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Sozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutſchen ſozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

12. Jahrgang.

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Samstag, 2. April 1932

Nr. 79.

Reviertonferenz der toalierten Bergarbeiter. Firma Starhemberé

Gegen den Mißbrauch des Bergarbeiterelends durch die Kommunisten.- Sede Verantwortung für den Streit abgelehnt.

Größte Erbitterung über die wachsende Aggressivität der Kohlenbarone.

Brig , 1. April. ( Eigenbericht.) Heute traten im Bergarbeiterhaus in Brür die Vertreter der freigewerkschaftlichen Bergarbeiterverbände zu einer Revierkonferenz zusammen, um zur Situation im nordwestböhmischen Revier Stellung zu nehmen. Die Konferenz war von 462 Delegierten, davon 291 für die Union der Bergarbeiter und 171 für den Svaz horniků, beschickt und fand unter dem Vorsik der Genossen Demel und Rytwan statt. Die Referate erstatteten die Genossen Jarolim und Souček.

Die Kommunisten hatten unter Führung des kommunistischen Bergarbeiterfekretärs Malit eine Deputation in das Bergarbeiterhaus entfen det, für welche sie Einlaß zur Konferenz begehrten. Die Delegierten lehnten dieses Ansinnen mit über wiegender Mehrheit ab. Vor dem Bergarbeiter haus hatten sich inzwischen einige hundert Kom munisten versammelt. Nachdem sie von dem ab­lehnenden Beschluß der Konferenz erfahren hatten, wollten sie das Bergarbeiterhaus it it r men. Sie drangen mit Messern, Stöcken, Stahlruten und Schlagriemen gegen unsere Ord­ner vor, die durch Teilnehmer der Konferenz vera stärkt werden mußten. Dabei wurden vier Ord. ner gestochen und blutig geschlagen. Ein Ordner mußte ins Krankenhaus überführt werden. Während dieser Zwischenfälle traf Gen­darmerie ein, die den Vorraum des Bergarbeiter hauses von den Kommunisten säuberte.

Genosse Jarolim

ten des Revierbergwerkamies Hejl, der es auf dem Nelsonschacht abgelehnt hatte, mit den Ver­tretern der Organisation zu verhandeln. Der Delegierte forderte unter einhelliger Zustimmung der Konferenz die rascheste Beseitigung dieses Beamten.

und Kohn

Von Julius Deutsch , Wien . Hei, das waren Zeiten, als der junge Fürst Ernst Rüdiger von Starhemberg die Zum Schluß hielt Senator Genosse Soukup Burg seiner Väter verließ, um gewappnet und eine Ansprache in tschechischer und deutscher gespornt in die politische Arena zu reiten. Wie Sprache, in welcher er die Bergarbeiter auf das

Treiben der kommunistischen Partei aufmerksam mächtig dröhnte sein schwulstiges Pathos den machte und davor warnte, den Kommunisten versammelten Tausenden, die gläubig zu ihm, Gefolgschaft zu leisten. Er versicherte die Berg - dem Führer" aufblickten! Da gab es keine arbeiter der Unterstützung der sozialdemokratischen Rede ohne wüste Beschimpfungen der Anders­Parteien. gesinnten, da fonnte man die Köpfe in den Die Delegierten dankten ihm mit stürmischem Sand rollen" lassen, da vermochte man der Beifall für diese Kundgebung. Um 6 Uhr erstaunt aufhorchenden Welt zu zeigen, was wurde die Konferenz, die ununterbrochen von so ein fürstliches Mundwerk alles imstande halb 10. uhr vormittag an ihre Beratungen war. abhielt geschlossen.

Kommunistische Ueberfälle.

