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Sozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen ſozialdemokratiſchen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

12. Jahrgang.

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Mittwoch, 27. April 1932

Nr. 100.

Ein Telephongeſpräch mit Stimson Rücktrittsgesuch der preußischen Regierung Nach der Schlacht.

beruft Tardieu wieder nach Genj. Paris , 26. April. Ministerpräsident Iar­soll am 24. Mai dem Landtag mitgeteilt werden. dieu wird Donnerstag abends nach einer Wahl- Berlin , 26. April. Der amtliche preußische| Das Schicksal dieses Antrages erscheint jedoch rede in seinem Wahlkreis sofort wieder nach Pressedienst teilt mit: schon jetzt nicht zweifelhaft, da außer den Antrag Genf abreisen. Die Entscheidung über diese Das preußische Staatsministerium hat heute stellern feine einzige Fraktion ein Interesse an Genfer Reise erfolgte heute nach einer telepho auf Grund des Art. 17 der preußischen Ver- der Auflösung des Reichstages im Aeltestenrat nischen Unterredung des Ministerpräsidenten faffung beschlossen, den neuen Landtag zum bekundet hat und nach Auffassung weiter parla­Tardieu mit dem Staatssekretär Stimson , der 24. Mai d. J. einzuberufen und ihm als ver- mentarischer Kreise auch tatsächlich nicht besitzt. bor feiner Abreise noch eine Begegnung mit dem fassungsmäßige Folge aus dem Ausfall Man rechnet deshalb damit, daß dieser Antrag Vorsitzenden der französischen Regierung wünschte. der Wahlen seinen Rücktritt in seiner Gesamtheit mit großer Mehrheit abgelehnt wird. Außerdem wird Tardieu in Genf Unter mitzuteilen. redungen mit dem britischen Premierminister Bis zur Neuwahl des Minister­Macdonald und dem Reichskanzler Brftpräsidenten und der Uebernahme der Ge ning haben, die ihren Aufenthalt in Genf gleich falls verlängerten.

Benes bei Brüning und Stimson . Genj, 26. April. Außenminister Dr. Benes hatte mit Reichskanzler Dr. Brüning eine Unterredung, wobei die beiden Staatsmänner ihre Ansichten über die Fragen bei der Ab rüstungskonferenz und die wirtschaftlichen und politischen Probleme, die mit der Londoner und der Lausanner Konferenz zusammenhängen, aus tauschten. Morgen vormittags wird Außenmini ster Dr. Beneš mit dem amerikanischen Staats­sekretär für Aeußeres Stimson cine Unter­redung haben.

Lausanner Reparationskonferenz am 16. Juni.

Berlin , 26. April. Das Conti- Büro meldet: Auf Grund des Beschlusses der sechs Mächte Deutschland , England, Frankreich , Italien , Bel­ gien und Japan hat gestern der britische Botschafter in Berlin eine Note über reicht, in der angefragt wird, ob die deutsche Regierung damit einverstanden ist, daß die Lan­janner Reparationskonferenz am 16. Juni be­ginnt. Eine gleichlautende Note haben die eng lischen diplomatischen Vertreter in Paris , Rom , Brüssel und Tokio überreicht. In Berliner poli tischen Kreisen hält man es für sicher, daß sich die deutsche Regierung mit diesem Ter min einverstanden erklären wird.

Mitteleuropäische Annäherung

schäfte und einer neuen Regierung ist das Staats­ministerium auf Grund des Art. 59 der Ver­faffung verpflichtet, im Amte zu bleiben. Eine frühere Einberujung des Landtags als zum 24. Mai iſt aus technischen Gründen unmöglich. Auch eine Auflösung des jetzigen Landtags tönnte den Termin nicht verfrühen, denn der Landtag kann nicht cher zusammentreten, bis ein den Bestimmungen des Landeswahlgefezes entsprechendes endgültiges amtliches Wahlergebnis zusammen mit den Annahmeerklärungen der einzelnen gewählten Abgeordneten vorliegt.

Eine Klärung der politischen Situation in Preußen erwartet man erst in einigen Wochen, da das Zentrum wahrscheinlich einen definitiven Beschluß über eine eventuelle Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten nicht vor dem Parteilongres im Mai faffen wird. Das genaue Datum des Zentrumiongreffes ist jedoch

noch nicht bekannt.

