Sette 4Samstag, 17. Oktober 1S31Nr. 242.T agesneuigkeitenLire teile Selchichte ans lernEtlenbavnminjsterium.Das Eisenbahnmiuifteriumhat, wie wir a«S verläßlicher Quelle er-fahre«, a« Sie ihm unterstellte« Staats-bahndirektionen eine» Erlaß her,a«Sgege-en, demzufolge eS diesen unter,sagt wstch, künftig Zündhölzer, di«de« die Heizung der Oese« in de« Amtsräumen beforgendcn Die««« bisher do««nt-wegen«mSgefolgt wurden, in Rechnung z« stellen. Dn Erlaß ordnetam, daß eS künftig Sache der die Ofenfeuerung besorgende« Personen ist, die erforderlichen Zündholz« selbst beigu-stellen.Bedenkt man, daß die Diener der Staats«bahndirektionen täglich zehn und mehr Oefen zuversorgen haben, so ergeben die erforderlichenZündhölzer pro Monat eine immerhin fühlbareGeldausgabe, die die betreffenden Diener nochdaru aus chrem ohnehin geringen Taglohn zubestreiten haben. Uno zwar für eine Sache,die des Staates ist. Was bedeutet das, daß sichder Staat von seinem Bediensteten etwas bezahlen läßt, was zu bezahlen ihm selbst obliegt. Um den genug schlecht bezahlte« Dienerinnen und Dienern diese neue, wenn auchkleine, aber grundsätzlich ungerechte Belastungzu erspyren, haben sich die Beamten einzelnerStaatsbahndirektionen zur Selbsthilfe entschlossenund bringen durch Sammlungen untereinander daS erforderliche Zündholz^seld auf, damitder Staat als nobler Brotgeber dieser drückenden Geldausgabe entgeht.Große und ost verflüssige Geldausgabenwerden mit einem Federstrich genehmigt, beifleinen aber spielt man oen Sparsamen undüberwälzt sie einfach auf das schlecht bezahltePersonal. Keineswegs aber spricht dieser Eisen-oahnministerialerlaß zugunsten der Eisenbahn alseinem Geschästsunternehmen, das nach kaufmännischen Grundsätzen geleitet werden soll. Denndm diesen neuesten, wenig rühmlichen Erlaß zu-erfassen, mußten teuer bezahlte Beamte desPräsidialbüros des Eiscnbahnministeriums ihrekostbare Zeit daranwenden und ein Sektionschefgehörte dazu, ihm durch eigene Fertigung dasnötige Ansehen zu geben. Wahrscheinlichhat die Verfassung dieses Erlassesdem Staate mehr gekostet als dieBezahlung der Zündholzgelder füreine ganze Wintersaison gekostethätte. Man ist versucht an einen Scherz zuglauben. Aber der inkriminierte Erlaß ist leiderkein erheiternder Scherz, sondern unplo üblicher,trauriger Ernst.SSumlge Polizei, belastete veudacmerieDer Fall Matuschka.Budapest, 15. Oktober.(JTJ.) In Angelegenheit des Bia Torbagher Eisenbahnattentateswar die heutige Tätigkeit der Budapester Polizeihauptsächlich darauf gerichtet, das VorlebenMatuschkas aufzuklären. Die von der Budapest« Stadthauptmannschaft mit den Erhebungenbetrauten Organe Haven heute festgestellt; daßMatuschka sich am 30; Jänner in Budapest aufgehalten hatte, so daß er keinen Anteil andem Anzbacher Attentat haben konnte,das er auf sich zu nehmen bereit ist, anscheinenddeshalb, damit er nach dem österreichischen Gesetz«^geurteilt wird- Des weiteren hat die Obcr-stadthauptmonnschaft festgestellt, daß Matuschkaim Iah« 1918 im Honved-Regiment Nr. 6 eine-Bewegung, die als Revolte anzusehen sei, inszeniert hatte und nur unter den damaligen revo lutionären Verhältnissen den Konsequenzen entgehen konnte. Ferner wurde festgestellt, daß Matuschka in den Jahren 1924 und 1925 a u f m y-steriöse Weise zu sehr ansehnlichenBeträgen gekommen war und einemFreunde gegenüber erklärt hatte, er sei gezwungen, aus Ungarn zu flüchten, und daß