Beite 4 Donnerstag, 28. Jänner 1932. Nr. 24. T agesneuigkeiten Der Vorläufer und die Erben. Zum 70. Geburtstag K.H. Wolfs, der ein Menschenalter lang diL dentschöstcrreichische Bourgeoisie Politisch geführt hat und einer der gehässigsten Gegner der Arbeiter, ein gefährlicher Anwalt der Klasseninteresfen der Besitzenden war, erscheint im„T a g" ein Feuilleton, in dem cS zu« Schluß heißt: In der„Deutschösterreichischen Tageszeitung" in Wien , die das Erbe der alten„Ostdeutschen Rundschau", der Gründung St. H. Wolfs, angrtre- ten hat, erscheint allwöchentlich eine Anzeige folgenden Wortlautes:„Für die.Vermittlung von Versicherungen aller Art., siei r e i n arischer deutscher«rstklassiger Gesellschaft.. empfiehlt sich den Bolksgrnoffen in Wien und in der Provinz K- H. Wolf, Wien VII., Bandgasse Nr. 32..." Nichts kann wohl daS Schicksal des einst gefeierten Politikers und nationalen Vorkämpfers bester charakterisieren als diese klein« Anzeige. So rein wie seine Ideale, so rein blieben sein« Hände. Wäre etwas anderes wahr, dann lebte er nach dem Schmachbeginn vom Herbste 1818 an nicht in der alten Donanstandt Wiens als ein Mann mit leeren Händen und leeren Taschen, angewiesen auf eilt sorgenvolles spärliches Brotverdienen als Staatsrat a. D. Wir gedenken seiner anläßlich seine? 70. Wiegenfestes in allen Ehren. Das tragische Geschick einer abtretenden Zeit machte es zur Unmöglichkeit, daß er führend fein Ideal zum Endsieg bringen konnte. Aber daß die Fahne, d i e r r trüg, nicht fiel, sondern neüerhoben, «mrauscht von neuer Erkenntnis der erwachenden Nation zum Banner des Hakenkreuzes wurde, und daß die geklärte völkische Weltanschauung im Nationalsozialismus ihren siegreichen Ausdruck gefunden hat, das wird auch den alten Kämpfer K- H, Wolf alle Enttäuschungen des Lebens milder beurteilen lassen. Es ist erfreulich, daß sich die Nationalsozialisten, während sie doch sonst die Spuren ihrer Vergangenheit zu verwischen suchen, zu diesem Vorläufer bekenn«: und sich ausdrücklich seine Fortsetzer und Erben nennen. Unter dem Protektorat der Deutschradikalen und ihrer finanziellen Hintermänner sind sie groß geworden, ihr W e r k— die Verführung der deutschen Arbeiter für die Interessen der Besitzenden— setzen s i e fort und der Mann, der sich noch heute für Geschäfte aller Art„bei rein arischer deutscher erstklassiger Gesellschaft" empfiehlt, hat einstens die politischen Geschäfte dieser erst« klassigen Ausbeutergesellschaft besorgt, die heute statt seiner die Hitlerianer führen. Immerhin hatte er wirklich noch ein anderes menschliches und männliches Format als ein Riehl, ein Jung, ein Krebs oder Goebbels; ist d>« Arbeiterschaft mit einem. K. H. Wolf fertig geworden, wird sie auch mit seinen menschlich kleineren Erben fertig werden! Leichen der Leit. Schwere Bewaffnung der Wiener Briefträger. Wien , 27. Jänner. Wie die„Reichspost" erfährt, ist im Einvernehmen mit der Wiener Polizeidirektion die Ausrüstung der Wiener Geldbriefträger mit Taschengummiknüppeln und mit Signaltrommelpseifen und die allfällige und freiwillige Ausbildung der Geldzusteller im Dschiu-Dschitsu geplant. Auch die Paketbesteller und die Hilfszusteller für Pensionen sollen demnächst damst auSgestattrt werden. Ein kommunistischer Abgeordnetenkandidat al- Führer einer Räuberplatte. Dieser Tage wurde mit einer Tiebsbande der ehemalige Führer der Kommunisten in der Chrudimer Gegend Josef 8 ar 8 onn aus Hetman MSstec verhaftet. Die Bande hatte in der ganzen Gegend von Chrudim Diebstähle vollführt, unter anderem fiel auch der Verdacht auf 8ar8oun. Tatsächlich wurden in seiner Wohnung bei einer Hausdurch- -suchung aus Diebstählen stammende Gegenstände gefunden. 