Seite S Mittwoch,«. CtMtt 19SL «r. 251. und reich gewordenen Advokaten ein Volk von Bauern, Kleinbürgern, kleinen Beamten und Arbeitern. In den dreizehn Jahren seit dem Umsturz haben sich die Verhältnisse gründlich gewandelt. Mit märchenhafter Schnelligkeit ist, mit allen staatlichen Machtmitteln gefördert, eine reiche tschechische Bourgeoisie entstanden und der Appetit, den sie entwickelte, übertraf bei weitem alle Begriffe und Maße von vor­dem. Heute sitzen die Angehörigen dieser sich bereits in aristokratischen Allüren übenden Bürgerkaste in allen Berwaltungsräten der großen Jndustrieunternehmungen, streichen Tantiemen und Dividenden ein, sind die Her­ren großer, mächtiger Banken, nehmen sämt­liche hohen Amtsstellen des Staates und der Länder ein und sitzen auf den Restgütern der zerschlagenen feudalen Gutsbesitze. Den Staatsapparat hat sich diese Klasse der Hoch­gekommenen mit einer bisher nie dagewesenen Skrupellosigkeit dienstbar zu machen verstan­den, ihr hat die neue Staatlichkeit goldene Früchte getragen, während die große Masse ixä tschechischen Volkes nicht wohlhabender, eher ärmer geworden ist. Heute ist die tsche­chische Besitzklasse nicht minder unsozial und brutal siegen die Arbeiterklasse, als es die Bourgeoisie etwa der deutschen Nation schon früher gewesen ist. Das hat den Klassengegen­satz, der durch den gemeinsamen Kampf aller Schichten gegen nationale Bedrückung ver­hüllt war, Wohl nicht erst geschaffen, aber sicht­bar gsnacht und vertieft, denn während sich für den tschechischen Proletarier der Begriff seines Ausbeuters mit dem seines nationalen Unterdrückers deckte, wurde er jetzt gewahr, daß das Streben nach Ausbeutung seiner Ar­beitskraft und sozialer wie politischer Entrech­tung nicht an eine bestimmte Nation gebun­den ist und daß der besitzende Volksgenosse um nichts sozial und menschlich empfindender ist, -ls der Kapitalist der anderen Nation. Der Festtag des 28. Oktober wird darum. Wenn auch eingedenk des Falles der nationa­len Fesseln, nicht mit jenen Gefühlen gefeiert, die einst diesem Tag daS Gepräge gaben. Er ist auch im wesentlichen nur ein Tag der tsche­chischen Nation geblieben und eS ist wenig ge­schehen, um ihn auch zu einem Festtage der arweren Nationen im Staate zu machen. Mit Ausnahme der verbohrtesten Nationalisten bat das deutsche Boll für die Freude, die sich, wenn auch in verändertem Umfange heute in der Erinnerung an diesen größten Taa des tschechischen BolleS kundgibt, volles Verständ­nis. Leider fehlt bei einem Großteil der Ge­genseite noch rmmer ein gleicher Verständnis für die Lebensnotwendigkeiten der deutschen Bevölkerung und gegenüber allen Vorstellun­gen und Beschwerden behilft man sich mit der billigen Phrase, man habe den Deutschen ohnehin alles gegeben, worauf sie nach den Min-erheitSschutzverträgen Anspruch haben. Auch dftsesGegebene" findet man offenbar noch zu weitgehend und so waren die dreizehn Iah« des Bestandes der Tschechosiowakischen Republik begleitet von einer kaum jemals un­terbrochenen offenen oder Minier-Arbeit gegen das ihnen nach dem Umsturz Verbliebene. Man hat der deutschen Bevölkerung die An­gleichung an den neuen Staat wahrhaftig nicht leicht gemacht, wenn die Deutschen trotz­dem loyale Staatsbürger gewesen sind und nur Böswilligkeit behaupten kann, daß ihr Kampf um Selbstbehauptung und nationale