Seite 2 Mittwoch, 18. Jänner 1882. Vir. 11. gerissener Demagogen und allen konterrevolu­tionären Strömungen zugeneigt. Gewechselt hat nicht der Geist, gewechselt haben nur die Namen der Demagogen. Und diese hatten umso leichteres Spiel, je schlimmer die Lage der Mittelklasse sich gestaltete. Jetzt, da sich die Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit des kapita­ listischen   Systems deutlicher als je zeigt und auch der Mittelstand in den Strudel des Ver­derbens hineingerislen wird, sucht dieser unsio verzweifelter nach einem Ausweg aus der Ver­zweiflung, um sich vor der Katastrophe zu retten. Und da er die Wahrheit und Wirklich­keit nicht sehen will, glaubt er umso blinder jeder Verheißung und sei sie noch so utopisch, die ihm in entsprechend knalliger Aufmachung die rasche und sichere Befreiung vorgaukelt. Darum laufen die Kleinbürger auch kleinbürgerlich denkende Proletarier dem Nationalsozialismus wie einer neuen Heils­lehre zu, doch wenn man die Weisheiten näher beschaut, von denen sie angelockt werden, merkt man, daß es recht windige sind, Flohbeuteleien und recht alte dazu. Einer der Hauptschlager des NationalsoziallsmuS ist der Antisemi­tismus. Judenhaß und Judenverfolgungen hat es in aller Welt gegeben, schon im Mittel- alter war eS ein leichtes, einem an die Juden verschuldeten Fürsten klarzumachen, daß die bequemst« unt> sicherste Art der Schulden­tilgung di« Aus-der-Welt-Schaffung des Gläu­bigers ist und damals wie seither war oer Antisemitismus noch stets das erfolgverhei- ßendstc Ablenkungsmanöver der herrschenden Klassen, die in der Unwisienheit der Volks­massen leicht Resonanz fanden. Fast überall hat der Antisemitismus trotz aller ihm inne­wohnenden Unlogik Eingang gefunden, Deutschland   und Oesterreich aber war es Vor­behalten geblieben, aus ihm ein politisches System zu machen, ihn parteimäßig und poli­tisch zu organisieren. In Oesterreich  »varen es die Lueger, Bergani e tutti quanti, die durch Schürung des Antisemitismus die ökonomische Verärgerung der Kleinbürger in ihren politi­schen Dienst zu stellen wußten, in Deutschland  der evangelische Pfarrer Stöcker und eine Zeit­lang auch Bismarck  , dem später allerdings der Borwurf gemacht wurde, er habe die Juden und ihr« Genossen zur herrschenden Klique in Deutschland   erhoben. Die FormelDer Jude ist an allen» schuld" ist für das be­schränkte kleinbürgerliche Hirn ungemein ein­prägsam und fügt sich den übrigen Formeln des nationalsozialistischen Programms, die neben den» Juden den Franzosen und den Marxisten die Schuld an allen Uebeln zu scho­ben, getreulich und würdig an. Der zweite Schlager des Nationalsozia­lismus ist seineitationalc Mission". Auch die ist wahrhaftig nichts neues, denn es hat früher in allen Nationen Chauvinisten gegeben und es gibt ihrer genug auch heute, die behaupten, ausgerechnet ihr Volk mar­schiere an der Spitze der Zivilisation und sie seien von Gott   berufen, ihr Volk, ja die Menschheit zu erlösen, lvas bei den Deutschen   in die Forderung zusammengefaßt wird::Am deutschen   Wesen soll die Welt genesen." Nach der Terminologie des Nationalsozialismus haben di« Juten und die Marxisten das i Jan fflis/Der letzte Tag Ein teMhldillldierRoman v Oskar Wöhrle (8etlag.Dkl Äücherlreit",(S. m d h, Berlin   28J 61.) So, in Rätseln? Ich hab ein Gefühl da­für, als ob deren Auflösung euch, ihr Herren vom Rat, recht bald vernehmlich