Nr. 283. Samstag, 8. Dezember 1331. Wie der Bousoln den Strafella verteidigt! Wie«, 4. Dezember. Der Nationalrat hat heute das Gesetz über die Aufhebung der sogenannten Strafellaverträge bei den Bundesbahnen angenommen. In der De­batte kam es wiederholt zu stürmischen Auftritten, zunächst, als der sozialdemokra­tische Abgeordnete Dr. Deutsch den HeereS- minister Baugoin angri^f, daß er als Bundeskanzler seinerzeit den Strafella, einen ge­richtlich gebrandmarkten Schieber, zu einer der höchsten Stellen des Staates befördert habe. Der Christlichsoziale Abgeordnete Leskovar und Heeres- minister Baugoin beantworteten die Angriffe damit, daß sie eine Liste von über 2000 Eisen- bahnbediensteten vorlegten, die wegen verschiedener Verbrechen, darunter Mord, Dieb­stahl, öffentliche Gewalttätigkeit, Notzucht usw. vorbestraft seien, ohne daß sie deshalb von ihren Dienstposten entfernt worden seien. Doktor Bauer beantwortete die Ausführungen des Ministers Vaugoin dahin, daß es sich bei dieser Liste zweifellos zum großen Teile um Not- d e l i k t e handle, die von dem konstituierten Par­lamente vor dreizehn Jahren mit Rücksicht auf das Elend der letzten Kriegszeit und der ersten Nachkriegszeit amnestiert worden seien, zum Teile sicherlich auch um bereits g e s L h n te Strafen, deren Bor Haltung sogar st r a f- bar sei. Uebrigens seien nicht nur sozialdemo­kratische Angestellte in dieser Liste zu finden, sondern wenn er Namen nennen wollte, könnte er einige Verwandte christlichsozia­le rA b g e o r d n e t e r anführen. Jedenfalls be­grüßen die Sozialdemokraten dieses Gesetz, das e n blich die Korruptionsaffäre Strafella liquidiere. Max Habsburg. Wien , 4. Dezember. Wie derAbend" aus verläßlichen Quellen berichtet, Hot sich Max Habsburg, der Bruder des letzten Kaisers Karl und der Oheim des Otto Habsburg , in der vorigen Woche in Wien aufgehalten. Mit ihm seien auch Monarchisten aus Polen , Ungarn und der Tschecho- s l o w a k e i eingetroffen, um die in Steenokerzeel bei/,der Exkaiserin Zita aufgenommenen Bespre­chungen zu Ende zu führen. Erst auf die Nach­richt von dem mißlungenen Putsch in Ungarn , von dessen bevorstehendem Ausbruch die Exkaiserin und der in Wien weilende Habs­ burger Kenntnis gehabt haben sollen, hat Max Habsburg mit seiner Begleitung Wien wieder verlassen. Die Wiener Polizeidirektion teilte, auf die Anfrage unseres Wiener Korrespondenten mit, daß Max Habsburg tatsächlich vorige Woche in Wien geweilt" hat. Starhemberg , der Rekordlügner. Wie«, 3, Dezember. Die Korrespondenz Herwey" veröffentlicht eine Erklärung eines Mitarbeiters Hitlers , der erklärte, daß Starhem- berg gelogen hat. Nach den Behauptungen des Fürsten Starhemberg soll er seinerzeit an Adolf Hitler folgende Anfragen gerichtet haben:Kann mir Hitler versichern, daß er in Deutschland noch vor dem Zusammenbruch in Oesterreich die Macht ergreifen wird? Kann mir Hitler ver­sichern, daß wir dann sofort den Anschluß durch­führen können?" Diese beiden Fragen soll Adolf Hitler mit einem glatten Nein beantwortet haben. Zu diesen angeblich von Fürsten Starhemberg gestellten Fragen erklärt nun ein Mitarbeiter Hitlers , Erbprinz Waldeck, folgendes: Die Unter­redung zwischen dem Bundesführer Starhemberg und Adolf Hitler fand in meinem Beisein statt. Bom Fürsten Starhemberg wurde keine der bei­den Fragen gestellt. Damit erübrigt sich auch die angebliche Beantwortung Hitlers . Ich erkläre somit, daß alle diesbezüglichen An­gaben erlogen sind. Die Untersuchung des ungarischen Putschversuches. Budapest , 4. Dezember. Die Polizei hat die Verhöre in der Angelegenheit des Putschversuchs noch nicht abgeschlossen. Die Häftlinge sind be­strebt, immer neue Namen in die Affäre einzubeziehen. Sie erwähnen dabei auch hoch­gestellte Persönlichkeiten. Gestern ist die Gattin des Präsidenten der ungarischen Hitlerpartei, Ladislaus Temesvary, verhört worden. Es ist