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Sosialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen ſozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Ifchechoslowakischen Republik.

12 Jahrgang.

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Genosse Jaksch in der Streikdebatte:

Freitag, 15. April 1932

Wir stehen an der Seite der Bergarbeiter!

Gegen die kapitalistischen Versündigungen am Grubenproletariat. Gegen kommunistisch- hakenkreuzlerisches Hazardspiel.

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Prag , 14. April. Die heutige Parlaments-| zeichneten Rede zunächst der Trauer über die] Ich verweise hier auf einige sehr wichtige Konsta jigung brachte eine Erklärung des Innenmini- Opfer des gestrigen Tages Ausdrud, legte dann tierungen, die in diesem Zusammenhange das Or sters über die blutigen Zusammenstöße von Brüg ausführlich dar, wie die Dauerkrise und die Ar- gau der Union der Bergarbeiter der Glückau" und Komotau . Man kennt leider aus zahlreichen beitslosigkeit im nordwestböhmischen Revier den machte. 1930 betrugen die Staatsbahulieferungen borausgegangenen Anlässen ähnlich trauriger Art Grund zu der Verzweiflungsstimmung gelegt aus den Braunkohlenrevieren noch 2,928.000 Tonnen, das Milieu, in dem derartige Erklärungen vor haben, die sich der dortigen Arbeiterschaft bemäch bei Steinkohle 1,578.000 Tonnen. In der Zeit von sich gehen. Kommunistenkrawalle, die sich heute tigt hat, und hob die Schuld des kapitalistischen 1930 bis 1932 hat sich das Verhältnis umgekehr in ziemlich gemäßigter Form abspielten, da faum Systems an diesen Krisenerscheinungen überzen im Jahre 1932 sollten 1,771.000 Tonnen Braun ein Viertel der ganzen Fraktion anwesend war, gend hervor, rechnete dann aber auch mit größ- tohle gegen 2,157.000 Tonnen Steinkohle auf Staats­ein ungewöhnlich starter Stimmaufwand des ter Entschiedenheit und Schärfe mit der maß- bahnlieferungen entfallen. Ich weiß schon, daß Ministers, um sich unbedingt Gehör zu verschaf losen Demagogie der Kommunisten und Haken fen, ein Stimmaufwand, der im umgekehr treuzler ab, die das Elend der Bergarbeiter für ten Verhältnis zur Ueberzeugungskraft der für ihre Parteizwecke ausschroten wollen. die Notwendigkeit des behördlichen Einschreitens borgebrachten Gründe steht.

In der Debatte gab dann Genosse Jaff in einer inhaltlich wie rhetorisch gleich ausge

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auch soziale Momente zu berücksichtigen.

Nr. 90.

Wieder ist Blut geflossen,

wieder sind sinnlos Opfer gefallen, weil dre nordwestböhmische Arbeiterschaft in ihrem be­greiflichen Zornausbruch gegen Bergherren und Behörden sich der Führung gewissenloser Burschen ausgeliefert hat, die nichts Besseres zu tun, wissen, als die Arbeiter und Arbeits­losen vor die Bajonette der Gendarme zu jagen.