an und in die Ohren knacken wird, braucht kein Nutzöl hincin- zuträufeln! Glaubt ihr, cS sei alleinig mit dem Sold für den Nachrichter und seine Knechte getan? Mit der Ausgab für Holz, Pech und Schwefel?? Und wer zahlt die Kosten für das gewappnet Geleit zum Brühl   hinaus?? Wer zahlt die Kosten für di« Absperrung, daß unS das gassend, Maulaffen feilhaltend Volt nicht die voraeschriebene Ordnung zerreißt?? Wer tragt die Kosten für die Verstärkung der Torwachen?? Wer die Kosten für die Ab­sperrung an der Hafenseite?? Glaubt ihr etwa, d!e Verbrennung des Hus sei eine Kinder­leiche, und eS gingen nur der Kindsvater und die Hebamme hinter der Lade her?? Nein, ich sag euch, da werden sie anrücken in ganzen Zügen, toller als bei der Herrenfastnacht oder beim Umzug der Hemdglonker ani schmutzigen , Dunnstig; denn es brotzeln diesmal keine safrani- 'gen Küchlein im Fett, nein, es brotzelt ein lebendiger Mensch darin, und da rennt die heil­lose Bande! Sagt selber, ist's nicht so? Da» Trauerspiel kostet Geld mehr al» der verrückteste Narren-Anmarsch! Ich könn? euch noch zehnerlei Ausgabeposten dahersagen, wenn's mein Geblüt verlitte. Aber ich muß mich Hinlehen, sonst haut mit der Schlag, so arg hat mich der Gedanke an die vermaledeiten Kästen erregt!" Acchzend, wie«in Rabe beim Niedersatz, läßt sich Herr Johann von Schwarzach in den breiten, reich geschnitzten Bürgermeistersessel fallen, ver­tauscht aber, sobald er fitzt den Griff um Sie ledergepolsterte» Armlehnen sofort mit dem ' deutsche Kaiserreich zerstört, nun ist der Messias, nämlich der große Adolf, erschienen, um daSDritte Reich" zu erbauen. In der Einbildung des fanatisierten Kleinbürgers ist dieser Messiasunfehlbar wie der Papst, hell­seherisch wie der Salonexperimentator der letzten Saison, sittenstreng wie Cato und Robespierre   und allmächtig wie der liebe Gott, zu dem er in äußerst engen Beziehungen steht". Tapfer und todesmutig wie Siegfried, möchte man noch hinzugefügt wissen. In Wirklichkeit ist dieser Hitler ein eitler, größen­wahnsinniger, Mussolinis Allüren tolpatschig nachäffender Parvenü, der das einzige Mal, wo er seinen Heldengeist zu bewähren hatte, jämmerlich versagte. Das war im Jahre 1923 in München  , wo er im Bürgerbräukeller am Vorabend des nationalsozialistischen Putsches, nachdem er seine Pistol««bgeschossen hatte, pathetisch erklärte:Morgen ist Deutschland  frei oder ich tot!", es aber nach dem kläglichen Fehlschlag des Putsches doch lieber vorzog, am Leben zu bleiben. Jeden zweiten hatte der Fluch der Lächerlichkeit, mit dem sich Hitler  damals belud, für alle Zeiten unmöglich ge­macht, in den Augen seiner Anhängerschafti hat sie ihm nicht weiter geschadet. Diese Nein­bürgerliche Anhängerschaft sieht nicht, will 480.000 Arbeitslose und derVenkov* 6. 480.000! Diesen Ausruf fanden die Leser deS agrarischenBenkov" am Sonntag an der Spitze ihres Blattes. Ist es ein AuSruf des Schreckens über den Grad, den die Arbeitslosigkeit bei uns erreicht hat? Ist eS ein« Mahnung zur Besinnung und Abkehr von der bisherigen agrarischen Politik, die durch Erschwerung der Handels­beziehungen einen so großen Anteil an der Ver­schärfung der Wirtschaftskrise hat und die bisher jedem sozialpolitischen Fortschritt di« größten Schwierigkeiten macht«? Wer so etwas erwartet haben sollte, der kennt denBenkov" schlecht. 