begründeter Verdacht vorhanden, daß sic an den Vorbereitungen des Putschplanes teilgenommen hat/ Sie wurde im Militärgefängnis-zurückbehalten. Agrartonsereuz in Sofia . Sofia , 4. Dezember. Die Konferenz der Agrarstaaten wird am 8. bis 13. d. in Sofia abgehalten werden. Das Sekretariat, das durch die bulgarische Regierung organisiert wurde, setzte ein genaues Programm des Aufenthaltes der Delegationen der interessierten Länder Polens , Rumäniens , Ungarns , der Tschechoflowakei, Est­ lands und Litauens fest. Genossen! ausgesetzt für die«ervreriung unsere« Zeitung agitieren, Setz» euch überall für«User« Parteipresir ein. In vaS Heim VeS Arbeiters gehört»ie Arbeiterpresse. Darum, a ttseaosiea«.Genossinnen vom Senat angenommen ».Mutti, back* doch zu Weihnachten etwas ganz besonders Gutes 1* Mutter lächelt. Keine Sorge, der Festkudien wird gut mit Vitello, der herrlich wohlschmeckenden Delikateb-Milch-Margarine. Eine verlok- kende Torte, ein köstlicher Striezel und recht viel kleines Backwerk- da gibt es nur zufriedene Gesichter ringsumher Kinderwunsch den Mutter gern erfüllt! Prag » 4. Dezember. Im Senat, der heute die Zuweisungdes Budgets an den Budget­ausschuß vornahm, stand der Regierungsentwurf über die Einführung der 5 Uhr-Ladenfverre am 24. Dezember(Heiliger Abend) zur Verhandlung. Der Entwurf sieht die 5-Uhr-Lad«nsp«rre für alle de« Kundschaften zugänglich« Handelsräum­lichkeiten(Läden) einschließlich der zugehörige« Kanzleien und Magazine im HandelSgewerb« vor, ebenso beim Warenverkauf in gewerblichen Be- triebe», Konsumvrreiilen und Genossenschaften aller Art» weiter im SpeditionSgewerbe. Rach einer authentischen Interpretation bezieht sich das Ge­setz auch ans dir Automatenbüfetts. Käufer, die bei Ladenschluß noch im Geschäft sind, dürfe« noch bedient werden. Uebertretungen werden von der Bezirks­behörd« mit Geldstrafe« bis z« 1000 K, im Wieder­holungsfälle neben der Geldstrafe mit Arrest bis zu 14 Tagen bestraft. Günstigere Bestimmungen von Kollektiv- wie von Einzrlverträgen, sowie auch rin üblicher früherer Ladenschluß bleiben in Gültigkeit. Beide Referenten empfahlen die Vorlage, die nicht zuletzt der Initiative' unserer freige- werkschaftlichen Angestellten­organisationen zu danken ist, aufs wärmste zur Annahme. Havranek wies darauf hin, daß in Fa­briken und Betrieben ohnedies meist schon mittags oder in den ersten Nachmittagsstunden geschlossen wird, nur in den gewerblichen Betrieben dauerte die Arbeitszeit auch an diesem Tage oft bis spät abends. Die Forderungen der Angestellten decken sich da zum großen Teil mit denen der Arbeitgeber. Durch den späten Arbeitsschluß wird beiden Teilen oft die Möglichkeit genommen, diesen Abend im Kreise der Familie zu verbringen. Gekauft wird in diesen späten Stunden ohnedies nur wenig, höchstens Dinge, die man gerade vergessen hat. Das deckt jedenfalls nicht einmal die vermehrten Aus­gaben für Licht und Beheizung. Durch die einheit­liche Regelung werden Befürchtungen wegen even­tueller Konkurrenz hinfällig. I i l e k betonte namens des Gewerbeausschusses, daß auch die Gewerbe­treibenden diesfir Antrag begrüßen. Nach kurzer Debatte wurde die Vorlage in beiden Lesungen genehmigt. Ebenso wurde auch eine Resolution beschlossen, in der die Wiedereinführung der Doppel­feiertage zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten von der Regierung gefordert wird. Den Rest der Sitzung füllten kommumstische Reden zu einigen Jmmunitätsfällen aus. Die nächste Sitzung wird auf schriftlichem Wege einberufen werden, sobald der Budgetaus­schuß die Debatte über den Staatsvoranschlag beeidet haben wird. * Der Budgetausschuß tagt. Nach dem Plenum trat der Budgetausschuß sofort zusammen, wählte den tschechischen Agrarier S t o d o l a zum Generalreferenten und teilte die Referate über die einzelnen Budgetkapitel auf. Der Ausschuß wird die Budgetdebatte bereits