolitischen Schwierigkeiten entstanden ist. Bon haben in diesem Augenblid nur die wichtig.fichern. Kosten der kleinen Sparer, die unter Entbeh dieser Tatsache muß jede Politik geleitet sein, die sten, nur die unmittelbar auf die Bekämpfung der für die bekannten kommunistischen Anträge zur rungen Pfennig um Pfennig zusammen- dem Staate neue Einnahmen verschaffen will. Krise, unmittelbar auf die Hilfe für die Krisenopfer getragen haben und die, ebenso wie im Jahre gerichteten Bestrebungen herausgearbeitet. Hilfe für die Selbstverwaltung. 1923 ihr Erspartes sich in Nichts auflösen sehen sollen. Sie können ja, nach dem Rat- Aber die Steuerreform und das darauf aufschlage der Verbündeten der Nazis wieder gebaute Gesetz über die Finanzwirtschaft der Selbstbon born anfangen"! Zu gleicher verwaltungskörper hat nicht nur den Staat geschäZeit auf Kosten der Arbeiter, deren Real- digt, es hat die Selbstverwaltungskörper an den löhne mit dem Einbruch der Inflation natur des Jahres 1930 hätte bei stabilen wirtschaftlichen Rand des Abgrundes gebracht. Die Novelle gemäß sinten würden. Also Hungerlöhne, Berhältnissen eine wesentliche Erleichterung brin damit die Herren, die bei den Banken tief in gen können, die fortschreitende Vertiefung und die der Tinte sißen, sich von ihren Schulden be- Bangwierigkeit der Strise hat die Wirkungen dieser freien können! Und die Partei, die sich eine Novelle weitaus aufgewogen. Das bedeutet aber, Arbeiterpartei" zu nennen wagt, macht daß die Selbstverwaltungskörper, vor allen die Gediesen Raubrittern bei ihrem beabsichtigten meinden, in den kommenden Monaten gesteigerter Raubzug, bei dem das deutsche Volk in der Not nicht mehr in der Lage sein werden, die staatunerhörtesten Weise geplündert werden würde, lichen Hilfsaktionen für die Arbeitslosen wirksam Organisationen der Arbeiterschaft, Rednern abgebrochen. Sie wird morgen, Freitag, zu ergänzen. In anderen Bändern, vor allem in mit denen wir uns in treuer Solidarität verbunden vormittags zu Ende geführt werden.
die Mauer!
Aber nicht nur auf Hungerlöhne und Massenberelendung ist es abgesehen. Auch die Arbeitslosen sollen daran glauben. Der durch die Notverordnung der Regierung durch einen wesentlichen Bestandteil der öffentlichen Für geführte Abbau der Arbeitslosenunterstützung sorge für die Arbeitslosen. Solche Maßnahmen sind genügt den industriellen Scharfmachern noch auch bei uns unbedingt erforderlich. Um sie den lange nicht und sie fordern eine weitere Gemeinden zu ermöglichen, muß der Staat die lange nicht und sie fordern eine weitere Selbstverwaltungskörper durch eine durchgreifende Senkung. Brutal erklären sie, die Arbeits- Entschuldungsaktion vor der Katastrophe losenunterstützung müsse auf einen retten. Er muß ihnen aber darüber hinaus durch Stand gebracht werden, der es staatliche Garantiedarlehen die Erfüllung ihrer ihnen ermögliche, in dem bonjozialen Verpflichtungen ermöglichen.
Der Traumlenker
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1861 stand auf dem Goldrahmen. Herr Gotthilf Bossel, wie weit hatte der es gebracht? Trikofagen; was sind, was bedeuten Trikotagen? Was ist eine Firma? Nichts.
Eine dauernde Konsolidierung des Staates aber wird nicht möglich sein ohne die Verständigung der Völker. Dazu ist vor allem notwendig, daß jeder Nation die freie kulturelle Entwicklung gewährleistet und der Arbeitsplaß für jedermann ohne Unterschied der Nationalität gesichert wird.
Zapotocky und später Kopecky machen Reklame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zu deren Durch sehung die Herrschaften freilich andere Wege einschlagen müßten. Zapotocky spidt einen Appell an die Arbeiter zur Veranstaltung von Demonstrationen lichen Drohungen, die angesichts der bewiesenen während der Budgetberatungen mit allerhand schreckvölligen Gleichgültigkeit der Massen gegenüber dem kommunistischen Maulheldentum An die Arbeiterschaft! wirken können. Heiterkeit muß auch Dr. Törköly ( Ung. Nat.) mit seiner Behauptung auslösen, daß Wir erheben diese Forderungen im Namen die Ankündigung außerordentlicher Sparmaßnahmen der deutschen Arbeiterklasse dieses den ersten Schritt zur Diktatur darstelle. Jelinek an de 3, die uns in ihrer großen Masse am( AWG.) fordert Handelsverträge, Aktivierung der 27. September wiederum das Vertrauen ausgepro- Exporttredite und größere staatliche Notstandsden bat. Wir erheben sie in vollem Einver- arbeiten. nehmen mit den gewer? schaftlichen Dann wird die Debatte wegen Mangels an
fühlen.