480.000 Arbeitslose sagen demBenkov" nicht» über da» Uebermaß an Not und Elend, da» sich hinter dieser, in unserem Lande bisher noch nicht erreichten Arbeitslosinzahl verbirgt, 480.000 Arbeitslose sind dem Blatt der größten und daher auch mit der größten Verantwortung für den Staat belasteten Partei nur ein willkommener Anlaß, um gegen die Arbeitslosenfürsorge zu Hetzen und seine beliebten Verdächtigungen gegen das Ministerium für soziale Fürsorge zu wleoer- holen. DerVenkov" behauptet allen Ernstes, daß die amtliche ArbeitSlosenziffer unrichtig, nämlich, daß sie zu agitatorischen Zwecken übertrieben ist. Nach unseren wiederholten ergebnislosen Be­mühungen müssen wir die Hoffnung aufgeben, daß cs uns gelingen wird, dem Blatt, das sich an­maßt, der Mentor und Korrektor aller Strömun­gen der öffentlichen Meinung zu sein, die beschei­den« TatsachenkenntniS beizubringen, daß dem Ministerium für soziale Fürsorge auf dem Gebiete der Arbeitslosenstatistik^nichts anderes obliegt, al» die Sammlung der einlausenden Meldungen, die von den Arbeitsvermittlungsämtern kommen, Institutionen der Bezirks- und Landesselbstver­waltung, di« also in letzter Instanz der Aufsicht des Ministeriums des Innern unterliegen. Das statistische Staatsamt könnte im übrigen die Herren vomVenkov" darüber belehren, daß bei der letzten Volkszählung Ende November 1980 ungefähr die doppelte Arbeitslosenanzahl fest- nichts sehen, sie denkt nicht, will nicht den­ken, sie fühlt sich durch die Sinnwidrigkeiten und offenen Unsinnigkeiten des nationalsozia­listischen Programms ebensowenig irritiert, wie durch die sich in der Partei häufenden Skandale und Korruptionsaffären. Zwischen der Mehrzahl der Führer herrscht intimste Feindschaft, wüste Kämpfe toben unter ihnen, sie nützen die Partei in selbstsüchtigster Weise aus, doch Hitlers   Gefolgschaft fühlt sich durch den allenthalben in der Partei aufsteigenden Gestank nicht im geringsten geniert. Sicher haben diese Erscheinungen zu einem wesentlichen Teile in der geistigen und politischen Verwahrlosung des Kleinbürger­tums seine Ursache, noch viel mehr aber sind ihre Wurzeln in bestimmten wirtschaftlichen Dingen zu suchen. Ottwalt hat zweifellos recht, wenn er sagt, daß die Möglichkeiten zu einer erfolgversprechenden Abwehr des Fascis- mus lediglich von der Erkenntnis der ökono­mischen Grundlagen des Nationalsozialismus ausgehen müssen und die Hoffnung auf ferne Ueberwindung eine verfehlt« wäre, wenn man di« heutige sozial« Struktur der deutschen Republik unangetastet ließe. Bon dieser Er­kenntnis muß die deutsche   sozialistische Arbei­terschaft geleitet sein. gestellt wurde, al» nach den Meldungen der Arbeitsvermittlung für den gleichen Termin, war keineswegs«in Wunder ist, da wir weder eine obligatorisch« Arbeitsvermittlung, noch eine Pflichtversicherung der Arbeitslosen haben, Dinge, di« derVenkov" fanatisch bekämpft,, ohne von den Konsequenzen dieser seiner Haltung eine Ahnung zu haben. Wenn also die gemeldete Arbeitslosenzahl falsch ist, so kann sie nur! zu niedrig, aber keinesfalls zu hoch angegeben sein. Ist die Beurteilung der Arbettslosenzahl durch oenBenkov" falsch, so sind die Forderun­gen, die er au» ihr zieht, nicht minder irrig, weil sie eben weder auf der Kenntnis der Tatsachen, noch auf dem Willen beruhen, dem furchtbaren Notstand abzuhelfen, sondern von blindem Haß gegen alle sozialen Institutionen diktiert sind. DerBenkov" verwechselt di« Kontrolle der