er seinVermögen im Auslande unterbringen werde.Wien, 16. Oktober. Der Wiener„Tag" ver-öffentlicl»' mit scharfer Polemik gegen die WienerPolizei eine längere Darstellung, wornach FrauForgo-Jung, Besitzerin eines niederösterrei-chifchen Steinbruches, den Matuschka von ihrpachtete, am 22. September an die Gendarmerie eine Anzeige erstattete,, daß M a-tuschke ihr wegen der.Ekrasitver-käufe dringen- verdächtig erschien, mitden Eisenbahnanschläaeu im Zusammenhang zustehen. Die Polizei wäre diesen Verdachtsmonren-ten nicht sofort nachgegangen, sondern erst am 9.Oktober nach der Verhaftung Matuschkas aufungarische Veranlassung darauf zurückgekommen.Frau Forgo-Jung hat bereits ihren Anspruchauf die Ergreiferprämien seitens derdeutschen, der ungarischen und der österreichischenBahn im Gesamtbeträge von 230.000 Schillingangemeldet.Polizeivizepräsident Dr. Brandl erklärt inder„Wiener Mittagszeitung", die Wien« Polizeihabe von der Anzeige d« Frau Forgo-Jung vom22. September gegen Matuschka erst am 9. Oktober Kenntnis erhalten, als Matuschka bereits v«-haftet war und die Kriminalbeamten in denSteinbrüchen, wo die Sprengstoffe aufbewahrtwaren, bereits Nachforschungen anstellten. Damit wird der Gendarmerieinspektor,der die Anzeige der Frau Forgo-Jung entgegennahm, schwer bela st et und es ist gegen ihnbereits die Untersuchung eingeleitet worden, umaufzudecken, warum er die Anzeige überzwei Wochen liegen gelassen hatte,statt sie weiterzuleiten.Mgttch zwei Morde.Alban«(Staat New Dorf), 16. Oktober.(Reut«.) In den ersten achtMonaten desheurigen Jahres sielen im Staate NewYork insgesamt 594 Personen Morden und an-dcren Gewalttaten zum Opfer.Reh»« der Mosteolottrn»M.000 K: 78.194.70.000 K: 20.658.50.000 K: 69.101.10.000 K: 46.787, 71.167, 82.024.5000 K: 7822, 14.157, 18.607, 23.966, 33.259,39.616, 40.670, 44.375, 50513, 57.884, 60284, 67.735,73518, 82.789, 93588, 97.857.2000 K: 2710, 6763, 7382, 8679, 9418, 16.743,20.357, 20.831, 22128, 24.175, 25.469, 25.848, 28.219,30.360, 33.048, 24.387, 36.166, 37.983, 38.008, 38.235,40.189, 41.522, 43.837, 46.813, 49.083, 52.758, 52.867,53.044, 58.345, 59.082, 59.980, 63.719, 64.131,£7.829,68.483, 70.082, 70.834, 73.986, 74.327, 75.802, 76.433,78.301, 79.739, 81.726, 84.239, 84.482, 84.520, 84.734,86.668, 91.663, 92.889, 95.452, 96.623.1200 K: 372, 457, 1577, 1838, 2360, 2788, 4725,6117, 6467, 6552, 6975, 7826, 8868, 9047, 11.326,11.881, 13.569, 14.198, 14.266, 15.830, 16.044, 16.809,18.012, 18.845, 20.807, 20.961, 22.243, 23.610, 23.836,24,162, 24.599, 25.210, 27.027, 27.178, 27.943, 29.496,31.120, 82.407, 33.031, 33.175, 33.322, 33.323, 33 618,34.069, 34.606, 34.886, 35.649, 87.458, 38.454, 89.061,40.785, 41.004, 41.098, 41.308, 41.607, 42.882, 43.624,44.347, 45.514, 46.851, 48.488, 49.553, 51.254, 52.012,52.482, 52.911, 53L53, 58.564, 55.895, 55.930, 56.867,57.201, 57.604, 57.680, 59.440, 60.340, 60.715, 61.546,61.952, 68.272, 62.570, 64.057, 64.194, 65107, 65.854,66.949, 67.188, 67.813, 67.816, 70.306, 70.696, 72.191.73.739, 74220, 75.451, 75.473, 76.150, 76.210, 76.622,76.881, 77.169, 77.776, 78.829, 78.904, 79.535, 79.548,80.508, 81.762, 82.471, 82.805, 83.101, 83.245, 83.574,88.639, 84.102, 85.917, 85.980, 87.261, 87.775, 89.254,90.289,»1.484, 93.205, 93.319, 93.967, 95.933, 96.103,96.884, 97.490, 97.683, 97.684, 98.614, 99.109.TSdlicher Unfall in Ainnwald.Ein Unfall, der ein Todesopfer erforderteund die