morgen(Samstag) vormittag beginnen. Sie wird wegen des Feiertages, am 8. ds., erst Mittwoch weitergehen und soll nach den bisherigen Dis­positionen bereits nächsten Freitag abends abgeschlossen werden. * Bililovsky über die Dienstzeit- vkkliirzuns. Die Borbereitung Mr die Abrüstungskonferenz. Im Wehrausschuß des Senats gab Ver­teidigungsminister V i 8 k o v s k y einen ausführ­lichen Bericht über den derzeitigen Stand der Vorarbeiten für di« Dienstzeitverkürzung und über die Heranziehung einer genügenden Zahl von längerdienenden Unteroffizieren als Instruk­toren. ES wurde eine eigene Kommission errichtet, die aus Vertretern des Außen- uüd des Verteidigungsministeriums besteht und die ge­meinsam mit dem Generalstab Vorbereitungen für die kommende Abrüstungskonferenz treffen soll. In dielen Rahmen fällt offenbar auch die Dienstzeitverkünzung. Der Minister versprach, daß die Vorlage raschest ausgearbeitet und dem Parlament vor­gelegt werde« soll. Der anschließende Bericht des Ministers über das Sa n i t ä ts w e s e n und die Selbst­morde in der Armee wird den Ausschußmit­gliedern auch schriftlich zugestellt werden. Ueber eindringliches Verlangen des tschechischen Ge­nossen Novak versprach der Minister u. a.» die Frage der Entlassung von Zivilangestellten in den Militärspitälern noch einmal zum Gegenstand von Erwägungen zu machen. Genosse Novak trat wärmstens für die Ein­führung der zwölfmonatigen D i e n st- zeit gemäß dem Antrag der beiden sozialdemo­kratischen Parteien ein. Biskovsky schien dieser Antrag sehr ungelegen zu kommen; wenigstens sprach er in diesem Zusammenhang davon, daß man jetzt nichtlizitieren" solle. Genosse I o k l lehnte es dann ab, sich heute zu der Materie zu äußern, weil der Minister den Ausschuß vorzeitig verließ. Der tschechische Genosse Filipinsky setzte sich energisch dafür ein, daß der Wehrausschuß rechtzeitig zur Mitarbeit an der Ausarbei­tung d e r B o rla ge über die Disnst- zeitverkürzung herangezogen werde. * Information verfrüht- Realisierung beschleunigt Zu der von derPrager Presse" ver­öffentlichten Nachricht über die Verkürzung der Präsenzdienstzeit, teilt das M i n i st e r i u m für Nationalverteidigung mit: Diese Nachricht war keine offizielle Nachrichi des Ministeriums für Nationalverteidigung, wie von einigen Seiten angenommen wurde, und war übrigens auch in derPrager Presse" nicht als solche bezeichnet. Daher sind auch die Infor­mationen über den Inhalt einer solchen Vorlage verfrüht. Das Ministerium für Nationalverteidigung ist sich der Aktuali­tät dieser Frage voll bewußt, welche sie nicht aus dem Auge läßt und alle Vor­bereitungen für ihre beschleunigte Realisierung trifft. Zapan gibt nicht na- Der Völkerbund wird vielleicht die Resolution abandern... Paris » 4. Dezember. Der Völkerbundsrat, der gestern weder eine öffentlich« noch eine pri­vate Sitzung abgehalten hatte, erwartet die Ant­worten der Regierungen von Tokio und Nanking auf die Mitteilungen, die ihnen die Delegatio­nen sowie das Bölkerbundsratssekretariat in d«n letzten Tagen zugehen ließen. Die Schwierigkei­ten liegen einerseits in der Aufgabe, die der Untersuchungskommission des Völker­bundes auferlegt werden sollen, andererseits in der Errichtung einer neutralen Zone. Beide Delegationen, sowohl die japanische, als auch die chinesische, werden, wie verlautet, auf ihren Prinzipien beharren. Die japanische Delegation beharrt auf der Errichtung einer neutralen Zone und fordert, daß das chinesische Räuberwesen überall energisch bekämpft werde. Sie wünscht, daß der Unter- suchunKskommission des Völkerbundes bloß neu­trale Beobachter, die keinerlei Interessen im Fer­nen Osten besitzen, angehören. Die chinesische Delegation erklärt, daß sie solange abwarten müsse, bis Japan di« Resolution des Völkerbun­des ausdrücklich gutgeheißen habe. Bis zu die­sem Zeitpunkt« lehnt sie jedwede direkte Ver­handlungen mit Japan ab. Es ist nicht ausge­schlossen, daß der Völkerbundsrat genötigt sein werde, den Text der bereits ausgearbeiteten letzten Resolution nochmals abzuän- dern. Briands Ton».anstößig". London , 4. Dezember. Der Korrespondent derTimes" in Tokio berichtet: Das Miß­trauen Japans vergrößert sich. Die Regierung hat gestern abend weitere Ab­änderungsanträge zu den Resolutions­entwürfen nach Paris telegraphiert. Es wird er­klärt, der ganze Ton der Erklärung Briands sei anstößig, weil er den Eindruck Hervorrufe, daß den Chinesen Unrecht geschehen ist und daß die Japaner als Angeklagte vor Gericht stehen. Die japanische Verlustliste. Tokio , 4. Dezember. Nach einer Mitteilung des Kriegsministeriums betragen die Gesamtver- verluste der Japaner seit dem Beginn des man­dschurischen Konfliktes am 18. September 210 Tote(darunter 12 Offiziere) und 473 Verletzte, (darunter 27 Offiziere. Leben wir unter dem Ausnahmszustand? Man schreibt uns aus Freiwaldau : Die Bezirksbehördc hat ,st>is auf weiteres" gemäß Artikel 3 des Gesetzes über die Organi­sation der politischen Verwaltung jedwede Zu­sammenrottung unh Ansammlung verboten. Das ist der Inhalt einer Kundmachung, die in den letzten Tagen in allen Gemeinden des Bezirkes affichiert wurde. Bemerkt muß dazu werden, daß diese Verfügung der Bezirksbehörde im Ein­vernehmen mit der Landesbehörde erfolgte. Der Vater des Gesetzes, auf das sich der Herr Be­zirkshauptmann beruft, der Landespräsident Üernh, hat also geruht, seine Zustimmung zur Verhängung dieses Ausnahmszustandes zu geben. Was soll denn nun aber wieder diese Maßnahme der Behörde, die auf Grund des Gesetzes über die Berwaltungsreform, erlassen wurde? Will man den Bürgern einer demokratischen Republik nicht mehr gestatten, sich vielleicht zu fünf oder ZU zehn in den Abendstunden auf der Promenade zu ergehen? Könnte man nicht auch daraus eine Ansammlung oder Zusammenrottung konstru­ieren? Und da nun einmal die Behörden bei allen Staatsbürgern voraussetzen, daß sic die ge­samte Gesetzessammlung auswendig kennen hat man auch diesmal vergessen, auf die Folgen der Uebertretung dieser Kundmachung aufmerk­sam zu machen. Hier hat der Bürgerblock, hier haben deutsche Landbündler, Christlichsoziale und Gewerbepartei, gründliche Arbeit geleistet. Tenn der Absatz 3 des zitierten Gesetzes, auf den sich die Bezirksbehörde beruft, setzt Strafen von 10 K bis 5000 K oder Freiheitsstrafen von 12 Stunden bis zu 14 Tagen fest, unbeschadet einer weiteren gerichtlichen Verfolgung. Damit nun der Staats­bürger auch weiß, daß die Behörde in größter Besorgnis über sein Wohl und Wehe wacht, wird in dem angeführten Absatz 3 auch ausge­sprochen, daß diese Strafen auch wegen unge­bührlichen Handelns oder Verhaltens an öffent­lich zugänglichen Orten, durch das die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit, die gute Sitte oder der Anstand verletzt oder gefährdet oder öffentliches Aergernis erregt werden, verhängt werden können. Welcher Bureaukrat wird n.icht aus diesen Kautschukbestimmungen des Gesetzes Delikte herauszukonstruieren vermögen, nach wel­chen cs zur Bestrafung der Delinquenten kommen würde? Es erregt öffentliches Aergernis, wenn Arbeitslose ihren Hunger hinausschreien wollen. Der Innenminister, der Landesprästdent und der Bezirkshauptmann wenden also Artikel 3 des Gesetzes 125 an. Es erregt aber kein öffentliches Aergernis, wenn die Gendarmerie in unbewaff­nete Demonstranten schießt und acht Unschuldige ihr Leben lassen müssen. DaS größte Aergernis, welches unter Million«« Mensche« dieses Staa­tes und weit darüber hinaus erregt wurde, sind di« letzten Vorfälle in Riederlindewiefr. Wann kommt wer und wendet gegen jene, die in der kritischen Zeit den Kopf verloren haben und die es verschuldet haben, daß die Gewehre der Gen­darmerie losgingen, die für diese Delikte gelin­den Strafbestimmungen des Artikels 3 des Ge­setzes Nr. 125 an?!