8ar8oun wurde verhaftet und dem Kreisgericht in Chrudim eingeliefert. Die Verhaftung erregte schon deswegen Aufsehen, weil der Verhaftete seinerzeit für die K. P. 6. ins Abgeordnetenhaus kandidiert hatte. Arbeitslosen-Tragödie. Zwei Arbeitslose, Opfer der kapitalistischen Wirtschaftskrise, wurden, wie wir gestern kurz berichteten, in einem aufgelassenen Schacht bei Koste » verschüttet. Die Beiden haben sich, da ihnen die Gesellschaft nicht den nötiger: Unterhalt gewährte, unter Gefährdung ihres Lebens, so recht und schlecht zu erhalten versucht. Sie wanderten tagaus, lagern zum ausgelassenen Ottokar-Schacht und begannen unter schwierigen Verhältnissen nach Kohle zu graben. Nach und nach hatten sie einen Stollen ausgehöhlt, den sie aber, wohl deshalb, weil ihnen kein« Mittel zur Verfügung standen, nicht zu sichern vermochten.' Vorgestern nachmittags gingen sie nun wieder an diese lebensgefährliche Arbeit- Es sollte das letztemal sein. Wahrend sie arbeiteten, brach die nichtgestützte Decke herein und begrub sie. Einige andere Arbeitslose, die sich in der Nähe befanden, unternahmen sofort Ret- tirngsversuche und hatten Hoffnung, da sie noch Klopfzeichen vernahmen, ihre beiden Schicksalsgenossen lebend zu dergsn. Aber kurze Zeit darduf zeigte es sich, daß ohne Mithilfe einer größeren Zahl von Personen eine Bergung der beiden Verschütteten aussichtslos war, denn über ihnen befanden sich Erbmassen in einer Stärke von nicht tveniger als 8 bis 10 Meter! Nach 8 Uhr abend- Auf der Suche nach dem Antersreboot„M 2". 4ö Mann, 8 Sffiziere- leben sie noch?- wird man sie jiuden und retten? London , 27. Jänner. (Revier.) Di« Ma- rinekommandatnr in Portsmouth gab spat abend nachsolgende Mitteilung Hera «-: Wir warten noch immer ängstlich einen Bericht über daS Unterseeboot„hl 2" ab. Di« letzte Mitteilung vom U-Boot erhielten wir heut«(am Dienstag) früh um 10 Uhr 11 Minuten. In di«s«r Mitteilung wurde«ns bekanntgegeben, daß das U- Boot die vorschriftsmäßigen Urbnngen begonnen habe, darunter auch die Tauchübung. Zwei Torpedobootzerstörer und weiter« zwei Unterseeboote wurden entsandt, um nach dem U-Boot„AI 2" zu sanden; bisher sind di« Rettungsschiffe noch nicht zurückgekehrt. Di« Tee ist ganz ruhig, doch sinkt Rebel herab. * L o n d o n, 27. Jänner. Rach einer Meldung des Pretz-Affoeiation konnte bis 3.30 Uhr früh keine bestimmte Spur des gesunkenen Bootes„M 2" gefunden werden. Eine Anzahl Zerstörer hat die ganze Rächt hindurch unter Benutzung von starken Scheinwerfern ein weites Gebiet auf- der Höhe von Portland Head vergeblich abgrsucht • London , 27. Jänner. (Renier.) Das Unterseeboi„>I 2" wurde im Jahr« 1920 erbaut. Di« Wasserverdrängung beträgt 1480 Tonnen. Das Schwester schiff des U-Botes„M 2", das lUPot„M 1", sankimIahre 1925. Damals gingen mir diesem U-Boot 88 Matrosen unter. Das U-Bot„M 2" hat sech, Offiziere und etwa vierzig Mann Besatzung an Bord. Die britische Admiralität versichert, daß das Unterseeboot„M 2" mit den allermodernsten und vollkommensten Reitungsvorrichiunge« ausgestattet