schwere Verletzung einet zweite« Personzur Folge hatte, trug sich gestern gegen dreiviertelzehn Uhr in Zinnwald zu. Bei der sogenannten„Ausspanne" wird gegenwärtig ein Hotel, dasdem Herrn Stefan aus Zinnwald gehört, gebaut.Das Gebäude ist so weit fertiggestellt, daß voreinigen Tagen mit den Dachoeckerarbeiten begonnen werden konnte. Als gestern früh dieDachdeckerarbeiten wieder ausgenommen wurden,verwendeten die Dachdecker, um sich gegen Absturzzu sichern, einen Strick, an dem sie sich feschielten.Um die bereits erwähnte Zeit riß aber Mötzlichder Strick, der wie die Untersuchung ergab, bereits sehr schlecht war, und drei Personenund zwar der Dachdeckermeister Wilhelm He-drich aus Eichwald und die Arbeiter HeinrichHehnert und Ferdinand Hanke aus Zinnwald stürzten ab. Während durch einen glücklichen Zufall Hanke noch das Seil des Blitzableiters erfassen und sich daran festhalten konnte,fielen Hedrich und Lehnert von dem etwa vierzehn Meter hohen Gebäude zur Erde, wo siebeide in sehr schwer verletztem Zustande liegenblieben. Hedrich ist kurz darauf an den Folgenseiner. Verletzungen verschieden, während Lehnertnach erster Hilfeleistung durch Herrn Dr. Böhmaus Zinnwald in daS, Teplitzer Krankenhaus eingeliefert, werden mußte.Tödlicher Unfall eines Eisenbahnbeamten.Aus Eger wird gemeldet: In der StationJosefihütte«eignete sich Donnerstag nachtein tödlicher Unfall. Als um 81 Uhr 52 Minutender Schnellzug Prag—Eger Nr. 45 fällig tvar,überschritt der Verkehrsbeamte Karlsantruöek, der in Josefihütte als Substitutden Dienst versah, das Geleise und übersah dabeiin der Finsternis, daß von dem im Verschiebenbegriffenen Lastzug Nr. 1390 ein beladenerWaggon ab rollte. Dem Beamten wurdenbeide Beine vom Leibe abgetrennt.Er st a r b infolge Blutverlustes kurze Zeit darauf.Dritte Südamerikafahrt des Zeppelin. TerStart des Luftschiffes„Graf Zeppelin" vonFriedrichshafen zu seiner dritten Südamerika-Fahrt war für Samstag nachts 1 Uhr angesetzt.Das Luftschiff wird voraussichtlich die gleicheRoute einhalten, wie bei seinen früh«en Fahrten nach Pernambuco.Eine sensationelle Klage kommt jetzt vor demHamburger Amtsgericht zum AuStrag. DerOzeanflieger Johans en hat gegenseinen Fluggefährten Rody einenArrest über 5000 RM erwirkt, gegen den Rodhjetzt Einspruch erhoben hat. Die Auseinandersetzungen zwischen den Ozeanfliegern begannensofort nach ihrer glücklichen Rettung auS schwerster Seenot nach sechstägigem Umhertreiben aufdem Ozean. Jrchansen verlangte von Rody dieZahlung seiner LöhnungalS Flug-k a p i t ä n in der Höhe von 5000 RM, waSRodH ablehnte. Einen Tag vor der Rückkehrnach Hamburg beantragte Johansen radiotele-graphisch von Bord des Dampfers in Hamburgeinen Arrest in der Höhe von 5000 RM gegenRpdy. Dem Arrestantrag wurde stattgegeben undRody, der im Besitz von 1200 Dollar war, wurdegepfändet. Zu dem heuttgen Termin vor demHamburger Amtsgericht waren die Parteien nichterschienen, sondern bloß durch ihre Anwälte vertreten. Das Gericht vertagte die Verhandlung ausMontag.Raub auf offener Straße. Gestern gegen 15Uhr wurde an der Ecke Elisabethstraße-Augusta-platz in S t e t t i n ein Kaffenbote' des Finanzamts auf dem Wege zur Rcichsbank von dreiMännern, die aus einem Auto heraussprangen,überfallen, niedergeschlagen und seiner Aktentasche mit 23.635 RM Inhalt beraubt. TrotzdemPassanten sofort die Verfolgung aufnahmen undinzwischen auch das Ueberfallkommcmdo erschienenVmi Rundfunk«u4 den ProgrammenSonntag:P«-: 9.00 Geistliche Musik. 