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?nitaft, 28. CHatet 1981

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«üve«. Der 9oR De«e»e oder DeVßsse< 3afl? Dorr Dr. Julius Moses, M. d. R.

Der letzte Akt deS schaperlichen Lübecker DramaS spielt sich jetzt vor dem Lübecker Gericht ab. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Alt- stasdt, die Professoren Deycke und Klotz, die Krankenschwester Schütze haben sich- wegen des ' Todes von 75 Kindern zu verantworten. Die Verhandlung, die lange Zeit auf sich warten ließ, war notwerchig, lischt etwa, um die.Angeklagten der Strafe zuprkühreN ich glaube, daß sie schwere seelische Kämpfe durchaemacht haben, und namentlich die Persönlichkeit Deyckeß zwingt uns trotz aller Gegnerschaft doch Mitgefühl ab, sondern um die Ursachen deS Todes von 75 Kindern und der Erkrankung zahlreicher anderer Kinder aufzuklären. Ich habe innerhalb und außerhalb des Parlaments immer Wiede.' diele Gerichtsverhandlung verlangt im Intelcsie der Volksgesundheit, im Interesse der Tuberkulosebekämpfung, im Interesse der jungen Menschenleben: ich erhoffte, daß dies« Gerichts­verhandlung Klarheit darüber schaffen wird, ob weiterhin an Kindern mit dem Calmette» Mittel herumexperimentiert werden darf. Wie weit diese Hoffnung berechtigt ist. läßt sich im Augenblick noch nicht Voraussagen. Um den Gang des Prozesses und seine komplljiertc Struktur zu verstehen, muß man ü.e entscheidende Frage noch einmal auS dem Wust der Debatten, Zeitungskampagnen, der mehr oder weniger geschmackvollen journalisti­schen Gloffcn oder mehr oder minder überzeu­gendenfachmännischen" Kommentare in der Tagespreise herauSheben. Sie lautet: Ist das Lübecker Unglück darauf zurück­zuführen, daß Calmettes 8L0 Stamm nachträg­lich wieder virulent wurde ob« daß in Professor Deyckes Laboratorium eine Verunreinigung oder Verwechslung mit menschlichen Tuberkelbazillen geschah? Eines oder das andere muß geschehen sein: Entweder sind Talmette und sein« kritik­losen Nachbeter oder Deycke di« Schuldigen. Aus diesen beiden Möglichkeiten e«ibt sich die Stellung der Angeklagten und der Sachver­ständigen. MS zum 19. Oktober hatten d i e Angeklagten übereinstimmend ihr Vor­gehen damit" gerechtfertigt, daß sie di« Einführung des Calmette'schen Mittels in Lübeck mit ihrer durch wissenschaftliche Aeußerungen hervorragen­den Forscher und durch die Calmette'sche Stati­stik gestützten Üeberzeügung von der Unschäd­lichkeit d e 8 Mittels begründeten. Ihre feste Ansicht, daß das Präparat unschädlich fei, diente ihnen auch.zur Verteidigung gegen, den Vorwurf, daß sie ein.Nicht zu recht» sertigendeS Experiment an den ftta- dern begangen hätten. Immer" wieder konnte man eS hören: Wir haben nicht experimentiert; denn wir haben ein erwiesenermaßen erprobtes und harmloses Mittel angewandt. Der größte Teil der medizinischen Fach­presse und fast alle ärztlichen Mit­arbeiter standen auf dem Stand­punkt.. Der 19. Oktober war der historische Tag, der in diese Einheitsfront der Angeklagten einen unüberbrückbaren Riß brachte. Prof. Deycke war eS, der in offener Gerichtsverhandlung in einer dramatischen Erklärung, fast unter Tränen, sein« Anschauung über die Unschädlichkeit deS Eakmette-PrSparates einenwissenschaft­lichen Irrtum" nannte. Bis dahin hatte sein Mitangeklagter und Schüler, Dr. Alt» staedt, zur Basis seiner eigenen Verteidigung die These gewählt: Das Calmette-Mittel ist erwiesen harmlos. Er konnte nicht anders; denn er war ja für die Einführung des Calmette-Mittel» in Lübeck verantwortlich. Da­mit erschwerte er aber auch dir Situation für