Gerechtigkeit gegen den Staat gerichtet ist, so hätte das längst dankbar durch entsprechende Taten anerkannt werden müssen. So ist denn, dreizehn Iah« nach Grün­dung der Tschechoslowakischen Republik, das nationale Problem in ihr ungelöst und ini ehl auS Ungarn einge- Was geht da vor? Die Oeffentlichkeit wird seit einiger Zeit ständig mit Nachrichten über eine geplante Zoll­erhöhung für Kaff« und Tee beunruhigt und mit Recht wird gegen diese Absichten, welche eine Verteuerung dieser wichtigen Konsumwaren her­beiführen müßten, protestiert. So wichtig aber Kaffee und Tee für den Konsum der breitesten Dolkskreise sind: unendlich wichtiger ist für die Bollsgesamtheit der Preis des. Getreides und des Mehles, da es sich bei Brot und Mehl um Nahrungsmittel handelt, die täglich in jedem «it in erheblichen Mengen verbraucht wer- r Weltmarktpreis für Weizen hat in den letzten Wochen einen derartigen Tiefstand erreicht wie nie zuvor und rumänischer Weizen wird zum Beispiel franko Hafen Preßburg heute bereits um 44 Kronen per Meterzentner angeboten. Selbst wenn wir den unerhört hohen Zoll von 70 Kronen pro Meterzentner(160 Prozent des Preises) in Betracht ziehen, ferner die weite« Belastung von einem Prozent deS Wertes zu­gunsten oeS Handelsministeriums, die weiteren Transport- und eventuellen Lagerspesen, so müßte bei uns der Weizen mit höchstens 120 Kronen pro Meterzentner gehandelt werden. Tat­sächlich müssen aber hei uns für den Meterzent­ner Weizen bis zu 160 Kronen bezahlt werden, so daß also in der Tschechoslowakei nahezu der vierfache Weltmarktpreis für Weizen gezahlt wird. Sehen wir von Deutschland ab, wo die Agrarpolitik deS Herrn Schiele die Getreide­eise auf eine unerhörte Höhe getrieben hat, so zahlt der tschechoslowakische Konsument die höchsten Getreidepreise aus der ganzen Welt. Wie ist das möglich? Hier muß in die Hin­tergründe einer Praxis geleuchtet werden, die in höchstem Maße volksfeindlich und voll-schädlich ist«nd welche sowohl die gesamte Oeffenllnbkeit als auch insbesondere die zuständigen Behörden, namentlich das DollSernährunaSministerium ver­anlassen muß, hier aufs energischeste auf Abhilfe zu drängen. Die Tschechoslowakei produziert viel zu wenig Weizen, als daß sie selbst den notwen­digen Bedarf decken könnte. Im Vorjahre wur­den bei unS 13.8 Millionen Meterzentner Wei­zen geerntet, nach der eben erschienenen Stati- stik des Statistischen Staatsamtes mußten aber fast drei Millionen Meterzentner(2,951.342 Meterzentner) Weizen und fast zwei Millionen Meterzentner(1,911.061 Meterzentner) Mehl importiert werden. Für dieses Jahr wird die Weizenernte bei uns auf nicht ganz 10.5 Millio­nen Meterzentner geschätzt, so daß annähernd sechs Millionen Meterzentner eingeführt werden muffen, um den Bedarf zu decken. Da aber in­folge des Zollkrieges mit Ungar« die Mehlein­fuhr nahezu ganz aufgehört hat in den ersten acht Monaten des vergangenen IahreS wurden 920.000 Meterzentner führt, Heuer aber nur 50.000 Meterzentner muß auch dieses Quantum durch erhöhte Wei­zeneinfuhr geeckt werden, so daß mit einer Ein­fuhr von mindesten- acht Millionen Meterzent­ner Weizen genchnet werden muß, volle 80 Pro­zent der gesamten InlandSernte. Obwohl also ein ausgesprochenes Bedürf- Grunde genommen hätte niemand mehr Ur­sache, dies zu beklagen, als der Staat selbst, dem seine Nationalisten