ist, darunter auch mit einem besonderen Apparate, der es der Besatzung ermöglicht, ein Mann nach dem anderen an die Meeresoberfläche zu gelangen. DaS U-Bot ,,M 2" kann unter der Meeresoberfläche mindestens 48 Stunden, ohne jeden Schaden zu nehmen, verbleiben. Borretter der Lodervertündung. London , 27. Jänner. (Reuter.) In einem amtlichen Bericht des Märinemimsteriums werden ernste Befürchtungen wegen des Lebens der Besatzung des U-BooteS„M 2" gehegt, weil bisher keine Nachrichten eingetroffcn sind:' An die grauen der verheirateten Seeleute des Unter- eebootcS„M 2" wurden amtliche Depe- ch e n gesandt, in denen mit Bedauern mitgeteilt wird, daß ihre Männer vermißt werden und ernste Befürchtung' besteht, daß sie mit .„M 2" ertrunken sind, daS auf offenem Meer b«i Portland.gescheitert ist. arbeitete eine ganze Kolonne, doch war es erst um l'-Uhr nachts möglich, einen Verschütteten, und zwar den 25 Jahre alten Wenzel Pavlik, allerdings nur als Leiche, zu bergen. Zwei Stunden später fand man' dann die Leiche des 22jäh- rigen Rudolf Schwctz. Die Untersuchung der Leichen durch deü Arzt ergab, daß die beiden Arbeitslosen wahrscheinlich so schwere innere Verletzungen erlitten hatten, da'ß sie daran verschieden. Wahrscheinlich wäre aber ihre Rettung auch sonst nicht möglich gewesen, weil sie wohl von jeder Luftzufuhr.abgeschnitten waren und daher erstickt wären. Die Wirtschaftskrise, der Kapitalismus , hat zwei tveitere Opfer gefordert. Das Schicksal dieser beiden Arbeitslosen ist ein« Mahnung an alle Arbeiter, sich einzureihen in das Heer des klassenbewußten Proletariats and mitzukämpfen für die Beseitigung dieser Wirt-; schaftsordnung, die Arbeitslose dem Elend und Hunger ausliesert und zugrunde gehen läßt. Ungewöhnlich hoher Barometerstand. Das mitteleuropäische Druckhoch hat sich im Laufe des letzten Tages noch etwas verstärkt, so daß in seinem Kern in Mitteldeutschland Mittwoch früh ein Luftdruck von.788 Millimeter im Meeresniveau verzeichnet würde. In Prag betrüg- der Luftdruck gleichzeitig" 787 Millimeter, das ist der aller hö chsie Wert während ver letzten 25 Jahre, nämlich seit dem Jahre 1907, wo am 23. Jänner 789 Millimeter verzeichnet wurden. Der gesamte Witterungscharakter bleibt infolgedessen unverändert. Weiter« Arbeiterentlassungen im Falkenauer Kohlenrevier. In der ersten Hälfte des Monates Jänner wurden jm Falkenauer Kohlenrevier bei den Montanwerken, den Bereinigten Britannia- kohlenwerken und bei den dem Montanwerken angehörigen Kohlenwerken in Boden abermals 100 Arbeiter entlassen. Weitere zehn bis zwanzig Bergarbeiter haben ihre Entlassung in den nächsten Tagen 31t gewärtigen. Die Werksdirektionen begründen ihre Maßnahmen damit, daß der Abstand zwischen dem Kohlenpreis in Deutschland und dem Preis der westböhmischen Kohle nicht überbrückt werden könne. Hausierer»Tod. Montag wurde in seiner Wohnung in Zabkeh a. Ostrawicct der Hausierer Johann Zenzinger tot aufgeftmden. Der Arzt stellte fest, daß Zenzinger bereits vor sieb en bis zehn Tagen an fortgeschrittener Tuberkulose verstarb. Verfehlungen«ine- Lehrers. In der Ortschaft L i e b 0 t i tz in Westbohmen war die Art der Beziehungen des Schulleiters zu den ihm anvertrauten Knaben seit einiger Zeit der Bevölkerung ausgefallen. Als dieser Tage ein Elfjähriger seinen Eltern- gegenüber bestimmte Aussagen über sittliche Verfehlungen