Der tschechische Abgeordnete Biňovec erklärte Und nach den Versammlungen gab es namens der beiden sozialdemokratischen Parteien, mächtige Umzüge. Aber nicht so gewöhnliche daß diesbezüglich bereits Schritte unternommen Demonstrationen, wie sie auch schon bisher im wurden, und daß sie darauf beharren, daß auch Gegen Ende der Konferenz sammelten sich politischen Leben üblich waren. Nein, für einen die anderen Beamten des Revierbergarbeiter viele hunderte Kommunisten und Arbeitslose vor leibhaften Fürsten ziemte sich ein anderes. Er amtes, die sich solche arbeiterfeindliche Handlun- dem Bergarbeiterhaus, um die Delegierten auf trat umgeben von einer Leibgarde auf, die die gen zuschulden kommen ließen, abberufen werden. Die bei ihnen übliche Weise zu empfangen. Ein wichtige Funktion zu erfüllen hatte, vor, wäh An der Debatte beteiligten sich 30 Redner. Aufgebot von Gendarmen drängte, da Zusammen- rend und nach den Versammlungen begeister­Das Schlußwort hielten die Genossen Jarolim und Soušet, die sich mit aller Entschiedenheit ſtöße nach den Vorfällen am Vormittag befürchtet tes Volk zu mimen. Mehr noch. Wie einstens für die Annahme der Entschließung einsetzten und wurden, die Kommunisten in Seitengassen ab. seine Vorfahren im Mittelalter stellte der den Delegierten noch einmal den Ernst der Einzelne Gruppen von Kommunisten durchzogen junge Starhemberg eine eigene Söldnerschar Situation und die Gefahren für die Bergarbeiter die Stadt und provozierten mit Gruppen von auf die Beine, die dazu ausersehen war, die vor Augen führten. Delegierten Zusammenstöße, wobei in der Schlachten des Fürsten zu schlagen. Gewehre Nähe des Bahnhofes drei Delegierte ge- und Maschinengewehre wurden angeschafft. Jit besten gebärdeten sich unter den Kommunisten fühn sah es aber erst aus, wenn. ,, Er" die schlagen und verlegt wurden. Am wil ihren schmucken Uniformen nahmen sich die Starhemberg- Jäger nicht schlecht aus. Wie einige Frauen und Mädchen, die zu Gewalttätig- Front abschritt, jeder Zoll ein Held.

Für die Entschliehung stimmte die über 16 Teilnehmer. Die Konferenz beschloß dann noch wiegende Mehrheit der Delegierten, dagegen nur verschiedene Forderungen der Bergarbeiter den beiden parlamentarischen Klubs der sozialdemo­fratischen Partei zuzuweisen.

feiten aufriefen.

Die Entschließung.