verwehren, die eher­nen Grundlagen seiner Existenz und seiner ge­sunden Entwicklung zu finden. Die Welt hat heute andere Sorgen, als die nationalen, aber darum bestehen die Probleme doch fort und heischen ih« Lösung. Möge bald der Tag kom­men, da dies erkannt wird! nis nach Weizenimporten besteht, genügt es un­seren tschechischen und deutschen Agrariern nicht, daß die Einfuhr mit einem wahnsinnigen Zoll­satz belastet wird, sondern eS besteht auch da» Bewilligungsverfabren. Die Einfuhrbewilligung wird durch eine befände« Kommission beim Han­delsministerium erteilt, welche auS fünf Bert«« lern der verschiedenen Ministerien und au» fünf Vertretern der sog.»Interessentengruppen" be­steht. Unter diesen Jnteressentengruppen befin­den sich auch die Konsumenten, de«n Vertretung jedoch minimal ist und wir wollen zur Eh« die­ser Vertreter annehmen, daß sie gegen die Prak­tiken sind, welche von der Kommission zugunsten von elf privilegierten agrarischen Genoffenschafts« zentralen und zum Schaden aller Bürger dieses Staates geübt werden. Man kann ihnen aller­dings den Vorwurf nicht ersparen, daß sie nicht schon längst laut und vernehmlich auf dreses Trei­ben gewissenloser P«istreiber und Profitjäger hingewiesen haben, welche nicht nu? das tägliche Brot verteuern, sondern auch die Zukunft unse­rer gesamten Getreideversorgung auf das schwerste gefährden. Wird doch geradezu öffent­lich erzählt, daß die deutschen und tschechischen Agrarier den Mut besessen haben sollen, die Einfuhr ausländischen Weizens davon abhängig zu machen, daß pro Waggon einzuführenden Weizens ein Betrag von 2000 Kronen zugunsten der agrarischen GenoffenschaftKooperativ«" be­zahlt wird! Dieser Antrag wurde, soweit wir informiert sind, über Eingreifen der Konsumen­tenvertreter abgelehnt. Tarauchin erfanden di« Her«n eine neue Methode, wache zwar weniger offen, dafür aber desto gefährlicher ist. Sie haben nämlich den Grundsatz aufgestellt, daß für je fünf Waggons Einfuhrweizen ein Waggon In- landsweizen gekauft werden muß, wobei aber dieser Inlandswaggon durch Vermittlung einer der privilegierten agrarischen elf Genoffenschafts­zentralen eingekaust werden muß. Diese Genos« fenschasten aber betreiben einen aufgelegten P«iSwucher, indem sie für Weizen, welcher je nach Qualität 138 bis 150 Kronen pro Meter­zentner kostet, 152 bis 160 Kronen verlangen, ohne daß aber der landwirtschaftliche Produzent, also der Bauer diesen Mehrbetrag erhalten wurde. Es ist vielmehr so, daß die Bauern nur etwa 1 bis 2 Kronen von mesem Mehrbetrag erhalten, der Rest aber ohne jedwede Verrech­nung und Kontrolle einfach als Uebergewinn für die betreffenden Genoffenschaften verwendet wird. Me sich diese Zustande auswirken, möge die Tatsache illustrieren, daß eine Mühle für einen Zentner Inlandsweizen 144 Kronen be­zahlt, nachdem sie aber diesen Weizen als Kon­tingent für die Einfuhr von Anslandsweizen verwenden und anerkennen lassen will, für den­selben Weizen im Handumdrehen 156 Kronen, also um 12 Kronen mehr bezahlen muß, wobei gleichzeitig der billigere Kauf storniert wird. Geradezu grotesk wirkt es, daß beispielsweise der Staat den auf seinen Gütern geernteten Weizen nicht einfach als inländischen Kontingentweizen betrachten und dafür daS entsprechende Quantum Auslandsweizen für seine Mühlen importieren darf, sondern daß er seinen eigenen Weizen erst