Arbeitslosenmeldungen mit der Kontrolle der Ausgabe der LebrnSmittelanweisungen und ver­gißt dab«i, daß er, wenn er den Gemeindevor­stehern mangelhafte Kontrolle vorwirft, auch, ja nt erster Linie, sein« eigenen Parteigenossin be­schuldigt. Denn in den Städten gibt«S soziale Kommissionen, die auS allen Parieren zusammen­gesetzt sind, di« gewerkschaftlichen Vertrauens­männer wirken bei der Ernährungsaktion mit, wenn also jemand kontrollos waltet und schaltet, so können dies eigentlich nur di« agrarischen Dorf­paschas sein. Bor allem aber bedeutet der Um­stand, daß 480.000 Arbeitslos« gemeld«t sind, noch lange nicht, daß sie alle Unterstützungen erhalten. DerBenkov" entrüstet sich gewaltig darüber, daß auchvermögende" Saisonarbeiter Unterstützun­gen erhalten und schreiben dsisim Umstand fälschlich die Höhe der ArbeitSlosenziffer zu. Fälschlich, denn von oen nach dem Genter System unterstützte» Arbeitslosen gehören nur 7 Prozent Saisonberufen an. Wie aber steht es mit der Unterstützung der Saisonarbeiter? Wenn sie gewerkschaftlich organisiert sind, dann gebührt ihnen die Unterstützung nach dem Gesetze über daS Genter System, auch wenn sie etwa ein kleines Häuschen besitzen sollten. Sie haben eben ihren Versicherungsbeitrag bezahlt und einen Rechtsanspruch erworben. ES ist nicht unsere Schuld, sondern Schuld der Bürgerlichen^ oaß s f nur die Arbeiter ihr« Quote zu dieser Versiche­rung beitragen und die Last im übrigen auf den Staat fällt; wenn es demBenkov^ mit seinen zeitweiligen Anfällen gegen di« industriellen Unternehmer nur«in bißchen ernst wäre, könnie die von un» gefordert« Heranziehung der Arbeit­geber zu den Lasten der Aroeitslosenfürsorge längst verwirklicht sein. Ist aber so«in Saison­arbeiter nicht organisiert, so ändert die Tatsache, daß er vomBenkov" alsvermögend" quali­fiziert wird, doch nichts daran, daß er a r b«i t s- l o s ist und daß er unter der Kris« eben so leider, wie der reine Jndustrieproletarier. Denn, wenn beispielsweise die Bauarbeiter in besseren Zeiten acht oder neun Monat« im Jahr beschäftigt waren und sich während dieser Zeit ein« kleine Reserve für die Wintrrmonate schaffen konnten, während sie jetzt bei gedrückten Lohnen nur zwei Monate im Jahr« Erwerb finden- ja viel« über­haupt das gan^e Jahr arbeitslos sind, so trifft ne eben! die Not der Arbeitslosigkeit mit voller Wucht und niemand darf es ihm neiden, daß er LebenSmittelanweisunaen im Werte von 10 oder 20 Kronen wöchentlich erhält. Daß wirklich ver­mögende Menschen an der Ernährungsaktion teil­nehmen, da doch, wie allgemein bekannt ist, die Lebensmittelanweisungen Immer nur knapp zu­reichen, können nur Ausnahmsfälle sein und eS gehört schon eine eiserne Stirn dazu, in einer Zeit, da wir fast täglich mit einer Meldung über Millionenschiebungen älteren oder neueren Datum» überrascht werden, von den oft genug in DenunziationSabsicht erhobenen Anklagen wegen Mißbrauch der Ernährungsaktion ein Aufhebens zu machen. Im übrigen: Wenn ein Dienjch, der em kleine» Häuschen und vielleicht«inen Fetzen Feld oder Wies« besitzt,vermögend" ist, wie steht es dann mit den selbständigen Landwirten? Wir folgen streng der Logik desBenkov": Ein armer Teufel, der schon in guten Zeilen von seinem Vermögen" nicht leben konnte und daher Lohn­arbeit verrichten mußte, bedarf keines Krisen­schutzes; also haben ihn die Leute, deren Grund­besitz zur selbständigen Existenz