Die Koalitionsbereitschaft der Nationalsozialisten.

"

Eine unmittelbare Wirkung der sonntägi gen Wahlen im Sinne einer Machtergreifung des Fascismus wird nicht eintreten, aber es wäre verfehlt, die Gefahren zu verkennen, die aus den Wahlergebnissen resultieren. In Preußen, gegen das sich der stärkste Ansturm richtete, da der Nationalsozialismus von hier aus seinen entscheidenden Siegeszug über das ganze Reich anzutreten hoffte, wird nach der Zerschlagung der bisherigen Mehrheit wohl Ruhige Beurteilung in England. auch keine Mehrheit der Rechten gebildet wer­bei Besprechung der preußischen Wahlen, daß Mini Regierung darum längere Zeit sich am Ruder London , 26. April. Daily Herald" betont den können, aber fraglich ist, ob die heutige terpräsident Braun und seine Minister einen wird halten können, da die Möglichkeit gegeben großartigen Kampf für die Demoist, sie durch ein gemeinsames Votum der tratie gefochten hätten. Ihre Verluste seien viel­leicht unvermeidlich gewesen in einer chaotischen nationalen Opposition und der Kommunisten Zeit, wo Extremisten aller Art es leicht haben, bei zu beseitigen. Da die Kommunisten sich noch immer bemüht haben, dem Fascismus Helfers­großen Teiten der Bevölkerung Gehör zu finden. Der fonservative Daily Telegra f" weist dienste zu leisten, so steht die preußische Regie­darauf hin, daß auf jeden Fall für den Augenblick rung auf unsicheren Füßen. Zudem ist es nicht eine ernste Störung der internatio- ausgeschlossen, daß wenn die Nationalsozia­nalen 2age vermieden worden sei. listen einiges Wasser in ihren Wein gießen, Die rechtsfonservative Morning Post" ist das klerikale Zentrum, das auf dem Boden der Ansicht, Hitler dürfe das Ruder in Preußen der Verfassung jetzt schon seine Koalitions­nur unter Bedingungen erhalten, die ihn verbereitschaft mit jedweder Partei zu beteuern hältnismäßig unschädlich machen würden. sich bemüht, sich zu einer Regierungsgemein­Times" stellt fest, daß der dritte Angriffschaft mit den nationalistischen Parteien bereit auf die deutsche Republik zum dritten Male finden wird. Das Bedenklichste der durch die abgeschlagen worden sei, daß aber Sitler dem Wahlen gegebenen Situation aber ist die Tat­Erfolg so nahe gekommen sei, daß man mit seinem sache, daß in Preußen, dem größten Staate Einfluß noch ernſter als bisher rechnen müsse. Bet Deutschlands , nahezu acht Millionen Stim­der allgemeinen Aufregung über den Erfolg Hitlers men für die Hitlerpartei abgegeben wurden, wäre es falsch, die hartnäckige Abwehr zu vergessen, daß diese zusammen mit den allerdings start die der jetzige preußische Ministerpräsident Otto Braun

geleistet habe. Tatsächlich fönne das Er zusammengeschmolzenen Deutschnationalen fast gebnis der Abstimmung als eine uldigung zweihundert Size im preußischen Landtag zu an ihn und einen Innenminister besetzen vermochten und daß die Kommunisten Auf den Gebiet zwischen Links und Rechts der entscheidende evering bezeichnet werden. Faktor geworden sind.

München , 26. April. Im Völfischen Beob achter" erklärt der Vorsitzende der preußischen Landtagsfraktion Dr. Stube, daß die NSAP be reit sei, in Preußen die Regierung zu übernehmen der Außenpolttit habe es zwischen dem Ziel Dr. und mit jedem zusammenarbeiten, der in Breu- Brünings und dem Hitlers niemals einen großen zen ein nationales, mit sozialpolitischen Fort- Unterschied gegeben. Die Zentrumspartei schritten verbundenes Programm durchzuführen. halte den Schlüssel der Lage in der Hand. Seine Tie NDSAP beanspruchten die Führung bei icbige Erklärung zeuge dieser Aufgabe. Von der bisherigen preußischen Gift In die en Worten fönne man vielleicht das Regierung müsse verlangt werden, daß sie sich Echo der Stimme Dr. Brünings erkennen..

