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ozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Ifchechoslowakischen Republik  

12. Jahrgang.

Das mitteleuropäische Wirtschaftsproblem

heute Gegenstand von Beratungen

in Genf  .

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früb.

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Dienstag, 8. März 1932

Vor einer neuen nationalistischen Hetze.

schlägt der brutale Widerstand der Agrarier gegen alle Sozialpolitik nicht auch den Inter­essen der tschechischen Arbeiter im deutschen Gebiet ins Geficht?

Ein Dokument, das uns der Zufall in die der Schädigung der Exportindustrie, welche zu Hände spielte, kündigt uns an, daß wir vor einer meist im deutschen Gebiete liegt, auch die prole­Wien, 7. März. Die österreichische Regie Klub der agrarischen Senatoren hat an die neuen nationalistischen Hezkampagne stehen. Der tarischen tschechischen Minderheiten in diesem Gebiete aufs schwerste getroffen hat. Und rung ist dahin informiert worden, daß morgen, Dienstag, in Genf   die entscheidenden Konferenzen tschechischnationalen Vereinigungen ein Rund­über die handelspolitischen Aktionen zur Besse- schreiben zur Weiterleitung an ihre lokalen Or rung der wirtschaftlichen Lage der Sutzessions- ganisationen gerichtet, das folgendermaßen lautet: staaten beginnen werden. An den Verhandlungen werden außer Tardieu, der britische Außen­minister Simon und der italienische Außen­minister Grandi teilnehmen. Sobald sich die Mächte auf ein gemeinsames Programm geeinigt haben werden, wird eine gemeinsame Demarche bei den Donau  - Staaten stattfinden.

Berlin  , 7. März. Zu den schriftlichen Be­merkungen, die am Samstag der französische  Botschafter der deutschen   Regierung überreichte und die sich auf die wirtschaftliche Annäherung der Donaustaaten beziehen, veröffentlicht die Bossische Zeitung" einen inspirierten Artikel, in dem es heißt: ,,, daß die Reichsregie­rung selbstverständlich die Teilnahme an den Arbeiten zwecks Besserung der Wirtschaftsorgani­sation in Mitteleuropa   nicht ablehne, insoferne allerdings die Grundlage dieser Arbeiten eine rein wirtschaftliche sei.

,, Es gelangen ständig Beschwerden seitens der Lokalstellen der nationalen Abwehrorganisationen

über die wachsende ungünstige Behandlung des tschechischen Volkes im gemischtsprachigen Gebiete an uns. Insbesondere wird in den Zuschriften darüber Beschwerde ge­führt, daß diese Zustände sich feit dem Eintritt der deutschen Sozial­demokraten in die Regierung sehr verschlechtert haben. In vielen Fällen

sind wir eingeschritten und haben festgestellt, daß diese Beschwerden tatsächlich voll begründet sind. Wir halten daher dafür, daß es notwendig ist, solchen Erscheinungen generell entgegenzutreten und bei der Regierung Abhilfe zu schaffen. Wir bitten Sie daher um freundliche Mitteilung Ihrer Erfahrungen, ebenfalls Bekanntgabe von Einzel­Selbsthilfe auf te nen Fall gestattet heiten in Ihrem Tätigkeitsbereich. Wir danken Ihnen im vorhinein für Ihre besondere Bereit­Feststellungen des englischen Außenministers in Genf.  

willigkeit."

Auf diese Bereitwilligkeit der Národní Jed­Genf, 7. März. In der heutigen Sigung des Hauptausschusses der Völkerbundversamm nota ist ja in der Tat vorweg mit Sicherheit zu lung schlug der englische   Außenminister Sir rechnen. Dennoch haben wir es nicht nötig, uns mit der behaupteten ungünstigen Behandlung" John Simon vor, eine Kundgebung zu er der tschechischen Minderheiten ausführlich zu be­laffen, in der ohne Eingehen auf die fachliche schäftigen. In welchem Maße staatliche Aufträge Seite des Streites die Grundsätze, auf denen im deutschen Gebiet an tschechische Firmen ver­der Völkerbund beruhe, festgestellt werden müßten. geben werden, wie bis zum letzten Postboten hin­Kein Staat, so sehr er auch im Rechte unter die Deutschen   aus allen öffentlichen Dien­sein möge, set befugt, zur Selbsthilfe zu greiften verdrängt werden, wie die Bodenreform als sen. Ferner könne auf dem Grundfaß der Tschechisierungsinstrument mißbraucht wurde, ist territorialen und politischen Unversehrtheit der Oeffentlichkeit nur zu gut bekannt. und auf den Kelloggpakt Bezug genommen werden.

