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Sozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen ſozialdemokratiſchen Arbeiterpartei i.d.Iſchechoſlowakischen Republik .

12 Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Hitler im Abstieg:

Dienstag, 8. November 1932

Nr. 263.

Freie Bahn für die ,, legale Kontrerevolution"!

Die Nazi verlieren 15 Prozent Stimmen. Gewinn Hugenbergs.

Im marxistischen Lager: Anstieg der KPD , Verluste der Sozialdemokraten.

Berlin , 7. November. Der Reichswahlleiter gab um 3 Uhr früh folgendes borläufige amtliche Wahlergebnis bekannt( in Klammern das Ergebnis der Wahl vom Juli d. J.):

Abgegebene gültige Stimmen 35,379.011.

Mandate 582.

Nationalsozialisten

Sozialdemokraten

Kommunisten

Zentrum

.

Stimmen 11,705.256

Mandate

195

( 13,732.773)

( 230)

7,231.404

121

Prozentjaz 33,1 ( 37,4) 20,5

( 7,951.245)

2

( 133)

ST( 21,6)

5,970.833 P

100

606 16,8

h

( 5,278.094)

( 89)

( 14,5)

4,228.322

69

11,9

( 4,586.501)

( 75)

( 12,1)

Deutschnationale

3,061.626

51

8,6

( 2,172.941)

( 37)

( 5,9)

Bayrische Volkspartei

1,081.595

19

3,1

( 1,190.453)

( 22)

( 3,2)

Deutsche Volkspartei

659.703

11

( 434.548)

( 7)

Thüringischer Landbund

60.065

( 96.851)

( 2)

Deutsche Staatspartei

337.871

2

( 371.378)

( 4)

Christlichsozialer Volksdienst

412.523

5

( 364.749)

( 4)

Deutschhannoveraner

.

, 63.999

( 46.872)

( 0)

Wirtschaftspartei

110.117

2

( 146.061)

( 1)

Deutsche Bauernpartei

148.982

3

( 137.081)

Württemberg . Bauern und Wein­gärtnerbund

105.188

( 2) 2

Ohne Mandat verblieben u. a.: Deutsches Landvolk 46.486( 91.284, 1 Mandat); Volksrechtspartei 46.068; Sozialistische Arbeiterpartei 45.036 ( 72.569); Nationale Minderheiten 34.510( 34.967).

Die Reichstagswahl vom 6. September, Leute nicht zu halten vermochte, die das seit mehr als zwei Jahren die erste sozusagen Hauptkadre jeiner Offiziere und Führer ge­unsensationelle, ruhige deutsche Wahl alten stellt, die seine Kassen gespeist haben. Eine Stils, hat keine Ueberraschungen gezeitigt, schwere Krisenerscheinung für den National sondern durchaus jenes Ergebnis, das versierte sozialismus, aber auch ein Grund mehr für und vorsichtige Rechner vorausgesagt haben. ihn, zur Sicherung seines kleinbürgerlich­Noch sind keine großen Erschütte proletarischen Wählerstammes eine radikalere, rungen zu verzeichnen, noch bietet der sozial gerichtete Politik zu treiben. Während Reichstag im allgemeinen das gleiche Bild wie Hitler einerseits von Papen in die Zange ge­im Sommer, aber so gering die zahlenmäßigen nommen wird, zwingt ihn andererseits die Verschiebungen sein mögen, so deutlich zeich Flucht der bürgerlichen Wähler, noch heftiger nen sich gewisse Tendenzen der politi gegen Papen zu rebellieren. Aus dieser schen Entwicklung ab und zwar die Zwangslage einen Ausweg zu finden, wird Tendenzen zur parlamentarischen Festigung, die taktische Aufgabe der Nationalsozialisten zur Legalisierung" der Kontre- sein. Die Frage ist, ob Papen sie ihnen er­leichtern oder im Bewußtsein der Ueberlegen­

revolution.