von staatsmännnischem

Gewiß: Wahlen des Unsinns, Wahlen, die sowohl in Deutschland wie in Oesterreich nicht als ein normales Ergebnis der politischen Ge­sinnung der Bevölkerung zu werfen sind, son­dern als Ausbruch angesammelter Verzweif­

ſche tert vorläufig an einem Brief. dent Urteil des Volkes beuge und sofort ihren Widerspruchsvolle franzöfifche Preffe. lung und gehäuften Zornes! Doch eben darum

Genf , 26. April. Mehr unter den Journa- Playz räume. Der Nachfolger Brauns müsse ein listen als unter den politischen Faktoren wird in Nationalsozialist sein, den Hitler bestimmen Genf dauernd viel über Verhandlungen betref werde. fend die Frage der mitteleuropäischen Annähe­rung gesprochen.

Die einzige Angelegenheit über die tatsächlich fonfret verhandelt wird, ist jedoch die, ob Mac­Donald als Vorsitzender der Londoner Vier

KPD. w'll Hitlerregierung

in Preußen verhindern.

müßten diese Wahlen für das Ausland und Paris , 26. April. Journal" vertritt die für jene Mächte, welche bisher zur Einsicht Ansicht, das Ergebnis der Wahlen von Sonntag jei der Notwendigkeit einer großherzigen Aktion als die Bekundung der Unzufriedenheit gegen würgende Wirtschaftsnot und nationale eines leidenden Boites auszulegen. Die Not gegenüber Deutschland und Desterreich Schwierigkeiten Deutschlands seien keine Legende.

Das deutsche Volk täusche fich aber, wenn es glaube, nicht zu haben waren, eine wichtige Lehre sein, Berlin , 26. April. In gutunterrichteten, daß die Friedensverträge und die Republik die ein Warnungssignal, das zu beachten vielleicht mächtefonferenz sich nicht an die mitteleuropäi fommunistischen Kreisen des preußischen Parla- wahren Ursachen der Drangiale seien. Das der allerletzte Augenblick gekommen ist. schen Staaten wenden sollte, daß sie sich selbit ments wird erklärt, das die KPD mit allen deutsche Uebel sei ein internes; es trage den Ohne die in der schweren allgemeinen über die ganze Angelegenheit äußern. Dieser Witteln versuchen werde, eine Regie- Namen: Organisierte Unordnung". Krise der Weltwirtschaft liegenden Ursachen Gedante ist aufgetaucht, um auf diese Weise dierung der Nationalfozialisten Volonté" betont, Deutschland zufrieden zu für die schwere geistige und politische Verwir­Frage von Verhandlungen über Mitteleuropa in Preußen zu verhindern. Das bedeutet stellen, bedente nicht, daß Frankreich Deutschland wieder in Gang zu bringen. Kaum aber war unter anderem, daß die Kommunisten es elles, was diejes fordere, zugestehe, sondern, das rung großer Massen übersehen zu wollen, find dies geschehen, erfolgte sofort ein Streit ablehnen werden, für die Wiederbesei man mit Berlin verhandle und, bevor es zu spät es doch in hervorragendem Maße die Sünden über den Wortlaut eines Schreibens, tigung der neuen Bestimmung der Geschäfts- iet, einen modus vivendi finden müsse, dessen und Verbrechen, die Imperialismus, Rach­über deffen Tert sich die Großmächte, heute nicht ordnung zu stimmen, wonach auch die Neu- Grundlage nicht die von Versailles sucht, Sturzsichtigkeit und Konkurrenzneid des einigen fönnen. Die Meinungsverschiedenheit mahl des Ministerpräsidenten nur fein fönnte. tapitalistischen und militaristischen Auslandes bleibt die gleiche wie in London , und zwar ob mit abjointer Mehrheit erfolgen kann. Republique" warnt cabor, den großen an Deutschland verübten, welche einen so gro­dem Schreiben von Präferenzen ge- Allerdings kündigen die Kommunisten an, daß Stimmengewinn der Nationalsozialisten auf die ßen Teil des deutschen Volkes in das Lager prochen werden und welchen Staaten die Auf- fie gewisse Bedingungen stellen werden, die leichte Achie! zu nehmen, mehr denn je sei es not- des politischen Abenteurertums getrieben forterung zugehen soll. jie wahrscheinlich in Form von Anträgen dem wendig, entschlossen jene attive Friedens haben, daß dieses heute nicht nur eine ernste nenen Landtag vorlegen werden. politik zu betreiben, die die radikale Partei stets Gefahr für das eigene Volt, sondern für ganz gefordert habe. Europa geworden ist. Deutschland wie Oester­Ere Nouvelle" schreibt, in Deutschland reich sind auf den Tod krank. Beide Länder Berlin , 26. April. Der Aeltestenrat des möge man wissen, daß Frankreich in hohem Loudon, 26. April. ( Reuter.) Auf eine An- Reichstages beschloß gemäß dem Vorschlage der Maße versöhnungsbereit und zur Zusam gleichen heute aufgehäuften Bergen verzwei­frage an den Handelsminister Runciman im Regierung, den Reichstag für den 9. Mai zu menarbeit geneigt sei, daß es aber weder Dro- felter, verbitterter, unzufriedener und Unterhause, ob es für die Interessent Groß einer kurzen Beratung einzuberufen, in der die hungen noch Provokationen nachgebe. täuschter Menschen. Viele Millionen gibt es, britanniens nützlich wäre, den Handelsvertrag erste Lesung des Etats erledigt werden soll. ' Ordre" behauptet, die. Debatte über die dent blanken Nichts gegenüberstehen, ohne mit Rußland zu annullieren, antwortete diejer, Die wichtigste Entscheidung, die der Reichs 5 rift ung und andere. Fragen habe gegenwärtig jede Hoffnung, daß es, ehe sie materiell und daß die Regierung sich gerade jest mit diejer tag in seiner Tagung in der Pfingstwoche fällen teine Daseinsberechtigung mehr. Der leiblich völlig zugrunde gehen, besser werden Frage int Hinblick auf die große Einfuhr russischer wird, ist die über den Antrag der National- Lärm der Abstimmung in Preußen müsse auch in fönnte. Keine der internationalen Konferen­Erzeugnisse nach England und die kleinen Auf- sozialisten auf Reichstagsauflösung. Genf gehört werden. träge Rußlands in England befaffe.

