Nr. 266

Das Licht und der Schatten.

Freitag, 11. Rovember 1932

Volkswirtschaft und Gozialpolitik.

Genosse Frizz Rosenfeld, der be- Der Wirtschaftsplan der Zentralfozial- Versicherungs­anstalt für das Jahr 1933.

tannte Filmkritiker der Wiener ,, Arbeiter­ Zeitung " und Autor des Romans Die goldene Galeere", hält im Laufe der

Jahr 1933.

Seite 5.

Wie die Italiener den Duce ,, lieben".

Ein Genosse schreibt der Arbeiter- Zeitung ": Ich hatte in der vorigen Woche geschäftlich in Mailand zu tun. An demselben Tage war nächsten Woche in einigen unserer Gestern fand unter dem Vorsiz des Abg. Hiezu kommen jedoch noch die Zinsenerträgnisse, legenheit, zu sehen, wie der große Volksliebling auch Mussolini in Mailand . Da hatte ich Ge Organisationen Vorträge. Am Ant. Hampi eine Sigung des Ausschusses der so daß der im Jahre 1933 zur Anlage verfüge in Wirklichkeit beliebt sein muß. Es gab fast kein 16. November liest er auch im Rund Zentralsozialversicherungsanstalt statt. Verhand- bare Betrag mit K 555 Millionen veranschlagt saus in Mailand , auf dem nicht ein Plakat an­funt eine seiner Legenden. Die folgende lungsgegenstand war der Vermögensanlageplan werden kann. Erzählung ist die epische Fassung einer der Zentralsozialversicherungsanstalt für das Nach längerer Debatte wurde der Wirt alle sind mit Dir und für Dich!" In der Nähe geschlagen war mit den Worten: Duce, Duce, Freuger- Szene aus der Revue Das Echo schaftsplan genehmigt, demzufolge von dem veran befam aber fein Mailänder den Duce zu sehen. der Welt", die am 12. November zum Der Referent, Dir. Dr. Klumpar, wies schlagten Eingang an Versicherungsbeiträgen im Er war immer von einer unübersehbaren Schar. Republiking in Wien aufgeführt wird. darauf hin, daß die Zentralsozialversicherungs- Jahre 1933 für den Ankauf von Wertpapieren Das große Zimmer liegt in gespenstigem anstalt dem Ausschusse diesmal den Wirtschaftsplan B1 Millionen K, für sonstige pupillarsichere Wert fascistischer Leibwächter umgeben. Wie sehr Weus­51 folini um sein Leben bangt, sah man aber be­Salbdunkel. Ueber den mächtigen Schreibtisch in einer für die Volkswirtschaft und die Staats- papiere 55 Millionen K, für das Darlehen an den sonders deutlich bei der Abfahrt. Stundenlang mirft eine Lampe ihren gelblichen Lichtkegel. finanzen sehr schwierigen Situation vorlegt. Die Straßenfonds 125 Millionen K, an den Elektri­Mit langen Schritten geht Ivar Kreuger auf Zentralfozialversicherungsanstalt hat als Verwalterungsfonds 10 Millionen K, an den Wasser vor der Abfahrt kreuzten über dem Mailänder und ab. Er bleibt stehen, seine hageren Hände terin der Ersparnisse von Millionen ihrer Ver- wirtschaftsfonds 25 Millionen K vorgesehen sind. Bahnhof und über der ganzen Bahnhofsanlage wühlen in den Taschen, als suchten sie etwas. sicherten und als Gläubigerin des Staates und Weiter werden für Hypothekardarlehen nach dem ständig drei Flugzeuge. Der Bahnhof selbst Dann tritt er zum Schreibtisch. Viele Papiere der Kommunalverbände ein beträchtliches Interesse Gesetze über die Baubewegung 65 Millionen K, war von fascistischer Miliz besetzt. Die ganze liegen auf der dunklen, spiegelnden Platte. Er daran, daß die Budgets derselben in gesundem für Hypothekardarlehen auf vorwiegend indu Bahnstrecke war gesichert. Der Zug, schiebt sie durcheinander. Er steht auf die Uhr. Gleichgewicht seien. Deshalb