Sinzelprels 70 Heller. iElnschließlich 6 Heller Porto, 12 Jahrgang. Sonntag, 2 Oktober 1932 Nr. 233. Der Abwehrkainpf der Eisenbahner. Wichtige Beschlüsse des gemeinsamen Ausschusses. Memorandum au die Regierung und dre Parteien Prag , 1. Oktober. Gestern hielt der gemein­same Ausschuß der Eisenbahnerorganisationen, der im Namen^von 160.000 Eisenbahner spricht e^ne neuerliche Sitzung ab, um über die durch die ge­plante Gehaltskürzung geschaffene Situation zu beraten und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Einstimmig wurde beschlossen, der Re­gierung und den politischen Parteien ein Me­morandum über die Lage der Eisen­bahner zu überreichen. Weitere Entscheiduu- dungen betrafen die einzuschlagende Taktik und die Plakatierung einer, gemein? samen Kundgebung im ganzen Staats­gebiet. Der Ausschuß tagt in Permanenz und setzt alles daran, die drohende Gefahr von den Eisen« bahnern abzuwenden. Die Herabsetzung der Ge­halte und Pensionen, wie sie der Finanzminister beantragt, ist für die Eisenbahner u n t r ag b a r. Der gemeinsame Ausschuß erwartet, daß die Eisenbahner in jeder Phase sich der anßerordent- lich schweren Situation bewußt bleiben werden. Die in Umlauf gesetzten Gerüchte, daß die Ent­scheidung bereits gefallen sei, entsprechen nicht den Tatsachen. Ein Aufruf an die oeffenflKhhcit. Nichts als Vorbehalte. Europa -Ausschuß zur Stresa -Resolution. Genf , 1, Oktober. Der Europäische Studien­ausschuß billigte heute nach dreistündiger Sitzung den gestern vorgelegten Resolutionsantrag über die Konferenz von Stresa , nachdem der Bor­sitzende, der französische Ministerpräsident Her- r i o t, mit Rücksicht auf di« während der Debatte von verschiedenen Seilen zutage getretene Uneni- schlossenheit und die zahlreichen vorgebrachten Vorbehalte ausdrücklich aufmerksam gemacht hatte, daß die Resolution mit folgenden Vor­behalten gilt: 1. Die Recht« dritter Staate» bleib«» gewahrt. 2. Di« Regierung«» werde» ihre definitive Entscheidung treffen, bis sie die völlig durch­gearbeiteten konkreten Vorschläge erhalten haben. 3. All« vorgebracht«» Vorbehalt« werden in das Protokoll über die heutig« Sitzung auf. genommen und dem Resolutionsentwurf au- geschlossen. Trotzdem der Referent Bonnet erklärt hatte, es sei nicht notwendig, daß die in Stresa ver­tretenen Staaten ihre dort gemachten Vorbehalte wiederholen, betonte der englische Delegierte neuerdings die besondere Lage Englands, da- Getreideeinfuhrzölle und Getreidckontingente so gut wie nicht kenne, und wiederholte dänn di« englischen Vorbehalt« hinsichtlich der finanziellen und Garantieveerpflichtungen. , Der- russische Vertreter Litwinow gab seinen Zweifeln über die Wirksamkeit der Vor­schläge der Stresa -Konferenz Ausdruck und be­tonte. die Verbundenheit Rußlands mit deu übrigen Staaten, denen Rußland ein Viertel ihres Maschinenexportes abnimmt. Der italienische Delegierte de Michaelis hob in seinem Ueberblick über die Bedeutung der Arbeiten der Siresaer Konferenz den italienischen Standpunkt hervor, wonach keine Abhilfe zu er­warten ist, solangr an dem Ttresaer Programm nicht alle europäischen Staaten ohne Aus­nahme beteiligt sein werden. Der deutsche Delegierte Rosenkranz wieder­holte, daß Deutschland auf das Prinzip der bilateralen Präserenzverträge eingche, aber kein« weiteren Verpflichtungen übernehmen könne. Gegen die Resolution sprach sich Schweden aus, während sich Holland , Norwegen und eine Reihe anderer Staaten nur mit Vorbehalten der Resolution anschlossen. Der Vertreter der Tschechoslowakei erklärte, die tschechoslowakischen Erinnerungen seien schon in Stresa vorgebracht