seines Lehrers machte, wurde die Anzeige gegen den Schulleiter erstattet und zur Untersuchung der Angelegenheit ein Schulinspektor und Gendarmen nach Liebotitz entsendet. Der Schulleiter wurde suspendiert, hätte aber, da die in Frage stehenden Verfehlungen unter das Strafgesetz fallen, ein gerichtliches Verfahren zu erwarten gehabt. Um dem zu entgehen, verübte er Selbstmord durch Erhängen. Er war verheiratet und Vater zweier Kinder. Im Zusammenhang mit der Affäre, die in der kleinen Ortschaft großes Aufsehen erregt hat, ist ein 16j ä h r i g e r B u r sch e, der mit dem Schulleiter in Beziehungen gestanden war, aus dem Orte verschwunden, ohne daß bekannt wäre, wohin er sich gewendet hat. Bei den Nachforschungen nach den Leichen von Soldaten im ehemaligen Kampfgebiet sind in der Zeit vom 28. Dezember bis 21. Jänner in der Gegend von Arras 208 Leichen gefunden worden, und zwar 142 französische Soldaten, von denen 44, und 66 deutsche Soldaten, von denen acht identifiziert werden konnten. Personenzug und Autocar. Unweit von Krajowa (Rumänien ) stieß bei einem Bahnübergang ein Personenzug mit einem vollbesetzten Autocar zusammen. Ter Autocar wurde vollkommen zertrümmert. Bier der Reisenden waren.auf der Stelle tot, 16 wurden verletzt, darunter der Großteil schwer^Sämtliche Reisenden gehörten dem Landwirtesiande an. z Der Haftbefehl gegen Lahusen. Di« Justizpresseftelle in Bremen teilt mit: In der Voruntersuchung gegen die Gebrüder Layirsen hüt die, Strafkammer Bremen entsprechend dem' Antrag der Staatsanwaltschaft beschlossen, den Haftbefehl gegen G. Karl Lahusen aufrechtzuerhalten. Das Gericht nimmt an, daß Fluchtverdacht auch bei Stellung der von dritter Seite angebotenen Sicherheit sowie Verdunkelungsgefahr bestehen. Groß« Ueberschwrmmungsgefahr droht infolge der andauernden Regengüsse den Nordgebieten des Staates Louisiana und den Ostteilen des Staates Arkansas neuerdings. Jm mittleren Teile deS Staates Mississippi hat der über seine Ufer getretene Fluß Dazoo 50.000 Acres Boden unter Wasser gesetzt. Sabotage-Akt« in Indien . Der Schnellzug Kalkutta-Benares ist gestern früh zwischen Futwa und Patna , 325 Meilen von Kalkutta , e n t g l e i st. doch erforderte der Unfall keine Opfer an Menschenleben. An der Unfallstell« fand man die Schienen herauSgerissen. Es ist dies während dieser Woche bereits der zweite Sabotageakt in der Nahe von Kalkutta. - Ein unverschämter Schwarzfahrer. Montag mittags mietete ein unbekannter Mann in Prag ein Auto nach Mäh r.-O st r a u. Der Chauft feur kam mit dem Mann bis Witkowitz , wo er ohne zu bezahlen verschwand. Der Autobesitzer erleidet eincn Schaden von 1200 K. DaS schnellste Motorboot. Der Amerikaner Gar Wood hat nach mehreren Versuchen den britischen SchnelliykeitSrekord mit einem Motorboot, den Kayc Don mit einer Geschwirr» digkeit von 110.28 Stundenmeilen erreichte, mit einer Stundcngeschwindigkeit von 111.785 M e i- len überboten, was den Anspruch auf einen Weltrekord bedeutet. Die Berliner Schülermörder. Unter dem Verdacht, an der Ermordung des 16-jährigen Schülers Herbert NorkuS in Berlin-Moabit beteiligt zu sein,, wurden von der Berliner Poli tischen Polizei sechs jugendliche Kommunisten verhaftet. Von den Festgenommenen, die sämtlich bestreiten, mit dem Schülermord etwas zu tun zu hoben, konnten drei durch Gegenüberstellung mit den Zeugen des Vorfalls