ist sie bestrebt, bie striellen und gewerblichen Zwecken dienende Ob- mit dem ich fuhr, ging früher weg als der Son­Die Uhr tidt langsam; erbarmungslos regel- Wirtschaft durch die Förderung von Investitionen jette 50 Millionen K und für sonstige Sypothe- derzug, mit dem Mussolini reiste. So konnte ich mäßig zerschneidet fie die Zeit in kleine Stücke. zu beleben, und stellt ihren Wirtschaftsplan für das kardarlehen 30 Millionen K reserviert. Schließ- auf der Strede die Bahnsicherung sehen. Bei Endlich schrillt das Telephon. Kreuger greift nächste Jahr schon jetzt auf. Sie wird dadurch in die lich sind für Kommunaldarlehen 70 millionen K, jeder Weiche, bei jedem Signal, bei jedem Stra­nach dem Hörer. Er setzt sich nieder, seine Augen Lage kommen, schon vor Ablauf dieses Jahres mit für Meliorationsdarlehen( außer dem bereits an- ßenübergang standen Posten. Tausende Menschen glänzen. Die linte Hand, die den Hörer hält, der Bewilligung von langfristigen Krediten für das geführten Betrag für den Wasserwirtschaftsfonds) müssen aufgeboten worden sein, um das Leben zittert. Die rechte hängt kraftlos herab. Die Jahr 1933 zu beginnen und so beizeiten die Durch- 15 Millionen K, für Exportkredite mit Staats- Mussolinis zu schüßen, denn man sah als Bosten Stimme, die aus dem Hörer kommt, fließt wie führung unerläßlicher produttiver Investitionen er garantie 15 Millionen K vorbehalten, abgesehen nicht nur die fascistische Miliz und das reguläre Gift in seinen Körper. Er muß sie töten, er möglichen, durch welche die Arbeitslosigkeit gemin- von den bereits bewilligten Betrag von 8 Millio- Heer, sondern auch Karabinieri mußten zur Siche­muß sie zum Verstummen bringen, aber er hat dert werden soll. nen nach dem Gesetze über die staatliche Hilfe bei rung der Strede noch herangezogen werden. Auch nicht die Kraft, zu schreien. Ganz leise sagt er: Die ungünstige Wirtschaftslage spiegelt sich Elementarereignissen und einem Betrage von dort, wo es kein Signal und keine Weichen gab, " Ich verpfände Ihnen das rumänische flar in den sinkenden Einnahmen der 6 Millionen K, der zur Bezahlung des Grund- standen mindestens von hundert zu hundert Meter Monopol. Sie können einen Menschen, mit dem Sie zehn Jahre zusammengearbeitet haben, doch Bentralfozialversicherungsanstalt stückes für das künftige Gebäude der Zentral- zwei, drei Boſten. So reist also der heißgeliebte nicht fallen lassen. Warten Sie acht Tage." wieder. An Invaliditäts- und Altersversiche- sozialversicherungsanstalt auf der Letna refer- Führer Mussolini ." Stille. Am andern Ende des Drahtes spricht rungsbeiträgen wurden im Jahre 1929 K 649 viert ist. Millionen, im Jahre 1930 K 642 Millionen Gleichzeitig beschloß der Ausschuß der Zen­und im Jahre 1931 K 551 Millionen ein- tralsozialversicherungsanstalt die angeführten aufzugehoben. Im Jahre 1932 wird der Eingang an Quoten vorläufig nicht ganz zu erschöpfen, son­Schick- betragen und mit dem gleichen Betrage rechnet für den allfälligen künftigen Bedarf des staat- uns?" Versicherungsbeiträgen etwa K 500 Millionen dern einen bestimmten Betrag von jeder Quote auch der Wirtschaftsplan für das fünftige Jahr. lichen Investitionskredites zu reservieren.

das Schicksal. Das Schicksal sagt: Nein. " Ich werde versuchen, die Summe bringen. Warten Sie noch drei Tage." Am andern Ende des Drahtes, das fal, jagt: Nein.