Unsere Sympathien sind, wie unser Redner im Parlament versichert hat, wie immer so auch diesmal auf Seiten der Opfer, der Arbeiter, die auf der Bahre oder in den Krankenhäusern liegen, Zeugen ebensosehr des Wahnwißes der kapitalistischen zwischen den einzelnen Revieven ein mörderischer Ordnung wie der Gewissenlosigkeit jener kom­Kampf um den Anteil an den Staatsbahnlieferun munistischen Führer, die zuerst die Arbeiter­gent tobt, an dent auch Arbeiterinteressen beteiligt find. Es ist mir auch bekannt, daß die Staatsbahn. bewegung gespalten und geschwächt haben, Die kommunistischen Zwischenrufer, vor lieferungen auch unter den Steinkohlenrevieren nicht um mun an den traurigen Folgen dieses Pro­allem Herr Gottwald, verstummten bald gerecht aufgeteilt sind. Denn z. B. das Pilsner zesses politisch zu profitieren. Es ist festgestellt Auch heute ging Slavit über die grund­legende Frage, ob denn das Demonstrationsver- flage, zumal Genosse Jalich auch bei den auf daß es zu furz kommt. Es muß aber, soweit die beiter Mittwoch das Opfer eines raffinierten legende Frage, ob denn das Demonstrationsver- unter der Wucht der gegen sie erhobenen An- Steinkohlenrevier beklagt sich mit Recht, worden, daß die Brürer und Komotauer Ar­bot wirklich unumgänglich notwendig war, um noch Aergeres zu verhüten, mit einem Saß hin- merksam zuhörenden deutschen und tschechischen Relation zwischen Braunkohle und Steinkohle be: Betruges geworden sind. Die Behörden hatten in Betracht kommt,- ob zu Recht oder unbegründet, soll unten weg, trotzdem doch gerade der ruhige Verlauf der Genossen in der Abfuhr der kommunistischen den Staatsbahnlieferungen in wohl gesagt werden, daß es untragbar ist, wenn die erörtert werden die Kundgebungen verbo­gestatteten Versammlung in Dux eher das Ge- Schreier wirksame Unterstüßung fand. Scuptlast der Krise auf ein Revier abgewälzt wird, genteil dartut, und von der Anwendung der Starter Beifall belohnte die Versicherung früher angekündigten letzten Warnungssignale des Redners, daß die Sozialdemokratie nach wie wenn das Brür- Durer Gebiet und das Falkenauer ten. Aus Prag aber wurde den Demonstran­Hevier durch Verminderungen der Staatsbahnliefe- ten die telephonische Meldung vor dem Waffengebrauch war in der ganzen Er- vor im Geiste Seligers der Arbeiterschaft im rungen immer mehr in ihren Absatzmöglichkeiten übermittelt, daß die Kundgebun­flärung auch nicht die Rede. Existenzkampf wie in der Abwehr fascistischungen geschädigt werden. Wie aus der Darstellung des gen vom Innenministerium er­bolichewiftischen Abenteureriums unentwegt trent Organs der Union der Bevgarbeiter hervorgeht, laubt seien. Daraufhin zogen die Denton­zur Seite stehen werde. war für 1932 noch eine weiter weitgehende Kürzung ſtranten in die Städte und stießen auf die ces Anteils des Brüger Reviers geplant. Dieser Gendarmerie und Militärfordons. Genosse Jatsch führte u. a. aus: der bürgerlichen Preise vor kurzer Zeit die Manschlag konnte durch Eingreifen der Union der Die Der Lump, der aus sicherem Port die Die ganze Arbeiteröffentlichkeit dieses Landes nehmen des Fürsorgeministers Dr. Czech gerade Bergarbeiter größtenteils abgewehrt werden. steht im Banne der sozialen Tragödie, die sich im im Hinblick darauf angegriffen hat, daß er verhängnisvolle Entwicklung im Brürer Revier ist telephonische Falschmeldung weitergab, über Rohlenrevier Nordwestböhmens abspielt. Unser angeblich für den Brüyer Bezirk zuviel getan eine Mahnung an die entscheidenden Faktoren in deren wahrscheinliche blutige Folgen er sich erstes Wort von dieser Tribüne gilt den Opfern hat. Da können wir wohl sagen, daß das Bürgertum diesem Staate, fünftighin bei Staatslieferungen klar sein mußte, hat sich nicht gestellt, und als der gestrigen Zusammenstöße im Brüger Revier. mit Blindheit geschlagen ist, wenn es nicht nationale Momente oder ausschließlich lauf- gestern unser Genosse Jafich die trawallie­Mit wil dem Schmerz haben wir die nach den letzten Vorgängen den Ernst der Dinge männische Gründe, sondern im ausgiebigen Mage renden Kommunazi in offener Barlaments­sigung aufforderte, doch den Herrn zu nennen, Kunde von diesem neuen Blutvergießen ver- nicht sehen will. Die Schuld der Bergherrn. der die Arbeiter vor die Bajonette dirigiert nommen. Mögen wir die Situation, aus der sich diese traurigen Vorgänge ergeben, wie immer be Zur Verschärfung der Lage in Nordwestböhmen hatte, da verstummten die vorher so