Der deutsche Vertreter schloß sich dem englischen Vorschlage an, ebenso Paul Boncour  

für Frankreich  .

Die Aussprache wird morgen nachmittag fortgesetzt. Immer neue Ausreden der Japaner nm die Fortsetzung der Kämpfe zu rechtfertigen. Schanghai  , 7. März. Am Freitag hat die japanische Artillerie von 15 Uhr ab die chine­fischen Stellungen bei Huangtu mit ſtarfem Feuer belegt, auf das Feuer folgten hart nädige Infanterieangriffe, die um Mitternacht zurückgeschlagen wurden.

In einer heute morgen erfolgten Stundgebung erklärte der japanische General Shirakawa, day die Besetzung von Huangtu, das weit außer=

halb der 20 Kilometer- 3one liegt, zum Schuße von Rantsiang, das sich gegenwärtig in den Händen der Japaner befindet, notwendig sei.

herhalten muß.

als

Weit interessanter als diese oft und oft durch.

den Beweis des Gegenteils widerlegte Behaup­tung ist die Methode, mit der die Agrarier da zu Werke gehen und die nichts anderes bedeuten den Versuch, eine nationalistische Heße, für die jede reale Grundlage fehlt, künstlich zu erzeugen.

Denn selbstverständlich hat der agrarische Sena torenklub niemals ,, ständige Beschwerden" empfangen, er hat nichts festgestellt, sondern er versucht ja erst das Material zusammenzuklauben, das ihm für seine Giftmischerzwecke dienen soll. wie das Kochen der Volksseele in der Retorte fabriziert wird, hat man vielleicht noch nie so anschaulich gesehen, wie an diesem Beispiel.

Aufrichtige Anwälte der tschechischen Min­derheiten hätten es sehr leicht, den Spieß umzu­drehen. Wer hat denn in Wirklichkeit diese Min­derheiten geschädigt, die ja, soweit sie durch die natürliche Entwicklung und nicht durch machipoli­tische Eingriffe entstanden sind, überwiegend aus Arbeitern bestehen? Doch vor allem die von den Agrariern betriebene Wirtschaftspolitik, die mit

Es ist also klar, daß die japanischen Streit fräfte, entgegen allen Zusicherungen, auch jeg: ihren Vormarsch nach dem Innern Chinas  fortjeßen, wobei ihnen als Vorwand für den Weitermarsch immer wieder die angebliche Not­wendigkeit des Schutzes der zuletzt besetzten Stadt Die Lappo- Leute liefern die Waffen ab. Helsingfors  , 7. März. Die Lappo- Auf­In Wujung ging heute eixe japanische Divi- standsbewegung ist als vollständig beendet auzu­fion in der Starke von 14.000 Mann an Land. sehen. Seche Führer der Aufständischen wurden Berläßlichen Berichten zufolge ist ein japa- verhaftet und die Zensur über Telephon und nisches Flugzeugmutterschiff 35 Meilen den Telegraph aufgehoben. Die Aufständigen began­Yangtse von Busung aufwärts gefahren und hat nen heute in Mäntsälä   mit der Uebergabe der dort einige Truppen gelandet, die sich Waffen. Dann wurden sie durch die Postenketten fofort in nördlicher Richtung gegen die chinesischen nach Hause gelassen. Stellungen in Bewegung setzten.

Das japanische Kriegsministerium erklärt, es sei der Befehl zur Entsendung von Verstärkun gen noch nicht widerrufen worden, weil die Absichten der Chinesen noch nicht tlar zu ertennen feien.

Die soziale Renttion in Bo'en. Warschau, 7. März. Die Regierung brachte im Sejm   einen Gefeßentwurf ein, die 48- Stun denwoche in Industrie und Verkehr wieder ein­zuführen.

Die Nazis öffnen alle ihre Dred­schleußen.

Qtr. 58.

Aristide Briand   gestorben.

Paris  , 7. März. Aristide Briand   ist heute mittags um 13 1hr 30 französischer Zeit in seiner Wohnung in der Avennuc Kleber gestorben.