England tündigt den russischen

Handelsvertrag?

Reichstag einberufen.

Die Chriftlichsozialen flammern fich Arbeitslosenunruhen in Polen . an die Rockschöße der Habsburger ! Warschau , 26. April. In dem Fabriksstädt­chen Zyrardow kam es zu stürmischen Arbeits- Wien, 26. April. In Innsbruck fand gestern lofenunruhen. Zirka zweitausend Arbeitslose und vorgestern ein außerordentlicher Partei­bersammelten sich vor dem Magistratsgebäude tag der Tiroler Boltspartei( chriftlich­und versuchten in dasselbe einzudringen und die sozial) stati. Nach einem Referat, des Landes­Einrichtung zu demolieren. Die Polizei ging mit hauptmann- Stellvertreters Dr. Tragfeil wurde blanker Waffe gegen die Demonstranten vor, dem Parteitag cine Resolution vorgelegt, welche webei 26 Arbeitslose verlegt wurden. Dreißig die Aufhebung der Habsburgerge Demonstranten wurden verhaftet.

ent=

zen, die von Zeit zu Zeit irgendwo zusammen­treten, um, sei es über die Frage der Ab­mögen verlangt. Die Resolution wurde einrüstung oder der Wirtschaftsbelebung zu bera­stimmig angenommen.

Desterreichische Nationalsozialisten

fordern Barlamentswahlen. Wien , 26. April. Der Gauleiter der öster reichischen Nationalsozialisten erklärte, die Partei werde jetzt die fofortige Auflösung des National rates fordern, in dem sie nicht vertreten ist, und seze betreffend das sogenannte gebundene Ver- die Ausschreibung von Neuwahlen verlangen.

ten, hat bisher ein greifbares Resultat gezei­tigt, nur nichtssagende Resolutionen hervorge­bracht, wenn sie nicht gänzlich ergebnislos ab­geschlossen wurde. Muß das Volk, das seine Lebensgrundlagen immer mehr schwinden sieht und von dem große Teile auf den fargen Bettel der Arbeitslosen- oder Fürsorgeunter­stützung angewiesen sind, nicht zu dem Glan­ben kommen, daß man es in seiner Not ver­