Steldichei». UM 3 Uhr k0wmt sie. Es ist aber erst 2 Uhr 57. Noch drei" Minuten(eben ist der Zeiger vor- gesprungett; also, noch zwei). Vielleicht kommt fie schon zwei Minuten eher? Das wär« sehr schön. Blond ist sie, wunderbare Haut, beim Tanzen sah ich die nicht zu volle, fast straffe Rundung der Achseln, dje blauen, nein, nicht ganz blauen, mehr graublauen.. also die graublauen Augen. Sie kommt also doch erst um 8 Uhr. Warum sollte sie auch zwei Minuten früher da sein? Mädels dürfen nicht warten: das wäre zwar modern,"" doch so etwa- stört. Und wenn fie zwei Minuten früher käme, dann könnte eS ihr ja theoretisch passieren, daß i ch noch fehle. G 8 Uhr. Anfpassen! Wird fie so oder io über den Platz kommen?(Wo wohnt sie eigent­lich? Kommt sie gefahren oder gelaufen? Mit welcher Bahn?) Wenn sie dort drüben steht, kann sie mich ja überhaupt nicht sehen.(Man soll den Treffpunkt.doch genauer bestimmen.) Ich werde also auf und ab gehen und mich alle fünf Schritte umsehen, ob sie von der anderen Seite herantrip­pelt.(Einen graziösen Schritt batte sie am Leibe, wenn sie über das Parkett ging. Hm!) Wenn ich drüben bin kann sie mich natürlich von hier wie­der nicht sehen. Ich muß also in der Mitte bleiben. * 3.03 Uhr. Sie muß jeden Augenblick..... Jeden Augenblick. Natürlich. Ich wüßte kein?« Grund,.deshalb üe nicht kommen sollte. Ucber- dies kann sich' eine auch verspäten. 3.05 Uhr. Schöne runde Zahl. Fünf Minuten? Bissdl viel! Über Mädel- sollen nicht auf Straßenbahnen