groß­urteilen, unsere Sympathie, aber auch unsere haben zweifellos die Bergherren mit ihrer Politik mäuligen Hasardeure mit einem Schlag. War Trauer ist auf der Seite der gefallenen Opfer. weitgehend beigetragen. Man muß sich vergegen es schon gewissenlos, einen Streit zu entfej­Ihren Angehörigen gilt unser tiefstes Beileid. Auf der Suche nach angeblichen Mißbräuchen über wärtigen, wie die Situation war. Nach dem fchreck feln, bevor man noch wußte, wofür man strei­überlichen Flammenzeichen der Massennot. fehen die Gegner der Arbeitslosenunterstützung das Lichen Grubemunglück im Kohinoor- Schacht in Bruch ten wollte die Forderungen sind ja erst Die traurigen Vorgänge im Kohlenrevier Nord erschütternde Massendrama derer, die täglich mit waren die Bergarbeiter des ganzen Revier zu tiefst nach Streikbeginn aufgestellt worden! westböhmens fallen, wenn wir sie aus einer höheren Not und Verzweiflung, ia mit Selbstmordgedanken erregt. Jeder einzelne Bergmann hat die Tragödie feiner Kameraden im brennenden Schacht mitemp es gewissenlos, den Streik durch Terror wei­Perspektive betrachten, auf das Schuldkonto des ringen müssen, weil sie von 20 K pro Woche nich: funden. In diese Stimmung hinein fam die Kündi terzuführen, als die übrigen Reviere und in tapitalistischen Systems. Sie sind ein Flammenleben können. Das Arbeitslosenproblem in diejent zeichen der unerhörten Strifennot, welche unsere Staate wäre leichter zu lösen, wenn man einmai gung der Bergarbeiterschaft des Humboldt- Schachtes, ihnen vor allem die kommunistischen industriellen Randgebiete heimgesucht hat. 14 Tage lang einen Rollentausch durchführen und zweifellos hat diese Kündigung dann beigetra Gewerkschaftler selbst, die Teilnahme ablehn Abg. Gottwald( Kommunist) ruft: hr seid tönnte zwischen denen, die heute den Fluch der Argen, die Erbitterung der Bergleute zu steigern. Ich ten, so bedeutet doch der wissentlich und metho= beitslosigkeit leiden, und zwischen den anderen, die muß hier feststellen, daß diese Kündigung unge disch herbeigeführte Zusammenstoß mit der be­fetzlich war, denn zuerst hätte das Unternehmen waffneten Macht ein uns ühnbares Ver­Genoffe Jatsch( fortfahrend): Wenn Sie von sich über die Höhe der Arbeitslosenunterstützungen die Bewilligung der Bergbehörden zur Einstellung brechen an den Arbeitern. Streitbrechern reden, Herr Gottwald, so beschimpfen aufregen. Die Brüger Ereignisse haben den be dieses Schachtes einholen müssen, und dann erst Sie damit die kommunistischen Bergarbeiter von quemen Standpunkt über den Haufen geworfen, wäre es berechtigt gewesen, die Kündigungen aus­Kladno und Ostrau, die nicht mitstreifen wollen! daß man der steigenden Arbeitslosigkeit mit ver Der Ernst der Lage, in der wir uns heute schärfter Stontrolle der Unterstützungen begegnen sprechen. Daß dieser Vorgang unter so merkwürdi heute schärfter Stontrolle der Unterstützungen begegnen gen Umständen bei gleichzeitiger Abreise des verant volkswirtschaftlich und sozial befinden, manifestier: fönnte. Abg. Gottwald: Wer hat den Kontrollerlab hat in der Arbeiterschaft des Reviers das Gefül Wer hat den Kontrollerlaß wortlichen Direktors in das Ausland erfolgt ist, sich in dem Gebiet zwischen Aussig und Komotan ent flarsten. Bis zur Deflationskrise war das nord- herausgegeben, doch Dr. Czech!" Genosse Abg. Müller: Herr Gottwald weiß testböhmische Stohlen und Industriegebiet eine blühende Wirtschaftsproving. Seither datiert der nicht, was vorgeht!" Verfall der Glasindustrie, das Einschrumpfen des Genosse Jatsch: Ja, sie haben keine Ahnung, Kohlenbergbaues. Man muß, um die Dinge zu per- sie verwechseln nur den Fürsorgeminister mit dem stehen, wissen, daß die Bergarbeiter, die da in Bewe Innenminister. Diese letzten Vorgänge int Streif­gung sind, feit 10 Jahren unter der Geißel des gebiet, dieses Ucbergreifen der Streifbewegung aus Kurzarbeit leiden und immer das Tamoflesichwert auf die Massen der Arbeitslosen ist eine Magnung der Entlassung über sich schweben haben. Die arbei- ci alle ernsten Faktoren in diesem Staate, an die tenden Menschen Nordwestböhmens sind Opfer nicht gejante Oeffentlichkeit, daß die Lösung des Arbeits­nur dieser Krise, sie sind Opfer einer Dauer lojenproblems nicht nur eine Angelegenheit der jo frise, die ihnen durch mehr als ein Jahrzehn: ialdemokratischen Parteien ist, sondern eine Frage auf Tod und Leben für die ganze menschliche Gesell­unerhörte Zeiden aufgebürdet hat. ichaft.