Die sonore Stimme, durch deren gepfleg tes Französisch es bald wie sanftes Streichen tiefer Cello- Saiten, bald wie Orgelton und Glockenklang tonte, ist auf ewig verstummt. Einer der letzten großen Redner unserer Zeit ist von der Tribüne abgetreten, der beden­Da zünden die Agracier eine chauvinistische tendste Improvisateur der französischen   Boli­Brandfackel an, mit der sie die tschechischen Mintik hat dem großen Welttheater auf immer den derheiten blenden und verblenden wollen, und möchten ihnen mit der Aufhebung des Mieter- Rücken gekehrt. Aristide Briand   ist, schutzes gleichzeitig das Obdach wegnehmen oder kurz vor seinem 70. Geburtstag, wenige verteuern. Nur der nationale Friede, mur der Wochen vor der großen Wahlschlacht, zu der gleiche nationale und soziale Schutz aller Min- Frankreich rüstet, seinem Herzleiden erlegen. Noch vor Jahresfrist schien die euro­derheiten kann auch für die tschechischen Minder­heiten im deutschen   Gebiete das wirklich erstre- päische Politik ohne Briand   undenkbar. Man benswerte Ziel sein. sah ihn schon im Palais Elysée, den form­Aber gerade das liegt den Agrariern meilen- lofen Mann mit der Melone und dem Spa­fern. Sie wissen sehr gut, daß die Schürung des zierstock im Festkleid des ersten Zeremonien­nationalen Hasses das wirksamste Mittel ist, nur meisters der Republik  , als Präsidenten ant in diesem, von einer Mehrheit arbeitender Men Gipfelpunkt der klassischen Laufbahn des fran­schen bewohnten Lande die Vormacht der Bour- zösischen Politikers. Er sollte nicht an diesen geoiste aufrechtzuerhalten. Darum sind sie, die Gipfel gelangen, der in Frankreich   den Mit­Führer der Staatserhaltenden" immer und überall die eigentlichen Störenfriede. Darum telmäßigkeiten, den repräsentativen Vollbär­möchten sie, welche die Autorität jedes einzelnen ten vorbehalten ist. Er war wie Clemenceau  , Gendarmen eifersüchtig hüten, im ganzen Lande der es weniger leicht getragen hat, eine Ber­Unruhe hervorrufen. Wie immer sind ihnen auch sönlichkeit viel zu großen und eigenwilligen Diesmal die wahren Nöte und Bedürfnisse der Formats, um Präsident werden zu können, Minderheiten völlig gleichgültig. Ihnen kommt Der Senat, der in Frankreich   nicht nur Sa­es nur darauf an, durch die Heze gegen die binette stürzt, sondern vor allem darüber deutsche Sozialdemokratie die Zusammenarbeit der wacht, daß nichts den Durchschnitt überrage, hat auch Aristide Briand   zu Fall gebracht, der jozialistischen Parteien ju stören, am 13. Mai 1931 gegen Herrn Doumer unterlag. Schon damals war es beschlossene Sache, daß auch seine politische Laufbahn. beendet sei. Da Doumer fein Millerand war, Darum muß der chauvinistische Vorstoß der Agra- schien selbst die Aussicht gering, daß ein Links­rier für alle arbeitenden Menschen, seien es sieg bei den Kammerwahlen im Jahre 1932 Tschechen   oder Deutsche  , ein Signal zu um so ihn stürzen und doch noch den 70jährigen festerem Zusammenschlusse sein. Briand   berufen würde. Nun ist Frankreich   die­

womöglich die deutsche Sozialdemokratie aus der Regierung zu drängen und so die Position

der Arbeiterklasse zu schwächen.

Aber wie stehen im Lichte dieser Enthüllung ser Entscheidung überhoben. Briand   hat den auch die deutschen   Nationalsozialisten da? Wenn demütigenden Abschied vom Amte, den man Nationalsozialisten, Deutschnationale und auch ihm vor kurzem noch aufgenötigt hat, nach­Christlichsoziale ihre Attacken gegen die deutsche dem man ihn im vorigen Sommer schanden­Sozialdemokratie reiten, so sieht nun auch der halber und weil man seiner noch bedurfte, Blinde, wessen Geschäfte sie damit besorgen. zurückgehalten hatte, Briand   hat diesen Ab­,, Der Czech muß weg" schallt es mit teutonischer

überlebt.

