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Mittwoch, 18. Jmfi 1932
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Hitlers und es kann keinem Zwerfel unterliegen, daß Hitler in diesem neuen Reichskabinett der heimliche Kanzler ist. Wie eng verbunden sich die Nazis mit dieser Regierung der Monokel fühlen, kam in der unverhohlenen Freude, mit der sie ihre Einsetzung begrüßten, deutlich zum Ausdruck und die Regierung hat sich auch beeilt, Hitler den D a n k fürdas ihr entgegen gebrachte Wohlwollen durch die Zusicherung der Rückgängigmachung des Verbot der nationalsozialistischen Privatarmee abzustatten, damit Hitler im Wahlkampf feine Terrortruppen nicht zu entbehren brauche. Doch auch positiv hat sich die Hitler -Partei für die Papen- Gesellschaft eingesetzt. Als die Regierung als ihre erste Tat die Auflösung des Reichstages setzte, war Hitler durchaus damit einverstanden. Wäre die Regierung vor den Reichstag getreten, so hätte dies unfehlbar ihren Sturz zur Folge gehabt, doch die Nazis haben es geduldet und gefördert, daß die Regierung dem Reichstag durch seine Auflösung ausweiche, sie haben ihren Sturz verhindert und ihre Festsetzung für einige Monate möglich gemacht. In der Tatsache der Existenz dieser Regierung der Fürsten und Kapitalisten kommt das Bündnis zwischen Hakenkreuz und Freiherrnkrone zum Ausdruck, die erste Notverordnung dieser Regierung aber gibt einen Vorgeschmack von Hitlers Drittem Reich, denn nur die tollste Verblendung kann noch daran zweifeln, daß Hitler ebenso wie dies« Baronsregierung nur eines zum Ziele hat: die Vernichtung der Demokratie, die Wiederherstellung des alten
Untertanenstaates, die Knechtung und Wehr- losmachung der Arbeiterklasse, ihre Auslieferung an die gewissenlose Profltgier der Unternehmer. So hat denn die Baronsregierung ihre Arbeit zur Hebung der„moralischen Kräfte der Nation" durch Zerstörung der Arbeitslosenversicherung und Verelendung der Arbeitslosen begonnen. Daß der Staat die Krisenopfer nicht verhungern ließ, das hat nach Auffassung dieser famosen und von den Nazis tolerierten Regierung die moralischen Kräfte der Nation geschwächt. Nicht geschwächt wurden die moralischen Kräfte dadurch, daß der Staat seit je eine Wohlfahrtsan- stalt für die reichen Leute gewesen ist, denen er mit Stützungsaktionen urch Subventionen immer hat helfen müssen und deren Schmarotzertum am Staate auch jetzt noch durchaus kein Ende finden soll. Die Fürsorge für die wirklich Notleidenden aber, das war das„System", das die augenblicklich herrschende Adelsklique untergraben will und gegen das auch die mit den Geldern der Schwerindustrie und der Großgrundbesitzer ausgehaltene Hitlerbewegung anstürmte. Langsam aber sicher werden nun die in der Gefolgschaft des Hitlerfascismus stehenden Proleten erkennen, wohin der Weg führen soll. Es steht zu erwarten, daß der von den Hitler -Baronen über die Millionen Arbeitslosen verhängt« verstärkte Hunger wirklich eine Hebung der„moralischen Kräfte der Nation" bewirken wird, allerdings in einem anderen Sinne, das heißt, daß die Abwehrkräfte gegen die Fascistcngarde des Großkapitals eilte Stärkung erfahren werden.