Das bemerkenswerteste Ergebnis der heit noch erschweren wird. fonntägigen Wahl ist ohne Zweifel der Rück- Das Zentrum ist nach den vorüber­gang der nationalsozialistischen gehenden Erfolgen vom Sommer auf seine Mandatszahl zurückgefallen. Der Stimmen. Die Nazi verlieren gegenüber frühere

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der Wahl vom Juli mehr als zwei Millionen Verlust dürfte zum größten Teil auf das Stimmen, sie sind auf die Stimmenzahl vom Konto der Nichtwähler zu buchen sein, deren ersten Wahlgang der Präsidentenwahl zurüdes in der bürgerlichen Mitte mehr als auf geworfen und, verglichen mit ihrem, im den radikalen Flügeln gibt. Ist auch die Po­Reichsmaßstab nur zu schätzenden Reford vom sition des Zentrums noch stark genug, so wird Mai dieses Jahres( Preußenwahlen) dürften die Schwächung doch genügen, die Herren es gute zweieinhalb Millionen Stimmen sein, Brüning und Sea as gefügiger für die die sie nunmehr eingebüßt haben. Damit fällt Pläne der Papen und Schleicher zu machen. endgültig der Nimbus der Bewegung" damit So bereitet die Wahl auch in der republika­rüden die Nazi in die Reihe der befehdeten nischen Mitte der legalen Reaktion den Weg. und verspotteten ,, Parteien" ein, die nicht in Das wahrscheinliche politische Ergebnis mastürmischem Siegeslauf ans Ziel gelangen, werden daher aller Voraussicht nach Verhand­sondern in wechselvollem Ringen vieler lungen zwischen dem Präsidialkabinett und Kämpfe sich mit dem Gegner zu messen haben. jenen Parteien sein, die für die Bildung einer Da der Bann einmal gebrochen ist, wird es Reichstagsmehrheit in Frage kommen; das den Gegnern der NSDAP nicht zu schwer sind: Nationalsozialisten, Nationalsozialisten, Deutschnationale, fallen, sie weiter zu schwächen. Diese ersten| Zentrum. Zum Unterschied von dem vorigen Der Wahltag ist in Berlin wie auch im 514: 68 gegen die Regierung zwei Millionen waren die schwersten; wenn Reichstag fönnen Nazi und Zentrum allein Reiche erheblich ruhiger und reibungsloser ver­laufen als bei früheren Wahlen. Trotzdem die Berlin , 7. November. Der Vorwärts" Sitler so schlecht weitermanövriert, wird er feine Mehrheit bilden- auch das ein Erfolg Wähler das fünftes, ja das sechstemal im heurigen stellt bei seiner Betrachtung die Tatsache voran, die nächste Million im Handumdrehen ver- für Papen . Die Regierung wird von ihrem Jahr zur Wahlurne schreiten mußten, war die daß jetzt eine Abstimmung ein rechtsgültiges loren haben. Mit ihrer ersten sichtbaren Wahl- Programm einiges streichen müssen, den Rest Wahlbeteiligung mit 79 Prozent immer noch Mißtrauensvotum von 514 zu 68 Stimmen ge- niederlage haben die Hakenkreuzler aber auch wird die Koalition wohl schlucken und zwar ziemlich stark, wenn sie auch gegenüber den Juli- gen die Regierung bringen würde. Das Kabinett die Chance verloren, die sie seit dem Septem- um keinen höheren Lohn als um ein paar wahlen( 84 Prozent) etwas zurückgegangen ist. des Herrn von Papen habe daher zu verschwin ber 1930 jeder Regierung gegenüber hatten: Ministersessel, die sie sich nicht aussuchen, den und mit ihm die reaktionären Pläne gegen sie können nicht mehr erpressen. Bisher forder sondern die Schleicher ihr zuweisen wird. Ein Die beiden marxistischen Parteien, Sozial­die Volkssouveränität und die demokratischen demokraten und Kommunisten, haben zusammen Rechte des Volkes. Wenn von Papen dem Weißten sie drei Wochen nach jeder Wahl schon die Rücktritt Papens kommt jetzt, wo er allerhand um 26 Mandate mehr als die Nationalsozialisten, trauensvotum des Volkes nicht weichen will, o Neuwahl, weil sie auf das sprunghafte An Chancen auch im Reichstag hat, nicht mehr während bei den letzten Wahlen Hitler die Marri sei es die Pflicht des Reichspräsidenten , das ur wachsen ihrer Stimmen hofften und am Abend in Frage, höchstens wenn sein Nachfolger sten um acht Mandate überflügelt hatte. teil des Volkes zu vollstreden. des Wahltages schon drohen konnten, sie wür- nicht Hitler, sondern Schleicher hieße!