worden und bedürften keiner Wiederholung. Nach »er neue wiener Polizei­präsident Wien , J. Oktober(AR). Der Bundespräsi­dent ernannt« den Polizeivizepräsrdenten Dr. Franz Brandl zum Polizeipräsidenten, welcher Posten seit dem Tode Dr. Schobers unbesetzt war. Nonien- und Veterinär* abkommen mit Deutschland . Devisenverhandlungen ergebnislos.. Prag , 1. Oktober. Die handelspolitischen Ver­handlungen zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland , die im Laufe dieser Woche in Prag stattfanden, wurden mit einem Abkommen über Hopfen und über die Regelung einiger Beter'- närfragen abaeschleflcn. In der Frage der Ver­handlungen über gegenseitige Erleichteruugen bei der Zuteilung von Devisen konnte vorläufig?:n Abkommen nicht erzielt werden. Hindenburgs 85. Geburtstag. Die Nazis gratulieren. Berlin , 1. Oktober. Unter den Gratulanten zum morgigen 85. Geburtstag des Reichspräsi­denten von Hindenburg befindet sich auch eine ganze Reihe nationalsozialistischer Korporationen und Einzelpersonen. Die preußische Landtags­fraktion der Nazis verknüpft die Glückwünsche mit der Bitte:Mit Adolf Hitler für ein starkes Preußen und Deutschland '." Landtags­präsident K e r r l hat ausdrücklichauch im eigenen Namen" gratuliert. Auch der Reichstags­präsident G ö r i n g hat ein Glückwunschschreiben angekündigt. Das Ersuchen der ReichSrcgierung, aus die­sem Anlaß die öffentlichen Gebäude zu beflag­gen und Schulfeiern zu veranstalten, wurde auch von den Ländern mit einer nationalsozialistischen Regierung befolgt. Nur Anhalt hatte ursprüng­lich jede Feier zu Ehren Hindenburgs abgelehnt; diese Anordnung wurde jedoch heute von oer Landesregierung ausdrücklich widerrufen.' In dem Aufruf an die Oeffentlichkeit, der im ganzen Staatsgebiet plakatiert werden soll, wird u. a. darauf hingewiesen, daß seit der Zeit der Wirtschaftskonjunktur, in der die Bahnen im Jahresdurchschnitt 170.000 Bedienstete beschäftig­ten, deren Zahl durch die Auswirkung der Wirr­schaftskrise und durch die Arttobuskonkurrenz he- reits um rund 20.000, also um 12 Prozent, ver-, Pngert wurde. ' Bei der letzten Gchaltsregulierrmg im Jahre> 1927 wurden dre Gehälter und Löhne der Eisen-! bahner in den Borrückungsquoten und Endge-' Haltern um zehn Prozent niedriger,, als für die andern Staatsangestellteft bemessen., Seit 1929 bis heute sind eine Reihe ad mini­st r a t i v e r S p a r m a ß n a h m e n und Abzüge an den Bezügen der Eisenbahner durchgeführt worden, durch die ihr Gesamteinkommen bereits um mehr als 15 Prozent verringert worden ist. Bei der Einführung des Weihnachts­beitrages im Jahre 1930 wurden die Regie- ansprüche der Eisenbahner weiter empfind­lich g c k ü r z t, so daß sich die Eisenbahner nahe-. zu zwei Drittel des Weihnachtsbeitrages s c l b st bezahlen mußten. Die Eisenbahnbrdiensteten haben also schon in vollem Umfange zur Heilung der heutigen Finanzkrise des Staates beigetragen. Jede weitere Herabsetzung der Gehälter würde be­reits die Existenz der Eisenbahner gefährden, welche in der überwiegenden Anzahl aus ein durchschnittliches Monatseinkommen von 500 bis 700 lie angewiesen find. Die geplante Herabsetzung der Gehälter und Pensionen müßte sich auch ungewöhnlich schädlich auf unesren inneren Markt auswirken und eine Reihe von Kaufleuten und Gewerbetreibenden wäre direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz be­droht. Im gleichen Umfange würde auch die Produktion weiter eingeschränkt und neuerlich würden zehntauseude Arbeiter und Beamte der Arbeitslosigkeit anheimfallcn. Die Eisenbahner­verbände wenden sich daher an die gesamte Be­völkerung, um sie auf die