Selle 2 Mittwoch, 30. Dezember I98f. 9t. SOI. auch der Nationalsozialismus, daß in seinety Lager die Jugend stehe. Gewiß, es ist vorwie- gend die Jugend des Kleinbürgertums, aber — verhehlen wir es uns nicht— eine Anzahl der jungen Leute, die den Nazis folgen, entstammt auch dem Proletariat. Die Verbitte- rung und die politische Unerfahrenheit schützen sie davor, zu erkennen, daß die angeblich antikapitalistischen Tendenzen, die her Nationalsozialismus als Köder verwendet, nur dazu dienen, den Kapitalismus zu stützen und ihn erst recht zu einer Sklavenordnung für die arbeitenden Menschen auszugestalten. Hier erwächst der Sozialdemokratie eine Aufgabe, die sie wohl schon bisher zu erfüllen bestrebt war, die sie aber nun in erhöhtem Matze durchzuführen suchen mutz, wenn die Gefahr einer Entfremdung größerer Teile der jungen Generation von ihr abgewendet tver- den soll. Der Kampf für die Besserung des Gegenwärtigen soll und darf nicht vernachlässigt werden, doch mehr als bisher sollen swir uns bewußt bleiben, daß alles nur Stückwerk sein kann und daß die Sozialdemokratie das Instrument der Zukunftswünsche der Arbeiterklasse ist. Alle Zähigkeit, alle Leidenschaft muß nach wie vor aufgewendet werden, um das Lebensrccht der Arbeiter zu schützen, sie vor den Verelendungsbestrebungen des Kapitalismus zu bewahren, aber in keinem Augenblick dürfen wir an das große Ziel vergessen und müssen asies vermeiden, daß der Eindruck entstehe, die Sozialdemokratie fühle sich für das von der kapitalistischen Anarchie produzierte Elend und Chaos verantwortlich. Die Jugend, und nicht nur sie, braucht ein großes. Ideal, an dem sie sich aufrichtet. Und wir können ihr dieses Ideal, dieses große revolutionäre Ziel geben, denn der Sozialismus ist keine ferne Fata Morgana mehr. Erfüllen wir noch stärker als bisher die Jugend mit sozialistischer Zuversicht und sie wird vor allen Irrtümern und aller Ratlosigkeit geschützt sein! Gandhi ermattet Kusel «. Verschärfung der Lage iu Indien . Bombay , 29. Dezember. Die öffentliche Red«, di« Gandhi gestern abends hier hielt, schloß er mit folgenden Worten: Ich glaube nicht, daß ich die gleiche Selbstbeherrschung wie früher werde beobachten könne«, wenn die Lag« eine« energischen Entschluß erfordert. Bei de« letzten Auseinandersetzungen ist man mit Knütteln gegen uns vorgegangen, bei eine« etwaigen künftigen Konflikt werde« wir Kugeln zu erwarten habe». * Bombay , 29. Dezember. Wie auS zuverlässiger Quelle verlautet, hat Gandhi an den Vrzekönig ein Telegramm gerichtet, in dem er ihn fragt, ob die in Bengalen, in den Bereinigten Provinzen und in der Nordwestprovinz erlassenen Verordnungen den Bruch zwischen der Regierung und dem Allindischen Kongreß bedeuten sollte, und ob der Bizekönig für erwünscht halte, daß Gandhi ihn aufsuche, um mit ihm über die künftige Entwicklung zu sprechen. Masieuverhastung von„Rothemden". Peschawar , 28. Dezember. Die Lage in Pe schawar hat sich bedeutend gebessert. Mitglieder Mi MW WOe gegen Sie„Sonnen" nn. Gefahr von Zusammenstößen mit regulären chinesischen Truppe«. der indischen Organisation„Rothcmden" versuchten, in Äonda zwei Versammlungen zu veranstalten, wurden jedoch auseinandergetrieben, wobei zwanzig derselben verletzt wurden. In der ganzen Provinz wurden bis jetzt 763 Personen verhaftet, davon 636 allein in Peschawar . -« „Das angeborene Geschenk zurück' gestoßen". Ei« Interview Macdonalds. London , 28. Dezember. Premierminister Macdonald erklärte in emer Unterredung mit Pressevertretern, die Lage in Indien sei äußerst bedauerlich. Es sei sehr traurig, daß in dem Augenblick, in welchem die britische Regierung im Einvernehmen mit den.' Führern