einer dieser privllegierten Genossenschaften an­bieten muß, um ihn dann von ihr zum teure«n Preise zurückzukaufen. In der Praxis sieht das dann so aus, daß der inländische Weizenprodu« zent, der gleichzeitig selbst Mühlenbefitzer ist, die­sen agrarischen Zentralen für nichts und wieder nichts rund 1500 Kronen Pro Waggons zahlen muß, um dann die Bestätigung zu eichalten, daß er taffächlich Jnlandsweizen seinen eigenen gekauft" hat. Da für Okwber die Einfuhr von 4950 Waggons Weizen bewilligt wurde, er­gibt sich, daß 990 Waggon» Jnlandsweizen zu dem von den 11 agrarischen Genossenschaften diktierten UeberpreiS angekauft werden mußten, so daß sich diese Genossenschaften im Laufe eines einzigen Monats auf Kosten der Konsumenten unberechtigterweise nahezu 1.5 Millionen Kro­nen angeeignet haben. Gelten die Wucherbestim- mungen wirklich nur für die Keinen Krämer und nicht auch für die Privilegierten Genossen­schaften der mächtigsten politischen Partei des Landes und sieht daS Ernährungsministerium hier nicht eine Pflicht, an der eS nicht achtlos Vorbeigehen darf? Neben dieser Verteuerung hat aber das ge­nannte Verfahren noch eine weite«, nicht Min­der gefährliche Wirkung, indem in geradezu mut­willigster Weise zugunsten einer Handvoll agra­rischer Großkapitalisten die Arbeitslosigkeit ganz bedeutend gesteigert wird. Im Preßburger Hafen lagen am 23. ds. nach einem Bericht der sozial-' demokratischenRobotnick« Noviny" in 100 gro­ßen Schleppkähnen 5000 Waggons Weizen, die Nicht auSgeladen werden dürfen, weil die im Dunkel der Anonymität arbeitende Getreide- Einfuhrkommission nicht die Bewilligung erteilt. Dieser Weizen ist größtenteils bereits von den tschechosiowakischen Importeuren bezahlt worden und nunmehr muß auch noch ein tägliches La­gergeld von rund 100.000 Kronen geleistet wer­den, wobei noch die Befürchtung besteht, daß der Weizen in den Kähnen verdirbt, da es in Preß­ burg immer noch keine entsprechenden Getreide­silos gibt, obwohl es sich um unseren größten Getreideeinfuhrhafen handelt. Uebrigens sind im Umschlaghafen Laube die Verhältnisse nicht wesentlich anders. Obwohl also ein Uebermaß von Weizen vorhanden ist, können die slowaki­schen Mühlen nicht arbeiten, weil sie nicht genug Weizen zum auSmahlen bekommen. Für die 130 Handelsmühlen in der Slowakei , welche eine Tageskapazität von 250 Waggons haben und 5000 Arbetter beschäftigen, wurde ein ganz un- Sendes Einfuhrkontingent zur Verfügung t, so daß bereits in vielen Fällen die Stillegung der, Mühlen und die Entlassung der Arbeiter angekündigt, teilweise auch schon durch­geführt wurde. Ebenlo oebt-s in Böhmen und Mähren . Gegen Me diese Schädigungen unsrer Wirt­schaft kann nicht heftig genug protestiert werden. Dabei kommt, wie wir schon ausgeführt haben, diese gewissenlose Politik nicht einmal den Bauern zugute, sondern sie dient ganz einfach den unkontrollierbaren elf privilegierten Genossen«--4 schäften der deutschen und tschechischen Agrarier. Es haben also alle Kreise der Bevölkerung ein eminente- Interesse daran, daß in das Dunkel hineingeleuchtet und Ordnung geschaffen werde. Wenn schon ein Monopol, dann ein offenes staatliche» und nicht ein verkapptes privates zu­gunsten einiger agrarischer Machthaber. Wir for­dern die beruftnen Instanzen auf, sich mit oie- fem himmelschreienden Skandal zu befassen und int Interesse unserer Volk-Versorgung schleunigst Remedur zu schaffen. Inina auf Gruvsrnahme Caimettes. Lübeck , 27. Oktober. In der heutigen Nach­mittagssitzung des Lübecker Prozesses stellte Rechtsanwalt Frey den Antrag, Professor Cal- mette kommissarisch vernehmen zu lassen. Neber den Antrag wird später beschlösset!. 