hinreicht, um so weniger nötig. Mit anderen Worten, nach der Logik deSBenkov" gäbe es gar kein« Agrarkrise! Wenn demBeickov" diese Konsequenz nicht paßt, dann muß er seine Hetze gegen di« Arbeits­losen schleunigst einstellen. Einstweilen ruft er nach der Kontrolle. Genosse Dr. Czech hat schon im BudgetauSschutz erklärt, daß er gegen«ine sachgemäß« Kontrolle keiner Einwendung habe. Aber so, wie«» sich der Benkov" vorstellt, wird es nicht gehen. Wir können zwar ganz damit einverstanden sein, wenn derBenkov" auch eine Kontrolle der Industrie für notwendig erklärt. Aber an den Ernst dieser Erklärung vermögen wir nicht zu glauben, denn sonst könnte der von unseren Genossin einaebrachte Betriebsstillegungsantrag bereits Gesetz sein. Ernst ist es demVenkov" in Wirklichkeit nur mit dem Ruf nach der Gendar­merie. Welch eine armselige Auffassung, di« sich öffentliche Verwaltung nicht ohne Gendarmen vorstellen kann! Damit werden die Agrarier die Korrektur der Arbeitslosinzahl", die sich der Benkov" großsprecherisch zur Aufgabe macht, nicht erreichen. Man bannt die Arbeitslosen nicht, wenn man die Statistik durch Gendarmen kon­trolliert. Und wenn unter tauseiiden Fällen ein Fall wirklichen Mißbrauch» auf diese Weise ver­hindert werden sollte, so ist auch damit das große Problem nicht gelöst. Dazu bedarf es großzügiger Maßnahmen, unter denen di« Verkürzung der Arbeitszeit an erster Stelle steht. Nicht durch kleinliche Poliz«imaßnabm«n, noch weniger durch Verdächtigungen und Beschimpfungen wird die Arbeitslosigkeit bekämpft, sondern nur durch eine gesunde und weitblickende Wirtschaft-- und I Sozialpolitik. Der Großhändler in Leinen und Damasten lächelt. Aber«S ist dünn, diese» Lächeln, und etwas gequält. Denn Muntprat sieht bei den Worten des Bürgermeisters zum Greisin nahe die Rhein­brücke nach Petershausen   vor sich mit der an­gebauten Mühle, wo sich ohn' Unterlaß, Tag und Nacht, da» große, unterschlächtige Holzrad dreht. Von dort aus ist in früheren Zeiten gar man­cher Patrizier von der aufständischen Bürger­schaft in die nasse Tiefe befördert worden, und zwar Kopf voran, nachdem ihm zuvor besserer Schwimmkraft halber ein Dutzend Mauersteine an den Hals gebunden worden war. Zu den alldort Ersäuften zählen der Chronik nach auch Muntprat'fche Vorfahren. Da» weiß in Konstanz  jedes Kind, und der Großhändler ist nie gern an diese Zwangsraufe erinnert. .Herr Johann von Schwarzach freut sich deS sichtlichen Eindrucks, den seine kassandrahastrn Worte machen. Düstere Betrachtungen der Zu­kunft. Jammersätz« über die vecherbte, zer- scherbte Welt sind überhaupt sein LieblingS- spruch, und er hätte sicherlich weil ihm daS wohltut und fern schweres Geblüt ablenkt noch stundenlang die trübsten Aussichten und Schrrckschatten an den Horizont seine» Gespräch­gemalt, die Herren des Rats mit dunklen bluti­gen Möglichkeiten bi» in die hintersten Winkel ihrer Seelen schreckend, um auf diese Weise den Zorn über den erhaltenen Befehl des Konzils zu vergessen, wenn nicht inzwischen Hans Haaen, der Bagt der Stadt, eingetreten und an der Ture stehengeblieben wäre. Der Boot ist in Wehr und Harnisch  . Alle» klirrt an seinem Brustkasten, als er zur Begrüßung>den mächtigen Rucken beugt, und dieses Klirren zerschneidet wie mit einem Messer das Gespräch des Bürgermeisters mit den RatSherren. (Fortsetzung folgt.) nervösen Zuckgrifs in seinen schwarzen