der öffentlichen Meinung Indiens sich dazu anschicke, eine bedeutende Erweiterung der"indischen Freiheit zu bewilligen, Anhänger der Gewalt und der Unordnung das angebotene Geschenk zurück- gestoßen hätten.. Die letzten Ereignisse seien die Folge der verhängnisvollen Bewegürch', die den Fortschritt Indiens verhindern wolle. in dieser desorganisierten, verfaulenden Welt der Jugend beschieden, deren erster Schritt hinaus ins Leben Arbeitslosigkeit bedeutet, die das notwendigste der Rechte, das Recht auf Arbeit, nicht findet und die keine Gelegenheit hat, irgendwo, sei es auch bei schlechtester Bezahlung unterzuschlüpfen. In manchem mag es die heutige Jugend besser haben, als jene früherer Generationen, aber alles erscheint angesichts der Tatsache, daß sie sich in das Nichts der Erwerbslosigkeit hinabgestoßen fühlt, bedeutungslos, denn jeder normale Jugendliche will arbeiten, will irgendwie produktiv sein, will eine Zukunftshoffnung, einen Wirkungsbereich haben und er muß sich, abgesehen vom physischen Hunger, zu tiefft unglücklich fühlen, wenn er als„überflüssig" von jeder Arbeitsmöglichkeit ausgeschlossen wird.< Die Hoffnungslosigkeit, die Unproduktivität, zu der sich die Jugend verurteilt sieht, ist auch auf ihre geistige, seesische und politische Anstellung nicht ohne Einfluß geblieben. Man mutz bedenken, datz diese Jugend entweder jene ist, die in den ersten Kriegsjahren geboren wurde, oder datz sie ihre ersten Kindheitsjahre in der Kriegszeit verlebte, unterernährt, stets in der Unsicherheit des' Lebens, die sie auch seither nicht verlassen hat und nun in diese von der furchtbarsten aller Wirtschaftskrisen geschüttelten Well hineingeraten ist, ohne daß sie Zusammenhang mit der Vorkriegszeit hätte und ohne daß sie das heutige Geschehen als den Untergang der allen ebenso wie das Werden einer neuen Ordnung zu begreifen vermag. Diese Jugend hat eines nicht gelernt: das Vertrauen in die Entwicklung; belastet mit einer traurigen Kindheit, niemals sorglos, wundgestoßen vom Leben, keinen Platz in der Welt findend, kann und will sie nicht warten, besitzt an vieles, dem die ältere Generation noch vertraut, keinen Glauben. Geist, Wissenschaft, Technik, Fortschritt, Demokratie, durch alles fühlt sich diese Jugend enttäuscht, worum die Väter gerungen und gekämpft, erscheint ihr vielfach nutzlos, zu langwierig— erfolgverheißend ist ihr nur, soweit sie nicht im Sumpfe der Not geisttg erstickt ist, die Tat. Sie, der das Leben alles schuldig geblieben ist und die täglich wahrnimmt, daß alle Bemühungen, das Uebel der Zelt zn meistern, die drängenden Probleme zu lösen, erfolglos sind, will ihre Kraft nicht in einem ihr kleinlich erscheinenden Kampf um kleine Verbesserungen erschöpfen, sie will ein großes Ziel, eine große Zukunftshoffnung haben und für sie mit aller jugendlichen Begeisterung wirken. Alle Errungenschaften erscheinen ihr als unvollkommenes Stückwerk, können ihr nicht mehr bedeuten, da ja alles nicht geeignet war, sie vor dem Unheil, in das sie durch die Dauerkrise sich gestürzt sieht, zu bewahren. Und so ist sie, soweit ihr die Kenntnis der Zusammenhänge fehlt, nur allzu geneigt, vorgespiegelten Idealen, seien es auch falsche, nachzujagen und dem Glauben an die Gewalt, die nach ihrer Meinung rascher als andere Mittel alles zum Besseren wenden kann, zu verfallen. Vielen erscheint der Fascis- mus als ein solches Adeal, das rasch und sicher aus der verzweiflungsvollen Gegenwart herausführen kann und stolz rühmt sich denn London , 29. Dezember.