Tragweite der be­absichtigten Maßnahmen aufmerksam zu machen..! Unterfertigt ist der Aufruf vom Verband' der Eisenbahner in der Tschechoslowakei , der Uftic Lelezniönlch zamöstnancü, der Jednota zamöst- nancü Lsl. drah und der Federaee strojvüdcü. Deutsch -belgische Kontingente. Brüssel , 1. Oktober. Ucber die heute zwischen den deutschen und belgischen Vertretern- erfolgte Einigung über die Kontingente für landwirt- . schaftliche Erzeugnisse erfährt die Agentur Belga: i Der Prozentsatz, auf dem die in Frage kommende . belgische Ausfuhr nach Deutschland herabgesetzt werden soll, schwankt zwischen 40 und 60 Prozent, j Dafür erklärt sich Deutschland mit der Kontin­gentierung gewisser deutscher Ausfuhrwaren in Belgien einverstanden, insbesondere für Holz, Kartoffeln und Milch. Belgien wird außerdem in den Genuß der Nachlässe treten, die die deutsche ! Delegation bei ihren bevorstehenden Verhandlun- gen Holland , Frankreich oder Dänemark gewäh- I ren sollte. iia lapanernassakre in der Mandschurei? Chardin , 1. Oktober. (Reuter.) einem bei der Verwaltung der oftchineflschen Eisenbahn eingegangenen Telegramm haben die Wachen an der Eisenbahn in der Mandschrei ge­meutert. In Mandschnli wurden 68 dort an­sässige Japaner getötet, in Puhatn drei und in Heu« neun. In Mandschnli besetzten di« Men- terer außerdem das japanisch« Konsulat. Das Schicksal des Konsuls und des übrigen Konsulats­personals ist noch unbekannt. Die Berechnung der Militär^ Krane Amerikas Standpunkt driftgt durch. Genf , 1. Oktober. Der Sonderausschuß der Abrüstungskonferenz für die Frage des zahlen- müßigen Standes beschloß heute vormittags, sich bei seinen Arbeiten an die Anträge zu halten, die gestern der amerikanische Delegierte Wilson im Sinne der Hooverschen Empfehlungen vorlegt«. Jft dieserl Anträgen werden zwecks Erleichterung der Berechnungen die Militarkräste in Polizei- Uftd Streitkräfte eingeteilt. Kontroiibericiit Uber Ungarn . Genf , 1. Oktober..Heute wurde der dem Völ­kerbundrat vorgelogte Bericht des Finanzaus­schusses über die finanzielle Lage Ungarns ver­öffentlicht. Das Finanzkomitee macht auf die Gefahr eines neuen Defizits im gegen­wärtigen Finanzjahre aufmerksam, wenn die ungarische Regierung nicht neue Budgetmaß­nahmen treff«, und wenn das Budget weiterhin durch Ausgaben, wie z. B. durch den Abgang der staatlichen Betriebe und des Bollette-Fonds, belastet wird. Dadurch würden auch allj Folgen und die Gefahr der Inflation, die aus der Störung des Budgetgleichgcwichtes entstehen würden, gegeben sein. Im ganzen ist inan der Ansicht, bäh' sich die gegenwärtige Lage Ungarns seit dem Monate Juni nicht wesentlich geän­dert hat. Englands Finanzlage alles andere als rosig. London , 1. Oktober. Die staatlichen Einnah­men während der ersten-Hälfte des Haushalts­jahres, die am 30. September zu Ende war, be­trugen rund 268.5 Millionen Pfund Sterling. Die Ausgaben in der gleichen Zeit beliefen sich auf rund 372.6 Millionen Pfund Sterling, so daß ein Defizit von über 104 Millionen Pfund gegenüber einem Defizit von über 118 Millionen Pfund gegenüber dem ersten Halbjahr des letz­ten Haushaltsjahres vorhanden ist. Normalerweis« wird im ersten Halbjahre des Budgetjahres allerdings bloß ein Drit- t e l allct Staatseinnahmen eingehoben. .Unberührbare" darf es künftig nicht mehr geben. Ahmedabad , 1. Oktober. (Reuter.) Gandhi soll seinen Anhängern gegenüber erklärt haben, er werde neuerdings in den Hungerstreik treten, falls nicht innerhalb eines halben Jahres das WortEin Unberührbarer" von der Stirne der Anhänger jener Kasten genommen werde, die mit diesem Worte bisher