11.00 Orchester-Matinee. 12.05 Militäickonzert. 18.00 DeutscheSendung:.Bastien und Bastienne", Oper vonMryart. 19.00 Blasmusik. 2220 Unterhaltungskonzert.— Brünn: 17.30 Schallplatte«. 18.00 Deut-fche Sendung: Lortzing-Feier. 20.55 Jahrrszeiten in der Musik.— Preßbrng: 10.15 Schallplatte«.16.00 Orchesterkonzerr.— Berlin: 11.00 ItalienischeLieder.■— Breslau: 20.45„Der Verschwender". Hörspiel nach Raimund.— Hamburg:.13.05 BerühmteTenor«.— Königsberg: 11.15 Klassische Dialoge.19.00 Sehr schöne Schallplatte«.— Wien: 15.00Wiener Komik. 18.25 italienische Kammermusik.21.45 Tanzmusik.— Moskau: 19.30 Konzert.war, konnten zwei Täter entkommen, während derdritte, ein 27 Jahre alter Landwirt namensFritz Karsten, festgenommen wurde. Auch dergeraubte Geldbetrag konnte vollzählig wieder her-oeigeschafft werden.Blutiger Kampf bei einer Plünderung inBerlin. In ein Berliner Bu ttergeschäftdrangen gestern vormittag sechs Personen ein undentwendeten eine größere Menge von Lebensmitteln. In dem Augenblick, als die BanditenauS dem Geschäft herauskamen, fuhr zufällig einDienstwagen mit einem Beamten des Raubdezernats vorbei, der das Auto halten ließ undeinen der Täter ergriff, um ihn in das Auto zuziehen. Das war das Signal für etwa 30 b i s40 junae Burschen, die auf der Straße standen, sich auf den Kriminalbeamten und denChauffeur zu stürzen. Sie befreiten den Festgenommenen und brachten dem Beamten mehrere Messerstiche am Auge und im Gesichtbei. Dem Chauffeur des Autos wurde die Handzerschnitten. Den Tätern gelang es dann, zu entkommen.Berteuer««g der österreichische« Zigarette«. DerHauptausschusses des österreichischen Nationalratshat die Erhöhung gewisser Tabakpreise genehmigt.Darnach werden die bisher von der Verteuerung ausgenommenen Zigarettensorten um 1 bis 2 Groschenpro Stück erhöht. Die Verteuerung tritt am26. Oktober in Kraft.Di« Fran mit Benzin übergösse« und angezündet.In der kleinen Gemeinde Dzbel bei Konicc(Mähren)geriet Freitag der Landwirt» Liber Krecek mit seinerFrau Marie in einen Streit, weil Krecek von einemihm anvertrauten Einlagebuch einen größeren Betragbehoben und das Geld durchtzebracht hatte,weshalb ihm seine Frau mit der Anzeige drohte.Im Laufe der Auseinandersetzung ergriff Krecekeine große Flasche mit Benzin, begoß damit dieKleider seiner Frau und zündet« sie an. Auf dieHilferufe der Fran eilten einige beherzte Männerherbei, die der Unglücklichen die brennenden Kleidervom Leibe rissen, ihr die erste Pflege angedeihen undsie sofort ins Krankenhaus nach Prostejov überführenließen, wo jedoch festgestellt wurde, daß jede Hilfevergeblich ist. Die Frau kämpft mit dem Tode.Die Untersuchung des Vorfalls ist noch im Gange.AutobuS- Propogandafahrt der Raturfreunde»ach Dönschten. Der Touristenverein„Die Naturfreunde" veranstaltet am 28. Oktober bei genügender Beteiligung eine Propagandasahrt nach Dönschten in Sachsen zum Besuche des Naturfreundehauses. In nächster Nähe befindet sich die Dippolüis«walder Talsperre, di« sehr stark ausgesucht wird.Das Schutzhaus liegt in 600 m. S. gegenüber derhohen Tellkoppe und ist eines der bestauSgebautesienNaturfreundehäuser des Gaues Sachsen. Die Kostenfür di« Hin- und Rückfahrt betragen 25 K. Pässeerforderlich, ansonsten ist Grenz-Uebertrittscheinselbst zu lösen, Auslagen ca. 3 K. Bei der Anmeldung sind di« Unkosten