Murawfli hat Damenbesuch und ist hier jetzt nicht zu erwarten. Ich will dem Expedienten eine verspätete Order geben. Wahrscheinlich ist er im Packraum. Im Packraum ist es wundervoll still. Das Fenster steht offen. Der Tag geht zur Neige. Ich schaue hinaus, wie eine Gefangene aus dem Kerker. Der Wind trifft mern Gesicht. Ich atme tief urtd sehne mich fort. Als ich zurucktrete vom Fenster, höre ich nebenan Stimmen. Der Expedient tuschelt mit dem Buchhalter Maschke. „Die Jungen erzählen mir, daß si« Blutspuren auf der Trevve gesehen haben." ,M!enn schon. Wich er wieder ein bißchen gebissen haben! Was der schon groß beißen kann mit seinen falschen Zähnen. Wetten übrigens, daß sie zurückkommt, wetten, daß sie in einem Vierteljahr wieder hier sitzt? Und dann hat er sie. Darauf können Sre sich verlassen. Solch« Mädchen nimmt er mit Wonne zurück. Die kratzen ihm nicht mehr die Bisage kaputt. Drei Monate Stellensuche ohne Erfolg, das macht kirve." „Aber warum soll sie nicht inzwischen etwas finden?" «„Weil sic nichts gelernt hat. Di« Mavjell hat nicht einmal einenHandrlSschulkursus durch, gemacht. Keine Ahnung vom Stenographieren. Schreibmaschine tippt sie mit einem Finger. Bei uns hat sie ein bißchen gebucht, rein mechanisch, ohne jedes Verständnis. Das ist ja das Elend: diese Mädchen sind zum Teil so ungenügend vorgebildet, daß sie jeder Willkür ausgeliefert sind. Dies war ihre erste Stelle. Ein Zeugnis hat si« nicht. Bitt«, wer stellt so ei» Madel ein und wieviel Gehalt kann sie beanspruchen? Bei ans hat si« hündertfünszig Mark gekriegt, weil sie siebzehn Jahre alt ist, verstehen Si« und blond obendrein. Auf die Blonden ist er ja ganz versessen. Suchen Sic sich mal in einer anständigen Firma«in Mädel von siebzehn Jahren, das kei
nen Schimmer hat von der Arbeit und hundertfünfzig Mark verdient! Ich kenne bilanzsichere Buchhalterinnen, die das nicht haben." ,^Ja, aber di« Eltern, hat denn das Kind keine Eltern mehr?" ,Mater nicht, nie gehabt. Di« Mutter macht Wachsblumen und kriegt für jedes fertige Exemplar zwei Pfennig. Rechnen Si« sich mol aus, was die im Höchstfälle pro Tag verdienen kann! Und dann stellen Sie sich vor, was di« fünfhundert Mark ausgemacht haben müssen, die chr der Alte wegen des Mädchens auf den Hals geschickt hat. Ach du lieber Gott, wenn man da eine Anzeige erwarten wollt«! Die ist imstande und schreibt noch eine Danksagung." „Herr Maschke, das sind ja Abgründe, in die man hineinschaut!" „Sind's auch. Sehen Si« sich doch die Weiber mal an, die hier herumlaufen. Alles arme verkommen« Luder. Da ist nun diese Suhl . Di« Suhl war schon zweimal weg und ist hmte in ewiger Angst, er könnte sie vausschmeißen. Sie bat ein« Mutter von siebzig Jahren und einen Jungen, der unbedingt aus die hohe Schul« muß. Der Mann ist lange tot. Richtig was gelernt hat sie auch nicht und ist heute zweiunddreißig Jahre alt. Wo will die eine neue Stelle herkriegen mit hundertachtzig Mark und«in paar Gclcgenheitslappen nebenbri? Die läßt sich von ihm ins Bett nehmen und st«ckt nachher stillschweigend die zehn Diark ein oder den Fußtritt je nachdem, wie er gelaunt ist. Die Beckmann hat einen sauberen Bräutigam, der die Situation verdammt schnell ersaßt hat. WaS da so für Geld hinwandert, davon mdcht sich ja kein Mensch einen Begriff. Di« Beckmann wav früher Prostituierte und hat den Bogen rauS. Ohne die kann er heut« gar nicht mehr leben. Unten im Laden di« Kassiererin ist auch nicht gerade billig. Kam vierzehnjährig als Lernende zu ihm in de Dunkelkammer. Gottsetzung folgt.)
Kleine Entente-Manöver- zwei Spfer! Absturz einer tschechoslowakischen Militärsingzeuges in- kattaro! Sin Toter, ein Schwerverletzter!