bezeichnet werden. Die Jugend marschiert! Heute marschiert die sozialistische Ju­gend! In allen Ländern, in denen sich junge Proletarier zum Sozialismus bekennen, wird heute der Internationale Jugend- t a g gefeiert. Die S o z i a l i st i s ch e Jugend­internationale, die alljährlich zu die­ser Veranstaltung aufruft, mustert von Jahr zu Jahr größere Anhängerscharen. Aus der losen internationalen Verbindung, die unter der regen Mitarbeit Karl Liebknechts im Jahre 1907 zu Stuttgart geschaffen wurde, ist eine mächtige Gemeinschaft geworden, deren einzelne Glieder erfüllt sind vom Bewußtsein der Zusammengehörigkeit. Der Kongreß der Sozialistischen Jugendinternationale, der im Laufe der kommenden Woche in Prag zusam­mentreten wird, wird von diesem inneren und äußeren Wachstum- Zeugnis geben. Die beson­dere Bedeutung des heurigen internationalen Jugendtages liegt fiir die sozialdemokratische Arbeiterbewegung der Tschechoslowakei darin, daß er den Prager Kongreß einleitet und ihn vorbereiten hilft. Der Internationale Jugendtag soll vor allen« W e r b e t a g sein. Er soll werben für die Idee der Internationale,. fiir die soziali­stische Jugendbewegung. In dieser Zeit, da die Mögen-es Nationalismus und desFascis- tnus in aller Welt hochgehc» und vor allem die Jugend erfassen, ist das Verkünden des internationalen. Gedankens, doppelt notwendig. Unsere sozialistische Jugendbewegung 1 hat auf diesem Gebiete gute. Arbeit geleistet. Sowohl der Sozialistische Jugendverband ist im. ver­gangenen Jahre gewachsen, als auch die Ju­gendbewegung unserer tschechischen Genossen. Noch bleibt aber das Entscheidende zu tun. Unübersehbar sind die Scharen jener Jugend­lichen, die dem Nationalismus oder dem bür­gerlichen Sport verbunden sind und so der Arbeiterklasse und ihrem Kampf entfremdet werden. Die Gewinnung dieser Jugend, rhre Eingliederung in di« sozialistischen Kampfrei- hen, ist nicht allein die Aufgabe der sozialisti­ schen Erziehungsorganisationen, sondern ebenso die Aufgabe jedes einzelnen Genossen und jeder Genossin. Sorgt jeder Bekenner des in­ternationalen Sozialismus dafür, daß seine Kinder zu Sozialisten erzogen werden? Wirbt er für den Sozialismus vor allem im Kreise seiner Familie? Am heutigen Tage geht der Rus an alle Sozialisten, an alle Partei­genossen und alle Gewerkschafter: k ü m m e r 1 euch mehrdenn je u m d i e Jugend! Gewinnt eure Kinder der sozialistischen - gendgemeinschaft! Heist mit, sic zum Sozialis­mus zu erziehen! Die heutige Heerschau wird aber unseren Jugendgenosscn und Jugendgenofsinnen selbst cjn Ansporn zu eifriger Werbearbeit sein. Groß sind augenblicklich die Widerstände, die ihrer Arbeit entgegensteht. Tie Wirtschafts­krise bringt es mit sich, daß tausende von Jungarbeitern, die früher an der Werkbank oder im Fabrikssaal Klassenbewußtsein in sich aufnahmen, überhaupt nicht in das Erwerbs­leben kommen, sondern aus der Schule direkt in die Erwerbslosigkeit hineinwachsen, auf« schwerste bedroht an Körper.und Geist., Nm diese Jugend, mit der das Schicksal und die berufsmäßigen Jugendverderber politischer und anderer Couleur Fangball spielen, geht vor allen: der Kampf. Ihr, die ein Opfor des zu­sammenbrechenden Kapitalismus ist,-ihre ge­schichtliche Aufgabe zu zeigen, sic zu lehren, daß«ine Neugestaltung ihres Lebens, eine Besserung ihres Schicksals nur möglich ist durch die Neuordnung der Gesellschaft, durch den Sieg des Sozialismus das ist da« Gebot der Stunde. - Die sozialdemokratische Jugend dieses Landes beweist durch ihren Kampf und.durch ihr« Arbeit, daß ihr das Bekenntnis zur In­ternationale nicht nur ein Lippenbekenntnis