Da steht Ivar Kreuger auf. Er ist über den Schreibtisch gebeugt, die rechte Hand, alle fünf Finger gespreizt, stentmt er gegen die dunkle, spiegelnde Platte; der Arm ist wie eine Säule, die feinen Körper stützt.

den Schwefelhölzern in der falten Winternacht nicht in eines der vielen hellen und warmen Häuser gegangen ist, deren Lichter die Straße Ich kann das Geld nicht aus dem Boden überglänzen. Man würde das arme Mädchen tampfen. Ich habe Unglück gehabt, das kann doch gern einlassen, es könnte sich an den Kamin jedem passieren. Ich bin kein Betrüger. So- seßen und seine erfrorenen Hände wärmen. Er­lange sie durch mich Millionen verdient haben, innerst du dich?" haben sie an mich geglaubt. Jezt glauben fie jedem Revolverjournalisten, der Märchen über mich erzählt."

Schweigen. Am andern Ende des Drahtes, das Schicksal, spricht. Die Membran des Tele­phonhörers erfüllt das Zimmer mit Surren. Man kann den Sinn der Worte nicht enträtseln, aber sie durchdringen den Raum und beherrschen ihn. Sie kommen von irgendwoher, von ganz weit, fie jagen in Drähten über Ozeane und Kontinente, sie überstürzen sich wie ein Wasser­fall, sie münden in ein Wort, das Kreuer trifft wie ein Keulenschlag. Es ist so gewaltig, es ist so entscheidend, daß er es leise nachspricht, nie mand soll es hören, nur die Stille, die als dunk­ler Mantel ihn umfängt: Gefälscht."

Er sinkt in den Sessel zurüd, der Hörer ent­gleitet seiner Sand, pendelt hin und her. Ob das Schicksal weiterspricht? Er hört es nicht mehr. Das Wort, das ihn fällt, ist gefallen. Das Schicksal am andern Ende des Drahtes eiß, was in der heimlichsten Heimlichkeit seiner Nächte an diesem Schreibtisch geschehen ist. Morgen wird es auf der Stirnfeite der Zei­tungen stehen.

Die gelbe Lampe wirft talten Schimmer über den Tisch. Seine Hände sind hager, Toten hände. Sie reißen die Lade des Schreibtisches auf, framen zwischen den Papieren, den bunt bedruckten Dokumenten, auf denen das Geschick der Staaten besiegelt ist. Unter den braunen und grünen Blättern, auf dem Grund der Lade, liegt der Revolver. Eiskalt fühlt der blaue Stahl fich an. Ob die Erde draußen so kalt ist, ob es

dort unten

Ivar Kreuger hat Angst. Riesengroß steht die Angst hinter ihm. Seine Rechte umklam­mert den Revolver, der Zeigefinger liegt am Abzugbahn.

Da wird die Angst, die hinter ihm steht, lein und schmal. Ihr Antlik hat nichts Furchtbares mehr, sie ist wie ein Kind, mit bleichen Zügen, eingefallenen Wangen, Augen, die vom vielen Weinen rot umrändert sind. Ein graues Tuch trägt sie um die Schultern, in der linten Hand hält sie einen braunen Karton, in dem winzige Schachteln mit Schwefelhölzern liegen. Und die kleine, blasse Hand der Gestalt senkt sich auf die Hand Jvar Kreugers, ist wie ein warmer Hauch seiner Haut, drückt den Re­volver nieder. Da blidt Kreuger auf. Seine Augen werden groß, aber ein Schleier liegt übr feinen Blicken. Die Jahre weichen zurüd wie eine Landschaft, die man schnell durchfahren hat. Die großen hlauen Augen des Mädchens, das hinter ihnt steht, sehen ihn mit seltsam mildem Glanze an. Die Stimme versagt, leise, fast flüsternd spricht Streuger in den dunklen Raum: Wer bist du?"