Dar Tschechisch« Preßbürv verbreitet folgende Meldung bes Ministeriums für national« Verteidigung: Prag , 14. Juul.(TRO.) Bei Scharf, schießübungrn gegen Flugzeug, in Kmnbor i« der Lucht vo« Cattaro i« Jugo slawien havarierte am 13. Juni daS tschechoslowakische Militärflugzeug A 29—8, dessen Besatzung der Pilot Rottmeister Karl Slezaöek und ZugSführer Adolf DuZek, beide vom Fliegerregiment Nr. 3, bildeten. Einem Telegramm zufolge, das das Ministerium für Nationalverteidigung erhalten hatte, begann das Flugzeug bei geradlinigem Flug« in etwa hundert Meter Höh« kurz vor der Landung plötzlich zu schwanken und stürzte ab. Rottmeister Slezakek ist tot, ZugSführer DuSek erlitt inner« Verletzungen. Die Ursache wird untersucht. DaS Ministerium für Nationalverteidigung ersuchte telegraphisch um einen näheren Bericht über das Unglück und sein« Ursachen. Der Pilot Rottmeister Slezaöek stammt aus LiboS bei Sternberg, wo« im Jahr« 1902 geboren wurde, ZugSführer Duiek stammt aus Kajlovee bei Troppau
(geboren 1907). Beide diente« als lSngttdienrud« Unteroffizier« in Piitany. * Es hätte keinen Sinn, wenn wir unsere ganze Meinung über diesen ,Zwischenfall" sagten, denn sie käme ja doch nicht an den Leser, sondern nur bis zum Zensor, der gewiß verhin- der« würde, daß unsere Ansicht über die praktische Abrüstung, wie sie durch die jugoslawisch-tschecho- flowakischcn Manöver so Prächtig illustriert wird, im Druck erscheine— aber es denken sich zweifellos alle tschechoslowakischen Staatsbürger, so weit sie nicht hoffnungslose Militaristen und dementsprechende„Patrioten" sind, dasselbe angesichts dieser Scharfschießübungen und ihrer Verlustliste. Nämlich ungefähr, daß die Ausdehnung der ohnehin schon längst nicht mehr erträglichen tschechoslowakischen Militärflieger-Katastrophen nun auch noch auf jugoflawischen Boden in fabelhafter Weise die Bevölkerung über di« absolute FriedenS- gesinnung, Friedensstimmung und Abrüstungsbegeisterung beruhigen wird. Glaubt das Ministerium für nationale Verteidigung wirklich, daß es genügt, der Oeffent- lichkeit einfach die Toten zu melden? Ist es ihr gar keine andere Aufklärung schuldig? Der Oeffentlichkcit, meinen wir, auch über die Landesgrenzen hinaus? j
eine Pflicht des Landes.
Ich möchte nur auf di« Betrieb« von Rothau und Neudek verweisen, die verlegt worden sind, so daß heute in dem betreffenden Gebiet das allergrößte Elend und verzweifelt« Not herrscht. Und fv ist«S auf der ganzen Linie! [in geeignetes Mittel.
Schaffet Arbeit in den Randgebieten! Arbeitsbeschaffung für die InduslriebczirKe ist die dringendste Aufgabe des Tages. Der gestrigen Sitzung der böhmischen Landesvertretuug lag ein Antrag des Landesausschusses vor, welcher geeignet ist, einen Teil der sozialistffchen Forderungen au das Land zu befriedigen. Nach dem Entwurf soll das Land Böhmen die Garantie für de« Zinseu- und Amortisationsdienst für solche Anleihen der Bezirk« übernehmen, die für den Ausbau der Bezirksstraßen verwendet werden sollen. Der aus dies« Weise garanfierte Betrag soll Heuer 40 Millionen Kronen ausmachen. Im Namen des Klubs sprach dazu Genoss« Deistler, welcher eindringlich di« schreckliche Notlage der deutschen Jndustriebezirk« schilderte und verlangte, daß in erster Linie diesen am schwerste» betroffenen Kreise» Hilfe gebracht werde. Wir können nachstehend nur«inen kurze» Auszug aus seiner Red« bringen:
Die Aktion der Landesvcrtretung, den Bezirken beim Ausbau der Straßen zu Helsen , soll nun in ein akutes Stadium treten. Das Land Böhmen wird damit wichfige Pflichten erfüllen. Seit dem Bestand« des Finanzgesetzes sind die Bezirke nicht mehr in der Lage, ans ihrer ordentlichen Gebarung für di« Kosten der Erhaltung der Bezirksstraßen und um so weniger für den Neubau der notwendigen Straßen aufzukommen. Das Land hat auch die Pflicht, bei der gegenwärtig herrschenden Arbeitslosigkeit mit tätiger Hilf««inzugreifen. Solange dses« fürchterlich« Wirtschaftskrise dauert, muß dies« Aktion in erster Linie dort- hin gerichtet werden, wo die Arbeitslosigkeit am krassesten ist. Jen« Bezirk«, die vielleicht-in günstigeren