„Times" melden aus Tokio , daß der Kaiser von Jecha« am letzten Sonntag die Entsendung weiterer Truppe««ach der Mandschurei genehmigt habe. Ein javanisches Flugzeug bombardierte heut« früh«in« stark« Abteilung chinesischer Soldaten bei Panschang. Di« chinesischen Abteilungen antworteten mit einem Angriff von Maschinengewehren und Geschützen. Hierauf zöge» sie sich zurück und leisteten den japanischen Truppen bei der Einnahme von Panschang kernen Widerstand. >» Die japanisch« Gesandtschaft in Prag stellt der Presse eine Erklärung zur Verfügung, in der des langen und breiten erzählt wird, wie ungern(!) Japan sich schließlich dazu verstanden habe, die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in einem, „sehr ausgedehnten" Gebiet der Mandschurei auf sich zu nehmen. Seit Anfang November leb« jedoch da? verbrecherische Bandenwesen" wieder auf, namentlich in der Umgebung der südmandschurischen Eisenbahn. Die von den Banden begangenen Verwüstungen seien auf systematische Intrigen der Militärbehörden von Tschin- tschau zürückzuführen, die an dir Streck« Peiping- Mukden starke Truppenkontingente halten und Kriegsvorbereitungen treffen. Diese angeblich festgestellten„Banden" sollen in Gruppen von Hunderten, ja Tausenden auftreten und mit Geschützen und Maschinengewehren ausgerüstet sein; zu ihnen sei auch eine große Zahl entlassener regulärer chinesischer Offiziere und Mannschaften getreten; alle- deut« darauf hin, daß diese Banden von den chinesischen Militärbehörden in Tschintschau geführt und ausgerüstet seien. Angeblich seien-in den letzten vierzig Tagen von ihnen 1828 Ueberfälle verübt worden. Die Erklärung verweist dann darauf, daß die chinesischen Zusagen,' die regulären Tschintschau- Truppen hinter die chinesische Mauer zurückzuziehen, nicht eingehalten worden seien. Nut« diesen Umstände« hätten die japanischen Streitkräfte nunmehr eine allgemeine Aktion begonnen, deren Zweck es sei, di« Banditen in größerem Ausmaße als bisher zu bekämpfen. Um irgend eine« nennenswerten Erfolg zu erziele«, werd« die japanisch« Arme« gezwungen sein, westlich des Liaoflusses in Gebiete vorzugehen, wo die Banditrn ihre Sitze habe». Gewiß befänden sich die japanischen Truppen gemäß den vom Völkerbundrate am 39. September und am 19. Dezember angenommenen Beschlüssen» n i ch t im Kriegszustände mit den regulären chinesischen Truppen; aber solange di« Militärbehörden von Tschintschau hinter der Mark« einer friedlichen Haltung fortsqhren würden, Banditen-Orgamsa- tionrn gegen dre japanisch« Arme« und japanisch« sowie andere Eimvohner in Bewegung zu setze« und solange Offiziere und Mannschaften der Tschin- tschau-Arme« sich scharenweise diesen Bandenhaufe« anschlicßen und dadurch deren Unterscheidung von regulären Truppen unmöglich machen würden, müsse die Verantwortung für di« Folgen einer etwaige» von der japanischen Arme« zur Selbstverteidigung unternommenen Aktion ausschließlich auf die Chi- nesen fallen. Gestrandet. Ein Rettungsboot vermißt. Helsingsors, 29. Dezember. Im Schneegestöber strandete gestern abends vor Helsingsors der finnische Dampfer„Orion", der mit Ballast von Rouen geladen war. Zehn Mann der Besatzung und eine Frau konnten sich anS Land retten, die übrigen Mitglieder der Besatzung, darunter der Kapitän und der zweite Steuermann, wurden von einem mit fünf Mann besetzten Rettungsboot ausgenommen, welches aber seitdem vermißt wird. Photographiere« im Korridor mit Unannehmlichkeiten verbunden. Königsberg , 39. Dezember. Mittwoch wurde von den Polen im D-Zug Köngisbertz—Breslau der deutsche Staats« rmehorige Erich Bonson aus Königsberg , ein 36jcchrrger kaufmännischer Angestellter, der seit einiger Zeit stellenlos ist, verhaftet. Da Bonson erkrankt ist, hat ihn auf seinen Antrag di« Reichsversicherungsanstalt zur Erholung in ein Sanatorium