-

irgendwo

Bast du mich schon vergessen?" Ich habe dich einmal gesehen aber ich erinnere mich nicht mehr." An einer Straßenecke? Oder an vielen Straßeneden?"

Sinter dir steht eine Gestalt, die ich gut fenne. Jest weiß ich es. Meine Mutter hat mir von dir erzählt."

Es war an einem Winterabend in Stock Holm. Du hast damals geweint. Dide Tränen Tiefen über deine Wangen. Dann hast du deine Mutter gefragt, warum das arme Mädchen mit

Ganz dunkel erinnere ich mich. Draußen fiel Schnee..."

Schweigen. Kreuger sieht nur die Hand des Mädchens, die wie ein warmer Hauch auf seiner Hand und auf dem Revolver liegt.

Seit diesem Tage haben wir uns oft ge­troffen", sagte das Mädchen.

Ich bin in allen Ländern der Erde ge­wesen, in allen Städten, ich habe dich nicht ge­sehen."

Dein Auto fuhr zu schnell an mir vor­über. Ich habe dein großes, dunkelblaues Auto oft bewundert. Ich war stolz auf das Auto, denn ein winziges Stück dieses Autos gehörte doch mir."

Dir?"

" Mit jeder Schachtel Zündhölzer, die ich verkaufte, wuchs dein Reichtum. Von jedem Pfennig, den ich einstrich, nahmst du einen Teil für dich. Die silberne Schnalle an deinem Wagen, der kupferne Türklopfer an der Pforte deines Palastes, der leuchtende Stern auf dem Mastbaum deiner Jacht gehörten mir. Wenn es sehr talt war in den Winternächten, habe ich von deiner Jacht geträumt. Sie fuhr durch ein blaues Meer. Viele Blumen sah ich und die Sonne stand groß und warm am Himmel und ich streckte ihr meine erfrorenen Hände ent­gegen."

,, Warum bist du nicht zu mir gefommen?" Ich wußte, daß hinter der Tür deines Palastes ein großer Mann in einer glänzenden Uniform steht, der alle Bettler abweist."

Hättest du mir einen Brief geschrieben- ich hätte ihm den Auftrag erteilt, dich vorzu­lassen."

Ich hätte auf den Brief eine Marke kleben müssen das hätte bedeutet, daß ich drei Tage nicht essen durfte. Und den Brief hätte ein fremder Mann geöffnet, er hätte ihn gelesen und weggeworfen. Wie viele haben Briefe an dich geschrieben!"

Ich habe nie einen zu Gesicht bekommen." ,, Du wolltest sie nicht zu Gesicht bekommen. Du wolltest mich nicht sehen. Ich hätte mich auch nicht sehr fein ausgenommen an den Kaminen deines Palastes. Was hätten die Damen in den goldenen Gewändern und die Herren mit den vielen funkelnden Orden gesagt, wenn ich zwischen ihnen aufgetaucht wäre, eine Zündholzverkäuferin von der Straße?"

hätte."

Wenn ich mich nur einmal deiner erinnert Hattest du Zeit, dich zu erinnern? Du hast von der Nacht über die Erde geträumt, wie ich von einem Stüd Brot geträumt habe. Du bast mit Staaten gespielt, wie ich mit einer armen Kaße, die ich unter einem Haustor fand. Ich aber habe viel an dich gedacht. Jedesmal, wenn ich meine Streichholzschachteln anblickte, dachte ich: Da sitzt ein Mann in seinem Palast wie ein König und teilt Gnaden aus, und Men­schen kommen zu ihm und er bestimmt über ihr Schicksal. Aber ich habe nie begriffen, warum die Menschen zu dir kamen und worin deine Macht bestand."

,, Meine Macht bestand in dem Geld, das ich besaß, und in dem Geld, das ich aus dem Nichts hervorzaubern fonnte."