Zeiten auf den Ausbau ihres Bezirksstraßennetzes ein größeres Augenmerk richten konnten, sind heute nicht in der Lage, aus eigenen Mitteln neue Straßen zu bauen. Sie sind ja kaum in der Lage, aus den laufenden Mitteln für die Erhaltung ihrer bestehenden Straßen aufzukommen. Die Katastrophe in den dentsdien Gebieten. Ich glaube, im Inneren des Landes Böhmen ist«au sich dessen noch zu wenig bewußt, wie entsetzlich die Berhältmsse in den Randgebiete« von Böhmen find! In jenen blühenden Gebieten, wo «inst Wohlstand und Arbeit für alle Menschen in Genüge vorhanden war, herrscht heute Not und bitterstes Elend. Biele Menschen sind— nicht seit Monaten, sondern seit Jahren!— nicht mehr in der Lage, Arbeit zu finden. Diese Arbeitslosen wären zu, jeder Arbeit bereit. Sie sind längst mit ihrer Unterstützung von feiten der Gewerkschaften a u s- gesteuert und müssen sich mit 20, ja mit 10 Kronen begnügen, die ihnen vom Staate, vom Ministerium für sozial« Fürsorge gegeben werden. Mit diesen kärglichen Beträge» müssen sie schon seit Monaten ihr Leben fristen. Di« Fabriken stehen still, die Maschinen verrosten und von Tag zu Tag hört«nd liest man von neuen Betriebsein- stell ungen. Unsere ganze Exportindustrie liegt heute vollkommen brach. Infolge der Zollschranken, die allerwärts aufgerichtet wurden, fft unsere Textilindustrie nicht mehr in der Lage gewesen, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten Wie es um den Braunkohlenbergbau beschaffen ist, brauch« ich hier nicht zu schildern. Aber auch di« Kaolin, und Ton- industrie ist heut« vollständig lahmgelegt. Was die Zollschranken nicht zuwage gebracht habe«, bringt unser heimisches Industrie» und Bankkwpital zustande.
Der Ausbau der Bezirksstraßen kann fühlbar zur. Linderung der Arbeitslosigkeit in manchen Gebieten beitragen. Er wird nur möglich soin mit Hilfe des Landes. Er wird aber nicht genügen, daß das Land die Garantie übernimmt, das heißt, für di« Verzinsung und Amortisation der von den Bezirken ausgenommen«» Darlehen sorgt. Es wird notwendig sein, daß das Land auch gegen» über den Bezirken die Sorge auf sich nimmt, di« notwendigen Darlehen zu beschaffen. ES hat sich heut« bereits bei den Geldinstituten ein« fühlbar« Geldknappheit gezeigt, und ich weiß nicht, ob di« Gcwährung der Verzinsung und Amortisation allein di« Bezirke auch tatsächlich in die Lage versetzen wird, das notwendige Kapital im Darlehenswcge aufzubringen. Im übrigen glaube ich, können diesem Antrag« alle vorbehaltlos zustimmen. Ich möchte aber nochmals Nachdruck darauf legen, daß dem Rechnung getragen werde, was ich im ersten Teil« meiner Ausführungen vorgebracht habe, daß nämlich vor allem solchen Bezirken H.ltzr gewährt wird, di« von frit Arbeitslosigkeit kn besonderem Maste heimgesucht find.(Lebhafter Beifall.) ♦ Die Abstimmung über den Antrag wird in her heutigen Sitzung erfolgen: ebenso wird über die anderen gestern verhandelten Punkt«, welche sämtlich bloß lokales Interesse haben, erst beute abgcstimmt werden. Zu Beginn her Sitzung hielt der Vorsitzende Vizepräsident 8 r o m hem verstorbenen Genossen Rudolf Rückl, Hessen Platz im Sitzungssaal mit roten Nelken geschmückt war, einen längeren Nachruf. In her Klubsihung, welche vorher stattfaud, gedachte Genosse Grund der Perdienste, welche sich Genoss« Rückl um hie Arbeiterbewegung erworben hatte. Nachfolger des Gen. Rückl in«r LondeSvertretung ist Gen. Franz K r«j L i-Trautenau. Genosse Dr. Czcch bei den tschechischen Me. tallarbeitern. Auf dem soeben beendeten Kongreß des Prager Metallarbeiterverbandes war auch Genosse Dr. Czech anwesend. Als er erschien, wurde er einem Bericht des„Pravo Lidu" zufolge mit frenetischem Beifall des ganzen Kongresses begrüßt. Genosse Dr. Czech dankte in längerer Rede. Er erllärte sehr erfreut zu sein über den Empfang, der ihm zuteil wurde und führte aus, er sei sich dessen bewußt, daß der spontane Beifall nicht seiner" Person galt, sondern der brüderlichen Zusammenarbeit der sozialdemokratischen Parteien und der Gewerkschaften. Auch für das Ministerium für soziale^Fürsorge begrüßte er den Kongreß.