Wir wissen, daß unsere Forderungen in einer
nur lächerlich
Regierungsmehrheit, in der bürgerliche Parteien Budgetausschuß am Mittwoch. überwiegen, nur in hartem Ringen durch- Der Budgetausschuß wählte gestern vor der gefekt werden können. Wir sind zu diesem Ringen Plenarsizung des Hauses zum Generalbericht entschlossen! Wir werden alle Maßnahmen der Re- erstatter über das Budget wiederum den tsche gierung unterstützen, die in der Richtung unserer chischen Agrarier Dr. Snidet und bestimmte dann auch die Referenten zu den 22 verschieForderungen gelegen sind. Wir rufen zugleich die Arbeiter auf, uns denen Kapiteln des Budgets. Die nächste Ausdurch ihr Bekenntnis zur Sozialdemokratie, durch schußßißung, in der die Generaldebatte über den die Stärkung unserer Reihen die Kräfte zu geben, Staatsvoranschlag eingeleitet werden soll, wurde die notwendig sind, um unser Programm restlos für Mittwoch, den 21. d., 10 Uhr früh anzu erfüllen. Wir rufen die Arbeiter auf, sich in beraumt.
,, Schau den Müller an: der alte Narr spinnt schon wieder!" Die Kleine Brünetee ficherte. ,, Daß die Firma den noch nicht abgebaut hat!" „ Er ist seit hundert Jahren da. Gehört zum Mobiliar."
Manchmal hab ich direkt Angst vor ihm. Er sieht einen so seltsam an, als wäre man gar
Roman von Hermynia zur Mühlen . Friedrich Müller schob die linke Hand in Die große Stadt zähmte den ungestümen die Weste und hob starr den Kopf. Seine Augen Märzvind, er fand in den engen Gassen feinen blickten leer, der Raum, wo er sich befand, verPlatz zum Toben, er stieß sich wound an den schwand. Er sah einen großen Blaz, sah sich hohen Bauten und den Kirchtürmen, der Rauch selbst auf einem Balkon stehend, und unten, zu nicht da." drohte ihn zu erstiden. Aber es gab Augenblicke, feinen Füßen, eine ungeheuere Menge, die ihm Die Kleine Blonde fuhr mit dem Stift über da er starter war als seine Gegner, und dann gujubelte. Stopf an Stopf gedrängt, fuchtelnde die Lippen: säuberte er den Himmel und Sonnenstrahlen Arme, anbetende Augen, die Menschheit, die fielen in düstere Räume und öde weißgefalkte ihren Erlöser und Herrn gefunden hat... Wände leuchteten plötzlich auf.
Ein Sonnenstrahl tanzte auf dem weißen Briefbogen, der den Firmennament Bossel und Kreuz, Tribotagen" trug, und auf den Worten: " Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, daß es uns unmöglich ist.....
Friedrich Müller hob die Augen vom Papier; ein Wort des Schreibens war plößlich in sein Bewußtsein gedrungen, ein Wort, das ihn peinlich berührte: unmöglich.
Wie kam er dazu, dieses Wort zu schreiben, das seinem innersten Wesen fremd war? Unmöglich, für ihn, Friedrich Müller, den Diktator, gab es feine Unmöglichkeit.
Er neigte mit gönnerhaftem Lächeln den Kopf, grüßte seine Untertanen. Ein trotziges, rebellisches Gesicht fiel ihm auf. Er kannte diese scharfen Züge, diese hellen Augen. Woher nur? del Ja, jetzt wußte er es: es war der Jungarbeiter, der im Goldenen Hahn" Blech" gerufen hatte.
Friedrich Müller wurde zornig. Ein Aufrührer, ein Rebell. Er wandte sich an die Herren in Uniform, die ehrfürchtig hinter ihm standen. Mit spißent Zeigefinger wies er auf den jungen Mann:
,, Verhaften!" Dann:
Warten Sie noch einen Augenblid."