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schilderte in seinem Referat die Wirtschaftssituation fich zugespigt hatte. Durch. Wassenentlassungen und im Bergbau, die sich in der lesten Zeit außerordent Feierschichten wurde im Revier sehr viel Zünd stoff angehäuft. Die wirtschaftlichen Tatsachen müssen bei Beurteilung des Streifes berücksichtigt Bewaffnete Demonstrationen u. Fackelzüge, werden. Die fommunistische Partei glaubt die Ver Gefechtsmärsche und Biergelage, Putschvor­zweiflung der Bergarbeiter für ihre politischen bereitungen und Kinderjausen es war ein 3wede mißbrauchen zu können. Es ist ausgeschlossen, tolles Durcheinander von politischem Aben­daß man diesen Streit als einen gewerkschaftlichen Die Konferenz stellt zunächst fest, daß es sich Durch das Ergebnis der Intervention vom Stampf betrachten kann. Starhemberg Genoffe Jarolim befaßte sich dann mit der um keinen organisierten Bergarbeiter 23. und 24. März war sogar für den Humboldt" teurertum, fitschiger Fürstenleutseligkeit und Vorgeschichte des Streikes, vor allem mit der streit handelt. Der Streik wurde nicht beschlossen, Schacht die Streitursache beseitigt. Man hätte auf wüster Bürgerkriegsromantik. angekündigten Einstellung des Humboldtschachtes. nicht einmal vom kommunistischen Bergarbeiterver- jeden Fall das Ergebnis der Unterhandlungen nach erlebte schließlich den Triumph, ernst genom men zu werden. Der Bundeskanzler Janaz Durch die Intervention beim Arbeitsministerium band. Das jahrelange Elend der Vergarbeiter hat stern abzuwarten gehabt, Die foalierten Bergorbeiterver. Seipel bekannte sich offen zur Heimwehr, wurde eine Verschiebung der Entlassun- aeifellos eine sehr ernste Stimmung hervorgerufen, gen erreicht. In fünf oder sechs Wochen wäre die von den Kommunisten planmäßig und absichtlich bände halten den Streit für einen mit die er eine unwiderstehliche Volksbewegung" diese Angelegenheit vollständig bereinigt ausgenügt wurde. Daß auch die große Anzahl von kommunistischer Unterstügung herbornannte. Fascistische Ideologien waren um diese Verzweiflungsausbruch, Zeit dem österreichischen Bürgertum geläufig arbeitswilligen Schächten sich dem Streit ange- gerufenen Damit war der Streifgrund eigentlich schloffen hat, ist dem Umstande zuzuschreiben, daß für dessen Folgen der fommunistischen geworden und die Oeffentlichkeit begann in zehntausend arbeitslose Nichtberg Partei allein die volle Verantwor dem jungen, ehrgeizigen Starhemberg den Der Streit wurde aber nicht beendet, sondern vielleicht zehntausend arbeitsloje von den Kommunisten auf andere Schächte ausgearbeiter, ebenfalls schon lange Zeit dem größten tung überlassen bleiben muß. Glend ausgesetzt, die Einstellung der Arbeit Unter diesen Umständen ist die Stellungnahme kommenden Mann zu wittern. Als der Hee­dehnt. Gleichzeitig wurde ein Streiffomitee" ge­der koalierten Bergarbeiterverbände von selbst ge- resminister Vaugoin im Herbst 1930 gegen die schaffen, selbstverständlich ohne Einfluß der freier zwangen. Sozialdemokratie durchgreifen wollte, wurde gewertschaftlichen Organisation. Ausdrücklich wurde Bollständige Ablehnung jeder Starhemberg der Innenminister der Republik . über Einfluß der Kommunisten beschlossen, daß der Verantwortung für die Folgen des Damals erklärte er, daß er sich die Zügel der Streif nicht von den Organisationen, sondern aus Streifes, feine wie immer geartete Beteilt Macht, die er einmal ergriffen hatte, nicht schließlich vom Streitfomitee geführt wird. Wir gung der Mitglieder und Funktionäre der Union mehr aus den Händen winden lassen werde. hofften, daß dieser Streit nicht dazu beitragen wird, Am 22. März 1932 wurde die Belegschaft des der Bergarbeiter und des Svaz horniku" in den daß der Lohnvertrag gekündigt wird. Der Streit Humboldt"-Schachtes gekündigt und angekündigt, konnte diese Ausdehnung nur annehmen, weil die daß der Schacht zur Einstellung gelangt. Die Beleg Rommunisten einen Teil der Arbeitsschaften in der Nachmittagsschicht desselben haben Losen mobilisiert und auf die Schächte ent- am selben Tage die Arbeit eingestellt. Am 23. März sandt hatten.in hat die Union der Bergarbeiter bereits im Arbeitsz ministerium interveniert und erreichte:

weggefallen.

Die Situation wird am Karsten durch die voll ständige Bassivität der Betriebsleitungen charal terisiert, die glauben, beim Streik den Lohn­bertrag loszuwerden. Die Beseitigung des Lohnvertrages würde sich aber an den Bergarbeitern furchtbar rächen.

Wir stehen auf dem Standpunkt, daß diejenigen, welche den Streif hervorgerufen haben, auch die Verantwortung für seinen Ausgang übernehmen müssen. Wir wollen die Kommunisten an der Durch­führung des Streifes nicht hindern, aber wir lehnen jede Verantwortung ab.

Genosse Jarolim ersuchte zum Schluß, die vor­

gelegte Resolution einhellig zu beschließen. Die Debatte

Es handelt sich daher um feinen gewerkschaftlichen Kampf der Berg­arbeiter, sondern um die übliche Aktion der kommunistischen Partei.

1. Daß die Kündigung bis nach Ostern verschoben wird.

2. Doß über die Kündigungen nicht in den Werken, sondern in Prag verhandelt werde.

3. Daß eine Kommission bestimmen wird, ob der Humboldt"-Schacht zur Einstellung gelangen darf oder nicht.

geben:

Streitausschüssen. Soweit Mitglieder und Funk Freilich, das Volk Desterreichs war ande­tionäre dazu gezwungen wurden, werden sie ver- rer Meinung. Es jagte im November 1930 pflichtet, innerhalb 24 Stunden ihre den Vaugoin mitsamt dem Starhemberg zum Funktionen niederzulegen.

haben!

