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Preußenregierung spricht:

Donnerstag, 21. Juli 1982.

Nr. 171.

Herr von Papen fälscht Geschichte.

Einsetzung des Reichskommissärs verfolgt Eine verlogene Rundfunkrede. Die Nazis als Hüter der Kultur.

andere Zwede.

Berlin , 20. Juli. Von der bisherigen der öffentlichen Sicherheit und preußischen Staatsregierung wird folgende Ver- Ordnung ist." lautbarung veröffentlicht: 3. Weil der Einsatz andere Zwecke verfolgt.

Die preußische Staatsregierung nimmt ein stimmig zu den heutigen Vorgängen wie folgt Stellung:

Die Einseßung eines Reichskommiffärs für Preußen, dem die gesamte vollziehende Gewalt übertragen wird, widerspricht nach An­schauung der preußischen Regierung der Reich 8- verfassung.

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Berlin, 20. Juli. Reichskanzler von Papen standen, die die staatsfeindlichen Kräfte der Kom hielt heute abend zur Begründung des Eingreifens munisten in eine Einheitsfront gegen die

des Reiches in Preußen eine Rede, in der er ausreiht. laufstrebende Bewegung der NSDAP ein­

führte:

Die Regierung war aber von dem Augenblid Als Reichskommissär für Preußen habe ich auf an zu eigenem Handeln verpflichtet, von dem an die Grund der mir erteilten Vollmacht, den bisherigen bisher nur aus parteitaktischen Gründen erfolgte preußischen Ministerpräsidenten und den preußi­

Die preußische Staatsregierung wird daher jofort den Staatsgerichtshof anrufen und bis zu fchen dessen Entscheidung den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragen.

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Die Feststellungen der letzten Zeit haben erge

en Innenminister Severing ihrer Aemter eni- Einschaltung der Kommunisten in eine Einheits­hoben. Die preußische Staatsregierung ist bereits front auch auf Maßnahmen verantwor am 19. Mai freiwillig zurückgetreten und hat seitlicher Regierungsstellen Preußens dem mir die laufenden Geschäfte gemäß Artikel 59 übergegriffen hat. In Kreisen der Reichsregierung wird es start bezweifelt, daß der Staatsgerichtshof eine der preußischen Verfassung geführt. Der neue Land­einstweilige Verfügung erlassen werde, wie sie in tag war auf Grund der vom alten Landtag, und 1. Weil kein Anlaß zu einer solchen der Regel nur in Zivilprozessen erfolge. Der zwar den Parteien der Weimarer Koalition herbei Maßnahme vorliegt; Staatsgerichtshof hat in der Tat in seiner bis- geführten Geschäftsordnung nicht in der Lage, die 2. Weil die Einseßung teine nötige herigen Praxis nur in ganz seltenen Fällen eine Wahl eines Ministerpräsidenten vorzunehmen. Die auf diesem Vorgang beruhende parlamentarische Maznahme zur Wiederherstellung einstweilige Verfügung erlassen. Bajis des geschäftsführenden Kabinetts ist ent­scheidend von der taktischen Haltung der kommu nistischen Partei abhängig, denn nach den Wahlen zum preußischen Landtag entfallen 47 Bro­zent der abgegebenen Stimmen auf die NSDAP. und nur 37 Prozent auf alle übrigen Parteien

Severing aus dem Amt entfernt.

ben, daß die weitaus überwiegende Zahl der schwe ren Unruhen nur auf Angriffe tommuni stischer Terrorgruppen zurückzuführen ist. Alle einzelnen polizeilichen Maßnahmen der ört­lichen Polizeiorgane haben eine dauernde und sichere Herstellung geordneter Verhältnisse nicht er­zielen können. Diese Aufgabe kann nur durch plan mäßige und zielbewußte Führung gc­gen die Urheber der Unruhen gelöſt

werden.