gleich zu erlegen. Anmeldungbis zum 25. Oktober in der Geschäftsstelle d«STouristenvereines„Die Naturfreunde". Aussig,Marktplatz 11.Vir tim«Mir sind alle Heidi.Seit dem Beginn der bürgerlichen Revolutionen in England, Amerika und Frankreich istgÄmldiges Papi« hundertmal mit der Proklamation der Gleichheit aller Bürger vor demGesetz bedruckt worden. Alle konstitutionellenStaaten, alle Republiken haben in ihren Verfassungen den Willen kundgegeben, die Gleichheitaller StoatSbürg« als einen d« vornehmstenGrundsätze gelten zu lassen. Aber seit der Grundsatz besteht und verherrlicht wird, besteht auch dieProblematik, die Anatole France in den Sarkasmus gefaßt hat, daß es im demokratischenStaat eben jedem Staatsbürger, dem Fabrikanten wie dem Arbeitslosen, verwehrt sei, untereiner Brück« zu schlafen. Aber nicht nur diesoziale Ungleichheit an sich, auch ihre Auswirkungen auf die Praxis von Behörden und Gerichten strafen den scheinheiligen Grundsatz tagtäglich Lügen. Wer Geld hat, kann sichs mit denObrigkeiten immer irgendwie richten, der armeTeufel aber hat ein doppelt Maß von Untertanenlast zu tragen; er ist nicht nur mindernRechts, weil er sichs nicht richten kann; auf feinHaupt entlädt der von oben gedemütigte Machthaber und Würdenträger vom Subalternformatauch allen Groll, gegen ihn tobt er feine Minderwertigkeitskomplexe aus. In Nord und Südwird das Ideal der Gleichheit täglich an zahl-reichen Klippen zuschanden. Zwei aktuelle Beispiele seien herauSgegriffen.'*In. Lübeck wird gegenwärtig der Prozeßgegen die Aerzte abgeführt, die für den Tod vonnahezu 100 Säuglingen verantwortlich find. Mitspitzfindigen Gutachten wird um Schuld oderUnschuld der angeklagten Aerzte gestritten. WieÖnin« aber der Fall liegen mag, ob die Aerzteein Mittel eingesührt haben, das an sich nichteinwandfrei, nicht erprobt genug war, oder ybsie auS Fahrlässigkeit einen giftigen Tuberkelstamm statt eines entgifteten verwendet, ob siegeimpft statt gefüttert, Eier statt Kartoffeln alsNährboden der Jmpfbazillen vernxmdet haben—die Kinder starben jedenfalls zu Dutzenden dahin.Wesse» Kinder? Die Kinder armer Leute,die Kinder von Proleten, die von der Wissenschaft mit Vorliebe als Versuchskarnickel mißbraucht werden. Wiederholt hat in Wort undSchrift der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Genosse Dr. Moses gegen denMißbrauch der Proletarierkinder für Forschungszwecke Stellung genommen—7 so insbesondere,als ein Arzt gelegentlich ganz unumwundenerklärte, die Arbeitereltern seien froh, die Kinderfür ein paar Monate aus dem Hause und kostenlos verpflegt zu haben, man brauche sich alsonach Dersuchsmaterial nicht lang umschauen. DieNot, die soziale Ungleichheit bringt es doch immerwieder mit sich, daß eben nur die Armen zuVersuchsobjekten werden, daß die Armen dieIrrtümer der Medizin wie die der Justtz, dieWillkür der Obrigkeit wie die Härte, der Gesetzebüßen müssen. Als man in Lübeck von der tödlichen Wirkung der Calmette-Kuren bereitsKenntnis hatte, da haben die Aerzte die weitereBerfütterung des Giftes nicht nn schnellstenWege eingestellt, sie haben ruhig abgewartet, bisalle ausgegebenen Dosen verfüttert, das even-tuelle Corpus delicti vernichtet und der Weg zubilligen Ausreden freigegeben war. DutzendeKinder wären vielleicht zu retten gewesen, aberdas Interesse der Aerzte wog schwerer. waS kames auf«in paar Dutzend Kinder an, da es dochnur Proletarierkinder