Kraus­bart. Ja, der Rat ist rasch bei der Hand, die Ausgaben und die Gülten zu bewilligen und aut- zuherßen. Aber auf mir, al» dem Bürgermeister, bleibt lediglich der ganze Zimmet hangen, ob grobgestotzen oder gemahlen. I ch habe für Dek- kung zu sorgen. Neue Abgaben, neue Lasten dem Bürger aus den Nacken zu legen. Zu welchem Ende, meine Herren vom Rat, zu welchem Ende? Daß sich schließlich eines wüsten Tags wieder die Zünfte zusammenrotten, die Metzger mit der Blutfahne voran, und unS hier auf dem Rathaus, wie wir gehen und stehen, tappen und schnappen, auflüpfen und zu den Bogen­fenstern hinausschmeißen, daß die Butzenscheiben krachend aus der Fassung kommen und unsre Gshirn unten, auf den Katzenköpfen des Pflaster», großtropfig verspritzt!" Der bullenköpfige Biersieder zeigt wieder di« Zahnlücke: So schlimm ist's nicht mit dem Blut­spritzen, Bürgermeister! Da müssen immer zwei dabei sein! Solange so viel fremd gewappnet Volk in Unfern Mauern liegt, wi« seit Aller» heiligen deS letzten Jahr«s, allwo das Konzil seinen Anfang nahm, solange wird sich kein Mäuslein wider uns regen, weder ein» im Loch, noch eins im Oberarm. Und wenn auch, hier ist schon noch ausreichend Gegengetvaffe!" Da­bei läßt er wohlgefällig rechtsarmig seinen Zu- ichlagsmuskcl spielen. »Ihr habt allem Anschein irach die Lehren der Geschichte vergessen, Herren vom Rat! Ihr habt vergessen, daß das Volk, dem wir vorstehen, ein Tier ist, das von Zeit zu Zelt gefüttert wer­den will, und zwar mit Blut, von seinesgleichen mit seinesgleichen! Gestern Ware» die Juden daran. Morgen ist dieser Hus das Futter. Wer weiß, im nächsten Monat oder spatesten» zum Schluß unserer Amtszeit sind wir daran, wir, Bürgermeister, Vogt, Ammann und di« Zwanzig des Kleinen Rats, vielleicht sogar noch die Dreißig vom Großen Rat mit, wenn wir nicht besser Kassa führen, al» bi» dato!" Recht hast du, Bürgermeister!" stimmt sarkastisch Muntprat zu. der bekannte Groß­händler in Konstanzer   Leinen und Brabanter Damast.DaS Volk ist wirklich ein Tier. Zum Glück aber eins von den harmlosen. Eine Kuh, und wir Herren wissen's! DaS ist der Trost- und Leitspruch allen Regierens. Pack's mit dem richtigen Griff am richtigen Horn und du kannst's führen, wohin du willst!"^ Ehinger, der Muntprat auf die Lippen ge­sehen hat, stimmt ihm mit bedächtigem Kopfnicken bei. Er fügt hinzu: Außerdem, wer kann uns was vorwerfen? Wir tun, was wir können, und so viel, als in unseren Kräften steht!" Herr Johann kommt wiederum in Hitze: Und die alten Geschlechter, taten die nicht auch, wa» sie konnten?? Und doch, wie hat man ihnen hierzustadt die Schwarzwurzeln ge­kocht! Sie mußten rennen, als hatten sie die schnelle Kälter, und aus purer Freude, unae- schunden davongekommen zu sein, haben sie gern« da» Wiederkommen vergessen!" Das war damals, Bürgermeister! DaS ist gewesen. Und für'» Gewesene gibt kein Jud nicht», selbst der dümmste nicht. Nicht mal einen armseligen Dickpfennig, nicht mal einen Plap­pert. Wir leben im Jetzt. Im Heute leben wir. DaS hat eigenes Gesetz!" Herr Johann streckt wi« Segen spendend sein« feistgehügelten Hände auS: Gott   erhalte deinen rosenroten Mut und deine pfirsichblütne Fröhlichkeit, Muntprat! Ich wünsch dir auf deine alten Tage ein ehrliches Christenbegräbnis in ehrlicher Christenerde und kein nasse» Fischkonvoi nach Schaffhausen   hin­unter, unterwegs von Aalen   und Kretzern an­gefressen!"