Der neue Reichstag muß spätesten am 6. Dezember zu seiner fonstituierenden Sigung

*

**

mit

Durch den Verlust von zwei Millionen Stim Den Anspruch der Nationalsozialisten auf den das nächstemal stärker wiederkommen. Tritt der unwahrscheinliche Fall ein, daß men bei den Nationalsozialisten und die nicht alleinherrschaft im Reiche betrachtet der Vor- Damit ist es aus. Nun kann Papen kühner Hitler die Komödie des Verfassungsschützers unerheblichen Berluste des Zentrums ist die im legten Reichstag vorhandene theoretische Mehr wärts" als erledigt. Die Genugtung über den noch als vor zwei Monaten seinerseits mit weiterspielt, daß er und das Zentrum sich auch heit einer schwarz- braunen Stoalition verloren Rückgang der nationalsozialistischen Wählerstim- der Neuwahl drohen, denn nun hat er die als Minderheit für die Weimarer Verfajjung gegangen, selbst wenn man auch die 19 Mandate men, werde für die Sozialdemokraten leider durch Drohung bereit: das nächstemal seid ihr noch und das parlamentarische Regime schlagen der bayrischen Volkspartei hinzurechnen wollte. die Tatsache getrübt, daß auch sie eine gewisse fleiner. Das wird zur Folge haben, daß die wollen, die sie als Mehrheit des Reichstages Eine bürgerliche Rechtsregierung wäre also Einbuße an Stimmen zu verzeichnen baben. Es Nationalsozialisten sich wohl oder übel den nicht vetten konnten, dann wird Papen den nur mit den Stimmen der Deutschnationalen gehe jetzt um die Frage, ob die kommunistische passen, sich bereitwilliger als bisher foalie Staatsstreich und weiteren Auflösungsakten parlamentarischen Verhandlungsmethoden an- Weg der illegalen Konterrevolution möglich, da die Volkspartei jede Regierungs- Partei gemeinsam mit der Sozialdemokratie ge- ren und auch zu offenen Kompromissen( nicht nun um so entschlossener fortseßen. beteiligung ablehnt. gen die Reaktion marschieren wolle. nur zu versteckiem Kuhhandel, wie sie ihn seit Die Wahlen haben also eine Klärung Jahren treiben) bereitfinden werden. Der gebracht oder doch eine Situation, die Das Berliner Tageblatt" überschreibt seinen schwerste Bremsklotz, der sich der junkerlichen zur Klärung drängt, weit stärker als die Artikel:" Papen und Hitler geschlagen". Das Reaktion auf dem Wege zur Legalisierung" vom Sommer. Damit findet aber auch die nicht wieder die Kommunistin Zetkin , sondern der Bolk wolle weder eine Diktatur Papens, noch der Kontrerevolution entgegenstemmte, der Sozialdemokratie die Plattform wieder, die nationalsozialistische General Lipmann sein, die Hitlers . Hugenberg habe sich wieder in die der 82 Jahre alt ist. Politik eingeschaltet. Es fönne jetzt kaum der Konkurrenzneid der Fascisten, das Monopol- ihr der 31. Juli entzogen hatte. Wille des Reichspräsidenten sein, daß die Serie bedürfnis Hitlers, ist weggeräumt. Jm marxistischen Lager, das trop der Abenteuer, die das Regime Papens von Miß- Aber ebenso beachtlich wie der Gesamt- allgemeinem Wahlrückgang( die Wahlbeteili erfolg zu Mißerfolg und das Volk von einer verlust der Nazi ist doch die auffallende Tat- gung jant von 84 wieder unter 80 Prozent) Die Reichsregierung wird sich am Mittwoch Beunruhigung in die andere führt, ins Endlose sache, daß sie anscheinend nur an ihre bürger- nur ein Mandat eingebüßt hat, ist eine mert­darüber schlüssig werden, in welcher Weise sie verlängert werde. Die Wahlentscheidung vom lichen Spießgesellen Stimmen verloren haben. liche Kräfteverschiebung eingetreten. Die Se nun vorgeht. Im Augenblick steht deshalb auch 6. November sei zwar gewiß nicht bequem, aber der Termin für einen Empfang der Parteiführer sie könne immerhin einem einigermaßen verstän- Das Anwachsen der deutschnationalen Stim- zialdemokratie verliert zwölf, die Kommuni noch nicht fest, ebenso wie die ganzen Modalitäten digen Regime die Möglichkeit der Zusammen men, das Hugenbergs Einfluß wieder steigert, sten gewinnen elf Size. Dieses Ergebnis ha kommender Verhandlungen erst vom Mittwoch arbeit bieten, wenn nicht die Person des Herrn die Erholung der Volkspartei beweisen, daß man in der Sozialistischen Internationale er­von Papen dazwischen stünde. Hitler im Kampf gegen den Herrenklub die wartet. Solange Hitler Opposition gegen den abhängen.

zusammentreten. Alterspräsident wird diesmal

Der Reichskanzler ist heute beim Reichs­präsidenten zu einem Vortrag über die politische Lage erschienen.