Geld? Ich kannte nur die kleinen Münzen, die man mir für meine Schwefelhölzer gab, und

für die ich mir ein Stück Brot kaufte und ein wenig Wilch für meine Kate. Ich kann mir zehn, zwanzig, fünfzig solche Münzen nebenein ander vorstellen aber mehr kann ich mir nicht vorstellen."

-

Wenn du viele Münzen gehabt hättest, tausend und aber tausend, was hättest du mit ihnen angefangen?"

Ich hätte alle Kinder der Stadt eingeladen und ihnen Kaffee und Kuchen gekauft. Ich hätte ein Haus bauen lassen für alle, die fein Obbach haben, und auf den Straßen Oefen aufgestellt für alle, die frieren. Dann wäre ich von Haus zu Hans gegangen und hätte gefragt, wo ein Kind oder ein Mann oder eine Frau ist, die hungert."

Und glaubst du, daß dein Geld ausgereicht. hätte, um all die Hungernden zu speisen, und für alle Menschen, die kein Obdach haben, Häuser zu bauen?"

Ich hätte mir ein schönes Kleid gekauft und wäre in deinen Balast gegangen. Wenn ich ein schönes Kleid gehabt hätte, hätte der Mann in der glänzenden Uniform nicht mehr gewagt, mich abzuweisen. Und ich hätte dich gebeten, mir etwas von deinem Gelde zu geben."

Und du glaubst, daß ich es dir gegeben hätte?"

,, Wenn du nein gesagt hättest, hätte ich alle Kinder der Stadt und alle Kinder der Welt, die an den Straßenecen stehen und Schwefel­hölzer feilhalten, zusammengerufen. Sie hätten sich um deinen Palast geschart und ihre großen, hungrigen Augen hätten dich angeblickt, wenn du ans Fenster getreten wärest."

Ivar Kreuger senkt die Blicke. Sein Herz flopft laut. In den Schläfen hämmert das Blut. Leise spricht er:

,, Warum kommst du erst jetzt zu mir? Du tommst zu spät!

Jch komme, dich holen." " Wer hat dich geschickt?"

" 1

Die Bettler haben mich geschickt, die an deiner Tür abgewiesen wurden, und die Jun­gen und Mädchen, die deine Schwefelhölzer ver­kaufen in den Straßen aller Städte der Welt, und denen du einen Teil von ihren Pfennigen wegnahmst, um deine Paläste zu bauen, und deine Automobile zu bezahlen."

,, Wenn ich ein armer Junge gewesen wäre, wie du ein armes Mädchen warst was wäre aus mir geworden?"

Groß werden die Augen Kreugers und starr: ,, Das hat mir mit anderen Worten ein anderer Mensch gesagt..."

Ich bin das Märchen von der Armut. Du bist das Märchen vom Reichtum. Wir mußten einander einmal begegnen." ,, Lag denn wirklich eine Welt zwischen Ein mildes Lächeln ist in den Zügen des Mädchens:

,, Eine Welt? Eine einzige, abgegriffene Kupfermünze lag zwischen uns. Jede Münze hat zwei Seiten. Die eine weist dorthin. wo Geld, Brot und Wilch und ein wenig Wärme bedeutet in einer dunklen Winternacht; die andre weist dorthin, wo das Geld zu einem Berg an­wächst, den man nicht mehr überschauen tann. Dort werden die Wienschen blind und taub und ihre Herzen werden hart."

" Ich habe das Geld geliebt, ich habe es um­worben, ich habe gekämpft um das Geld..." ,, Und es ist über dich hinausgewachsen und hat mit dir gespielt. Du hast das Geld genommen, wie ein Kind von einer großen, bunten Wiese die Blumen abpflückt. Das sind weiß, daß es die Blume mit seinen Händen brechen kann, aber es weiß nicht, wie die Blume wächst."