35 Milk Wer WeNWueii. Bo« Christa Anita Brück . Eine halbe Stunde später geschieht das mit Fräulein Lindner, das Versteckte, Undurchsichtige und Verbotene. Im Hof ruft ein Händler Aepfel aus. Die steine Lindner reckt sich aus dem Fenster. ,Miegen Si« mir zwei Pfund ab, ich komme runter", ruft sie und eilt davon. Die Türen läßt sie hinter sich offen, unser« Tür und die Korridortür. Der Werberuf des ObsthäMers schallt durch das ganze Haus. Es ist niemand zur Korridortür hereingekommen oder hinausgegangen, wir hätten ihn sehen müssen. Dennoch ist die Tür plötzlich geschlossen, denn der Händlervuf dringt nur noch gedämpft herauf. Neben dem Büroeingang liegt der der Privatwohnung. Nur von hier aus kann die Korridortür geschlossen worden sein, und zwar in aller Heimlichkeit, sonst hätten wir cs gehört. Unten im Hausflur entsteht ein« gewisse Unruhe. Man kann nicht sagen, was es ist. Vielleicht ein Schrei, der schleunigst erstickt wird. Dann huschen Schritte die Treppe heraus und alles ist wieder still. Die kleine Lindner kommt und kommt nicht mit ihren Aepfeln zurück. Der Händler ist bereits weitergezogen. Wir hören ihn im Nebenhof« rufen. Fraulein Gauda arbeitet nicht. Sie starrt start und finster vor sich hin. Plötzlich steht sie aus, horcht mit offenem Munde nach dem Nebenzimmer, kneift entschlossen die Lippen aufeinander und geht hinaus. Auch sie läßt die Türen hinter sich offen. Ihre Absätze klappern die Stufen hinunter. Jetzt muß sie stehengeblieben |ein. Frau Suhl schließt an ihrer Kassette. Ihr
Gflicht ist merkwürdig rot anaelaufen. Ich seh«, wie sich lautlos die Tür zum Privatkontor öffnet, um einen winzigen Spalt bloß. Durch tnflen Spalt bann man Frau Suhl beobachten. Sie zählt ihr Gell», hält di« Augen auf die Päckchen gesenkt und murmelt mit den Lippen. Die Tür schließt sich wieder,'geisterhaft. Nun drückt Frau Suhl di« Hand aufs Herz und ringt nach Atem, als wäre sie um Tod und Leben gelaufen. Die Gauda kommt zurück. Sie geht an den Platz der Lindner und rafft deren wenige Hab- scligkeiten zusammen, ein Kämmchen, das Taschentuch, zwei emgewickelt« Schnitten und die Handtasche. „Haben Si« einen Mantel?" fragt sie flüsternd die Suhl . Di« wirst«inen zerhetzten Mick nach der Tür zum Privatkontor und legt den Finger auf den Mund. Auch di« Beckmann hat keinen Mantel mit. Es ist warm heute. Ich nehme den Schlüssel zu meinem Gar- deroberflchrank und gehe der Gauda voran. ,Zch muß wissen, war passiert ist", sage ich, ehe ich ihr den Mantel geb«. Wie ich chr jetzt in das junge Gesicht schau«, erkenn« ich deutlich: alle Härte, alle Unfreundlichkeit und Schweigsamkeit dieses Mädchens ist nichts weiter ali nicdergevungene Qual. „Sie hat sich ihr Kleid zerrissen", sagt sie und beschwört mich mit flehendem Blick. Es ist alles, was ich aus ihr heraushol«. Inge Lindn«r kommt nicht mehr wieder. Niemand fragt. Murawski hat acht Tage lang ein Heftpflaster vom rechten Auge bis zum Kinn. Auch davon wird nicht gesprochen. * Die Lauffungen gehen um fünf Uhr mit dem Versand aus dem Hause und kommen dann nicht mehr wieder. Die Expedition steht leer.