Teufel, und der schöne Marschtraum endete in einem fläglichen Katzenjammer. So weit so gut. Der Starhemberg war zwar nicht mehr Innenminister, aber immerhin munmehr der Führer einer Acht- Mann- Fraktion im Natio­nalrate. Das war auch etwas, wenn man be­

Die koalierten Verbände haben die Pflicht, den Lohnvertrag zu schüßen. Wie gewissenlos die Kom munisten sind, beweist ihre Forderung, den von den foalierten Bergarbeiterverbänden geschaffenen Lohn vertrag Ende 1932 untündbar zu erhalten, eben jenen Vertrag, den sie bisher immer als schwersten Berrat an den Bergarbeiterinteressen bezeichnet dachte, daß die kleine Heimwehrgruppe im Parlantente mitunter das Zünglein an der Die Konferenz der loalierten Verbände empfiehlt Wage bildete. daher ihren Mitgliedern, weitere Weisungen seitens Das bittere Ende des ganzen Heimwehr­In der weiteren Intervention am 24. März der Vertreter der koalierten Bergarbeiterverbände Rummels scheint sich erst jetzt zu entwickeln. wurde erzielt, daß das Arbeitsministerium verfügt, abzuwarten. Dieser Tage wurde bekannt, daß Starhemberg daß alle Kündigungsmaßnahmen bei der Die Revierkonferenz beschließt, die Beschlüsse Nordböhmischen und der Brüger Kohlenwerksgesell- und Entscheidungen der sogenannten 3entral- wegen privater Verhältnisse einen Urlaub an­schaft eingestellt werden müssen, bis der streilleitung als für uns unmaßgebend treten mußte. Bald wußte man auch, weshalb bevollmächtigte Zentraldirektor 2öder von seinem und für unsere Mitglieder und Vertrauensmänner dieser Urlaub der eifrigen Tätigkeit des Heim­Erholungsurlaub zurüd ist. als nicht beste hend zu erklären. $ 3

Auflösung des Zentralstreit­ausichulfes.

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wiederspiegelte sehr deutlich die furchtbare Erregung und empörte. Stimmung, die durch Massenentlassungen, Kurzarbeit, Schi fanen der Grubenleitung und Rationalisierungs­maßnahmen unter den Bergarbeitern hervor­gerufen wurde. Sämtliche Redner schilderten in scharfen Worten die unhaltbaren Zustände auf Prag , 1. April .( Amtlich.) Die Bezirks ihren Gruben und erwogen eingehend, welche behörde in Brüg hat am 1. April 1932 vormit Stellung die foalierten Verbände zum Streit tags den Zentralstreifausschuß in Brüg auf gelöst und dessen weitere Täitgkeit mit der Be­Ein Delegierter wandte sich unter stür- gründung verboten, daß mit dem Widerruf der mischem Beifall der Konferenz gegen den Beam- Kündigungen auf den Gruben Humboldt"

einnehmen sollen.

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wehrfürsten ein vorzeitiges Ende gesetzt hatte. Starhemberg hatte in den letzten Jahren da s Vermögen seiner Väter verwirt­und ,, Nelson" die Gründe zu dem Streife wegschaftet. Er, der ausgezogen war, der gefallen sind und eine weitere Tätigkeit des Zen- ,, demokratischen Mißwirtschaft" im Staate ein fralstreifausschusses die öffentliche Ruhe und Ord- gewalttätiges Ende zu bereiten, hatte in sei­nung bedroht. Sämtliche Schriftstücke des Aus- nem eigenen Haushalt, wo er nach Belieben schusses wurden beschlagnahmt und werden eben einer Prüfung unterzogen. Zu einer Verhaftung schalten und walten konnte, kläglich versagt. Seine Manieren eines Grand- Seigneurs und der Mitglieder des Ausschusses wurde nicht Seine Manieren eines Grand- Seigneurs und die Aufstellung einer Heimwehr - Armee haben geschritten. Am Nachmittag hat der kommunistische Berg das ihrige mit dazu beigetragen, das Debakel arbeiterverband die Streikleitung übernommen. zu beschleunigen.