Die Reichsregierung hat die Feststellung machen

Berlin, 20. Juli. Der preußische Innen von Papen als Nachfolger Severings beſtimmten minister Severing, der um halb 6 Uhr feine Dr. Bracht mitgeteilt, daß die Grundlagen zu Amtsräume verlassen hatte und an einer Ron seiner Amtsenthebung nicht in Ordnung sind und und der. Rest von 16 Prozent auf die Kommuni müssen, daß die Entwicklung der politischen Verhält feren; der preußischen Minister teilnahm, die er sich daher nicht als befugt erachte, jeinen Sten. Sd will hier nicht im Einzelnen zu der Frage nisse in Preußen einer Reihe von maßgebenden

Dienstposten zu verlassen. Er verbleibe Stellung nehmen, wie weit man noch von geordne beim Minister Hirtsiefer als dem stellver- daher auf seinem Plaz. ten parlamentarischen Verhältnissen sprechen fann, tretenden Ministerpräsidenten stattgefunden hat, Des weiteren protestierte Grzesinsti gegen wenn durch die Haltung der einzelnen Parteien ist um halb 8 Uhr wieder im Ministerium des die widerrechtliche Abberufung des Polizeifomer fommunistischen Partei mandeurs He i mannsberg und des Polizei Schlüsselstellung eingeräumt wird. Innern erschienen. vizepräsidenten Dr. Weiß.

Um 8 Uhr abends erschien Dr. Bracht in Begleitung von Reichswehr- und Polizeioffi­zieren, die Severing zum Verlassen des Amts zwangen. Severing fügte sich der Gewalt und begab sich in seine neben den Amtsräumen gelegene Wohnung.

Grzesinski verhaftet.

Dr. Weiß und Heimannsberg ebenfalls.

Die kommunistische Partei Deutschlands erstrebt In den Nachmittagsstunden gegen halb nach ihrem eigenen Bekenntnis und nach zahlreichen 5 Uhr erschien Hauptmann Hauffe mit Feststellungen des höchsten deutschen Gerichts den 12 Mann Reichswehr im Gebäude gewaltsamen Umsturz der Verfassung. des Berliner Polizeipräsidiums, um Grze- ie arbeitet seit Jahr und Tag mit allen Mitteln an der Zerseyung von Polizei und Wehrmacht, sie sinski, Weiß und Heimannsberg versucht mit den verschiedensten Methoden die Zer­in Haft zu nehmen; die drei Herren störung der religiösen, sittlichen und kulturellen wurden in die Offiziersarrestanstalt in Grundlagen unseres Volkstums, und endlich ist es die KPD, die durch ihre illegalen Terrorgruppen Moabit gebracht. Gewalt und Word in den politischen Kampf hinein­Während der Abführung wurden in den getragen hat. Will sich das deutsche Volt diesen Tat Gängen des Polizeipräsidiums von Beamten jachen verschließen, will es außerachtlassen, daß die Tätigkeit der KPD einen beharrlichen Stampf gegen. Hochrufe auf die Republit ausgebracht.

persönlichkeiten die innere Unabhängig­feit genommen hat, alle erforderlichen Maßnah men zur Bekämpfung der staatsfeindlichen Betäti gung der KPD. zu treffen.

Wenn beispielsweise hohe Funktion näre des preußischen Staates ihre Hand dazu bieten, Führern der kommunistischen Partei die Verschleierung illegaler Terror absichten zu ermöglichen, wenn offen ein preußischer Polizeipräsi dent seine Parteigenossen auffordert, man möge die Kreise der Kommunisten nicht stören, dann wird die Autorität des Staates von oben her in einer Weise untergraben, die für die Sicherheit des Reichs unerträglich ist.

Der Berliner Polizeipräsident, Genoffe Im Verlauf der von mir als Reichskommissär Grzesinsti, hat Mittwoch vormittags feine Bereitwilligkeit ausgesprochen, seinen Dienst- Nach der Uebernahme der Geschäfte im Polizei- die Lebensgrundlagen von Staat, Kirche, Familie von Preußen angeordneten Maßnahmen hat jich posten zu verlassen und die Amtsgeschäfte seinem präsidium begaben sich der neue Polizeipräsident und Millionen von Einzelschicksalen bedeutet? Nein, herausgestellt, daß der bisherige preußische Innen­bon Generalleutnant von Rundstedt ernannten Welcher und der neue Kommandant der ich stehe vielmehr nicht an, in aller Offenheit zu minister, der verfassungsmäßig zu Recht erfolgten Nachfolger zu übergeben. Grzesinfti ging dabei Schuppolizei Polizeioberst Poten in die Poli- erklären, daß es die sittliche Pflicht jeder Regierung Verfügung des Herrn Reichspräsidenten nicht folgen von der Annahme aus, daß die gesetzlichen Grund- zeiunterkunft in der Friedrich- Karlstraße, ut ist, einen laren Trennungsstrich zwi wollte. Er hat erklärt, nur der Gewalt weichen zu lagen für seine Beurlaubung in Ordnung seien. dort das Kommando über die Schuppolizei zuschen den Feinden des Staates, den wollen. Nur aus diesem Grunde hat die Reichs Am Nachmittag hat er jedoch sowohl dem übernehmen. Die Uebernahme erfolgte pro- Serstörern unserer Kultur und den um regierung einer Ermächtigung des Reichspräsidenten Das Gemeinwohl ringenden Kräften folgend, den militärischen Ausnahmezustand für Generalleutnant von Rundstedt, als auch dem grammäßig. unseres Voltes zu ziehen, weil man sich Berlin und Brandenburg erklären müssen. Der zu dieser, dem einfachen und natürlichen Rechts militärische Ausnahmezustand wird selbstredend nur empfinden entsprechenden Folgerung nicht entschlie- so lange aufrechterhalten, als es die Herstellung ge Ben fonnte, weil man die jittlichen Elemente der sicherter Verhältnisse verlangt. Mein Wunsch, mit politischen Bewegung außer acht ließ, hat sich von den übrigen preußischen Ministern zusammen­Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr die Razuarbeiten, ist inzwischen durch einen Brief durch. difalijierung des politischen Kampfes gesteigert, weil frenzt worden, in dem die Herren es ablehnen, mit man sich in maßgebenden politischen Kreisen nicht mir zusammenzuarbeiten. Damit haben diese Herren dazu entschließen kann, die politische und selbst eine neue Sachlage geschaffen. moralische Gleichseßung von Kommu­Die Reichsregierung wird auf dem von ihr nisten und Nationalsozialisten aufzu­beben, ist jene unnatürliche Frontenbildung ent- als richtig erkannten Wege unbeirrt fortschreiten.

Die Antwort erfolgt am Wahltag!

Aufruf des Parteiverstandes.

Der Parteivorstand der sozialdemokratischen

Jetzt vor allem mit tonzentrierter Kraft Partei Deutschlands hat folgenden Aufruf zum Sieg der Sozialdemokratie am 31. Juli. crlassen: Die Eiserne Front hat ebenfalls einen Aufruf erlassen, der in ganz Berlin verbreitet wurde. Darin heißt es:

An die Parteigenossen! Der Kampf um die Wiederherstellung ge ordneter Rechtszustände in der Deutschen Repu blit ist zunächst mit aller Kraft am Wahltag zu führen. Es liegt beim deutschen Volt, durch seinen Machtspruch am 31. Juli dem gegentvär tigen Zustand ein Ende zu bereiten, der durch das Zusammenwirken der Reichsregierung mit den Nationalsozialisten entstanden ist.

Die Organisationen sind in höchste

leisten.

um

Bayern an der Seite der Preußenregierung.

Rechtsverwahrung beim Reichskanzler.

Die Organisationen der Eisernen Front sind zu einer Sißung zusammengetreten, die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die von den Organisationen der Eisernen Front ge­Der bayrische Ministerpräsident. Dr. Held gebenen Parolen sind zu befolgen. Jeßt muß hat an den Reichspräsidenten ein Telegramm ge­jeder wirkliche Kämpfer die Nerven berichtet, worin er mitteilt, daß er für die bayerische halten. Regierung beim Reichskanzler Rechtsver=

diese Provokateure fest!

Ein Aufruf der Gewerkschaften.

beim Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich auf Entscheidung der Rechts­frage ist von uns geschehen. Hessen auf Seite Preußens. Kampfbereitschaft zu bringen. Strengste Provokateure verbreiten unter Mißbrauch wahrung eingelegt und Entscheidung des Darmstadt, 20. Juli. Ucber den Standpunkt Disziplin ist mehr denn je geboten. Wilden des Namens der Eisernen Front Flugblätter, Staatsgerichtshofes über die Rechtsfrage bean- der hessischen Regierung zur Einseßung eines Parolen von unbefugter Seite ist Widerstand zu worin sie zum Generalstreit auffordern. Stellt tragt hat. An den Reichskanzler hat Dr. Held Reichskommissars in Preußen wird mitgeteilt: folgendes Telegramm gesandt: Die hessische Regierung hat sich seinerzeit Die Einfeßung eines Reichstommiffärs ebenso wie die anderen süddeutschen Regierungen an Stelle von Landesregierungen und die mit Nachdruck gegen die vom Reich verfügte Be­Amtsenthebung von Landesministern ist nach seitigung des Uniform- und Demonstrationsver­Auffassung des bayerischen Gesamtministe botes der Länder und gegen den Gedan riums mit der Reichsverfassung nicht vereinten der Einsehung eines Reichs bar. Die Notverordnung vom 20. Juli 1932 tommissars gewandt. Man begrüßt es dar berührt verfassungsmäßige Rechte aller um in Darmstadt, daß verschiedene Länder Länder und ihre verfassungszwecks Prüfung der Rechtsgültigkeit des Vor mäßige Existenz. Namens der baye- gehens der Reichsregierung an den Staats rischen Staatsregierung lege ich förmlich gerichtshof für das Deutsche Reich appellier: Rechtsverwahrung cin. Antrag haben.

Berlin, 20. Juli. Von den unterzeichneten| Volk von seinem höchsten Recht c Gewerkschaftsverbänden wird folgender Aufruf Gebrauch macht.

verbreitet:

,, Die neuesten politischen Vorgänge haben die deutschen Arbeiter Angestellten und Be­amten in große Erregung versetzt. Sie müssen trotzdem ihre Besonnenheit bewahren.

Noch ist die Lage in Preußen nicht end­gültig entschieden. Der Staatsgerichtshof ist an gerufen.

Die entscheidende Antwort wird das deutsche Volk, insbesondere die deutsche Arbeitnehmer­schaft am 31. Juli geben. Es ist die Pflicht aller gewerkschaftlichen Organisationen und aller Volksschichten, die auf dem Boden der Verfassung und des Rechtes stehen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen, daß diese Reichstagswahl stattfindet. Weder der Terror der Straße noch irgendeine verfassungswidrige Diktatur darf verhindern, daß am 31. Juli das

Der Vorwärts" zu den

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Ereignissen.

Berlin, 20. Juli. Die Verhängung des Aus­nahmezustandes in Berlin und Brandenburg und die Einsetzung des Reichskanzlers als Reichskom missär in Preußen ist selbstverständlich das Haupt­thema der heutigen Abendpresse.

Die vorbildliche Disziplin der deutschen Ar­beiter, Angestellten und Beamten iſt auch in diesen schweren Tagen unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Wir lassen uns die Stunde des Handelns von Gegnern der Gewerkschaften nicht bor­schreiben.

Berlin, den 20. Juli 1932. Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund. Allgemeiner Freier Angestelltenbund. Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands.

Gesamtverband deutscher Verkehrs- und Staats­

bediensteter.

Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten und Beamtenverbände. Allgemeiner Deutscher Beamtenbund. Deutscher Beamtenbund."

Der Abend", das Abendblatt des Vor­wärts", spricht von ungeheuerlichen und beispiel­losen Vorgängen. Die Staatsregierung werde zwar Instanzen anrufen, die eine sei der Staats­gerichtshof, die höhere Instanz aber, die zum Urteil über diese ungeheuerlichen Vorgänge be­rufen ist, sei das Volt. Es sei berufen, am 31. Juli fein Urteil abzugeben. Die Freiheit sei be­droht, nun erst recht: Freiheit.

Kommunisten für die Einheitsfront?

Zwei Moskauer Funkreden.

Berlin, 19. Juli .( T. R.) Großes Aufschen haben hier zwei im Mos: fauer Rundfunks gehaltene Meden erregt, durch die die Kommunistische Partei Deutschlands zum Aufgeben ihrer gchässigen Agitation gegen die Sozialdemo fraten aufgefordert wird.

In Deutschland rücke der Entscheidungskampf mit dem Fascismus immer näher und man müffe fich fragen, ob es nicht die höchste Zeit sei, cinen Burg­frieden der beiden Arbeiterparteien zu schließen. Vor allem müssen die Gewerk­schaften den inneren Kampf ruhen lassen, die deutschen Arbeiter müßten ein sehen, daß es um mehr als um ein politisches Programm gehe. Auf Jahr­zehnte hinaus könnte die Arbeiterschaft und jede Arbeiterbewegung durch den Fascismus gefnechtet werden. Deshalb ergehe an jeden Werktätigen der Ruf zur Einheitsfront, die vielleicht auch Kompromiffe notwendig mache. Erst wenn der gemeinsame Feind geschlagen sei, tönnten die Auseinsetzungen wiederauf­genommen werden.