als Rädelsführer überführt werden. Als Messerstecher und Mörder des Norkus kommt ein 22jähriger Arbeiter Tack aus Moabit in Frage. Tack ist flüchtig. Flugzeugkatastrophe. Der Rekordflieoer und Flugzeugfabrikant Edwards S t i n s 0 n stürzte in der Nähe von Chicago mit seinem Flugzeug ab und erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Drei Passagiere wurden gleichfalls schwer verletzt. Muselmännische Banden, die einige tausend Mitglieder zählen und sehr gut ausgerüstet sind, plündern und verwüsten, wie aus Kaschmir gemeldet wird, systematisch die Dörfer in den Bezirken Reüschuri und Kotli. Samstag kam es zu einem Luiammer.sthß zwischen einer solchen Bande und einer Polizeiabteilung, wobei zwei Personen getötet und vier schwer verletzt wurden. Landwirtschaftlich« Bezirtsdorschußkasseu in Böhmen im Fahr« 1830. Nach den Angaben«S Statistischen Staatsamtes gibt es in Böhmen 172 landwirtschaftliche Borschußkassen(128 tschechische, 41 deutsche). Dies« Anstallen hatten nach dem Stande vom 31. Dezember 1930 insgesamt 32,505.000 X Stamnrvecmögen, die Reserve- und sonstigen Fonds betrugen 145 351.W0 X. Die Bucheinlagen betrugen 3.807,810.000 K, die Einlagen auf laufend«"Rechnung 281,798.000 K. Darlehen wurden in der Gesamthöhe von 3.130,194.000 X gewährt. Ter Gesamtgewinn machte 12,107.000 X aus. Dir Bilanzsumme betrug im Jahre 1930 4285,344.000 K, der Kassaumsatz 15.509 045 000 X. Eine Frau als Forschungsreisend«. Bei der Expedition, di« gegenwärtig unter Leitung de» Professors Gregory dir wüsten Strecken von Peru m der Näh« der Küste des Stillen Ozeans und wenig besuchte Berghöhen erforschen will, befindet sich auch eine Frau, Miß Mc. Kinnon Wood^Die Expedition soll 6 Monat« dauern! Miß Much entfernt sich bei dieser Gelegenheit nicht zuni ersten Male jo von allen Bequemlichkeiten bewohn^ ter Gebiete. Sie. hat sich schon vor ciniaer Zeit, an einer ähnlichen Expedition in Ostafrika beteiligt und von dort eine beachtenswerte Sammlung von Fossilien mitgrbracht, die einer größeren Kollektion in Glasgow übergeben worden sind. Garderob- im Zuschauerraum! Verhandlungen zwischen dem Reichskommisiär für Preisüberwachung und den Besitzern dir Berliner Privattheater führten zu einer Vereinbarung, wonach der Garderobezwang in den Privat-Theatem aufgehoben wird. Schirme und Stöcke müssen abgegeben werden; aber sonst kann man in Zukunft den Zu- schawerraum mit Garderobe betreten. Ferner haben sich di« Theaterdirektoren verpflichtet, die vollständigen Programme in den Wandelgängen auSzühän- gon, damit das Publikum nicht zum BrogramMkäuf gezwungen ist. Ser„Berlragsangeftellte". Kurzsichtiger Egoismus— teuer bezahlt. 7— Ti. Waffe des Arbeitende« ist di« Organisation. Der Zufall trieb mir heute einen, alten Bekannten in den Weg. /Ich hätte ihn nicht erkannt, wenn er sich nicht gemeldet hätte. Der erste Eindruck besagte: ein Arbeitsloser, ein schon lange Arbeitsloser. Ich wunderte mich. Dieser Mann, ein befähigter, hoch qualifizierter Beanr- ter, war durch Jahr« bei der hiesige» Direktion einer bekannten Bersicherungsgescll« schäft angestellt gewesen. Ich erinnere mich noch wohl seines siegessicheren Lachens vor fünf Jahren:„.... zweihundert momat- lichmehralsdie anderen. Als Vertragsbeamter!