Deycke außerordentlich; denn so hob er indiskret di« Möglichkeit des technischen Verschuldens Deyckes bei der Herstellung deS Präparate- her­vor. Menschlich ergreifend war gewiß dieses Geständnis Deyckes, daß er sich in der Be­urteilung deS Calmette-PräparateS geirrt hatte. Trotz alledem ist es notwendig im Interesse der Sache, das Geständnis Deyckes rein sachlich zu betrachten und sich bei der nüchternen Be­urteilung der Lage nicht durch die an dieser Stelle unangebrachten Sentiments beeinflussen zu lassen. Ueber derGelehrtentragödie" steht di« Kindertragödie. So erschütternd dieser Zusammenbruch Deyckes auch sein niag: er dient kaum dazu, die Ursachen deS Kindersterbens aufzuhellen. - Daß Deycke jetzt das Calmette-Mittel als die Ursache der Katastrophe e'^särt, ist nämlich seine einzig« Verteidigungsmöglich­keit. Hätte er weiter gleich Altstacht daran fest- aehalten, daß das Calmette-Präparat unschädlich sei, so hätte er den Verdacht gegen sich selbst be­stärkt, daß er für di« Berwechstung oder Bei­mischung mit virulenten Tuberkelbazillen ver­antwortlich sei. Deycke konnte einfach nicht anders. Seinwissenschaftlicher Irrtum" ist, da- weiß er ganz genau, kaum strafbar. Deshalb auch sein« Worte:Wenn da-Gericht mich wegen dieses Irrtums belangbar hält, so soll man mich verurteilen." Wohl aber hätte er die Gef'r der Verurteilung herausbeschworen. w«nn-r am Calmette-Mittel festgehalten hätte. Denn dann wäre nur noch die zweite MögliOeit ge­blieben, daß er der eigentliche Schuldige ist. Ein Drittes gibt es nicht. * Wir wollen dem Gang deS gerichtlichen Ver­fahrens nicht vorausgreifen und absolut keinen Borwurf gegen Deycke erheben, daß e, plötzlich währen- deS Prozesses diese Art der Verteidi­gung gewählt hat. DaS ist sein gutes Recht als Angeklagter. Außerdem ist«S ja möglich, daß das Calmette-Mittel als solches die Ursache des Unglücks ist. Gegen daS Mittel werden ja feit Jahr und Tag die schwersten Bedenken erhoben, die sich durchaus mit jenen Professor Deyckes decken, die aber leider gerade in Deutsch­larv von den maßgebenden Wissenschaftlern ab­sichtlich übersehen oder als falsch abgetan worden sind. Ist die Ansicht de» leider zu^pät zum PaulnS gewordenen Prof. Deycke richtig, dann ist. dies eine furchtbare Anklage gegen die Wissenschaft, so weit fie fich rückhalt­los hinter das Calmette-Mittel gestellt hat,«S wäre ein« furchtbare Anklage gegen Altstaedt, der seine bisherige Verteidigung aus eine ent­schiedene Ablehnung aller gegen Calmette vor­gebrachten Einwände aufbaute. Deycke kann recht haben. Aber eS wäre verfehlt, seinemGeständnis" eine ent­scheidende Bedeutung beizumessen. Tatsache ist, daß er sich nicht anders verteidigen konnte! Was ist die Wahrheit? Damit tritt der Fall Calmette in ein neues Stadium: der weitere Gang deS Prozesse» muß erweisen, wie sich Altstaedt zu der AuS» sageseineS Lehrers Deycke stellen wird. Da» Tragische an diesem Prozesse ist: Wenn Alt- staedt an seiner VerteidigunqSmethode ebenso festhält wie Deycke, dann belasten sie sich gegen­seitig, mehr alS alle Belastungszeugen uw als eS die Anklageschrift und die Fragen der An­wälte der. Nebenkläger zu tun vermögen. Alt­staedt und Deycke sitzen auf derselben Anklage- bank und suchen sich in ihren Worten gegenseitig

ausspringen; nein, jetzt, wo die Röcke wieder län­ger sind, doppelt gefährlich. Dann lleber eine Bahn spater! Haben ja Zeit» bis... Hoffentlich darf sie bi» zum Abend wegbleiben! Ober ob sie überhaupt nicht Weggehen darf? Ja, zum Teu­fel, da kann sie doch wenigsten- kommen und Bescheid sagen. Oder schreiben. Nicht, daß man hier steht, wie ein, wie ein.... Eine Straßenbahn hält. Alter Herr mit Aktentasche steigt au». Aha, da hinten... Hat sie doch ein andere» Kleid angezogen; freilich, eS war doch Ball damals... Ich gehe ihr einige Schritte entgegen. Nur ruhig, ganz zwanglos Andermal richtig Hinsehen! Ist sie ja gar nicht; Dussel ! * Donnerwetter: 3.09. Aus , der Traum. Jetzt kommt sie nicht mehr. Neun Minuten spä­ter, nee, fünse allenfalls, aber neun? Zehne sind's jetzt. Ich gehe jawohl, ich gehe. Schade, sehr schade. In vier Minuten kommt die nächste Bahn die könnte man eigentlich noch abwar­ten. Kann ja doch was dazwischen gekommen sein. Aber länger auf keinen Fall! Drüben geht auch einer aus und ab. Schon seit 3.05 Ubr. Dauernd schielt er rüber. Idiot! Nur nicht merken lassen, daß ich aus jemanden warte! Hier das Schaufenster mit Trikotagen; wie interessant: man kann im Spiegel den gan­zen Platz übersehen. Ter Idiot steht immer noch da. Ein dämliches Gesicht hat der, Kinder! Endlich die Straßenbahn,... leer.(Ob's ein Sonderwagen ist?)Herr Schaffner, ent­schuldigen Sie... Wie. bitt«? Fahrplanmäßig? So? Danke, danke sehr!" * Nun ist' auS. Ich marschiere hart auf die Uhr zu, die 3.15 Uhr grinst. Sehe mich um:

in Schutz zu nehmen. Altstaedt weist äußerlich leben Gedanken einer Schuld DeyckeS von sich und Deycke erklärt eS für unerträglich, daß er freigesprochen und Altstaedt verurteilt werden könnte. In WirkliäPeit ist aber jede Aussage AltstaedtS vernichtend für Deycke und jede Aus­sage DeyckeS läßt die Rolle AltstaedtS immer unbegreiflicher erscheinen. Denn: Wenn Altstaedt jetzi auch weiter die Behauptung aufrechterhält: DaS Calmette-Mittel ist unschädlich, ich war deshalb zu seiner Einführung berechtigt", so gibt er Deycke die ganze Schuld. Wenn aber Deycke seinerseits erklärt, das Calmette-Mittel ist ver­antwortlich, so belastet er Altstaedt mit dem ent­setzlichen Vorwurf, 264 Kinder mit einem töd­lichen Mittel behandelt zu haben. Ist aber Deycke selbst frei von jeder Schuld zu sprechen, wenn sich tatsächlich er­geben sollt«, daß«r das Opfer eineswis­senschaftlichen Irrtums" geworden ist, daß der Calmette'sche 800-Stamnl von selbst wieder virulent wurde? Schließt fich da» Gericht dieser Ansicht an oder ergeben sich Beweise, daß diese sein« Verteidigung richtig ist, dann bleibt Deycke noch immer nicht der Borwurf erspart, daß er an der allgemeinen Anwendung dieses lebensgefährlichen Mittels in Lübeck mihgewnkr hat, daß er ein in der Geschichte der Medizia noch nie dagewesenes gefährliche- und gleichzeitig sinnlose- Experiment unterstützt hat. Dann hat er sich eben in dieser Beziehung schuldig gemacht. Dann ist Altstaedt schuldig, dann aber sitzen au" der Anklagebank moralisch auch alle jenen Aerzte und Professoren, die die Einführung dieses Mit­tels propagierten und verteidigten! Der Prozeß ist durch di« Aussage Deyckes in ein neue» Stadium getreten. Ich bin begierig, wie sich die medizinischen Sachverstän­digen zu dem Fragenkomplex, den Deycke auf­geworfen hat, stellen werden. Bisher war die Methode in der medizinischen Fachpresse und in -en wissenschaftlichen Erörterungen über das Calmette-Mittel so, daß man an» Prestigegründen alle» in Schutz z« nehmen versuchte: Da» Calmette -Mittel war selbstverständlich an dem Unglück unschuldig, und die angeklagten Aerzte waren«8 ebenfalls. Der Gang de» Pro­zesse» verlangt aber klare Fronten: Für Cal­mette oder für Deycke! Die zahlreichen medizinischen Sachver- st ä n d t g« n, die im Sitzungssaal anwesend sind, gliedern sich in zwei Gruppen: Die einen sind Gegner deS Calmette-Mittel8, sie geben die Möglichkeit einer Schädlichekit des Präparates durchaus zu.- Ihre Aussagen ent­lasten Deycke.(Nicht aber Altstaedt.) Die an­deren sind di« Vertreter b-er Ünschäd» lichkeitstheorie: Dringt chre Auffassung durch, so ist. Deycke gerichtet. So sehr ich der Ansicht bi«, daß unter allen Umständen ver­mieden werden muß, daß aus der Gerichtsver­handlung ein wissenschaftlicher Kongreß wird, zwischen diesen endlosen Debatten und. Zwischen­fragen die Schuldftag« nur verwischt werden kann, so wird es sich doch als unausbleiblich erweisen, jetzt nach der Aussage Deycke» klaren Tisch zu machen: Diejenigen Fachmänner, die bisher hinter Calmette durch dick und dünn 5;ingen, werden nicht umhin können, ihre Auf- assuna zu rechtfertigen und zu begründen, ohne Rücksicht darauf, da sie die Hauptankläger gegen Deycke werden. Diejenigen aber, die Calmette- Gegner sind, müssen jetzt endlich das befreiende Wort sprechen, das allein Deycke entlasten kann. Aber mehr als das: Hier handelt eS sich ja