Urkraft aus dem nationalen Lager und ist doch gang, der durch die Ovationen der Kammer mur ein Echo des Tones, den der tschechische faum versüßt werden konnte, nicht lange Nationalismus angibt! Die Nationalsozialisten Unterdessen hatte man Zeit sich daran zu hüben und drüben spielen sich wirklich vortrefflich in die Hände! Aber nur so weiter! Je toller die gewöhnen, daß es in Genf   und am Quai Setze, desto früher wird sie das arbeitende Volt d'Orsay auch ohne Briand   geht. Die Politik Durchschauen und hüben wie drüben die Natio- wird freilich langweiliger und nüchterner, je nalisten zum Teufel jagen! Lange genug haben mehr sie aus den Händen der großen Akteure, sich die Landbündler als Bahnbrecher der natio- wie Briand   einer der letzten war, in die flei nalen Verständigung aufgespielt. Aber der große ner Macher und Beamten übergeht, bis rauhe agrarische Bruder reißt ihnen selbst diese Maske Sände es einmal zerschlagen und zum alten vom Gesicht und lehrt alle Völker, die Mehrheit Eisen werfen werden. wie die Minderheiten, daß

nur der Zusammenschluß der Arbeiterklasse, nur der soziale Aufstieg des Proletariats, auch den nationalen Frieden zu schaffen und

zu sichern vermag!

Aristide Briand   war, ehe er eine Persönlichkeit wurde, zunächst ein Typus, wie ihn die französische   Politik der Dritten Republik mit ihren, Politik als Be­ruf treibenden, redelustigen und ehrgeizigen Advokaten oft hervorbringt. 1862 in St. Na­ zaire   geboren, hat Briand   den normalen Stu len übertreffen durch ihre Rücksichtslosigkeit biengang eines Juristen und die Anfangs­alles. Hindenburg   ist danach der Kandidat der stadien eines Politikers durchlaufen, bis Jean Verräter und Deserteure", die die deutsche Ar­mee vernichteten, der Verbrecher", welche die Jaurès   auf den leidenschaftlichen Mann auf­Revolution im Jahre 1918 durchführten, er fei merksam wurde, der vielleicht den Marschall­der Kandidat der Betrüger, Juden und stab des großen Führers im Tornister, oder etten händler. Die Erbitterung Erbitterung der besser das Geheimnis des Sieges in Hirn und Linkspresse über diese Kampagne ist um so grö- Stimme hatte. Aber der Weg über die Spros­her, als Hitler erst fürzlich dem Reichspräsidenten   sen der Fraktionspolitik war Briand   zu weit. Hindenburg   ein offenes Schreiben fandte, in Er wollte nicht warten, bis die Sozialisten die welchem er ersuchte, daß der Kampf gegen ihn Mehrheit in der Kammer hätten und damit ( Hitler  ) in ,, ritterlicher" Art geführt werde.

Produktionssteigerung auf dem Erzberg.

Berlin  , 7. März. Die Kampagne der Reichs­präsidentenwahl erreicht ihren Höhepunkt. Für Graz, 7. März.( AN.) Wegen des gestie­Hindenburg wird fast ausschließlich unter der Parole der Treue agitiert. Er ist Euch tren, feid genen Erzbedarfes hat die Bergdirektion Eisenerz ihm treu!" Am größten ist die aftive Betäti- verfügt, daß für die nächste Zeit die Belegschaf gung der Anhänger Hitlers  , die mit ihren Flug- ten auf dem Erzberg nicht, wie bisher, 40 Stun blättern die Straßen und Wohnungen über- den, sondern 48 Stunden in der Woche beschäf­schwemmen. Die von ihnen ausgegebenen Baro-| tigt werden sollen.

die Möglichkeit, ohne Verlegung ihrer damals gegen alle Koalitionen gerichteten Prinzipien an die Macht zu kommen. Die Aussöhnung zivischen Guesdisten und Jaurèsisten band auch diese an die sehr strenge, klassenkämpferische Disziplin. Als im Kulturkampf die Leiden­schaften hochschlugen und die bürgerliche Linfe einen Mann von Geist und Temperament brauchte, verließ Briand   die Fraktion, um 1906 als Unterrichtsminister, also an gefähr­