34 Der Traumlenker Raman vor Hermyala Zur Mühlen. Ja, der Mann» der einst diese Worte ge­schrieben, hatte seine, Peter Brenn», Gefühle vorausgeahnt. Auch für ihn ist der Himmel über seinem Haupte ehern, nicht mehr Luft, nicht mehr Atmosphäre, sondern eine unbarm­herzige, undurchdringliche eherne Kuppel, die sich immer tiefer und tiefer auf ihn herabsenkt, um ihn zu zermalmen. Kinder und schlichte Seelen senden zu diesem Himmel ihre Bitte empor, im beseligenden Glauben, daß der kleine leichte Pfeil ihre» Gebete» diesen durchdringlichen Stahl zu durchstoßen vermag. Für sie ist er ein zarte» Gewebe, daS sich um die Füße ihre» allmächti­gen, gnadenreichen Gotte» schmiegt. Er aber weiß eS besser, der Himmel ist ehern, ist hart wie Stahl. Stahl. Auch di« Pickelhauben der Polizisten sind aus Stahl Polizisten... Plötzlich fühlte Peter einen üblen Ge­schmack im Munde. Seine Stirn wurde fepcht, die Haare llebten an ihr. Polizisten... Da hatte einmal ein Polizist in seinem Wartezimmer gesessen,«in verfolgter/ gehetzter Mensch» ein Mensch, der unter der Erkenntni­seiner Tun» zusammengebrochen war. Peter sah vor sich da» klägliche, hilflose Kindergesicht de» großen schwerfälligen Manne», hörte seine jammernden Worte. Damal» batte er mit ihm Mitleid empfun­den, eine ehrttche Regung. Au» gutem und rei­nem Herzen hatte er versucht, diesem gequälten Menschen zu helfen. Und hatte sich gefreut, al» es ihm gelang. Er hatte, wenn er in den letzten Wochen «ft heimlichem- Grauen an Friedrich Müller, an Felix Halperl und an Liane dachte, vor diese drei a«klagenden Gestatt« die groß« b«ite Ge- stalt de» Polizisten geschoben: dem habe ich. ge­holfen. Dem habe ich nichts Böses getan. Aber heute... Heute war ihm auch dieser tröstliche Glaube zerstört worden. Er war am Vormittag durch die Straßen geschlendert. Planlos, gedankenlos. Dor den Augen das vertraute Großstadtbild: tutende AutoS, klingelnde Straßenbahnen, hastende Men­schen. Und dann jählings ein Schrei, allen andern Lärm übertönend: Da läuft der Dieb! Aufhalten! Auf­halten!" Ein braunes Etwas rannte in ungeheuren Sätzen dahin. Und hinter ihm eine zornige Menge. Das WortDieb" hatte mit einemmal alle diese Menschen in Polizisten verwandelt. Sie waren nicht mehr lleine Angestellte, Makler, Verkäufer, Stenotypistinnen, Arbeiter, Haus­frauen, sie waren samt und sonders zu Polizisten geworden, Hüter des dreimal heiligen Privat- besitze», die einen Dieb verfolgten. Als hätte man jeden einzelnen von ihnen bestohlen, so grimmig, so haßerfüllt waren die Gesichter. Peter war der Gedanke gekommen: ein ganze» Volk das aus Polizisten besteht.. Er hatte über diese Vorstellung lachen wol­len, aber daS Lachen blieb ihm in der Kehle stecken, als er die laufenden, rennenden hetzen­den Menschen betrachtete. Wie eine Meute, die hinter dem Fuchs her­jagt. Funkelnde Augen, Schaum in den Mund­winkeln. keuchende Lungen. Hier, inmitten der Sachlichkeit einer Großstadtstraß-, erhob sich rie­sengroß und schauerlich ein Gespenst: der Haß de» Menschen gegen den Menschen, die