nach Obernitz in Schlesien geschickt. Er ist ein großer Liebhaber- Photograph und hat sich zu Weihnachten einen kleinen Apparat gekauft. Am Tage vor seiner Abreise hat er mit einem Bekannten, einem aus Thorn vertriebenen Deutschen , über dessen Vaterstadt gesprochen. Man nimmt an, daß Bonson, als er aus dem fahrenden Zuge eine Ausnahme gemacht hat, dies getan hat, um dem Bekannten ein Andenken zu schicken. Seit seiner Verhaftung aus dem visumfreien Zuge ist saft eine Woche verstrichen, ohne daß den Angehörigen ein« Nachricht zugegangen wäre; sie haben erst durch di« Zeitung von der Verhaftung erfahren. Ueber mis, Schicksal des Verhafteten ist bisher nichts zu erfahren gewesen. Das Loch Im Himmel. Novelle von Ernst Krelsme. Als er kam, blühte der Flieder in großen blauen und violetten Buschen allenthalben im Dorfe hinter den niedrigen Gartenzäunen. Wie eine schwere, duftend« Welle floß der Wohlgeruch durch die breit« Straße, an der zu beiden Seiten die Häuser einander gegenüberstanden, friedsam, mit moosgrünen Schindeldächern, auf welche die junge Frühjahrssonne schüchterne Wärme streute. Eine Herde Ganse fleckte weiß aus den schmutzigtrüben Lachen, die. längs der Straße spiegelten. Fridolin Sohr achtete ihrer nicht. Mit seinen großen, wandermüden Schuhen zertrat er di« seltsam vom Winde verzerrten Bilder, die auf den Pfützen schwammen. Pis an die Kni« hinauf spritzt« ihm der Schlamm und höher noch, zum Bündel auf dem Rücken, daS sorglich verschnürt an einem derben Riemen von der Schulter hing. Bei der Kirche mit dem schweren eisernen Kreuze auf dem schiefen Türme! blieb er stehen und blickt« wie nnichlüssiq um sich. Mit einmal steckte er zwei Finger in den Mund und pfiff. „WaS pfeift so—?" fragten die Kinder, die um die Linde vor dem Pfarrhofe spielten. Sie hatten sich bei den Händen gefaßt und hüpften auf einem Beine im Kreise. Dann sahen sie den fremden Mann und bekamen runde Augen. „Kommt einer her—!" rief Fridolin Sohr. Seine langen Arme winkten einladend. Da löste sich«Mich der Größte aus dem Kreise und ging mit kurzen, zögernden Schritten zu dem Unbekannten hinüber. „WaS wollt Ihr, Herr—?" Fridolin Sohr fand vorerst keine Antwort. Mit seinen schmalgeschnittenen, unsteten Augen must«rte er den Jnnoen, als suche er etwas an Ihm, das er nicht finden konnte. „Kennst du den Bauer Todt—?" fragte er dann. „Ja, Herr—" Der Junge antwortete schnell, wie erlöst. Die Furcht über daS Schweigen vorhin war ihn überkommen und schwang noch in der Stimme mit.„Der Bauer Tobias Todt wohl—? Der die beiden Falben hat und di« vielen Lämmer und———" Hier stockte er. Der Fremde hatte beide Hände zu Fäusten um den Stock geklammert und horchte mit vorgestrecktem Kopfe. „Drei Höfe weit neben dem Pfarrhause wohnt er—", vollendete der.Junge lrise. „Dort— Ohne Gruß lief er davon und in den schützenden Kreis der Kinder zurück, die mit offe- .nen Mäulern herübergesehen hatten, neugierig, erwartungsvoll. Fridolin'Sohr blickte ihm nach, wie et mit den nackten, sehr schmutzigen Beinen über die Pfützen sprang.„Tobias Todt——" murmelte er.„Drei Höfe weit neben dem Pfarrhause— Dann wandte er sich kurz um und schritt dem bezeichneten Gehöfte zu, das niedrig und mit weit ausladender Giebelung neben der Straße hockte. Die^ Sonne stand hoch im Mittage. In den leeren Karren im Hofe saßen die Hühner. Sie hatten die Köpfe zwischen die Federn gesteckt und Lösten. Ein eitler Hahn mit brandrotem Kamme stolziert« auf einer langen Deichsel. Auf dem Dache der Scheune gurrten die Tauben und im Stalle blökten wohl ein halbes Hundert Lämmer. Die eisenbeschlagene Haustür« stand weit geöffnet, aus der gähnenden Düsterheit des Flures