Der Sonnenstrahl tanzte die Wände ent- Er hatte noch drei Gesichter entdeckt, deren lang, verlieh der schmutzigen braunen Tapete mit Ausdrud ihm mißfiel; er tannte auch fie: den den gelben Rosen ungewohnte Farben. Friedrich alten Herrn Bossel, betont einfach gekleidet, den Müllers Augen folgten ihm. Er blidte staunenb jungen Herrn Streuz, elegant, mit hellen um sich. Wo war er denn eigentlich? Was tat Gamaschen, die beiden Chefs. Und dort, in er hier? Mit einemmal waren ihm alle Gegen- braunem Anzug, eine braune Glode auf bem stände, die ihn nun schon seit Jahren umgaben, Kopf, Herr Rupp, der eingebildete Bürovorsteher. Auch diese drei." völlig fremd.
An der Hand das Bild des ersten Reichs- Soldaten führten die vier Menschen ab. präsidenten. Friedrich Müller lächelte gering- Friedrich Müller lächelte liebenswürdig und fchäzig: was hatte der Mann erreicht? So gut ippach herablassend zu seinen Begleitern: ipie nichts. Wenn er, Friedrich Müller, an seiner" Ich danke Ihnen, meine Herren..." Stelle gewesen wäre.....! Und bort, über der Die leine blonde Stenotypistin in der Ede Heizung, altbäterlich, in der Kleidung jener Tage, stieß ihre Nachbarin, die kleine brünette StenoHere Gotthilf Bossel, der Begründer der Firma; typistin, mit dem Ellenbogen und flüsterte ihr zu:
Die Brünette schürzte die Lippen. Magst du die? Mir gefällt nur die Dolores Rio."
Sie rig die dunklen Augen weit auf.
Wenn ich mir die Augenbrauen rafieren lasse, seh ich ihr ähnlich. Ich werd es ja boch tun. Ich mag die fanften Blondinen nicht. Ich
bin für Dämonie."
Und sie straffte die Brust, daß der kleine Busen im kunstseidenen Jumper sichtbar wurde. Herr Müller, ist der Brief an Jakob u. Co. noch immer nicht fertig?"
Die schnarrende Stimme des Bürochefs
klang durch die Stille.
Die fleinen Stenotypistinnen bergasen Henny Porten und Dolores del Rio , blondes Weibtum und Dämonie; ihre Finger tanzten wie toll auf den Tasten der Schreibmaschinen: In Beantwortung Ihres w. Schreibens..." ,, Wunschgemäß senden wir..."
,, Sie haben uns in der letzten Zeit viel Grund zur Unzufriedenheit gegeben, Herr Müller. Wir haben Nachsicht geübt, weil Sie schon unter dem verstorbenen Herr Kreuz gearbeitet haben. Aber auch unsere Nachsicht hat Grenzen, Herr Müller; ich sage Ihnen: sie hat Grenzen."
Was will der Kerl? Wovon ist die Rede? Wo ist die jubelnde Menge?
Friedrich Müller sah sich um. Ein trostloses Büro, ein blonder und ein brauner Kopf über die Schreibmaschine gebeugt, an der Wand das Bild des ersten Reichspräsidenten und des Herrn Gotthilf Boffel, des Begründers der Firma. Und vor ihm, im braunen Anzug, mit braun gespren felter tadellos gebundener Krawatte, Ernst Rupp, der Bürochef.
Ja, weiß denn der Mann nicht, mit wem er spricht?
Ernst Rupp rebete weiter. Worte ohne Sinn, die wie Blätterrauschen in Friedrich Müllers Ohr flangen. Dann ein Wort, das haften blieb, ein bleischtveres, drohendes, erbrückenes Wort:
Abbauen...!
Abbauen, was heißt das?
Angst und Sorgen, Not, Hunger, Elend. Der Diktator verschwand. Zurüdblieb Friedrich Müller, der kleine Angestellte mit drei hundert Mark im Monat, mit einer Frau und vier unmündigen Kindern.
Sein Körper sant zusammen, seine Züge erschlafften, seine Augen wurden früb.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Rupp. Ich leide seit Wochen an unerträglichen Kopfschmerzen, aber ich werde mir alle Mühe geben, alle Mühe..."
Friedrich Müller fuhr auf. Was will der Kerl hier? Er ist doch eben verhaftet worden? In der Zelle wird sein steifes Hemd, das sich Er froch vor dem Mann im braunen Anzug, immer über der Brust bläht, weich werden und er winselte und flehte. Er anerkannte den Herrn, ber hohe weiße Stragen schmuzig. Wie wagt er den Vorgesetzten. es, ihn anzureden? Wo sind die Herren Generäle?
Er starrte den Bürochef verwirrt an.
( Fortsegung folgt.)