böse Freuds an der Jagd, Großinquisitoren verfolg­ten einen, der ih«n Gott angetastet hatte. Peter ließ sich von einem plötzlichen Im­puls hinreißen. Er packt, einen schäbig geklei­deten laufenden Man« und zwang ihn, stehen- zub leiben. Weshalb rennen Sie dem armen Teufel nach? Hat er Si« bestohlen?" Nein", keuchte der Mann, und sein schma­ler Brustkasten hob und senkte sich schwer atmend.Er hat beim Juwelier Kaiser einge­brochen." Peter hielt noch immer den Arm des Man­nes umklammert. Sind Sie der Juwelier Kaiser ?" Der Mann lachte heiser. Ich wollt', ich war e». Ich bin Bank­beamter, arbeitslos seit sechs Monaten." Warum Hetzen Sie denn nicht dem nach, der Sie bestohlen hat?" Der Mann starrte ihn verständnislos an. Lassen Sie mich los, Herr, was fällt Ihnen ein?" Was hat..." Peter verstummte plötzlich, und seine Hand! ließ den Arm deS Mannes los, der sich sofort von neuem der Hetzjagd anschloß. Peters Augen aber starrten wie gebannt auf eine große, schwer­fällige Gestalt, die, den Gummiknüppel schwin­gend, dahergelaufen kam. Franz KieS, sein Polizist! Wo war der Mann geblieben, dem der ver­folgte Mörder keinen ruhigen Schlaf mehr gönnte, der Mensch, der, einmal im Leben, zu denken begonnen hatte? Da» war nicht der Mensch, Franz KieS, das war der Polizist, der Priester und Hüter de» heiligen Privatbesitzes, der hinter dem brau­nen Etwa» daherjagte: Der Dieb! Haltet den Dieb!" Und nun stieg ein Lachen würgend_ in Peter» Kehl« hock». Ein verzweifelte» böse» Lachen: Den hab ich geheilt. Dem hab ich daS Denken auSgetrieben. Ganz leis«, ganz schüch­tern hak^stch im Polizisten der Mensch geregt und ich habe ihn getötet. Dos war meine gut« Tat!" KalteS Grauen schüttelte Peter Brenn. Der Mensch wollte leben, der Mensch, der denkt und fühlt. Und ich habe ihn gemordet. In dem Fleischklumpen, der in den Listen der Polizei Franz Kies heißt, lebt« ein Traum deS Verstehens, deS Mitleid ». Ein schwacher Traum, Und ich habe ihn vernichtet. Ta» war mein­gute Tat...'" Am Fenster sitzend, den Mick in die Wol­ken gebohrt, die immer schwärzer wurden, den Tag in Nacht verwandelnd, flüsterte Peter Brenn vor sich hin: Du wirst tappen im Mittag, wie em Blinder tappet im Dunkeln." Waren diese erbarmungslosen Worte nicht auf ihn geschrieben? Tappt er nicht im Dunkeln wie ein Blinder? Wo ist der wahre Mensch, wo ist der wah« Traum? Er hat geglaubt, die Wahrheit von der Lüge, das Echte vom Falschen unterscheiden zu können. Wer ist der wah« Mensch, Frans, KieS, gefoltert vom Gesicht des gefangenen Mörders, oder der Polizist Kie», der dem Dieb nachjagt? Felix Holpert, die geld­stolze Bestie, oder der arme Narr, der hilflos um die Liebe einer Frau kämpft? Gabriel Klinker, der Schönheit und Luxu» mit allen Sinnen genießt, oder Gabriel Kliicker, der. allem entsagend, für die Gerechtigkeit kämpft? Wo? Und wer ist der wah« Peter Brenn? Ist es der Mensch, der mit seiner seltsamen Kraft andern helfen will, oder der junge Monn, der Geld verdienen möchte, oder der Mensch, der. durch eine persönliche Enttäuschuna verbittert. BöseS tut? Nein," sagte Peter laut, ,/die Erd« unter mir ist nicht eisern. Si« ist«ine wogende Welle, si« ist Flugsand. Sie trägt mich nicht. Wer bin ich? WaS bin ich? Ich lieb« und Haffe. Ich will das Gute und will da» Bös«. Mein Gott, Mein Gott, was ist m-'n wahrer Traum?" Eoryetzung folgte