aber drang das Gemurmel vieler Stimmen, einförmig, gleichmäßig. „Gott zum Gruße!" sagte Fridolin Sohr. Er stand zwischen Tür und Angel und hatte den Hut vom Kopfe genommerr. Sein Blick irrte über den langen, gedeckten Tisch, um den herum wohl ein gutes Dutzend Leute standen, Männer und Frauen, Sie hatten soeben das Kreuzeszeichen auf Stirne, Mund und Brust gemalt. Nun wandten sie allesamt die Köpfe nach dem Sprecher. „Gott zum Gruße—!" sagte Fridolin Sohr noch einmal. Der Brodem aus einer Schüssel mtt dampfenden Knödeln roch ihn an und wurde zum Verlangen.„Ist der Herr unter Euch?" Während sich die andern alle setzten, trat ein Mann auf ihn, dem das Haar weiß und lang in die Schläfen hing. „Ich bin der Bauer Todt—" sagte er. Nichts weiter. Aber in seinen großen, sehr hellen Augen lag jene stumme Frage, die in solchen Fällen nicht ausgesprochen weiden braucht, weil sie in ihrer Selbstverständlichkeit darauf verzichtet^ Die Blicke begegneten einander, kurz, prü- ftnd, Fridolin Sohr hielt den Kopf steif im Racken.„Tobias Todt dachte er. And immer wieder: ,Möbias Todt Es war, als wollten sich die beiden Worte in sein Hirn fressen, schmerzend und bohrend. Zwei HaMängen vor sich sah er die Augen des Bauern. Schließlich glaubte er sich in der Unergründlichkeit ihrer Bläue, zu verlieren. So zwang er den Blick langsam nach abwärts, sah den gebräunten, starken Hal-, um den sich spröde der grobe Hemdkragen legte, sah die breite Brust und darunter den grünen Gürtel,- der die Hüsten entlang lief, und dann kam ihm das starke Bewußtsein, jetzt irgerrd etwas sprühen Zu müssen," nur um dieses Schwelgen zu brechen das auf ihn zu lasten begann. „Ich heiße Sohr sagte er.„Fridolin Sohr. Ja—.• Und wenn ver Bauer einen Knecht brauchte—" Das Schmatzen der Kauenden. das laut und verheißend vom Tische her- übrrlockte. griff ihm wie eine Hand nach dem Halse.„Zu den Pferden vielleicht, oder zu den Lämmern, oder zu sonst was Wie der Herr eben will—-.—" Tobias Todt hatte die Prüfung längst beendet. Das geschah im Jahre wohl ein guter Dutzendmal, daß einer vor ihm stand und um Arbeit bat. Sie kamen von überall her, auS dem Gebirge, von der See, von der Heide und nicht selten auch aus den Städten. Einer sah so au- wie der andere. Der Wind und das Wetter liehen chm die Kleider auf dem Leibe verschieben und die Zett fraß Löcher in den billigen Stoff, die wie unblutige Wunden darin klafften. Alle sagten sie das Gleiche. Alle wollten sie«in warmes Bett,«inen satten Magen und zuweilen auch wirklich Arbeit haben. Zwei Monate layg, höchstens vier. Dann gingen sie wieder, irgendwohin, manche nach dort zuruck, woher sie glommen waren, manche nur«ine Wegstunde geradeaus bis in da- nächste Dorf. Die meisten aber wanderten ruhelos weiter, so lange, bis der letzt« ersparte Pfennig zu einem Schlucke sauren Weines über brandigen, dürftig wärmenden Schnap- ses wurde. Tobias Todt kannte das. Die Jahre hatten ihn gelehrt, in den Seelen zu lesen. Aber sie hatten ihn nicht rauh gemacht. Sein Blick wanderte von Fridolin Sohr fort in den Hof und über die Karren hinweg zu den Pflügen, die nach einem untätigen Winter auf trüben Messern die Sonne firmen, als mahnten sie um ihr gleißendes Arbeitskleid. Da strich er sich daS Haar aus den Schläfen. „Bleibt!" sagte er kurz und einfach.„Setzt Euch zum Tische und esset. Und nachher wollen wir das^andere mitsammen besprechen." Seine Hand war hart und voll buckelnder Schwielen. Sie wie- euren guten Weg—. So kam Fridolin Sohr zu dem Bauer Todt nach Eldringen. (Fortsetzung folgt.)
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11 (30.12.1931) 302
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