OVO L.- Zahnpasta macht die Zihne gründlich sauber, greift aber den Zahnschmelz nicht an.

der Idiot muß natürlich gerade kehrt machen... Hübsch war sie eigentlich, zugegeben. Aber wer nicht pünktlich sein kann, schon sone Sache, schlech­tes Zeichen, sehr schlechtes Zeichen; wäre bei wie hieß fie doch damals? bestimmt nicht vor­gekommen. Nie wieder Verabredung! Nur nochmal umgucken, ob sie etwa von der anderen Seite...? Ree, dachte ich mir schon. Scheint doch nicht so zu sein wie an dem Abend damals; da täuscht natürlich alle-: Musik, Tanz, Lachen, undsoweiter. * Blöder Nachmittag. Vollkommen verpatzt. Bloß wegen«ine» kleinen MähelS. Bloß, well unsereiner Wort hält. Unsereiner! Dumm genug! Soll mich sonstwo... Wenn sie jetzt käme:... Hut ziehen, jawoll, sehr höflich sogar(da» ärgert am meisten und sieht obendrem aut aus), und mit eisiger Miene vorbei gehen! Ohne mit der Wimper zu zucken. Schad«, daß sie nicht kommt! Dort um die Eck« mühte sie biegen. Wenn sie etwa gar was sagt?'Möglich wäre es immerhrn. Hm, dann nur ganz kühl:Bedauere, ich teile meine Zeit sehr genau ein!" Besser noch:Es tut mir leid, aber ich muß offen gestehen..." Sie biegt um die Ecke... Wahrhaftig! Sie kommt auf mich zu, lächelt, winkt. Sie entschuldigen, lieber Junge meine Mutter.... Bahn... umsteigen... Anschluß weg....." (Sie sieht entzückend aus. Nein, sie hat doch mehr blaue als graue Augen.) Aber, Ti, kleine Ti, das ist doch nicht so schlimm. Ich bin ja auch eben erst gekommen!" Satirikus.

weder um Deycke, noch um Altstaedt, noch um Klotz: mir geht es darum,.»' di« kommenden Generationen vor einer ähnlichen Katastrophe zn bewahren.

Volkswirtschaft und Sozialpolitik Der Lohrttonstltt iu der Bihorischen Induftrialbank. Am 21. Oktober intervenierte Genosse Abg. Tayerle in Vertretung der gemeinsamen Landeszentrale und der beiden Bankbeamten­organisationen beim Finanzminister Dr. Trapl, den er über die Entscheidung der Böhmischen Jndustrialbank informierte, di« eine zehnprozen­tige Reduktion der Gehalte ihrer Angestellten und eine ähnliche Maßnahme bei den Angestellten ihrer Konzernunternehmungen durchzuführen be- absichtigt. Genosse Tayerle hob di« Bedeutung der von den beiden Organisationen eingeleiteten Ab­wehraktion hervor, die um so begründeter ist, als die Senkung der Gehalte der subalternen Ange­stellten unerträglich wäre, wobei eS sich überdies um einen Bruch deS gültigen Kollek­tivvertrages handelt. Genosse Tayerle er­suchte den Finanzminister Dr. Trapl, bei der Bankleitung zum Schutze der Angestellten einzu­schreiten. Der Finanzminister versprach, sich mit dem vorgebrachten Wunsche zu beschäftigen. In­terventionen ähnlicher Art werden auch beiin Fürsorgeminitter, Genossen Dr. Czech vorge­nommen werden. Beide Organisationen haben bereits schriftliche Darstellungen über die Lage der Angestellten der Jndustrialbank dem Für­sorgeministerium und dem Finanzministerium vorgelegt. Wie wir«fahren, beschäftigen sich außerdem beide Organisationen im Einverneh­men mit der Gewerkschaft-zentrale mit der'weite­ren Fortsetzung ihrer Abwehraktion, die in den nächsten Tagen gesteigert werden wird, fall- die beabsichttgte Maßnahme von der Bankleitung nicht widerrufen werden sollte.