- In der Organisation darf ich nicht sein. Wozu brauch' ich eine Organisation?! Ich werde es schon schaffen. Tu wirst sehen!" Ich sah. Einen verhungerten armen, armen Menschen, der mich flehentlich um drei Krott e n bat— fürs Nachtasyl. Jm Kaffeehaus taute er ein wenig auf und begann zu erzählen. Ein Nestchen alter Schäm- haftigkeit ließ ihn sorgsam seine durchlöcherten Ellbogen verdecken. Die B c r s i ch e r u n g s a n g e st e l l t e n besitzen einen guten K 0 l l e k t i v v e r t r a g, der nur durch beiderseitige UebereinstiMmung der organisierten Tienstgeber und-nehmer kündbar ist. Dieser Beitrag garantiert den definitiv Angestellten, eine beträchtliche Abfertigung im Falle des Abbaues, die es ihnen unter Umständen ermöglicht, sich eins neue Existenz zu gründen. Ueberflüfsig zu sägen, daß dieser Kollektikver- trag den Direktoren ein Dorn im Auge ist. Abzuändern ist er nicht— außer im beiderseitigen Einvernehmen— und an ein Zustandekommen eines solchen„Einvernehmens" ist bei der guten Führung der Gcwerkschast"tticht Zu denken. Also trachtete man einen anderen Keil in die Einheit der geschlossenen Angestelltenschaft;>r treiben. Diesen Keil repräsentieren die sogenannte» Bertragsange st eilten. Ist eine Stelle frei, so sucht die betreffende Direktion sich einen Mann zu sichern, der sich vertraglich verpflichtet, auf die durch die Organisation garantierte Dienstpragmatik Verzicht zu l e i st« n. Nobel, wie man schon ist, gewährt man 200 bis 300 Kronen pro Monat mehr. Wobei «s nicht an honigsüßen Worten fehlt.„Persönliche Tüchtigkeit entscheidet"„Gelegenheit, sich eine glänzende Stellung zu schaffen" usw. usw. Ja, der Herr Generaldirektor selbst entschließt sich in solchen Fällen(unter Ueber- windung seiner Abneigung gegen das plebejische Angestelltenpack) dem Geehrten eine Zigarette anzubieten. Und der geblendete„Geehrte" akzeptiert.* Jahre vergehen. Er hätte als Mitglied der Organisation schon längst das Desi- n i t i v u m und Schutz gegen willkürliche Kündigung. Wo aber sind seine hochfliegenden Träume geblieben? Längst schon ist fern Gehalt niedriger als der ferner Kollegen, denn der verlockende Vertrag galt natürlich nur für das erste Jahr. Auf bescheidene Reklamationen bekonnnt er ein unwilliges Achselzucken zur Antwort:„Wenns Ihnen nicht paßt— bitt«! Es gibt genug Interessenten." Und während die organisierten Kollege» avanzieren,„erneuert", man mit großmütiger Geste von Jahr zu Jahr den ursprünglichen Vertrag. Längst schon liegt sein Etn- kommenSNiveau unter dem seiner organisierten Kollegen. Dabei ist er ein Fremdkörper in der Kollegenschaft. Man traut ihm nicht, wenn auch vielleicht mit Unrecht. Ein armer Unwissender, vielleicht von vornherein verblendet von radikal- fascistischen Schlagworten, ist hier geriebenen Ausbeutern inS Garn gelaufen. Und dann das Ende: am 15. August findet er einen Brief auf seinem Arbeitsplatz vor:.„... bedauern wir, auf ihre weiteren Dienste verzichten zu müssen..." Sechswöchentliche Kündigung(„hochachtungsvoll" natürlich)! Unanfechtbar im Sinne des_ Handelsgesetzbuches. Denn was die Pragmatik für die Mitglieder der Oraa- nisation statuiert, das gllt für einen solchen armen Außenseiter nach Recht und Gesetz nicht. Ich sei)« meinen Nachbar au. Dies ist der elegante, siegessichere Bonvivant, der er noch vor Vier Jahren war.„Bitte— wenn Du kannst — drei Kronen! Zum Schlafen im Nachtasyl." Geo.
Ausgabe
12 (28.1.1932) 24
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