Streitbrecher"!

Diese legten Schießereien sind die grauenvolle Begleitmusik zu den Behauptungen eines Teiles der bürgerlichen Presse, der dem Fürsorgemini­ster vorwirft, er betreibe Geldverschwendung für die Arbeitslosen.

verstärkt,

daß die Unternehmer nur das Bestreben haben in den Konjunkturjahren die Gewinne einzu Leimsen, und in den Krisenjahren die Lasten

auf die Arbeiter abzubürden. Wir sind nicht so naiv, von den Bergherren soziales Verständnis zu erwarten. Aber wir machen doch dar­auf aufmerksam, daß es ein verhängnisvoller Jrr tum ist, wenn diese Herren glauben, auch eine fapi­talistische Produktionsweise könne ganz ohne Rück­ficht auf die Arbeiter betrieben werden.

war

Daß wir dieses Verbrechen anprangern, obwohl es heute wahrhaftig bequemer wäre, in den hakenkreuzlerisch- moskowitischen Chor gend, das Hasardieren mit Arbeiterleben und einzustimmen, daß wir unserem Gewissen fol­Arbeitereristenzen auch dann ablehnen, wenn ein Teil der Arbeiterschaft diese unsere Hal­tung nicht verstehen will, das bedeutet natür­lich nicht, daß wir den Behörden das Zeug­nis forrekten Vorgehens ausstellen würden. Die Zusammenstöße in Brüg und Komotaut wären uns wahrscheinlich erspart geblieben, wenn das Ministerium und die lokalen Behörden nicht mit Verboten vorgegangen wären. Unlängst haben in Brüy an 20.000 Arbeiter in voller Ruhe demon­striert; da keine Gendarme zu sehen waren, Die Vorgänge im Streitgebiet müssen aber gab es keinerlei Reibung. Mittwoch haben in auch beurteilt werden im Zusammenhang mit Die Mitschuld der Bergbehörden Dug Tausende Bergarbeiter demonstriert, der dort herrschenden Massenarbeitslosigkeit. Es muß festgesteat werden, daß die Hauptrolle beim Ein Wort ist auch hier am Playe über die ohne daß irgendwemt ein Haar gekrümmt wor­Streit und bei den anschließenden Kundgebungen Die Brürer Bewegung hängt auch zusammen Rolle der Bergbehörden. Sie haben durch ihre Pas- den wäre. In Brüg und Komotau wäre es sum großen Teil verzweifelte Menschen mit der Lage in Kohlenbergbau, mit der Lage der fivität den Stand der Dinge zweifellos verschlim nicht anders gekommen, hätten einander nicht spieleit, die der Kapitalismus schon seit Jahren Bergarbeiterschaft. An den Bergarbeitern ift durd) mert. Als Exponenten des Staates sollte ihnen das wie so oft die kommunistische Provokation sunt streiken zwingt Daß es sich bei manchen Bordie Wirtschaftspolitik dieses Staates schwer gejür- Schicksal der Bergarbeiter mindestens ebenso am und der behördliche Starrsinn in die Hände gängen der legten Zeit dort um einen Verzweis, digt worden. Nationalistische Wirtschafts- und Han Herzen liegen, wie die Interessen der Bergbau gearbeitet. Das System unserer poli­lungsausbruch der Arbeitslosen handelt, beweisen delspolitik haben in den ersten Nachkriegsjahren die unternehmer. Die Erfahrungen, die in der letzten fischen Verwaltung hat sich neuerlich die Ziffern der Arbeitslosenstatistik. Zwischen 23.000 Streifende gegenüber. Daraus ergibt jich repiere geradezu davon gegrügelt. schlüssig der Beweis, daß im Hintergrund der nord­westböhmischen Vorgänge das ungelöste Ar­beitslosen problem steht. Es muß in diesem Zusammenhang angeprangert werden, daß ein Teil

Die Sünden gegen die Berg­arbeiter.

im

Je weniger Menschen dieses System beschäftigen, nähren und leiden kann, desto früher wird es zur Hölle fahren!

Komotan und Aussig stehen rund 50.000 Arbeitslojen beften Auslandsabnehmer unserer Braunfohlen Zeit bei den Bergbehörden gemacht wurden, find

Verschärfend auf die Lage im Braunfohlenrevier hat zweifellos der Protektionismus bei der Ver­gabe der staatlichen Kohlenlieferungen mitge

wirkt.

wohl ein Anlay mehr, ihre durchgreifende Reorga­rifierung zu fordern. Es genügt nicht, einen arbei­terfeindlichen Beamten, wie den Rat Heil, davon su jagen, es ist notwendig, an Stelle derer, die in ( Fortjekung auf Seite 2)

als unfähig erwiesen, wirklich zu berwalten. Es kann verbieten, es kann schie­Ben lassen und die Bevölkerung in erbitterte Wut versehen verwalten, ausgleichen, ord­nen kann es nicht. Die vielen traurigen Vor­

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