Sule Erfahrungen mit der lech.» stündigen Arbeitszeit. So lange in der Welt große Massen der Ar­beiter und Angestellten beschäftigungslos sind, wird die Frage der Arbeitszeit, deren Perkür­zung auch bei uns durch di« Initiative des Mini­steriums für soziale Fürsorge aktuell geworden ist, nicht verschwinden. Jedenfalls ist der Acht- stundentag durch di« Entwicklung bereits überholt. Deshalb geht e» heute um hie 40-Stundenwochc oder um die sechsstün­dige Arbeitszeit. Im deutschen ReichSarbeits- blatt Nr. 27 werden die Erfahrungen über die Einführung des sechsstündigen Arbeitstages eines großen Muhlenwerkes in den Bereinigten Staa­ten bekanntgegeben. Die Mühlenwerke Kellogg u. Co. haben am 1. Dezember 1930 den Sechs st undentag, also eine Arbeitszeit von vier Schichten je Tag,«ingeführt. Ueber die Erfahrungen darüber hat die Firma einen Be­richt veröffentlicht. Dieser geht davon aus, daß in den Bereinigten Staaten in den letzten 17 Jahren eine Zunahme der Bevölkerung von 25 Prozent zu verzeichnen war, während die Pro­duktion an Lebensmitteln und Rohmaterialien sich um 60 Prozent vergrößert hat. Die Pro­duktion ist also doppelt so schnell in die Höhe ge­gangen wie di« Bevölkerung-zahl. Deshalb mußt« die Arbeitszeit beschränkt werden.In unserem Betriebe" so heißt«S in deut' Bericht, schien unS die Verkürzung der Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden die zweckmäßigste Methode zu sein, um den Betrieb den Notwerwigkeiten der derzeitigen Lage anzupassen." Di« Firma glaubt, festftellen zu können,»Haß bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden die Leistungsfähig­keit größer ist als bei einer Arbeitszeit von acht Stunden, da nur für sechs Stunden des 24- tündigen Arbeitstages die Arbeitskraft und Auf­merksamkeit deS ArveitnehmerS beansprucht wer­den... Nach Beendigung seine« Arbeit hat der Arbeiter 18 Stunden Ruhe«Nd Erholung, und "ein Posten wird von einem anderen Arbeiter eingenommen, der nach 18 Stunden Ruhe und Entspannung vollkommen frisch ist". Die Kel» logg-Werke haben ein Ansteigen der Pro» duktionSkurv« bei den einzelnen Arbeitern eftstellen können. Ueber die Borteile der Sechs- tundenschicht für den Arbeiter wird in dem Be­richt folgendes gesagt:Mehr Zeit für Erholung; Gelegenheit, Hau « und Garten zu pflegen, ins­besondere bei denjenigen Arbeitern, die in den Außenbezirken wohnen; genügend Zeit, um sich weiterzubilden; zunehmender Antrieb, sich in Handfertigkeiten auszubilden usw. Ganz allge­mein ist eine weit geringere Abspan­nung durch die Verkürzung der täglichen Ar­beitszeit und die längeren Ruhepausen festgestellt worden, waS sich wiederum förderlich auf die Gesundheit und damit auf die Arbeitskraft auS- wirkt. Weniger vergeudete Zeit in» olge der Konzentration der Arbeit auf einen kürzeren Zeitraum; verminderte Lebens­haltungskosten, da«S möglich ist, all« Mahlzeiten zu Hause einzunehmen nsw." Schwie­rigkeiten waren bei dem Lohnausgleich zu verzeichnen..Di« Firma hat schließlich«in« Er­höhung des GrundlohueS um 12% Prozent vorgenommen. Die Leitung der Kel- logg-Wrrke stellt zum Schluß fest, daß sowohl da» Werk als auch die Arbeiter mit den Erfahrungen der Sechsstundenschicht zufrieden seien und von letzteren keiner wieder den Achtstundentag zurück- wünscht. Wann folgen bei uns solch« Versuche?