Die Augen schließt Kreuger vor dem Glanz dieser Blicke. Leije sagt er, niemand darf es hören:

Wenn ich sterben tönnte, wie du!" Leise sagt das Mädchen, niemand soll es hören, außer dem Mann, der mit gebeugtem Rücken, ge­schlossenen Augen, schlaff herabhängenden Arm an seinem großen, dunklen Tisch sizt:

Als ich starb, erlosch ein Streichholz, und ein Dichter weinte um mich. Wenn du stirbst, bricht ein gewaltiger Balast zusammen, der tau­fend Tote unter sich begräbt."

Du sprichtst mich schuldig? Ich habe davon geträumt, in Frieden sterben zu dürfen."

,, Ein Mensch, den die Menschen gefürchtet haben, kann nicht in Frieden sterben."

" Ich habe auch Gutes getan. Ich habe den Menschen geholfen."

Es ist die Stimme von andern Ende des Drahtes, die über die Weere und Länder spricht aus dem Mund des Mädchens:

,, Du hast ihnen Geld gegeben. Das Geld hilft immer nur sich selbst."

"

Warum sagst du mir das in dieser Stunde?" ,, Weil wir beide zueinander gehören, wie das Licht und der Schatten. Ich bin, weil du bist, und du bist, weil ich bin."

Da hebt Kreuger die Blicke und sieht die graue Gestalt mit den schmalen Wangen und den rotumränderten Augen, die jetzt funkeln wie im Fieber, groß und fragend an:

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,, Dann gehst du mit mir?" Ein Stück Weges werden wir wohl mit sammen gehen... Er wagt die Frage nicht, aber er muß sie stellen, sein Herz hämmert wie toll, seine Hände zittern: ,, Wohin?"

" Du hättest mit Schwefelhölzern oder Zei­tungen und Schuhriemen gehandelt an den Straßenecken und wärst eines nachts erfroren, Und das Mädchen spricht, es ist wieder die wie ich..." Stimme vom andern Ende des Drahtes, es ist Ganz leise fragt Ivan Kreuger, er hört die Stimme über Ozeane und Kontinente: selber seine Stimme faum: ,, Darauf gibt es feine Antwort." ,, Einen anderen Weg gibt es nicht?" Da wächst die Gestalt wieder, sie ist groß " Dem Mädchen, das an der nächsten Ecke und breit, aber sie ist nicht mehr furchtbar. Es steht und noch ärmer ist, einen Pfennig aus der ist viel Güte in ihren Zügen und jene durchsichtige Tasche stehlen, wenn es schläft. Den Weg Klarheit, die über dem Antlik derer liegt, die be­gibt es." reits hinübergegangen sind in das Reich der Schatten. Ueber seine Hand weht ein eisiger Hauch, kalt fühlt er den blauen Stahl unter seinen Fingern, er streckt die linke Hand aus, sie drückt den Tafter der Lampe, das Licht erlischt. Lang­fam hebt er die Rechte an die Stirn, und während für einen Augenblick die Landschaft seiner Kind­heit wiederersteht, die Stunde, da vor dem Kamin die Mutter ihm ein Märchen erzählt von einem fleinen Mädchen, das mit Schwefelhölzern gehan­delt hat und in einer Winternacht auf offener Straße erfroren ist, zuckt grell und scharf ein Senall auf. Es ist, als flammte für einen Herz­schlag ein großer, einsamer Stern im Zimmer. der sogleich wieder hinabstürzt in die endlosen Abgründe der ewigen Dunkelheit.

Den Lebenden fagt nur ein Dichter die Wahrheit. Die anderen Menschen sagen sie nicht einmal den Toten."

Da schweigt trenger. Dann fährt er auf, seine Hand ballt sich, seine Stimme ist hart und laut:

..Wer hat dich zu mir geschickt?"

Er wendet den Kopf zu dem Mädchen, aber er kann den Blick des Mädchens nicht aushalten der wie ein blauer, unheimlicher Lichtstrahl ist, aus einer anderen Welt herübergesandt in unsere Dunkelheit: