Nr. 204.

Die geistigen Grundlagen der europäischen   Krise.

Ein internationaler Kongreß in Rom  .

Aus Rom   wird berichtet: Der von der italie­nischen Akademie der Wissenschaften für Ende Sep­tember einberufene Kongreß der Volta- Stiftung, der sich mit den Fragen der geistigen Grundlagen der europäischen Strise und den Bedingungen für ihre Lösung beschäftigen soll, wird eine große Zahl her­vorragender Gelehrter, Politiker und Schriftsteller in Rom   vereinigen. Für die Tschechoslowakei   wur­

den eingeladen und haben bereits zugesagt: Prof. Dr. Franz Wehr und Prof. Dr. San Nicolo.

reich erscheint.

Dienstag, 30. August 1982.

Der Ursprung des Lebens.

Bruno H. Bürgel  , weiten Kreisen scheinen es nach den Untersuchungen von Unna  durch seine früheren Bücher Aus fernen und anderen verschiedenartige Eiweißstoffe zu Welten", Vom Arbeiter zum Astronomen" sein, die in der Zelle mit- und gegeneinander ar und viele andere bekannt, veröffentlicht An- beiten, gegenseitige Spannungszustände in der fang September im Verlag Ullstein ein neues fleinen, lebenden chemischen Fabrik erzeugen und Werk Die Weltanschauung des so die Räder treiben. Unendlich kompliziert aber modernen Menschen". Wit Erlaubnis ist das Eiweiß zusammengesetzt; Atome von des Verlages veröffentlichen wir schon heute Stohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, den nachfolgenden Abschnitt. Phosphor, Schwefel bauen in verzividtester Weise

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Genoffen!

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Senoffinnen!

jeber Betriebsversammlung. jeber Gewertkhaftsversammlung jeber Genossenschaftsversammluna jeder Wählerversammlung jeber Frauenversammlung. jeber politischen Versammlung. jeber Bersammlung oder Sibung eine broletarifchen Organisation follt hr für di

die Eiweiß- Molekel, auf. Sehr schwierige Arbei­die fieinſten Bauſteine eines lebenden Körpers, Sozialdemokratische Barteipreff

intensivste Werbearbeit leifter

Gerichtssaal

Ein Gew sen hab' ich, aber tein Geld

eine bis dahin ganz unbekannte Krankheit auf, Vor einem Jahrzehnt etwa trat in Spanien  die sich nach Art der Epidemien sehr schnell aus ten von Emil Fischer  , Abderhalden und anderen Und ein Napoleon  - Kongreß. breitete. Die näheren Umstände bewiesen, daß Gelehrten haben Licht in diese Werkstätte des Aus Paris   wird gemeldet: Hier wird vom fannte Bakterienart anzusehen sei. Rätselhaft war als Erreger der Krankheit eine bislang unbe Lebens gebracht, ja man hat aus den Amino­Säuren eiweißähnliche Stoffe zu erzeugen ver 4. bis 6. Oktober der 2. Napoleon  - Kongreß statt- nur, woher die gefährlichen Kleinlebewesen mocht. Aber von da bis zur Erzeugung lebender Druck des Sonnenlichtes in das Weltall hinaus­finden, deſſen Hauptzweck es ist, das wissenschaftliche plöglich kamen und weshalb sie und ihre Wirkun- Bellen ist noch ein weiter Weg. Eine Taschenuhr Studium der Persönlichkeit Napoleons   und der Ergen auf den Menschen vorher nicht beobachtet besteht aus Rädern, Federn, Schrauben, Lagern Welt zur anderen zu gelangen vermögen. Die un getrieben werden können und so auch von einer haltung der Napoleon  - Erinnerungen in den ver- wurden. Damals griff ein bekannter spanischer usw., aber wenn wir diese Dinge in ein kleines geheure Lebenszähigkeit der Bakterien befähigt fie schiedenen Staaten zu organisieren. Zur Teilnahme Arzt eine Idee auf, die zuerst vor etwa sechzig Gehäuse hineinwerfen und durcheinanderschütteln, zur Ueberstehung solcher fosmischen Reifen, und hat sich auch die tschechoslowakische Napo- Jahren ein deutscher Kollege von ihm, Dr. S. GE. hundertmal und tausendmal, so entsteht noch wie tote Materie in Gestalt von Sternschuppen leongesellschaft angemeldet. Unter den Kon- Richter, geäußert hatte, nämlich, daß unter lange keine Taschenuhr daraus. Eine kniffliche Körperchen und Meteoren aus dem All zu uns greßvorträgen des Eröffnungstages befindet sich auch Umständen solche niederen Lebewesen aus dem Sache, wie in der lebenden Zelle die Eiweißmole fommt, so sendet vielleicht das Leben seine äußer die Ankündigung eines Vortrages des Vizeobmannes Weltenraum zu uns kommen könnten. In der füle aufeinander wirken, damit das Uhrchen tickt, sten Vorposten von Stern zu Stern.  der genannten Geſellſchaft, Dr. August, über die Tat, meinte der Spanier, hat man zuweilen den will ſagen zur Außenwelt in Beziehung tritt, Einflüsse der napoleonischen Idee auf die politische Eindrud, als ob solche plöglich auftretenden, bis Nahrung aufnimmt, verbrauchte Stoffe ausschei und soziale Entwicklung in Mitteleuropa  . Die Ver- dahin nie beobachteten Krankheiten ,, bom Himmel det, furzum einen Stoffwechsel" vollzieht, und anstaltung der Napoleon- Kongreffe ist von der fallen." Warum sollten nicht gleich den Stern  - eben das ist ja primitivste und selbstverständlichste Redaktion der La Revue des Etudes napoleoniennes" schnuppen und Meteoren, die ja Trümmer von Lebensäußerung; dadurch unterscheidet sich ja angeregt worden, die bereits das 21. Jahr in Frank- fremden Welten sind und in großer Zahl in erst der Rosenstock von dem toten Pfahl, an den unsere Erdatmosphäre eindringen, so primitive er angebunden ist! Lebensfeime, wie es die Bakterien find, zu uns als es Leduc in Nantes   und Professor Otto Was für ein gewaltiges Aufsehen erregte es, Eisenbrod von Bränden heimgesucht. Dieser gelangen können? Tage ereignete sich in der Umgebung von Eisen­Dieser Gedanke erscheint im ersten Augenblicklebende Kristalle" zu erzeugen. Lehmann in Karlsruhe   gelang, scheinbar brod eine ganze Serie von Bränden. So außerordentlich phantastisch. Dennoch ist er von Salze in Gelatine gebracht, erzeugen dort Ge Gewisse wurde das Haus des Fleischers Boh. Souret in hervorragenden Gelehrten sehr ernsthaft behandelt bilde, die eine verblüffende Aehnlichkeit mit pri Bratřitov mitsamt der ganzen Einrichtung voll- worden, so von dem bedeutenden Botaniker Fer- mitiven Lebewesen haben; sie bewegen sich wie fommen eingeäschert. Das Haus der Amalia dinand Cohn, dem weltbekannten Physiker Wiliene, wachsen, teilen sich, nehmen Formen an, die Machačna in Bzi brannte bis auf die Grund- liam Thomson, dem Schweden   Svante Arr- den Unfritischen fast davon überzeugen, hier mauern nieder. Der im Hause von Fr. Zasche in henius, der die aftronomischen und physikali- mitten in die Werkstatt des Lebens hineinzu­Benšina ausgebrochene Brand wurde binnen schen Möglichkeiten sorgsam berechnete. furzem gelöscht, da brach jedoch neuerdings ein Im Grunde interessiert man sich für diese Feuer aus, welches das Haus vollkommen ein- Frage vor allem deshalb, weil man irgendeinen äscherte. Die Gendarmerie verhaftete einen der Ausweg sucht aus dem großen Irrgarten, in den Mieter, der sich fürzlich gegen 20.000 K auf man hineingerät, wenn man sich mit dem ur Brand versichert hatte. Schließlich wurden in der alten Problem Leben" befaßt. Es ist dabei sogenannten Einschicht Vaček zwei Wohngebäude gleichgültig, ob der erste Lebenskeim hier oder durch ein Feuer vernichtet, das sich so rasch aus auf einem andern Planeten entstand. Wenn er breitete, daß an eine Löschung nicht zu denken war aber einmal entstand, durch irgendeine kompli­und die Töchter des einen Hausbesitzers nur wie zierte Zusammenwürflung der Atome der ver­durch ein Wunder sich retten konnten. schiedensten Stoffe, so kann er auch heute noch und fort und fort entstehen. Freilich, wir haben Tränengasbomben bei Tieß. Am Samstag folchen geheimnisvollen Urlebensstoff nirgends wurden Tränengasbomben in die Geschäftsräume angetroffen, und wenn man wirklich einmal eines Einheitspreisgeschäftes des Tie- Kon- glaubte, seiner habhaft geworden zu sein( wie zerns in Duisburg   geworfen. Der Ge- Huxley, der im Schlamm des Meerbodens eine schäftsbetrieb mußte eine Stunde unterbrochen schleimige, eiweißartige Maffe fand), erwies es fich später als Täuschung.

werden..

auf, daß es der Wissenschaft einmal gelingen Dennoch geben wir keineswegs die Hoffnung könnte, in die geheimnisvolle Werkstatt der Natur einzubringen und aus der Retorte Gebilde er stehen zu lassen, die hinüberführen zu den Ur­formen des Lebens. Faustens Famulus Wagner wollte den Homunkulus", den künstlichen Men­fchen, im gläsernen Kolben fristallisierend organi fieren; so weit versteigen wir uns heute nicht!

{ winter. golen, In ein Ehe mit einer Toten. In einer rheinischen Stadt wurde die Ehe eines aus Leipzig   stam menden Kraftwagenführers als ungültig erklärt, weil sich herausstellte, daß sich seine Ehefrau seinerzeit vor dem Standesamt mit dem Tauf­schein ihrer verstorbenen Schwester ausgewiesen hatte. Die Braut, die damals 33 Jahre alt war, hatte den Eindruck hervorrufen wollen, daß sie crst 24 Jahre alt wäre. Vor dem Gesetz war Die Urlebenszeit fannte sicher nur Einzeller, damit der Chauffeur mit einer Toten verheiratet. und wenn es der Forschung gelingen sollte, auch Beim Reinigen von Kleidern explodierten in nur die primitivste lebende Belle zu schaffen, wäre einer Berliner   Wohnung mehrere Benzinflaschen. das Problem im Kern gelöst. 3wei Frauen wurden dadurch so schwer ver- Ein vermessener Gedanke fürwahr! Jst das leszt, daß sie in den späten Abendstunden veraussichtslos? Es scheint doch nicht so. Es sind Eiweißstoffe, die die Zellen aufbauen, und zwar

starben.

Das Fünfmartstud.

Von Kurt Rudolf Neubert.

Ich beobachtete die Szene vom Nebentisch ous. Der junge Mann tat mir aufrichtig leid, aber jene vage Empfindung: Weiß man schließ lich, wer...?", die uns so oft an kleinen guten Taten hindert, hielt mich davon ab, für ihn Par tei zu nehmen. Es ging um nichts mehr, um nichts weniger als um ein Fünfmarkſtüd.

Ein Fünfmarkstück.

Es lag schon eine Weile auf dem Tisch, an dem die beiden Herren saßen und zahlen wollten. Der Ober war sehr beschäftigt und sagte immer: ich tomme sofort!" Als er das Fünfmarkstüd fajsierte und im Begriff war, dem älteren Herrn den Restbetrag herauszugeben, ließ sich der junge Mann sehr erstaunt, sehr verlegen, sehr verwirrt vernehmen: Verzeihung, aber das Fünfmart­stück gehört doch mir!"

Der ältere Herr jah ihn ebenso überrascht an. Nanu? Ich habe doch... vorhin..." ,, Verzeihung". wiederholte der junge Mann immer noch verlegen, ich habe dieses Geldſtück aus dieser Westentasche gezogen und es auf den

Tisch gelegt."

Da hört doch alles auf!" polterte der andere Herr los, ich weiß, was ich weiß. Ich habe das Geldſtück noch auf dem Bierunterjazz balanciert." Dent Ober war diese Auseinandersetzung peinlich. Er wußte auch nicht, an wen er sich nun halten sollte. Hilfejuchend wandte er sich an mich, aber ich zuckte die Achseln. Ich hatte nichts gesehen.

,, önnen der Herr nicht...?" flüsterte der Ober dem älteren Gast zu, der den Eindrud eines Wohlhabenden Mannes machte.

Aber ich denke gar nicht daran," fuhr der Serr auf. mein gutes Recht... mein gutes

Geld..."

Erlauben Sie!" warf der andere wieder ein." Wir alle sahen jetzt auf den jungen Wann und machten die Entdeckung, daß er blak. ver­legen und offensichtlich mittellos war.

schauen. Ohne Zweifel wirken sich da physi­falische und chemische Kräfte in fehr eigenartiger Weise aus, vielleicht durchaus so, wie sie sich in einzelligen Lebewesen auswirken, aber dennoch sind es eben noch keine Lebewesen, die wir vor uns sehen.

Indessen, es bestärken solche Arbeiten den Glauben, daß man bis zu dem großen Geheim­nis vordringen fanr, wenn nicht heut, so in hundert Jahren, und mit Recht hat man darauf hingewiesen, daß vielleicht die schöpferische Erden natur selber Jahrzehntausende brauchte, che sie aus einem Zwischenstadium zwischen unorgani scher Materie, aus einem Urschleim, der noch feineswegs lebende Zellen absonderte, die ersten, bakterienähnlichen Wesen erstehen ließ.

Aber es hat auch von jeher die Ansicht be­standen, daß primitive Lebenskeime von Anfang Form von sehr winzigen Körperchen, nach Art an überall im Weltall   vorhanden sind, es in der Bakteriensporen, durchschwirren und, auf irgendeinen Stern niederfallend, dort eben eine Weiterentwidlung einleiten, wenn die Verhält nisse auf jener Welt günstig liegen. Obwohl diefer Gedanke mit modernen Anschauungen über den Aufbau und das Werden materieller Teilchen nicht recht vereinbar ist, kann doch nicht bestritten werden, daß solche winzigen Bakteriensporen sehr wohl von einem Stern zum andern zu gelangen vermögen. Zu Milliarden werden solche winzi gen Lebenskeime in den höchsten Schichten unserer Atmosphäre schweben und sicher auch in den Luft­hüllen anderer, der Erde ähnlicher Gestirne. Wir wissen heute, daß solche Körperchen durch den

War unser Gefühl vielleicht im Anfang bei| erfüllen. Aergerlich über diesen Zwischenfall dem jungen Mann, jo mußten wir uns bei nähe- nahm sich der Herr noch eine Zigarre aus seinem rer Betrachtung doch sagen, daß der ältere Herr Etui und ging, ohne den jungen Mann noch ein­im Recht zu sein schien. Er konnte jedenfalls mal anzusehen. feinen Grund haben, sich ein Fünfmarkstüd an­eignen zu wollen, das ihm nicht gehörte. Aber der junge, verlegene, blaffe, offensichtlich mittel lose Mann? Bedeuteten für ihn nicht fünf Wart, was für den anderen vielleicht fünfzig Mart waren? Konnte hier nicht...? Der Ober und ich stockten in unseren Gedankengängen, unsere Blide fuhren auf den jungen Mann, der noch blasser, noch verlegener wurde, ja, konnte hier nicht eine Betrugsabsicht vorliegen?

Und wie um unsere Gedankengänge zu be stätigen, nahm der ältere Herr jetzt seine Brief­tasche hervor. Hier, bitte, sehen Sie: fünfzig. hundert, dreihundert Mart. Ein Scheck. Ich bin Besißer einer Metallwarenfabrif. Welches In teresse tönnte ich haben..." Er wies etwas verächtlich auf das Fünfmarkstüd, wenn es mir nicht tatsächlich gehörte..

Gewiß!" pflichtete der Ober höflichst bei und wandte sich jetzt an den jungen Mann: Sie zah len einmal Rinderroulade, 1.10 Mart." Darf ich bitten?"

Der junge Mann holte ein paarmal tief Atem, dann fagte er: Meine Herren, dieses Fünfmartstück gehört tatsächlich mir. Ich habe überhaupt nur dieses Fünfmartstück. Ich bin nicht Besizer einer Metallwarenfabrit, sondern Student, Werkstudent. Mit diesen fünf Mart wollte ich noch drei Tage leben..."

,, Doch!" dachte ich in meiner Ede. Mir schienen seine Erklärungen durchaus glaubhaft.

Der junge Mann jaß nach seinen Worten unentschlossen da, als wollte er nun alles über sich ergehen lassen. Zahlen fonnte er nicht. Das Fünfmartstück lag noch immer umstritten auf dem Lisch. Der wohlhabende Herr, der sich viel­leicht als das Opfer eines plumpen Trids alaubte, mate der unentschiedenen Situation nun e. Ende. indem er sehr entschieden die Rüd zahlung des Reſtbetrages forderte. Dem Ober blieb nichts anderes übrig, als seinen Wunsch zu

Eine Uebertretung des Alimentationsgesetzes. ter 1931 fann gegen jaumfelige Alimentations. Prag  , 29. August. Seit dem Gesetz vom 16. Fe­zahler nicht nur mit Zivillage und Exefu ion eingeschritten werden, sondern die Vernach lässigung der Alimentationspflicht wird auch als uebertretung ftrafgerichtlich verfolgt. Wenn dieses Gejes wirklich alle jene träfe, die im Besitz reichlicher Mittel, sich mit allen Kniffen um die Bezahlung der Alimente zu drücken suchen, wäre alles gut.

Leider ist die Pragis eine andere und wenn ein mal ein solcher Fall zur Verhandlung steht, ist der Angeklagte in der Regel ein armer Teufel, der selbst nichts zu beißen und zu brechen hat und die Anzeige geht von einer verzweifelnden Kindesmutter aus, die auf diese letzte Art versucht, vielleicht doch irgend wie ein paar Groschen zur Erhaltung des Kindes herauszuschlagen.

fungsgericht des GR. Vavra in zweiter In­Ein solcher Fall wurde heute vor dem Beru­it a nz verhandelt. Das Bezirksgericht hat den Ange­flagten freigesprochen, denn er hatte nach­gewiesen, daß er gleich nach der Geburt des Kindes arbeitslos geworden war und dem Erstrichter unterstützung nicht gut noch Alimente bezahlen leuchtete ein, daß man von der Arbeitslosen­könne. Trotzdem fühlte sich der Ankläger bemüßigt, zu berufen und so stand der Angeklagte, ein junger Arbeiter, der den allerbesten Eindruck machte, heute nochmals vor Gericht. gericht fam zu gleicher Ansicht wie der Bezirks­richter und bestätigte den Freispielt dh.

Der Vorsißende ermahnte den Angeklagten, nach Kräften seine Pflicht zu erfüllen: Sic müssen ein Gewissen haben!" Der Ange­flagte antwortete mit bescheidenem Freimut: Ein Gewissen hab ich schon, Herr Vorsigen der, aber Geld hab ich feins."- Bei der Mehrzahl derer, für die das Gesch bestimmt ist, ohne sie doch je zu erfassen, gilt die Umkehrung dieser schlichten Formel: Geld haben sie schon, aber fein Gewissen. rb.

Der obrigkeitliche Leumund.

Der junge Mann saß auf seinem Stuhl, als wäre er dort mit Striden gefesselt. Er hätte im Prag  , 29. August. Wir haben schon erlebt, daß Augenblid teine Worte, um sich aus seiner Er- professionelle Ladendie binnen starrung zu lösen. Vor einer Stunde war er mit Vorstrafen sich nach polizeilicher Auskunft eines ruhigen Schritten in dieses Lokal gekommen, das guten Leum und s" erfreuen. Wir haben auch letzte Fünfmartstück in der Tasche. Jetzt war er schon erlebt, daß das zuständige Gemeindeamt einem so etwas wie ein Zechpreller. Irgendein Mensch, Angeklagten einen sehr guten Rus" beschei der den Wahrheitsbeweis nur mit seiner wohl nigte, während ihn die Gendarmeriestation als gefüllten Brieftasche antreten konnte, hatte ihn wüstling, Säufer und Raufer" hinstellte. diesem Vorwurf ausgesetzt. Alle Indizien waren Jedenfalls ist es eine offene Frage, nach welchem gegen den jungen Mann. Sein Alibi die Maßstabe die demokratische Obrigkeit" die mora­Brieftasche- war lückenhaft. Und so mußte er, lische Beschaffenheit ihrer Untertanen" mißt. Opfer eines verhängnisvollen Indizienbeweises, So geschah es z. B., daß ein junger Mensch der das Lokal als Schuldiggesprochener verlassen, Religionsstörung" angeffagt war, weil er nachdem ihm der Ober noch eine dreitägige Bebei einem Gottesdienst im Rahmen der währungsfrist bewilligt hatte. Friedhofstür lehnend, eine Bigarette rauchte die Kirche steht mitten im Friedhof, also hat der Angeklagte einen heiligen Ort entweiht. Der sameidige Gendarmeriewachtmeister verprü gelte den Sünder mit dem Gummiknüppel- n geblich wegen Widerfeßlichkeit aber das mag hier dahingestellt ſein.

Nach einigen Minuten aber kam der wohl habende Herr lebhaft gestikulierend in das Lokal zurück. Er hatte sein Fünfmartstück in der Westentasche wiedergefunden. In Gedanken mußte er es, statt es auf dem Tisch liegen zu lassen, in die Tasche geſtedt haben. Inzwischen hatte der junge Mann sein letztes Fünfmartstück gezogen. Eine Weile lag es auf den Tisch, bis der Ober endlich kam...

Der Metallwarenfabrikant wollte alles wie­der gutmachen. Er deponierte bei dem Kellner einen Zehnmarkschein für den Werkstudenten, der in drei Tagen wiederkommen wollte, um die Rin­derroulade zu bezahlen.

In drei Tagen..." mußte ich denken und griff erschrocken nach meiner Brieftasche, als hätte man sie mir gestohlen, in drei Tagen..." Jch fühlte, in Erinnerungen, die ganze Trostlosigkeit dieser drei Tage

Tatsache ist, daß dieser selbe Gendarm berufen war, über den Leumund seines Widersachers als zu stä n dige Obrigkeit" zu berichten.( Die Leumund. note wird bei jeder Strafsache eingeholt und soll zur Beurteilung des Angeklagten dienen. was besonders bei zuerkennung von bedigten Strafen von Bedeutung ist.) Die Leumundsnote lautete sehr schlecht und der jugendliche Ange flagte ließ sich zu der Aeußerung hinreißen: Mit dem werde ich noch abrechnen." Der Einzel­richter, OGR. Formanet ließ diese Aeußerung fofort protokollieren, woraus zu schließen ist. daß die Sache noch ein Nachspiel haben wird Der junge Mann bekam übrigens zehn Tage Arrest unbedingt.

Auf der Straße sah ich mich öfter um. als hätte ich einen jungen Mann zu suchen. Einen blassen, verlegenen jungen Mann, der seit gestern Uns will scheinen, daß es nicht schaden würde nur eine Rinderroulade gegessen. Einen das Recht und die Pflicht des Richters zur freien Philosophieſtudenten. Ein anderer hätte sein Beweiswürdigung" auch auf die Betuni letztes Fünfmarkstück wohl heftiger verteidigt. dungen der Amtspersonen" auszudehnen. rb.