waren?! Sterben sie nichtan den Calmettikuren, so hätten sie ja doch nurzum geringsten Teil ein sorgenfreies Lebengehabt. Früher oder später fallen sie an derMaschine, int Bergwerk, als die Opfer schlechterWohnungen, der Arbeitslosigkeit oder auf demSchlachtfelde, auf dem auch der Offizier zuerstkommt und der Gemeine an seinem Bauchschußdraufgehen kann, wenn der Arzt inzwischen einemLeutnant den Finger verbinden muß. Wären inLübeck nur drei oder vier Kinder von Besitzendendas Opfer der Calmette-Aerzte geworden: dasGesetz würde anders gehandhabt, der Leichtsinnder Aerzte würde anders gerügt, der Mordhätte ein. anderes Echo gefunden!*Den ungarischen Gerichten ist mitder Entdeckung des Eisenbahnattentäters einschöner Traum zerstört worden. Einen Komm»«nisten, einen notigen Proleten, wollten sie fangen und znm grausigen Exempol an den Galgenknüpfen, zur Warnung, beileibe nicht für dieSprengstoff-Attentäter, sondern für alle, die mirdem gottgewollten Regime der magyarischenGrafen nicht einverstanden sind. Nun haben siestatt des Kommunisten einen Klerikalen«wischt, einen Mann, der Offizier war, derals Mitglied der HejaSbanden an den Orgiendes weißen Terrors teilgenommen und sich andem geraubten Gut der Opfer des magyarischenPatriotismus bereichert hat. Seit man weiß,wer Matuschka ist, wo er morden gelernt, wo ersein Vermögen erworben hat, ist der Ruf nachdem Schnellrichter verstummt. Die ungarischeJustiz wird den Massenmörder von Biatorbaghaller Wahrscheinlichkeit nach hängen. Aber Spaßmacht ihr das nun nicht mehr. Spaß hätte ihrdas Hängen nur gemacht, wenn eS ein Sozialistoder Kommunist gewesen wäre!Und daß es w e st l i ch der R a a'b nichtZanders zugeht, im Reiche Schobers die Gleichheit vor de mGesetz nicht anders aussieht alsim Reiche Karolhis, das beweist die Entschuldigung, mit der sich der österreichische Geiä>armverantwortet, der den Matuschka vor Wochenentwischen ließ. Eine Frau hatte unter Hinweisauf sehr deutliche Berdachtsgründe gegen den„Fabrikanten" Matuschka die Anzeige erstattet,Briefe des Mannes vorgelegt, den sie für denAttentäter hielt. Die Gendarmerie aber gab dieAnzeige niiht tveiter(und hätte sie es getan, sowäre sie wohl bei der unfähigen Wiener Polizeiliegen geblieben, für die Matuschkas Klerikalit-mus ohne Zweifel ein ausreichendes Alibi bedeutet hätte). Der Gendarm entschuldigt sichdamit, daß er einen Verweis, wenn nicht eineStrafe fürchtete, falls er die Anzeige gegen einen„Fabrikanten"weiterleite... Der Mann kennt dieOrdnung, der er dient, er weiß wahrhaftigbesser, als es der Bundespräsident wissen durfte,welchen Werk die Verfassung hat und was dieGleichheit vor dem Gesetze bedeutet. Er weiß,daß Gesetze nicht dazu da sind, die Verbrecher zustrafen, die eine allgemeingültige Norm verletzen,sondern daß die Fallstricke für diejenigen seinsollen, die mit einer Ordnung unzufrieden sind,in der die Gleichheit kaum das Papier wert-ist,das zu ihrer Verkündigung v«tan wird!Der Gendarm aus dem Wienerwald ist einkluger Mann; er hat zweifellos auf dem WienerBurgtor einmal den Spruch gelesen:„Justitiaregnorum fundamentum" und sich ihn übersetzen lassen:„Gerechtigkeit, die Grundlage der Staaten", aber er hat wohl auchgehört, was die Untertanen des guten KaisersFranz zur Zeit, als man»och auf den Basteienund über das Tor spazierte, zu dem schönenWahlfpruch sagten: Unten führte mandurch und oben geht man drüberweg... Fr.